Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 11 Dom, innen 1058

Beschreibung

Weiheinschrift der romanischen Nikolauskapelle, heute im Domarchiv.1) Kleine Tafel aus weißrotem Marmor mit zwölf Inschriftenzeilen in von dünner Linie gerahmtem Feld, nach Falk ehemals in der Mauer links eines Einganges angebracht, wohl gemeint der heutige Zugang vom Domseitenschiff aus.

Maße: H. 43,5, B. 46, Bu. 2,2 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Rüdiger Fuchs) [1/1]

  1. ANNO D(OMI)NICAE INCARNAT(IONIS) / · M(ILLESIMO)a) · L · VIII · INDICT(IONE) · XIIb) · II · K(A)L(ENDAS) / OCTOB(RIS) · DEDICATA E(ST) HAEC / CAPELLA AB ARNOLDOc) · HVIVS / SEDISd) EP(ISCOP)O · IN HONORE(M)e) · D(OMI)NI / N(OST)RI IE(S)V CHR(IST)If) ET VICTORIOSISS/IMEg) S(AN)C(T)Eg) CRVCIS · ET S(AN)C(T)Eg) MARIAEg) / VIRG(INIS) · ET S(AN)C(T)OR(VM) NICOLAI EP(ISCOP)I · / HIERONIMI P(RES)B(ITE)RI · STEPHANI / P(RO)TOM(ARTYRIS) · MARCELLINI M(ARTYRIS) · / CORNELII · ET CYPRIANI M(ARTYRVM) / WALTBVRGISh) V(IRGINIS) · DE SEPVLCRO D(OMI)NIi)

Übersetzung:

Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1058, in der 12. Indiktion, am Tag vor den Kalenden des Oktober, wurde diese Kapelle von Arnold, dieses Sitzes Bischof, geweiht zu Ehren unseres Herrn Jesu Christi und des allersiegreichen heiligen Kreuzes, der heiligen Jungfrau Maria, des heiligen Bischofs Nikolaus, des Priesters Hieronymus, des Protomärtyrers Stephan, des Märtyrers Marcellinus, der Märtyrer Cornelius und Cyprian und der Jungfrau Walburga, (?) vom Grabe des Herrn.

Kommentar

Wegen des Fundortes gilt es als sicher, daß die anscheinend erst infolge der Kriegszerstörungen lange Zeit verschollene Inschrifttafel von dem romanischen Bau in den gotischen Neubau der Nikolauskapelle überführt wurde; Nikolaus steht eben auch an erster Stelle der Heiligen nach Maria.

Die Charakterisierung der handwerklich höchsten Ansprüchen genügenden Buchstaben ergibt eine fast ausschließlich von Kapitalbuchstaben geprägte Schrift mit Kürzungen und Buchstabenverbindungen, die der Mitte des 11. Jahrhunderts angemessen ist, jedoch in den nicht von Zusammendrängung betroffenen Stellen am Ende und in der Mitte eine noch klassisch-karolingisch geprägte Kapitalis aufweist. Lediglich ein einziges unziales E in EST, ein verunglücktes unziales H in HONOREM und eingerollte Cauden eines G sowie kapitale E caudatae weichen beträchtlich davon ab. In Qualität und Regelmäßigkeit ragen die Buchstaben unter allen benachbarten und zeitgenössischen Steininschriften des weiteren Mittelrheines hervor; technisch und gestalterisch übertrifft die Herstellung der Sporen die zeitnaher Steine, etwa des Wignand-Steines in St. Stephan zu Mainz oder der Weiheinschrift von Niederschlettenbach/Lkrs. Pirmasens,2) bei weitem.

Die frühe Nikolauskapelle darf als Ausstrahlungszentrum der Verehrung des Heiligen im Wormsgau gelten.3) Durch eine ähnlich lautende Inschrift hatte Bischof Arnold (1044-1065) auch seine Weihe der Stephanskirche am Bischofshof kund machen lassen.4)

Textkritischer Apparat

  1. Über dem M Kürzungsstrich.
  2. Gegen Otte Anm. 2 ist die Indiktion richtig berechnet, da man die Anwendung des bedanischen Anfanges am 24. September voraussetzen muß.
  3. O inseriert.
  4. AEDIS Hertzog.
  5. Unziales H zu minuskelartigem b verhauen.
  6. Buchstabenbestand: IHV XPI mit Kürzungsstrichen.
  7. E mit Cauda.
  8. Über dem V rechts versetzt einem Trema ähnliches Zeichen, wohl jüngere Zutat oder Beschädigung.
  9. Am Ende gedrängt; Formularbruch; ähnlich zur Formel „reliquiae ... et de sepulcro Domini“.

Anmerkungen

  1. Herrn Dompropst Eckart Wolff u. Frl. Michaela Küper, Worms, ist für Hilfe und Information zu danken.
  2. DI II (Mainz) Nr. 655; Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Landkreises Pirmasens, bearb. von A. Eckardt u. H.E. Kubach (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 2) München 1957, 425 u. Abb. 379f.
  3. Brück.
  4. Vgl. vorangehende Nr.; beide Vorgänge waren auch durch die Bischofschronistik bekannt, vgl. Zorn, Chronik bei Arnold 43.

Nachweise

  1. Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 206r-v.
  2. Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie 4II 824.
  3. Falk, Bildwerke 5f.
  4. Kdm. Worms 157.
  5. Kraus, Christliche Inschriften II 78 Nr. 167.
  6. O. Schmitt, Die Nikolauskapelle am Wormser Dom. Kunstgeschichtliche Würdigung zur Neueinweihung am 21. Dezember 1930. Worms 1930, 2.
  7. Wentzel, Art. Bauinschrift Sp. 46 Nr. 4.
  8. Illert, Regesten 31.
  9. Kautzsch, Geschichte und Würdigung 220.
  10. Brück, Nikolaus-Patrozinien 44.
  11. Hotz, Dom 23.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 11 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0001109.