Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 6† Dombereich 9.-10. Jh.?

Beschreibung

Namen als Grabinschriften. Platz auf der Domsüdseite, zu Dom und Johanniskirche gehöriger Friedhof. Auf der inneren Seitenwand (A) und auf der Unterseite des Deckels (B) eines schon im 19. Jahrhundert verschollenen, wohl römischen Sarkophages einzelne Namen.

Nach Lange.

Maße: H.(Sarg) 8 Fuß, B.(Sarg) 3 Fuß.

Schriftart(en): Kapitalis, karolingisch(?).1)

  1. A

    VVOFFLINa)

  2. B

    FRIDEKINb)

Kommentar

Der Abriß des Domkreuzganges bis 1832 und der Johanniskirche bis 1808 hatten zu einer völligen Umgestaltung der Südseite des Domes geführt; bei weiteren Arbeiten wurden 1834 20 Steinsärge gefunden, darunter römische, wie eine Inschrift beweist.2) Alle Sarkophage enthielten mehrere Gebeine und waren daher im Mittelalter mehrfach benutzt worden. Die oben genannten Vornamen fügte man bei solchen Gelegenheiten hinzu.

Ein Datierungsansatz ist aus drei Indizien zu gewinnen, die für sich und zusammen nur einen größeren Zeitraum eingrenzen können: Paläographisch genügt die Charakterisierung „rohe lateinische Uncialschrift“ ohne zu W verschränkte V für A und „in gefälligen besseren Zügen“ für B nur unter Vorbehalt für die Eingrenzung auf vor 1000, da man die Durchführung der Verschränkung wie auf der Mainzer Willigis-Tür nicht als Indiz für ein eingebürgertes Verfahren der Schriftgestaltung ansehen darf.3) Anbringung und Text lassen zudem keine sehr regelmäßige und künstlerisch durchgestaltete Schriftausführung erwarten.

Die Art der Anbringung der Namen weist in eine Epoche zwischen der frühchristlichen Praxis der Grabsteinsetzung und hochmittelalterlichen Grabschriften nach der Aufweichung des Kennzeichnungsverbotes.4), so daß man mit gewissen Vorbehalten in das 9.-10. Jahrhundert datieren könnte. Jenem Zeitraum widerspräche auch nicht die altdeutsche Form der Namen; WOFFLIN aus dem Stamm „VOP“ oder „VULFA“ setzte Förstemann auch ins 10. Jahrhundert.5) Andere Datierungsvorschläge, 6./7. Jahrhundert nach Lange, 6.-8. Jahrhundert nach Becker, gingen von ungelenker Schrift aus, ohne daß man aus den wagen Beschreibungen notwendigerweise auf rheinfränkische Schrift vorkarolingischer Zeit schließen dürfte,6) und zogen für hohes Alter in Betracht, daß Verbote von Mehrfachbestattungen seit dem ausgehenden 6. Jahrhundert ständig wiederholt wurden;7) dieses Argument ist nicht beweiskräftig. Selbst bei möglicher Ausdehnung des Entstehungszeitraumes vom 7. bis zum 11. Jahrhundert gibt es keinen Grund, Wofflin/Wölflein als Namen des Steinmetzen anzusprechen.8)

Das Verfahren, einen Namen ohne weitere Ergänzung quasi als Identifizierung des Grabes und der Verstorbenen innen in einem Sarkophag anzubringen, hat als äußerst selten zu gelten. Le Blant fand im alten Gallien für den Einzelnamen nur den sicherlich nicht vergleichbaren Eutropius-Sarkophag in Saintes.9)

Textkritischer Apparat

  1. WOLFLIN Steiner; kaum aus eigener Anschauung.
  2. Zu FRIDEKIN(D) ergänzt bei Kraus.

Anmerkungen

  1. Als Charakterisierung der Schrift gibt Lange „altfränkisch“ im Gegensatz zu „gotisch“, was noch wenig einschränkt; wohl vor dem 11. Jahrhundert anzusetzen ist das noch nicht verschränkte W; zu weiteren Indizien vgl. unten.
  2. Vgl. folgende Nr.; zahlreiche der in Worms gefundenen und im Mittelalter wiederverwendeten Sarkophage waren römisch, so auch einer der Saliergrablege mit römischer Inschrift, vgl. CIL XIII 2,2 Nr. 11709a.
  3. Vgl. DI II (Mainz) Nr. 5 u. unten Nr. 15.
  4. Schon bei Theodulf von Orléans und besonders im Concilium Treburiense (895), vgl. Ariès, Geschichte des Todes Kap. 5 u. Fuchs, Katharinenkirche Oppenheim 136ff.
  5. Förstemann, Altdeutsches Namenbuch I Sp. 1636 u. 532.
  6. Vgl. Bauer, Epigraphik 5ff. zu „römisch-christlichen“ und fränkischen Schriften.
  7. Schon in den Konzilien von Autun (573-603?) cap. XV und Mâcon (585) cap. XVII, vgl. Concilia aevi Merovingici, hg. von F. Maassen (MGH Conc. I) Hannover 1856, 181 u. 171.
  8. Gegen Lange 157.
  9. Le Blant, Inscriptions chrétiennes II Nr. 579.

Nachweise

  1. Lange, Geschichte der Stadt Worms 156.
  2. Klein, Ludwigsbahn 102.
  3. Steiner, Codex inscriptionum I 285 Nr. 601.
  4. Becker, Älteste Spuren des Christentums 7.
  5. Brambach, Corpus inscriptionum Rhenanarum 175 Nr. 880.
  6. Weckerling, Römische Abteilung I 23.
  7. Kraus, Christliche Inschriften I 14 Nr. 22.
  8. Boos, Städtekultur I 129.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 6† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0000606.