Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 64 Paulusstift 4.V.13. Jh.

Beschreibung

Spruchinschrift und Bildbeischrift des Engelsgrußes. Wandmalerei in der Nordwand des südlichen Oratoriums im Obergeschoß des Westbaues. Vier gemalte Heiligenfiguren, von links Katharina mit Rad, Erzengel Gabriel mit erhobener rechter Hand, Maria in demütigem Betgestus, Erzengel Michael, mit der Lanze einen Drachen tötend, an der Wand unter von freistehenden Säulchen getragenen Arkaden, nur Gabriel hält in der linken Hand ein Spruchband. Die bereits 1881 erwähnte Malerei wurde 1954 von ihrer zu kräftigen Übermalung befreit.1) Oberflächen teils abgeblättert, Kontrast vermindert.

Maße: H. 157, B. ca. 70, erh. Länge des Spruchbandes 122, H. 6, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel, vor 1300.

  1. [A]VE GRA(T)IAa) PLENA · D(OMI)N(V)Sb) · TEC(VM) +

Übersetzung:

Gegrüßet seist du, voll der Gnade; der Herr ist mit dir.

Kommentar

Die zentrale Darstellung der Verkündigung mit dem Gruß des Engels nach Lukas 1,28 stammt gemäß frühgotischem Faltenwurf, Schriftformen und baugeschichtlicher Einordnung nach Vollendung des neuen Westbaues aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Es gehört zu den Gesetzmäßigkeiten der Monumentalpaläographie, daß die Buchstabenformen von Wandmalereien gegenüber zeitgleichen auf Steinen fortschrittlicher sind; über das Ausmaß des Vorsprunges weiß man freilich mangels geeigneter datierter Malereien nur wenig. Daher sind die schon teilweise sehr entwickelten gotischen Majuskeln mit Unzialen und Abschlußstrichen sowie Schwellungen nur bedingt für eine Verschiebung der Datierung an das Ende des Jahrhunderts heranzuziehen.2) Dafür sprächen zumindest die zarten, weit hinausragenden Abschlußstriche bei C und E, ihre Ansätze bei A und teils erhebliche Differenzen bei den Strichdicken. Kompositorische Ähnlichkeit mit der Verkündigung des „Kölner Meisters“ im Wallraf-Richartz-Museum von um 1330 legt ebenfalls eine Spätdatierung nahe.3)

Textkritischer Apparat

  1. Sic; für eine Ligatur gibt es keinen Anhaltspunkt; über dem letzten A ein Kürzungsstrich.
  2. Das S heute sichtbar, DN Illert, Glatz.

Anmerkungen

  1. Glatz.
  2. Ohne eingehende Begründung für ausgehendes bzw. spätes 13. Jahrhundert Schneider u. Glatz.
  3. W. Braunfels, Die Verkündigung (Lukas-Bücherei zur christlichen Ikonographie 1) Düsseldorf 1949, Abb. 12.

Nachweise

  1. Schneider, Pauluskirche 9.
  2. Kdm. Worms 254 u. Abb. 124.
  3. Bauer, Baugeschichte Pauluskirche 17 Abb. 7.
  4. Illert, Worms 41 Nr. 39 u. Abb.
  5. Glatz, Mittelalterliche Wandmalerei 343 Anm. 4.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 64 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0006406.