Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 611 Dom, innen 1604

Beschreibung

Epitaph des Bischofs Philipp von Rodenstein. Aufgehängt an der südlichen Wand des Westchorpolygons, wohl ursprünglich an der Wand rechts des Hochchores.1) Schieferplatte mit 25 Inschriftenzeilen, von hellgelbem Sandsteinrelief gerahmt. Seitlich Voluten mit Fruchtgehängen, darüber geflügelte Puttenköpfe; als Aufsatz ein gebrochener Giebel mit teils stark beschädigten liegenden Figuren der Fides und Caritas, stehend in der Mitte die der Spes. Sockel verloren, Inschriftplatte quer gerissen, Goldfassung der Buchstaben verblaßt.2)

Maße: H. 210, B. 166, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Rüdiger Fuchs) [1/1]

  1. R(EVERENDISSI)MO PRINCIPI ET D(OMI)NO. D(OMI)NO PHILIPPO EX PERVETVSTA / NOBILIVM DE RODENSTEIN, FAMILIA, ORIVNDO, QVEM VTI / HVIVS BASILICAE DECANVS ET CAP(ITV)LVM ANNO A IESV HOMINE / M.D.XCV. MENSIS (SEPTEM)BRIS XVI, OB PRAECLARAS ANIMI DOTES ET / VIRTVTES, IVDICŸ ACRIMONIAM, SPECTATAM ERVDITIONEM, PIE = /TATEM ET HVMANITATEM, TVM DENIQ(VE) MIRAM IN REBVS / GERENDIS PRVDENTIAM ET DEXTERITATEM, IN ECCL(ES)IAE / WORMATIENSIS EPISCOPVM ET ANTISTITEM, VNANIMI O(MN)IVM CAL = /CVLO DESIGNARVNT, ITA POSTQVAM AD EIVSDEM ECCL(ES)IAE CLAVVM / AD XXI. VSQ(VE) MENSIS MARTŸ ANNI PRAESENTIS M.D.CIV. SVMMA / CVM LAVDE SEDISSET, IN SPIRTTVALIBVSa) ET TEMPORALIBVS / OPTIME REXISSET, NON TAM COLLAPSA SOLICITE INSTAVRASSET, / QVAM SVBINDE NOVA EXSTRVXISSET, VICES ETIAM SAC(RAE) / CAES(AREAE) MAIEST(ATIS), PER INTEGRAM DEPVTATIONIS IMPERŸ DIE = /TAM SPIRAE NVPER CELEBRATAM LAVDABILITER OBIISSET, SINE / DVBIO, NISI IM(M)ATVRA MORS PRAEVENISSET, IN POSTERVM LONGE MAI = /ORA DESIGNATVRO, NVNC SVB SOLITA EPISCORORV(M)a) CRIPTA RE = /POSITO, VNIVERSAE CARNIS RESVRECTIONEM PRAESTOLANTI, / HOC SAXVM PRAESENTI SCRIPTVRA INCISVM, A TERGO PRAESENTIS / MONVMENTI, AB EODEM ANTISTITE PHILIPPO IAM ANTEA, DVM VI = /VERET, E PROPRIIS EPITAPHII LOCO, PIE DESTINATI, FRATRIS VERO / IOANNIS IN RODENSTEIN OPERA AD HANC PERFECTIONEMb) MATV = /RATI ADVNITVM, IN PERPETVAE GRADTITVDINISa), LAVDIS ET MEMORIAE / TESTIFICATIONEM SPONTE ET VLTRO, IVREQ(VE) OPTIMO POSVERE / AETERNAM ANIMAE FOELICITATEM COMPRECANTES.c)

Übersetzung:

Dem hochehrwürdigen Fürsten und Herrn, Herrn Philipp, aus dem Geschlecht der Edlen von Rodenstein stammend, den Dekan und Kapitel dieser Basilika im Jahre der Menschwerdung Jesu Christi 1595 am 16. September wegen seiner vortrefflichen Geistesgaben und Vorzüge, der Schärfe seines Urteils, seiner bewährten Gelehrsamkeit, Frömmigkeit und Menschlichkeit, schließlich wegen seiner wunderbaren Klugheit und Geschicklichkeit die Geschäfte zu führen, einmütig mit dem Stimmstein aller zum Bischof und Vorsteher der Wormser Kirche wählten, der, nachdem er am Steuer eben jener Kirche bis zum 21. März des gegenwärtigen Jahres 1604 mit höchstem Lob gestanden, in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten bestens regiert, nicht nur Niedergesunkenes sorgfältig wiederhergestellt, sondern vielmehr auch Neues errichtet hatte, löblich während des Reichsdeputationstages zu Speyer verstorben war, auf dem er die heilige kaiserliche Majestät vertreten hatte, dem ohne Zweifel, hätte es nicht der vorzeitige Tod verhindert, für die Zukunft weit Größeres bestimmt war, der nun in der üblichen Grabstätte der Bischöfe ruht und die Auferstehung alles Fleisches erwartet; ihm stellten sie diesen mit vorliegender Schrift behauenen Stein (nämlich die Schieferplatte), dessen Rückseite schon vorher von eben diesem Bischof Philipp zu seinen Lebzeiten aus seinen eigenen Mitteln als Epitaph jedoch seines Bruders Johannes von Rodenstein fromm geplant war und zu dieser Vollendung (wie sie jetzt aussieht) des weitgereiften (Epitaphs) durch (ihr) Bemühen vereinigt worden ist, zum Zeichen immerwährender Dankbarkeit, Preises und Erinnerung aus eigenem Antrieb, aus freien Stücken und mit vollem Recht, die ewige Glückseligkeit der Seele erflehend.

Kommentar

Das Denkmal Philipps von Rodenstein, eines der wenigen erhaltenen Bischofsdenkmäler des Wormser Domes, wurde aus einem von ihm selbst für seinen älteren Bruder Hans/Johannes von Rodenstein (†1627)3) bestimmten Epitaph geschaffen, indem die Stifter die möglicherweise auch schon inschriftlich gestaltete Schieferplatte umdrehen und neu beschriften ließen. Helwich zog sogar vom rückseitigen Vermerk eine Verbindung zur Inschrift des Hochaltares. Damit wird deutlich, daß das Denkmal eine gewisse Zeit nach dem Tod am 21. März 1604 entstand, und diese Entstehungsgeschichte erklärt auch das Fehlen jedweder äußerlichen Zeichen der Würde des Verstorbenen.

Mit in höchstem Maße formschönen Kapitalisbuchstaben, denen freilich einige Steinmetzfehler anhaften, wurde ein ausführliches Preislied gestaltet, das die Wahl des Bischofs begründet, seiner Regierung höchstes Lob zollt, das auf Bau- und Restaurierungsmaßnahmen anspielt4) und seines Todes während des für ihn persönlich ruhmreichen Deputationsreichstages zu Speyer gedenkt. In den Auseinandersetzungen mit Kurpfalz im Wildfangstreit hatte Bischof Philipp 1597 etwa die Bestätigung des Privilegs Kaiser Ferdinands I. durch Rudolf II. erhalten und sich Hochstift wie Reichsoberhaupt gleichermaßen empfohlen.5) Philipp von Rodenstein hatte reichlich in Bau und künstlerische Ausstattung des Bischofshofes investiert;4) von seinen weiteren persönlichen Denkmälern ist der Hochaltar von 1604 verschwunden, ein Rest seiner Schiefergrabplatte liegt im Kreuzgang des Stadtmuseums.6) Sein Grab befand sich in der Hochchorkrypta.7)

Textkritischer Apparat

  1. Sic.
  2. F aus E korrigiert.
  3. Ornamentales Füllzeichen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Wickenburg II 164 mit Ortsangabe und wegen Höhe unvollständiger Lesung: „Ex nobili et antiqua familia de Rodenstein.“
  2. Würdtwein, Series episcoporum Wormatiensium 126 sah noch eine figürliche Darstellung bei dem „Elogium“ im Chor.
  3. Zu den Geschwistern Hotz 244ff.
  4. Vgl. Jahreszahl 1603 vom Bischofshof, Nr. 605, und an dessen Fassade Sibylleninschriften, Nr. 603 (1602).
  5. Schannat II 414 Nr. CCCXI, 433 Nr. CCCXXVIII.
  6. Vgl. die vorangehenden Nrn.
  7. Helwich u. Haupt, Gräber im Dom 354.

Nachweise

  1. Helwich, Prodromus 54.
  2. Schannat, Hist. ep. Worm. I 437f.
  3. Kdm. Worms 199 Abb. 100.
  4. Hamann, Deutsche und französische Kunst I 49 Abb. 92.
  5. Kautzsch, Dom Taf. 149a.
  6. Schmitt, Bildwerke 333f.
  7. Hotz, Die letzten Rodensteiner Abb. 8.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 611 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0061101.