Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 667 Stadtmuseum, vom lutherischen Friedhof (1614/27)/1629/(1632/35)

Beschreibung

Grabdenkmal für Anna Kunigunde Mantz, gleichzeitig für ihre vier Ehemänner, Kinder und Ehegatten und weitere Nachkommen. Nördlicher Stein an der Westwand der 4. Nische des Kreuzgangsüdflügels, vom lutherischen Friedhof, zwischenzeitlich im Paulusmuseum.1) Aus mehreren Teilen zusammengesetzte Pilasterädikula aus rotem Sandstein mit hellen Einschlüssen; in der Mitte viergeteiltes Feld mit Namen und teilweise nachgetragenen Sterbenachrichten (B-E), flankiert von Pilastern mit wappenhaltenden Karyatiden, vier Wappen mit Beischriften, Voluten und Greifen seitlich. Wie bei einem Hängeepitaph unten Sockel, mit Rollwerk, Voluten und drei geflügelten Puttoköpfen geschmückt; unter der neunzeiligen Stifter- und Gedenkinschrift (F) Totenschädel mit Fledermausflügel und Gebein. Über dem Architrav fehlt heute ein Giebel, dessen verlorene Inschrift (A) überliefert ist. Es ist nicht wahrscheinlich, daß zum Giebelteil ein benachbart angebrachtes Fragment gehört, das die Figur einer Verstorbenen zeigt, die sich vier männlichen Personen zuwendet.2) Zum mehrteiligen Giebel rechnen muß man dagegen wohl ein rätselhaftes Fragment (G), das heute mit dem Grabdenkmal des Johann Caspar Meiel von 1587 vereint ist; es zeigt eine Beterreihe unter einer Auferstehungsszene in einem von Putten gehaltenen Rundbogen mit Rollwerk. Bestoßen und angewittert.

Inschrift A nur bei Zorn-Meixner.

Maße: H.(erh.) 204,5, B. 165, Bu. 1,7-2,7 (B-E), 2,8-4,0 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis (B-E, G), Fraktur (B-F).

  1. A

    Anna Kunigund, Herrn Joh(annes) Mantzena), Fürstlich Bischöflichen Keller im Sell,b) und Frau Christina Zornin ehlich erzeigte Tochter, hat mit ihren obgemeldten 4 Ehemän(n)er in friedlicher Ehe gelebt 36 Jar und darin erzeugt 4 Töchter und 3 Söhn; ist gestorben a(nn)o 1614, ihres alters 56 J(ahr).

  2. B

    Hans Friderich Kindtinger / Burger in wurmbs / 〈GeORG · LUdWIG · KINdTINGeR / ELISABeTHA · CONSTANTIA · KINdINGeRIN / GeBOHRNe VAREIUSINc〉 / Anna Maria Kindtingerin / Gebohrne Küenind) ist in / Gott Seligklich entschlaf = /fen den 〈1. AVGVSTY . AN(N)O / 16 35〉

  3. C

    Hartman Seÿden = /benner 〈... / ..... / .....〉 Vrsula Seÿdenbännerin / Geborne Brücknerin Ist / in Gott Seligklich e(n)tschlaffen / den 24 IANVARII ANNO / 1627

  4. D

    Balthasar Weber dero Rech = /ten Licentiat 〈... / ..... / .....〉 Cathrin Weberin geborne / Brücknerine) Ist in Gott / Seliglich entschlaffen. / den 〈20. NOVEMBER AN(N)O. / 16 32〉

  5. E

    Hans Wilhelm Keppner / 〈..... / ..... / .....〉 Anna Christina Keppnerin / gebohrne Benderin Ist in / Gott Seliglich entschlaffen / den 〈29. SEPTEMBER AN(N)O / 16 35〉

  6. F

    Zu Ehren vnd Freundt = /lichem gedächtnus Deren Tugendt = /samen Fraven An(n)a Gebohrne Mantzin Haben Dero / hinderlassene Erben dieses epitaphium vfrichten lassen / Der Liebe Gott Wolle Deren Abgeleibten Ein / Fröliche Vferstehung Denen Nochlebenden / Aber Zu Seiner Zeit Einen Seligen / Abschiedt verleichen Amen / Gesch[en]f) Im Jahr 1629 den 20 Apprili

  7. G

    BERNHAR[D] / BENDERg)IOHANNES / S BENDERGORG / BRICKHNERRICH[A]R[D] / KVEN[.......................]h)

Wappenbeischriften:
HANS FRIEDERICH KINTINGER, BALTHASA[R W]EBER; HARTMANN SEŸDENBäNNER, IOHANN WILHELM KEPPNE

Kommentar

Im Gegensatz zur Ausführungsqualität der Ornamentik verraten die Schriftformen in Größen- und Rhythmusschwankungen, Überschreiben auf Randleisten und eingeklemmten Buchstaben besonders der Sockelinschrift beträchtliche Unsicherheiten.

Die Konzeption des aufwendigen Grabdenkmals sah vor, dem Gedächtnis der 15 Jahre zuvor verstorbenen gemeinsamen Mutter Anna Kunigunde eigene Todes- und Familiennachrichten beizufügen; die Zuordnung von Verwandtschaftsverhältnissen muß sich zunächst auf ein Mosaik indirekter Aussagen stützen. Aus der verlorenen Inschrift geht hervor, daß aus den vier Ehen vier Töchter und drei Söhne entsprangen; der Aufbau der Inschriften in den vier Feldern ist gleich und muß mit diesen und anderen Informationen zur Familie in Beziehung gebracht werden: Die in den vier Feldern jeweils zuerst genannten männlichen Personen sind ausnahmslos nach dem Tod Anna Kunigundes als Ratsmitglieder nachweisbar, also Angehörige der Kindergeneration;3) nach ihnen wurden jeweils ihre Frauen mit Geburtsname und Todesdatum genannt, oben links auch ein Enkel mit Ehefrau. Der Schlüssel zur Identifizierung dürfte in einem rätselhalten Fragment enthalten sein, das heute mit dem Grabdenkmal Johann Caspar Meiels vereint ist. Dort werden mit kaum noch erkennbaren Beischriften mindestens vier Männer, ein Knabe, fünf Frauen und ein Wickelkind dargestellt; auf einer alten Aufnahme waren die Namen der Männer modernisiert noch zu lesen als Bernhard Bender, Johannes S(eiden)bänder, Georg Brückner und Richard Kühn.4) Da Bernhard Bender ausweislich einer Urkunde von 1607 mit Anna Mantz verheiratet war,5) handelt sich wegen der Namensübereinstimmungen um die vier Ehemänner Anna Kunigundes. Von den auf dem Grabdenkmal von 1629 genannten müßten Hartmann Seidenbänder ihr Sohn, die drei anderen ihre Schwiegersöhne gewesen sein, deren Wappenbeischriften sie als Stifter ausweisen.

Die Inschrift für Georg Ludwig Kindtinger und Ehefrau wurde, wie die Schrift anzeigt, sehr viel später angefügt.6) Von den inschriftlich aufgeführten Personen sind die Kindtinger, Keppner, Seidenbänder, Bernhard Bender und Balthasar Weber als Taufzeugen bekannt.7)

Textkritischer Apparat

  1. Falsch Martinen Zorn-Meixner, vgl. Inschrift F.
  2. Für „im Saal“.
  3. VARENSIN Wörner; VAREUSIN Mus.Inv.; in KB-PSR 59 „Vjes“.
  4. KUEMIN Wörner.
  5. BRACKNERIN ebd.
  6. Geschehen Zorn-Meixner; Zeile fehlt Mus.Inv.; Inschrift F fehlt Wörner.
  7. G sonst nicht überliefert, auch nicht bei Zorn-Meixner; Lesung nach Foto im StA Worms mit Neg.Nr. M 826.
  8. Fünf weitere Namensinschriften sind heute nicht mehr lesbar.

Anmerkungen

  1. Zorn-Meixner, 6. Stein von Süden in der östlichen Friedhofsmauer; Alte Aufzeichnungen Nr. 74f.
  2. Nach Mus.Inv. Kartei Nr. MG 44, Größe 31 mal 83 cm.
  3. Johann Friedrich Kindtinger (†1673) gelangte 1631 in den Gemeinen Rat, 1652 in den Dreizehner, vgl. Wekkerling, Verzeichnis des Dreizehnerrates 67; Hartmann Seidenbänder (†1659) 1623 in den Gemeinen, 1635 in den Dreizehner, ebd. 67; Balthasar Weber (†1647) 1634 in den Dreizehner, ebd. 67; Johann Wilhelm Keppner 1623 in den Gemeinen, Weckerling, Verzeichnis des Rates 87.
  4. Vgl. Nr. 534. Bernhard Bender (†1632) gelangte 1610 in den Gemeinen, 1618 in den Dreizehner Rat, vgl. Wekkerling, Verzeichnis des Dreizehnerrates 67; ein Johannes Seidenbänder (†1603) gelangte 1582 in den Gemeinen Rat, vgl. Kraus Quellen II 128.
  5. Dalberger Urkunden Nr. 1377.
  6. Georg Ludwig (†1714) gelangte 1676 in den Gemeinen, 1697 in den Dreizehner Rat, vgl. Weckerling, Verzeichnis des Dreizehnerrates 67.
  7. KB-PSR Bd.7 u. 57, 59, 107, 124.

Nachweise

  1. Zorn-Meixner fol. 390v-391 Nr. 15.
  2. Wörner, Mittelaltrige Grabmäler 100f. (B-E).
  3. Mus.Inv. MG Nr. 48 (BE).

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 667 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0066705.