Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 616† Dom, innen 1607

Beschreibung

Verlorenes Epitaph des Domdekans Thomas Print von Horchheim gen. Broel. Ursprünglich in der Clemenskapelle, d.i. wohl im Südquerhaus des Domes, wahrscheinlich Bestandteil des Clemensaltars, 1887 im Westchor, 1956 im Museumshof fotografiert.1) Kunstvolles Steinbildwerk, von dem eine in drei Teile zerbrochene schwarze Marmorplatte mit 18 eingerückten oder gestaffelten Inschriftenzeilen fotografisch überliefert ist. Ehemals sechzehn Ahnenwappen in vier Gruppen angebracht.

Nach Schannat, Kdm. und Foto.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) S(ANCTO)Q(VE) CLEMENTI / PAPAE MART(YRI) S(ACRVM)a) / THOMAE BRINDT AB HORCHEIM / DICTO BROEL, R(EVERENDO) E(T) N(OBILI) D(OMI)NO / DECANO HVIVS ECCL(ESI)AE, QVEM GERMANIA, GALL(IA), ITAL(IA) HEBRAE/AE, GRAEC(AE), LATINAEQ(VE) PERITISSIM(VM) / FECERE,b) PORTVI PAVPERVM, QVE(M) / SI VIDISSES, AVT HVMILEM SED / INDOCTVM: AVT DOCTVM HV/MILEM: AVT DOCTVM SED PY/THAGORAM DIXISSES. / LIBRIS IMMORTVO EXECVT(ORES) / TESTAMENT(I) POSVERVNT. / VIXIT ANN(OS) LI,c) IN [D]ECANATV AN(NOS) / X, O(BIIT) ANNO D[(OMI)NI] MDCVIId) / XXIV FEBRV(ARII) VESP(ERA) HORA IX. /BONO BONVS BENE PRECARE.e)

Übersetzung:

Dem besten und höchsten Gott und dem heiligen Märtyrer Papst Clemens geweiht. Thomas Print von Horchheim gen. Broel, dem ehrwürdigen und edlen Herrn Dekan dieser Kirche, den Germanien, Gallien und Italien des Hebräischen, Griechischen und Lateinischen höchst kundig machten, der Zuflucht der Armen, den du, hättest du ihn gesehen, demütig, aber ungelehrt oder den gelehrten Demütigen oder den gelehrten, aber Pythagoräischen genannt hättest, dem durch seine Bücher Unsterblichen haben die Vollstrecker des Testamentes (dieses Denkmal) gesetzt. Er lebte 51 Jahre, davon 10 als Dekan, und starb im Jahre des Herrn 1607, am 24. Februar, abends um 9 Uhr. – Dem Guten, Guter, wünsche Gutes.

Wappen:
Print von Horchheim2) Orsbeck
Haust von Ulmen Diepenbrock
Rondorf Vlatten
RohrTeutsch von Übershausen3)
QuernheimGymnich
WiltbergBulich
HülshoffUhlenbrock
KoppensteinKessel

Kommentar

Die Sterbeinschrift des Thomas Print ist in enger Verbindung mit dem freilich gänzlich verschwundenen Clemensaltar zu sehen; die überlieferte Platte gehörte quasi als Mittelteil zu einem aus mehreren Teilen zusammengesetzten Denkmal, das seitlich Möglichkeit zur Anbringung der großen Ahnenprobe bot.4) Höchstwahrscheinlich waren die Wappen mit Beischriften bezeichnet, da Schannat kaum die fast ausschließlich im (nieder)rheinischen-westfälischen Raum beheimateten Familien kennen konnte. Thomas Print, Sohn des Thomas und der Anna von Orsbeck,5) stammt wie viele seiner Wormser geistlichen Kollegen aus dem Rheinischen,6) und zwar aus Horchheim, heute Vorort von Koblenz.

Das Denkmal hebt insbesondere die Bildung des Verstorbenen hervor; zu seinen humanistischen Studien, die in der Kenntnis der drei heiligen Sprachen und im Vergleich mit Pythagoras anklingen,7) paßt die in ansprechender künstlerischer Qualität gearbeitete Kapitalis, deren Schattenstriche sich von Haarstrichen deutlich absetzen. Breitere Linien sind bis auf das letzte Drittel flach ausgehauen; eher an eine unterbliebene Vollendung der handwerklichen Arbeiten ist hier zu denken als an eine geplante Ausfüllung mit kontrastierendem Material.

Textkritischer Apparat

  1. Bis hierher bei Schannat fehlend.
  2. Sic.
  3. LIV Schannat, Kdm., Schmitt wie auf dem bei Helwich überlieferten Denkmal, vgl. vorangehende Nr.
  4. Neulateinische Buchstaben.
  5. BONVS BONO BENE PRECARE Schannat, jeweils BONOS Kdm. u. Schmitt. Nicht nachgewiesen, aber ähnlich zu Walther, Proverbia Nr. 2115e u. 35251: „Bonis benefacito!“.

Anmerkungen

  1. Schannat, Kdm. Worms zu 1887, StA Worms Neg.Nr. F 1826/13; zur Lokalisierung der Clemenskapelle vgl. bei Nr. 145 (1364).
  2. Bei Schannat numeriert in vier Gruppen geteilt; hier die ersten acht für Vater und Großmutter väterlicherseits, die zweiten für Mutter und Großmutter mütterlicherseits. Die teils abweichenden Bezeichnungen wurden modernisiert; die Namen bei Schannat nach einer der obigen entsprechenden Reihenfolge: „Broël, Haust de Ulm, Rondorph, Rohr, Querenhe, Wiltpurg, Hulhove, Koppenstein; Orsbeck, Diepenbrock, Ulaten, Teutsch de Ubershausen, Gymnich, Bulich, Ulenbrock, Kessel“.
  3. Deutsch von Oberöwisheim; Berenburg nach Humbracht Taf. 251.
  4. Die Beschreibung bei Schannat könnte man so verstehen: „Aram è saxo affabre elaboratam in Ecclesia Cathed. Worm. erigi jussit, aeternum suae erga S. Clementem Papam & Martyrem pietatis monumentum futurum, cui haeredes ejus sequentem etiam indidêre Epigraphen: ... Insignia ex utroque latere, ornamenti loco, apposita sunt sequentia“.
  5. Humbracht Taf. 251.
  6. Vgl. oben S. LXXXVf.
  7. Das Wortspiel möglicherweise auf die pythagoräische Reinheit bezogen, die als Vorbedingung der Erkenntnis galt; vielleicht sollte auch der Gegensatz zwischen Buchgelehrsamkeit und höherer Weisheit thematisiert werden.

Nachweise

  1. Schannat, Hist. ep. Worm. I 84.
  2. Kdm. Worms 198.
  3. Schmitt, Bildwerke 334.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 616† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0061606.