Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 698 Hallgarten, kath. Pfarrkirche, aus Kloster Mariamünster 1638/1757

Beschreibung

Spruchinschrift, Namensbeischriften von Heiligen, Kreuztitulus und Initialen sowie Jahreszahlen auf einer Kasel. Unter den Paramenten der katholischen Pfarrkirche in Hallgarten (Rheingau-Taunus-Kreis),1) auf nicht restlos geklärten Wegen aus dem Kloster Mariamünster in Worms dorthingelangt. Stickerei auf Goldgrund, im 18. Jahrhundert auf neuen Untergrund, roten Samt, aufgebracht. Auf der Vorderseite zwei Rechteckfelder mit Figuren von Heiligen unter postumgotischem Kielbogen zwischen Renaissancepilastern; Namen auf Postamenten. Oben hl. Bernhard mit Lampe(?) und abgebautem Kruzifix, darauf kleiner Titulus (A), Leiter und Marterwerkzeugen (Säule, Rute, Stricke, Dornenkrone, Speer, Schwamm); unten hl. Juliana von Lüttich (B) mit Monstranz und Hostie. Am Fuß beiderseits des Streifens Jahreszahl der Erneuerung (C). Auf der Rückseite in kreuzförmigem Feld Kreuzigungsgruppe, großes Kruzifix mit Kreuztitulus (D), zu Füßen Maria und Johannes, außerdem vier Engel, Blut aus den Wunden Christi in Kelchen auffangend; darüber in Wolkenglorie Gottvater mit Tiara, Weltkugel und Taube des hl. Geistes, die Rechte zum Segensgestus erhoben. Unter Gott halten zwei Putten eine Kartusche mit zweizeiliger Inschrift (E). Am Fuß Krümme eines Prälatenstabes mit Initialen (F), das M den Stab umklammernd. Als Worttrenner von D paragraphenförmig ausgezogene Punkte. Goldgrund mehrfach geflickt.

Maße: H.(Streifen) 67, B. 17, Bu. 0,4 (A), 0,6-0,8 (A, B), Z. 2 cm (C); H.(Kreuz) 99, B. 56, Bu. 1,8 (D), 0,6-0,8 (E), 2 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/7]

  1. A

    I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) I(VDEORVM)S(ANCTVS) BARNARDVSa)

  2. B

    S(ANCTA) IVLIANA 1638

  3. C

    17 / 57

  4. D

    · I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDEORVM) ·

  5. E

    HIC EST FILIVS ME(VS) / DILECT(VS) IN Q(VO) MIHI (COM)PLACVI2)

  6. F

    M(ARIA) T(HERESIA) F(RÄNTZLIN)

Kommentar

Die bisher kaum bekannte Kasel zeigt symbolträchtige und sehr aufwendig gestaltete Abbildungen in großer Detailfreude, die beiden zisterziensischen Heiligen mit für das 17. Jahrhundert typischen Attributen.

Wie zahlreiche andere Stücke katholischer Kirchenausstattungen gelangte die Kasel nach Auflösung des Klosters auf bisher nicht dokumentierte Weise nach Hallgarten, vermutlich auf Umwegen über Stiftsdekan Barth von St. Bartholomäus zu Frankfurt.3) Im Jahre 1800 waren die Nonnen gezwungen, ihr Kloster zu räumen, das 1802 unwiderruflich profanen Zwecken zugeführt wurde.4) Daß die Kasel überhaupt aus Mariamünster stammt, läßt sich aus mehreren nicht auf Zufall beruhenden individuellen Informationen des Objektes ableiten: Initialen (F) und jüngere Jahreszahl (C) sind gleichgroß und stammen von der gleichen Hand; soweit der Umkreis zu überschauen ist, treffen zur fraglichen Zeit die Initialen auf die in Mariamünster zu Worms amtierende Äbtissin Maria Theresia Fräntzlin/Frenzl aus Innsbruck (†1771) zu, von der überdies bekannt ist, daß sie sich um die Renovierung von Kirche und Klosterausstattung bemüht hatte.5) Schließen läßt sich der Kreis mit der Feststellung, daß sich auch auf dem aus Mariamünster nach Großkarlbach gelangten Taufstein eben die Jahreszahl 1757 findet6) und so eben die erwähnten Erneuerungsarbeiten datieren hilft. Damit ist nur die Existenz der Kasel zur Mitte des 18. Jahrhunderts in Mariamünster gesichert, für 1638 gibt es dazu keinen Nachweis; die allgemeine Denkmalgeschichte der Stadt Worms spricht sogar eher dagegen, weil nach dem Unglücksjahr 1635 die Produktion von Inschriftenträgern in allen Bereichen erheblich zurückgegangen war und gerade katholische Kirchen in ihre Ausrüstung eher in den zwanziger Jahren unter spanischer Besatzung investiert hatten.

Textkritischer Apparat

  1. Sic. N zweimal retrograd.

Anmerkungen

  1. Dankbar angenommene Hilfe gewährten Herr Wolfgang Riedel, Hallgarten, und Dr. Yvonne Monsees, Mainz.
  2. Mt. 3,17.
  3. Herr Riedel ohne Nachweis. Denkbar wäre auch, daß die Kasel über nach Kloster Gottesthal im Rheingau exilierte Nonnen aus Mariamünster ins nahe Hallgarten gelangte, vgl. Y. Monsees, Das Zisterzienserinnenkloster Gottesthal im Rheingau. Geschichte, Verfassung, Besitz (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 42) Wiesbaden 1986, 81ff. zu Konventualinnen.
  4. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 107.
  5. Würdtwein, Monasticon Wormatiense II fol. 71.
  6. Nr. 432.

Nachweise

  1. Der Rheingaukreis, bearb. von M. Herchenröder (Die Kunstdenkmäler des Landes Hessen) München-Berlin 1965, 186 (erw.).

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 698 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0069809.