Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 621† Stadtmuseum, vom lutherischen Friedhof (1596)/(1605)/1608

Beschreibung

Verlorener Grabstein des Pfarrers Hermann Wacker und Angehöriger. Früher auf dem lutherischen Friedhof, dann möglicherweise an der äußeren Nordwand der Magnuskirche oder im Museum.1) Steinplatte mit Inschriftenfeld, das von einem geflügelten Puttokopf gekrönt und von Voluten flankiert wird. Unter der Jahreszahl (A) gerahmtes Feld mit hebräischer Kopfzeile (B), vierzeiliger Sterbeinschrift Hermann Wackers (C), jeweils vierzeiligen Inschriften seiner beiden Frauen Katharina Christ(en) (D) und Maria Moser (E), zweizeiliger Inschrift seiner Stieftochter Maria Juliana Werder (F), mehrzeiliger Inschrift seiner dritten Frau Maria Pultz (G). Nichts mehr zu erkennen ist von Bibelsprüchen (H,I). Der auf einem Foto überlieferte Stein war damals nach unten hin schon stark abgewittert und bestoßen; außerdem zeigt das Foto dem Volutenornament rechts nach zu schließen nur etwa zwei Drittel der ursprünglichen Größe.

Lesung vom Foto, ergänzt nach Zorn-Meixner.

Maße: Maße unbekannt, Schrift relativ klein.

Schriftart(en): Hebräische Schrift (B), Kapitalis (C), kursive Kapitalis (D), humanistische Minuskel (E), humanistische Minuskel, kursiv (F,G), griechische Schrift (I).

  1. A

    16 / 08

  2. B

    יהוה אלוהים [.....] ׃[י]ש[י]ל[.כ]ל׃ לא אירא רע 2)

  3. C

    M(AGISTER)a) HERMANNVSb) WACKERVS MINDENSIS WORMATIAM VE = /NIT. 9.c) SEPTEMB(RIS) ANNO D(OMI)NId) 1588. DOCVIT IBI EVANGELIVM / CHRISTI PER AN(N)OS XX 〈..〉e) ET OBDORMIVIT IN CHRISTO PLACI/DE DIE 〈...〉 AN(N)O 16 〈..〉f) V.E.Q.D.P.V.g)

  4. D

    CATHARINA. PRIMA. IPSIVS VXOR. FILIA IOHAN(N)IS CHRISTEN / ZV. HEITERSBACH IN DVCATV. WIRTEMBERGENSI VIXIT / CVM IPSO IN CONIVGIO PER AN(N)OS 20, PIE OBDORMIVIT IN CHRI[ST]O / 29 IVNII AN(N)O D(OMI)NI 1596

  5. E

    Maria Mos[eri]ana Vixit Cum Priore Marito, D(omino) M(agistro) Vlrico / Werdero Superintendente Falckensteiniano in Coniugio / per Annos 1[8 et] Cum Altero marito, M(agistro) Herman(n)[o] Wackero / per Annos [8 et] Obdormiuit p[la]cide in Do[mino 23] Martij / Anno D(omi)ni 1605h)

  6. F

    Maria Juliana Filia M(agistri) [Vlr]ici Werderi pue[lla] Annorum VII / Obiit Die(m) Suu(m) [8] Aug(usti) Anno D(omi)ni 160[.]i)

  7. G

    Maria pul[t]zia[na] Filia D(omini) [M(agistri)] Nicolai Pu[ltzii] Eccles/[iastae] Wormati[ensis. Vixit cum priore marito, D(omino) Johan(n)e Bocatio] / pastore in [Freinersheim per annos 14 1/2, cum Altero marito, M(agistro)] / Herman[(n)o Wackero per annos 〈...〉, obdormivit pie in Christo, die 〈...〉 Anno (Chri)sti 160 〈.〉]k)

  8. H

    Job: 193)Scio quod redemptor meus vivit et quod in novissimo die de terra resurecturus sum et rursus circumdabor [pelle mea]1) et in carne mea videbo Deum, quem visurus sum ego ipsem) et non alius.

  9. I

    ἴδε ὁ ἀμνὸςn) τοῦ Θεοῦ ὁ αἴρων τὴν ἁμαρτίαν τοῦ κόσμου4)Joh.1 Siehe, das ist Gottes Lamm, das da trägt ...

Übersetzung:

Herr, Gott, ....., ich fürchte kein Unheil. – Magister Hermann Wacker aus Minden kam am 9. September 1588 nach Worms; dort lehrte er das Evangelium Christi 2 〈.〉 Jahre lang; er entschlief sanft in Christo am .... im Jahr 16.. (der vortreffliche Mann, der es aus eigenen Mitteln stiftete.) – Catharina, seine erste Frau, die Tochter des Johannes Christen zu Haiterbach im Herzogtum Württemberg, lebte mit ihm ehelich 20 Jahre und entschlief fromm in Christo am 29. Juni im Jahre des Herrn 1596. – Maria Moser lebte mit ihrem vorherigen Gatten, Herrn Magister Ulrich Werder, falkensteinischer Superintendent, ehelich 18 Jahre und mit ihrem zweiten Gatten, Magister Hermann Wacker, 8 Jahre und entschlief sanft im Herrn am 23. März im Jahre des Herrn 1605. – Maria Juliana, die Tochter des Magisters Ulrich Werder, ein Mädchen von 7 Jahren, starb am 8. August 160.(?) – Maria Pultz, die Tochter von Herrn Magister Nikolaus Pultz, Predigers in Worms, lebte mit ihrem vorherigen Gatten, Herrn Johannes Bocatius, Pastor in Freimersheim, 141/2 Jahre, mit ihrem zweiten Gatten, Magister Hermann Wacker, .. Jahre und entschlief fromm in Christo am ... im Jahre 160?. – Ich weiß, daß mein Erlöser lebt und ich auferstehen werde am jüngsten Tag; und ich werde wieder umgeben werden von meiner Haut und werde in meinem Fleische meinen Gott schauen. Ihn selbst werde ich schauen, (und meine Augen werden ihn sehen,) und kein anderer.

Kommentar

Der Grabstein für Angehörige der Familie Hermann Wackers umfaßt zahlreiche Einzelinformationen, insbesondere zu den Ehen seiner Frauen. Obwohl mehrere Schriftwechsel die Orientierung durch eine Abschnittbildung für einzelne Verstorbene erleichtern, muß der gesamte Text im angegebenen Jahr 1608 gefertigt worden sein. Im Gegensatz zur Einförmigkeit vieler anderer Denkmälern entstand durch die Schriftwechsel ein unruhiges und wohl auch für die Zeitgenossen ungewohntes Bild, ein Eindruck, der durch die Ausprägung einiger Schriften noch unterstrichen wurde. Außer dem hebräischen und heute nicht mehr nachprüfbaren griechischen Text begegnen eine kursive Kapitalis mit teils weit ausgezogenen Schaftenden, eine Mischschrift auf der Basis humanistischer Minuskel, die in spitzen s, st und Kursiven ein eindeutiges Merkmal schreibschriftlicher Vorlagen aufnahm.

Obwohl Familiengrabsteine meist beim Tod des Familienvaters entstanden, war Hermann Wacker 1608 noch nicht verstorben, da auch bei seiner dritten Ehefrau Todesdaten fehlen und die Dauer ihrer Ehe nicht berechnet wurde. Hermann Wacker wurde etwa 1545 in Minden geboren, studierte in Straßburg und übernahm 1588 nach mehreren anderen Anstellungen eine lutherische Pfarrei in Worms; er starb am 27. Mai 1611.5) Noch im Oktober 1610 hatte er Epicedien und Trauerrede für Apollonia Phrysius aus Speyer geschrieben.6) Seine Frau Maria geb. Pultz ist zu 1606 zweimal als Taufzeugin belegt.7)

Textkritischer Apparat

  1. Die Auflösung von M und D folgt Formulargewohnheiten.
  2. HENRICUS Zorn-Meixner.
  3. VENITUS SEPTEMBR(RIS) ebd.; zwischen VENIT und 9 Punkt, außerdem weitergeführt mit DOCVIT.
  4. Nach DNI ungeklärtes Zeichen in Form einer 9 tiefgestellt.
  5. Nach XX Stein beschädigt und Lücke; zu lesen ist aber kaum etwas anderes als 20, da von Hermann Wackers Ankunft in Worms 1588 bis zum Entstehungsjahr des Inschriftenträgers genau 20 Jahre verstrichen waren.
  6. Nur wenig Raum für Tages- und Jahresangabe gelassen.
  7. Nach Vorschlag von Frau Dr. Renate Neumüllers-Klauser, Heidelberg, wohl aufzulösen als V(IR) E(GREGIVS) Q(VI) D(E) P(ROPRIO) V(OVIT).
  8. Die letzte Zeile auf Mitte gestellt.
  9. 1599 Zorn-Meixner.
  10. Obwohl anscheinend noch keine Todesdaten bekannt, wurde nach Zorn-Meixner schon die Zehnerzahl eingetragen.
  11. Lücke angezeigt bei Zorn-Meixner.
  12. Fehlt ebd. im fortlaufenden Text „et oculi mei conspecturi sunt“.
  13. αμνός Zorn-Meixner unleserlich; ebd. für ov in Inschriften geläufiges Zeichen, das wie oben offene 8 aussieht. Diakritische Zeichen nach Text wie Anm. 4.

Anmerkungen

  1. Die Überlieferung auf dem Foto StA Worms Neg.Nr. F 99/22 setzt voraus, daß der Stein vom lutherischen Friedhof geborgen worden war; er könnte ins Museum verbracht worden oder mit dem von Kdm. Worms 227 an der Nordwand der Magnuskirche erwähnten Grabstein identisch sein.
  2. Dankbar angenommene Hilfe bei der Entzifferung gewährten Herr Prof. Dr.Dr. Otto Böcher, Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Mainz, und Herr Manfred Maier, StA Worms. Der Schluß stammt aus Ps.(H) 23,4.
  3. Iob 19,25-27.
  4. Griechischer Text von Joh. 1,29 nach Novum Testamentum Graece, hg. von E. Nestle unter Mitarbeit von E. Nestle und K. Aland. London 251963; die sich nach Zorn-Meixner anschließende deutsche Übersetzung stand wahrscheinlich nicht auf dem Stein.
  5. Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch Rheinhessen 429; nach Zorn-Meixner fol. 161ff. hielt er am 25. Juli 1588 in Worms eine Probepredigt.
  6. Katalog der Leichenpredigten der Universitätsbibliothek Gießen 255 Nr. 14.
  7. KB-PSR Bd. 120.

Nachweise

  1. Zorn-Meixner fol. 394 Nr. 41.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 621† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0062109.