Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 561† Dom, innen vor 1595

Beschreibung

Stifterinschrift des Georg von Schönenburg auf einem Straußenei. Im Domschatz ein mit Gold und Edelsteinen besetztes Straußenei, in der Form eines Ziboriums.

Nach Schannat.

  1. Hocce Palaestinae strutio protrudit in orisa)Ovum, quod Schönberg sustulit ipse manu.

Übersetzung:

An die Küsten Palästinas legte der Strauß dieses Ei, das Schönenburg mit eigener Hand aufnahm.

Kommentar

Das Distichon wird wohl wegen der halbanonymen Nennung eines Schönenburg auf den Bischof Georg von Schönenburg bezogen, der am 11. August 1595 starb.1) Aus dem Text muß man mit Schannat eine Reise des Stifters ins Heilige Land annehmen, die sich aber sonst nicht belegen läßt.

Dem in Ostkirchen verbreiteten Straußenei läßt sich im Westen außer der wichtig zu nehmenden Funktion als kuriose Attraktion eine mehrschichtige Symbolik zuweisen: Daß alten Naturauffassungen zufolge der Strauß seine Eier von der Sonne ausbrüten läßt, konnte sowohl als Bild Christi, der von Gottvater aufgeweckt wird, wie auch als Symbol für die jungfräuliche Mutterschaft Mariens gedeutet werden.2) Flugunfähigkeit trotz Federn und Gleichgültigkeit gegenüber der Brut machten den Strauß zum Heuchler, zum Sinnbild des nicht vorbildlichen Predigers oder nach Durandus zum Bild des sündigen, Gott preisgegebenen Menschen.3)

Textkritischer Apparat

  1. Zeileneinteilung von Schannat übernommen.

Anmerkungen

  1. Zuordnung bei Schannat unter der Grabinschrift im Mainzer Dom, vgl. auch DI II (Mainz) Nr. 517. Im 16. Jh. käme noch sein 1571 verstorbener Bruder Wilhelm in Frage, der Kantor, Dekan und Kustos des Wormser Domstiftes gewesen war, vgl. sein Epitaph Nr. 543.
  2. Heinz-Mohr, Lexikon der Symbole 278f.; Beissel, Geschichte der Verehrung Marias im Mittelalter 477ff. nach dem Defensorium inviolatae virginitatis beatae Mariae.
  3. Sauer, Symbolik 212f.

Nachweise

  1. Schannat, Hist. ep. Worm. I 436.
  2. (Falk), Curiosa und Raritäten Sp. 77.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 561† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0056104.