Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 737 Martinsstift 1687

Beschreibung

Grabplatte des Dekans an St. Martin Peter Dorn. Innen an der Westwand des nördlichen Seitenschiffs, im Boden des Kreuzgangwestflügels bei Bauarbeiten ab Dezember 1969 gefunden.1) Hochrechteckige Platte aus hellgelbem Sandstein mit rollwerkgerahmter 13zeiliger Inschriftentafel unter Wappenmedaillon, das von Voluten und reichem Blattwerk umgeben ist. Über dem Wappen Kelch, darunter Sanduhr; unter der Schrifttafel Totenschädel wie unter einem Leichentuch herausschauend. Rand und Oberfläche bestoßen.

Maße: H. 185, B. 101, Bu. 3,5-3,8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Rüdiger Fuchs) [1/1]

  1. VIV(US) SCULPO MIHI LAPIDE(M), SIGNOQ(UE) SEPULCRU(M)NAM BREVIS ET LONGA EST ARS BENE SCIRE MORIVT VIDENS MORIAR, TUMBA(M) MIHI VIU(US) (ET) OMNEMPROCURO ORNATU(M), NUM BENE DISCO MORI /?A LECTO AD LETU(M) CLAMAT MEA TUMBA NEC UN(US) U(N)Aa)ME SINIT AD LECTUM NOX BONA SEMPER AITb)NOCTEM LUX SEQUITUR MORTE(M) LUX S(AN)CTA SEQUATURDIC ANIMAE PETRI · SPINA QUIESCE PIEANNO EO PETRVS DORNc) /POSVERAT CVM LVBENS IN ORBE VIXERAT / S(ACRO)S(ANCTAE)THE(OLOGIAE) Ed) CELS(ISSIMI) PR(INCIPIS) WOR(MATIENSIS) CONS(ILIARIUS) ECC(LESIAE) COLL(EGIATAE) / IMP(ERIALIS) S(ANCTI) M(ARTINI) CAN(ONICUS) DEC(ANUS) (ET) ADe) S(ANCTUM) LAMB(ERTUM) PASTOR / MOR(TUUS) A(NN)o 1 〈...〉 / MEN(SE) 〈....〉

Übersetzung:

Lebend meißele ich mir den Grabstein und bezeichne mein Grab; denn kurz und lang zugleich ist die Kunst, recht sterben zu verstehen. Auf daß ich sehend sterben möge, besorge ich mir als Lebender den Grabstein und alle Zierde; ob ich nun lerne gut zu sterben? Von dem Bett zum Tod ruft mich mein Grab. Keiner/Keine läßt mich zum Bett. Die gute Nacht sagt stets: „Der Nacht folgt das Licht, dem Tod möge das heilige Licht folgen!“ Sage der Seele des Petrus: „Spina (Dorn), ruhe fromm!“ In diesem Jahr (= 1687) hat Peter Dorn das Grabmal errichtet, da er noch gerne auf Erden lebte, er, der hochheiligen Theologie Licentiat, des höchsterhabenen Fürsten von Worms Rat, der kaiserlichen Kollegiatkirche des hl. Martin Kanoniker und Dekan, Pfarrer zu St. Lambertus; er starb im Jahre 1(...), im Monat (.....).

Wappen:
Dorn (Mann mit Schlüssel).2)

Kommentar

Die mit zahlreichen Ligaturen und untergestellten Buchstaben recht komplizierte Kapitalis, die schon ein vokalisches U enthält, ist aufgrund eines Chronogrammes auf das Jahr 1687 zu datieren, in welchem Peter Dorn nach Studium in Mainz mit dem Erwerb des Licentiats der Theologie und des Doktorates beider Rechte schon Dekan und bischöflich-wormsischer Rat sowie Pfarrer an St. Lambertus war. Der in seiner Symbolik wie inschriftlich in starkem Maße auf den Tod und die Vorbereitung des lebenden Menschen auf ein stark umschriebenes memento mori hinzielende Grabstein zierte nie die Ruhestätte Dorns, der am 24. Januar 1699 in seinem Heimatort Hochheim am Main im Exil starb.3) Aus seiner Feder stammt die beredste Schilderung der Stadtzerstörung an Pfingsten 1689.4) Als Dekan und Testamentsvollstrecker hatte er noch 1690 den Grabstein des Vikars und Organisten Johannes Jakob Berlen setzen lassen.5)

Textkritischer Apparat

  1. UNUS und UNA quasi alternativ im Hexameter des Distichons einzusetzen.
  2. ME SINT AD LECTUM NOX BONA SEMPER ALIT Reuter.
  3. Zeile auf Mitte gesetzt.
  4. Eindeutig lesbares E, irrtümlich für L(ICENTIATUS), vgl. unten.
  5. Sic; nicht PAR(OCHIAE) Reuter.

Anmerkungen

  1. Reuter 73.
  2. Redendes Wappen: Petrus; auf dem Bügelhelm Männerrumpf mit Schwert für Dorn?.
  3. Como, Kollegiatstift St. Martin 45f.
  4. Como, Protocollum quotidianum, vgl oben S. XVI.
  5. Wickenburg II 147: „Iohannes IaCobVs BerLen IMperIaLIs eCCLesIae VICarIVs et organIsta IpsI? qVIesCIt In IesV“ – Chronogramm ergibt 1690.

Nachweise

  1. Reuter, Grabsteine 75f. Nr. 9 u. Ab. 8,5.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 737 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0073708.