Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 722 Stadtmuseum, vom lutherischen Friedhof 1671

Beschreibung

Grabstein des Ratsherrn und Syndikus Johannes Stephan Oswald und seiner Frau Anna Maria geb. Wolff. 3. Stein von Süden außen an der Wand des ehemaligen Kreuzgangostflügels, vom lutherischen Friedhof.1) Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein und 15zeiliger Inschrift des Mannes (A) im vertieften Feld sowie vierzeiliger Inschrift der Frau (B) beiderseits eines ovalen Wappenmedaillons. Bestoßen und angewittert. Heute verloren und wahrscheinlich zu diesem Stein gehörig ein Giebel mit der Jahreszahl 1671, einem Wappen mit drei Bäumen und einem Monogramm (C).2)

Maße: H. 108,5, B. 94, Bu. 3,5-4 (A), 3,5 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis (A), humanistische Minuskel (A), Fraktur (B).

  1. A

    D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO)VIATOR, QUISQUIS ES, SISTE GRA = /DUM, QUOD SCRIPTUM EST, LEGE, HOC / IS CUJUS CAUSA SCRIPTUM FIERI ROGAT /Juris Apex, pravi Vindex et suasor honestiSyndic(us) OSWALD(US) clauditur hoc TumuloVir priscae fidei, intrepid(us) patiensq(ue) laborumConsiliis patriae praefuit et calamoMagna laude sua sex et trigi(n)ta per AnnosCorrept(us) Scyroa) Deniq(ue) Fata subitPostq(uam) septe(m) (et) sexaginta impleuerat An(n)osCum luctu (et) planctu tu(m) proceru(m) et populiAtq(ue) magis VIDVAE chari quaeb) ducta maritiPromeritis lapidem hunc cum gemitu posuitANNO CHR(IST)I M.DC.LXXI.

  2. B

    Anna Maria Oswaldin Ge = /bohrne Wölffi(n) seel(ig) starb den / 〈10〉 tag des Mon(ats) 〈O(cto)br(is)〉 im Jahr / 〈1671〉 Ihres Alters 〈57〉c) Jahr 〈62〉d) tag

  3. C

    1671 I(OHANNES) S(TEFAN) O(SWALD)

Übersetzung:

Dem besten und höchsten Gott (geweiht). Wanderer, wer immer du bist, halte deinen Schritt an; was geschrieben steht, lese der, der fragt, aus welchem Grund das geschrieben sei. – Der Gipfel des Rechts, Rächer des Unrechten und Mahner des Ehrenhaften, der Syndicus Oswald liegt hier begraben. Ein Mann von Treue nach alter Sitte, unverzagt und geduldig in den Mühen; den Räten der Stadt und dem Eichamt3) saß er mit großer Anerkennung 36 Jahre lang vor; von einem Krebsgeschwür befallen, fügte er sich schließlich seinem Geschick, nachdem er 67 Jahre gelebt hatte, unter Trauer und Jammern der Vornehmsten und des Volkes und noch mehr der Witwe, die wegen der Verdienste des geliebten Gatten diesen Stein in Betrübnis setzte im Jahre Christi 1671.

Wappen:
Oswald (Wald, drei Bäume); Wolff (Tier, erahnbar Wolf).4)

Kommentar

Inhaltlich besteht der Text des Grabsteins aus drei Teilen, nämlich aus Widmung mit Anrede, Laudatio des Mannes und schlichter Sterbenachricht für seine Witwe, die bei Fertigung vorgeschrieben und dann beim nicht lange ausbleibenden Todesfall zum Teil mit kleineren Buchstaben und Zahlen vervollständigt wurde. Diese inhaltlich verschiedenen Teile sind auch durch unterschiedliche Schriftformen von einander abgesetzt. U, konische M, A mit gebrochenen Mittelbalken und epsilonartige E der Kapitalis stehen in einer sich vom Renaissancevorbild entfernenden Tradition. Die Minuskel nahm in langen s und gebogenen Schäften Elemente der schreibschriftlichen Kursivierung auf. Buchstabenformen, Rahmenprofil und Denkmaltyp stimmen mit den Merkmalen des Rühleschen Denkmals von 1667 überein.5)

Die Laudatio auf den Syndikus Oswald enthält in fünf Distichen neben Charakterisierung der Person und Angaben zur Karriere auch die Todesursache. Laut Initialen und Eheverbindung handelte es sich bei dem Toten um den vor 1635 in den Gemeinen Rat gewählten Johannes Stephan Oswald, der zusammen mit seiner Gemahlin Anna Maria zwischen 1637 und 1641 als Taufzeuge belegt ist.6)

Textkritischer Apparat

  1. Signo Wörner; abgeleitet von scirros.
  2. harique ebd.
  3. 37 ebd.
  4. 67 Zorn-Meixner, Wörner, Mus.Inv.

Anmerkungen

  1. Zorn-Meixner; in der Südwestecke der Friedhofsmauer.
  2. Beschrieben ohne Zuordnung bei Wörner; dafür sprechen schlichte Form des heute sichtbaren Denkmals, Übereinstimmung im Entstehungsjahr und möglicherweise redendes Wappen für „Wald“.
  3. calamus = Meßstab als pars pro toto.
  4. Nach Wörner ein Fuchs.
  5. Vgl. Nr. 718.
  6. Weckerling, Verzeichnis des Rates 88 nennt zum Jahr 1645 als Ratsmitglied nur einen Valentin Osswald, der aber mit Anna Elisabeth verheiratet war, wohl der Bruder des Verstorbenen, vgl. KB-PSR Bd. 84.

Nachweise

  1. Zorn-Meixner fol. 393v Nr. 40.
  2. Wörner, Mittelaltrige Grabmäler 103f.
  3. Mus.Inv. MG Nr. 58.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 722 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0072205.