Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 84 Andreasstift 1300 o. 1306 u.?

Beschreibung

Grabplatte des Kanonikers Berzo sowie seines Onkels Wilhelm? und in Zweitverwendung des Vikars Johann Streyff. Oberer Teil an der inneren Südwestecke des Kreuzganges, unterer Teil ist der nordwestliche Stein im Boden der zweiten Nische. In zwei große Teile zerbrochene Grabplatte aus hellgelbem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien, die in einer halben Längszeile fortgesetzt wird; im Spiegel längs kurze kräftige Inschrift der Zweitverwendung.1) Auf dem kleineren oberen Fragment ist andeutungsweise in Ritzzeichnung der Oberteil einer gotischen Architektur mit zwei krabbenbesetzten Wimpergen zu erkennen. Bei beiden Bruchstücken Rand und Oberflächen bestoßen und abgewittert; an der linken Seite mit Verlust von zwei Zeilen beschnitten.

Maße: H.(berechnet) 223, B. 124,2) Bu. 8,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Rüdiger Fuchs) [1/3]

  1. + ANNO · D(OMI)NI · Mo · CCCo · VI / NON(AS)a) · IVLII · O(BIIT) · BERZO · CAN(ONICVS) · HVI(VS) · ECCL(ES)IE / · NEPOSb) · WIL[..... / ...............I]Xo · KAL(ENDAS)c) · MAR(TII)d) / [....................]e)

Datum: 7. Juli 1306 oder 2. Juli 1300; 21./22. Februar o. 1 März 13??.3)

Kommentar

Trotz des Substanzverlustes an der Oberfläche, durch den Abschlußstriche der C und E weitgehend verschwunden sind, lassen sich die Formen der Umschrift als den in Worms am Anfang des 14. Jahrhunderts belegbaren entsprechend nachweisen. Einzelformen wie kapitales N in DOMINI und NONAS mit dünnen Schrägstrich und hohe Bögen bei B und R kommen 1303 und bei Hochheimer Inschriften mehrfach vor; eine gewisse Schlankheit der Proportion ist ihnen gemeinsam.

Die beiden in Gemenglage mit Museumsbeständen gelagerten Bruchstücke gehörten zu den Grabdenkmälern des Andreasstiftes, weil der nachverstorbene Johannes Streyff als Vikar an dessen Katharinenaltar nachweisbar ist und in handschriftlichen Notizen im Museum der Standort St. Andreas explizit angegeben ist.4) Bei jenem Stift waren der Kleriker Berzo und ein Wilhelm freilich nicht zu identifizieren. Der ursprüngliche Zustand des Steines zeigte in Ritzzeichnung eine heute noch schwach erkennbare zweigliedrige gotische Architektur, unter der wohl die Figuren zweier Verstorbener standen; da diese Architektur in den heute erkennbaren Teilen nicht symmetrisch war, könnte es sich bei Wilhelm um einen Laien gehandelt haben, denn rechts oben sind im Hintergrund Gebäude und Zinnen erkennbar, während unter dem linken Wimperg wohl die Figur des Klerikers zu stehen kam. Für den Text besagt das, daß im verlorenen Teil eine Sterbenachricht zu erwarten ist, die Umschrift wohl in einem Stück gehauen oder wenigstens schon als Umschrift für zwei Personen konzipiert wurde und das fehlende Jahresdatum kaum weit von Juli 1300/1306 entfernt war. Die Reste von Buchstabenfüßen auf der beschnittenen Seite des größeren Fragmentes befinden sich nahe der zweiten Inschrift, die auf der Mittelachse angebracht ist; als Textergänzung käme also etwa in Frage: WILLELMI [Zuname und Sterbevermerk] IX · KALENDAS MARTII / [Jahr oder Segenswunsch].

Textkritischer Apparat

  1. Es gibt kein Indiz, das NONIS ausschließt; daß ein Trennpunkt fehlt, besagt beim Zeilenumbruch nichts.
  2. NENO‘ Mus.Inv. MG Nr. 17; der Ergänzung zu NE(C)NO(N) kann ich mich nicht anschließen, da der mittlere Buchstabe eindeutig als P, der letzte als hochgestelltes S zu lesen ist.
  3. Die Ergänzung zu KALENDAS ist hypothetisch. Da das überschriebene o linksverschoben über dem X steht, muß davor wohl eine I gestanden haben; das X zu einer Jahreszahl zu ergänzen, wäre ebenfalls möglich.
  4. A als offenes Minuskel-a überschrieben.
  5. Am beschnittenen Rand ist noch eine halbe Zeile von nicht mehr entzifferbaren Buchstabenfüßen zu erkennen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 340.
  2. Die beiden Teile messen 193 mal 79,5 u. 66,5 mal 124 cm.
  3. Vgl. bei Anm. a u. c. Dem 7. Juli 1306 ist ein gewisser Vorzug zu geben, da ein 2. Juli wohl eher mit dem Festtag Mariae Visitationis datiert worden wäre.
  4. Alte Aufzeichnungen Nr. 46.

Nachweise

  1. Mus.Inv. MG Nr. 5 u. 17.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 84 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0008402.