Inschriftenkatalog: Stadt Worms
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 29: Worms (1991)
Nr. 632† Magnuskirche 1614
Beschreibung
Kirchenväterzitate (A-H) und andere Sprüche (I-K) als Inschriften der Kirchenausmalung, die im Rahmen aufwendiger Ausschmückungsarbeiten im März und April 1614 geschrieben wurden. In der Reihenfolge der Überlieferung.1)
Nach Zorn-Wilck.
- A
Ambrosius de Isaac et anima Cap(itulum). 8.2) Christus sit oculus noster, ut per illum videamus patrem; ipse vox nostra, per quam loquamur ad patrem; ipse dextera, per quam Deo patri sacrificium nostrum offeramus.
- B
Idem lib(er) 3. de virginibus tom(us) 1. fol. 123.3) Nos nova omnia, quae Christus non docuit, iure damnamus, quia fidelibus via Christus est. Si igitur Christus non docuit, quod docemus, etiam nos id detestabile iudicamus.
- C
Macarius homilia 3. pag(ina) 31.4) Perinde ut non licet oculum absque luce videre aut loqui absque lingua aut audire absque auribus aut incedere absque pedibus aut laboras perferre absque manibus, sic nec absque Jesu salvari aut regnum coelorum ingredi potes.
- D
Cyprianus lib(er) 2. epist(ola) 3.5) Si solus Christus audiendus est, non debemus attendere, quid aliquis ante nos faciendum putaverit, sed quid, qui ante omnes est, Christus prior fecerit. Necque enim hominis consuetudinem sequi oportet sed Dei veritatem.
- E
Augustinus serm(o) 226 de tempore.6) Oratio iusti clavis est coeli. Ascendit praecatio et descendit Dei miseratio. Licet alta sit terra, altum coelum; audit tamen Deus hominis linguam, si mundam habeat conscientiam.
- F
Idem de C(ivitate) D(ei) lib(er) 21, Cap(itulum) 15.7) Unicus naturaa) Dei filius p(ro)p(te)r nos misericordia factus est filius hominis, ut nos, natura filii hominis, filii Dei per illum gratia fieremus.
- G
Theophylactus in I. Tim(otheum) 3.8) Ecclesiae pontifex praesidet maximus Dei filius, cuius divinum corpus summum est sacrificium.
- H
Tertullianus in libro de praescriptionibus adversus haeredicos.9) Philosophia et humana sapientia origo est omnium haeresium.b)
- I
Si10) Christum discis, satis est, si caetera nescis,Si Christum nescis, nihil est, si caetera discis.
- K
Wer11) Jesum Christum recht erkennt,hat all sein Zeit wohl angewend.All Kunst und Witz ist eitel Staub;höchst Weißheit ist an Christum Glaub.
Übersetzung:
Ambrosius, Von Isaak und der Seele, Kapitel 8: Christus sei unser Augenlicht, damit wir durch ihn den Vater sehen mögen; er sei unsere Stimme, durch die wir zum Vater reden wollen; er sei unsere Rechte, mit der wir Gottvater unser Opfer darbringen wollen (A). – Derselbe im dritten Buch von den Jungfrauen: Alles Neue, welches Christus nicht lehrte, verwerfen wir zu Recht, weil für die Gläubigen Christus der Weg ist. Wenn also Christus nicht lehrte, was wir lehren, halten auch wir es für verabscheuenswert (B). – Macarius in der dritten Homilie: Gleichwie das Auge ohne Licht nicht zu sehen vermag, wie man ohne Zunge nicht reden kann, ohne Ohren nicht hören kann, ohne Füße nicht gehen kann, ohne Hände keine Arbeiten verrichten kann, so kannst du auch nicht ohne Jesus erlöst werden oder in das Himmelreich eingehen (C). – Cyprian, 2. Buch, Brief 3: Wenn allein Christus gehört werden darf, dürfen wir nicht beachten, was irgendjemand vor uns glaubte, was zu tun sei, sondern was Christus, der vor allen anderen ist, zuvor getan hat. Denn man soll nicht der Gewohnheit des Menschen folgen, sondern der Wahrheit Gottes (D). – Augustinus im Sermon 226 von der Zeit: Die Rede des Gerechten ist der Schlüssel zum Himmel. (Dorthin) steigt das Gebet auf und (von dort) kommt Gottes Erbarmen herab. Sei die Erde tief und der Himmel hoch, trotzdem hört Gott des Menschen Rede, wenn er ein reines Gewissen hat (E). – Derselbe im Gottesstaat Buch 21, Kapitel 15: Der einzige Sohn Gottes der Natur nach ist unseretwegen aus Erbarmen Menschensohn worden, damit wir, von Natur aus Menschenkinder, durch ihn auf dem Wege der Gnade Gotteskinder werden (F). – Theophylakt zu 1. Tim. 3: Der Kirche steht als höchster Priester der Sohn Gottes vor, dessen göttlicher Körper das höchste Opfer ist (G). – Tertullian im Buch über die Verordnungen gegen die Häretiker: Die Philosophie und die menschliche Weisheit sind der Ursprung aller Irrlehren (H). – Wenn du Christum kennenlernst, genügt es, wenn du alles andere nicht weißt. Wenn du Christum nicht kennst, ist es nichts, wenn du alles andere weißt (I).
Textkritischer Apparat
- Das Folgende in der Handschrift nachgetragen bis ... factus.
- Undeutlich haereseam in Handschrift.
Anmerkungen
- Eingeleitet: „Sprüche auß den Vättern“.
- Sancti Ambrosii opera. I. De Isaac vel anima, hg. von K. Schenkl (CSEL 32,1) Wien 1897, 694; die Wormser Varianten, gegen „ipse oculus noster; per quem; deferamus“, in einer Handschrift des 10.Jh.s aus Cambrai belegt.
- Entgegen der überlieferten Angabe stammt das Zitat aus Sancti Ambrosii Mediolanensis episcopi De virginitate liber unus VI 28, hg. von E. Cazzaniga (Corpus Scriptorum Latinorum Paravianum) Turin 1954, 13; liber 3 ... fol. 123 bezieht sich anscheinend auf die unmittelbare Vorlage.
- Macarius Aegypticus, Homilia III 4 (De quieta fratrum inter se conversatione et proelio interiori), hg. bei Migne, PG 34. Paris 1860, Sp. 470. Bei der Vorlage handelte es sich möglicherweise um S. Patris Macarii Aegyptici Homiliae quinquaginta, interprete Joanne Pico, in senatu Parisiensi classium inquisitoriorum praeside. Parisiis M.D.LIX. Apud Guillelum Morelium in Graecis typographum Regium, in der die dritte Homilie auf Seite 28 beginnt.
- S. Thasci Caecili Cypriani opera omnia. Epistola LXIII 14, hg. von W. Hartel (CSEL 3,2) Wien 1871, 712. Aus der Edition von Baluze, vgl. bei Migne, PL 4. Paris 1844, Sp. 383, ist anzumerken, daß schon Kardinal Johann von Torquemada mit solus nicht den Papst, Prälaten oder Gelehrte, sondern vor allem Antichristen ausgeschlossen haben wollte. Daran sieht man, wie schwer sich katholische Dogmatik ggf. mit den Aussagen von Kirchenvätern tun konnte.
- S. Aurelii Augustini Hipponensis episcopi opera omnia, Sermones supositii, App. XLVII (De beato Tobia), hg. bei Migne, PL 39. Paris 1865, Sp. 1838, d.i. nach neuer Ordnung Sermo de tempore 226.
- Ders., De civitate Dei XXI 15, 781.
- Theophylacti Bulgariae archiepiscopi opera ... omnia. Expositio in Epistolam I ad Timotheum 3, Vers 14-15, hg. bei Migne, PG 125. Paris 1864, Sp. 50; dort lautet die lateinische Übersetzung: „Porro pontifex est filius Dei; magnumque sacrificium divinum ipsius corpus“.
- Marginal: „Ex philosophia haeresium origo, pag. 164“; anschließend in Klammern und eingeleitet mit „verba Tertulliani sunt: Ea est materia sapientiae secularis, temeraria interpres divinae naturae et dispositionis, ipsae denique haereses a philosophia subornantur“. So richtig der Text bei Quinti Septimi Florentis Tertulliani opera. V. De praescriptione haereticorum, hg. von R.F. Retoulé (CChrSL 1) Turnhout 1954, 192.
- Ohne besondere Erläuterung angefügt, also wohl noch zum Inschriftenprogramm gehörig; leoninische Hexameter.
- Ebenso; deutsche Reime.
- Vgl. vorangehende Nr.
- Vgl. nachfolgende Nr.
Nachweise
- Zorn-Wilck (F) o. fol., (M) 864f.
Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 632† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0063206.
Kommentar
Zur Anbringung kann wegen fehlender Beschreibung nur angenommen werden, daß die Inschriften mit den Kirchenväterzitaten wie die Bibelsprüche zusammen auf einer Wand oder in einem abgrenzbaren Teil davon standen.12) Das Sujet legt die Verwendung von Kapitalis wie bei der gelehrt erscheinenden Widmungs- und Bauinschrift nahe, ohne daß man einen entsprechenden Vermerk des Gewährsmannes ohne Vorbehalt auf diese Sprüche ausdehnen darf.13)
Mit den besonderen Umständen der Entstehung der Sprüche macht jene Widmungs- und Bauinschrift wenigstens indirekt bekannt. Die Auswahl der Väterzitate ist fundamentalistisch ausgerichtet im Sinne von Martin Luthers Berufung auf die Autoritäten der Bibel und der Väter und paßt zusammen mit den Bibelsprüchen zu einer Interpretation der Renovierung als konfessioneller Kampfansage. Insbesondere mit den Zitaten aus Ambrosius und Cyprian verwahrte man sich gegen die Verfälschungen der Lehre Christi und mit Tertullian gegen theologische Spitzfindigkeit.