Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 546† Dom, Kreuzgang 1591

Beschreibung

Epitaph des Kanzlers Georg Seiblin, von Ehefrau Anna Fauthin und Kindern gestiftet. Vermutlich im Westflügel des Kreuzganges.1) Hölzerne Tafel in „Marmorfarbe“ gestrichen mit Inschrift und Darstellung der knienden Familie, der Vater mit Söhnen rechts samt Wappen, die Mutter mit Töchtern links samt drei Wappen.

Nach Hertzog und Wickenburg.

  1. Nobili, clarissimo consultissimoque quo(n)dama) viro Georgio Seublinb) i(uris) u(triusque) d(octor) consiliis prudentia, singulari doctrina longaque rerum experientia conspicuo, qui postquam anno aetatis suae 23. doctoratus apicem consecutus et non longe post cancellariatus Wormatiensis muneri praepositus eodem 35.c) annis summo cum labore summaque integritate, constantia, dexteritate, sapientia functus simulque archipraesuli et electori Moguntino XI annisd) a consiliis fuisset, exulcerantissimis,e) heu, doloref) patriae ruentis temporibus publice domique mire agitatus, defessus tandem et assiduis pro republica exantlatis laboribus senioque exhaustus, catholica in religione, quam syncere ad extremum vitae spiritum coluit, pie defunctus, animamg) deo, corporis vero reliquias terrae resignavit, marito parentique dulcissimo de se eth) patria optime merito coniux Anna Fauthini) liberique superstites Ursula, Georgius Theodoricus i(uris) u(triusque) d(octor), Carolus i(uris) u(triusque) l(icentiatus), Daniel artium magister, Anna Margretha, Agnes Barbara, Catharina et Anna Elisabet Seublini communi luctu hoc monumentum piae memoriae ergo poni curaverunt. Vixit annos lxi, menses novemk), natus die ix mensis Octobris anno mdxxix, obiit anno mdxcil) die 18. Augusti stylo correcto. C(uius) a(nima) r(equiescat) i(n) p(ace) a(men).

Übersetzung:

Dem einst edlen, ausgezeichneten und hocherfahrenen Mann Georg Seiblin, beider Rechte Doktor, in den Beratungen auffallend durch Klugheit, einzigartige Gelehrsamkeit und lange Erfahrung in den Geschäften, der, nachdem er im Alter von 23 Jahren die hohe Zierde des Doktorates erreicht hatte und nicht lange danach dem wormsischen Kanzleramt vorgesetzt worden war und eben dieses 35 Jahre lang mit höchstem Einsatz, Lauterkeit, Beharrlichkeit, Gewandtheit und Weisheit versehen hatte, zugleich dem Erzbischof und Kurfürsten von Mainz 11 Jahre lang von Rat gewesen war und, ach, in diesen äußerst schwärentreibenden Zeiten von seinem Kummer über das dahinsinkende Vaterland öffentlich und zu Hause außerordentlich bewegt, ermüdet schließlich und von den beständigen für das Gemeinwesen ausgehaltenen Anstrengungen und dem Alter erschöpft, katholisch im Bekenntnis, das er aufrichtig bis zum letzten Seufzer des Lebens pflegte, gestorben war, die Seele Gott, das übrige des Körpers aber der Erde zurückgab; dem vielgeliebten Gatten und Vater, um sie und das Vaterland in höchstem Maße verdient, ließen in gemeinsamer Trauer die Gattin Anna Fauth und die überlebenden Kinder Ursula, Georg Theoderich, beider Rechte Doktor, Karl, beider Rechte Licentiat, Daniel, Magister artium, Anna Margaretha, Agnes Barbara, Catharina und Anna Elisabeth Seiblin dieses Denkmal frommen Angedenkens aufstellen. Er lebte 61 Jahre und 9 Monate; geboren am 9. Tag des Monats Oktober im Jahre 1529; er starb im Jahre 1591 am 18. Tag des Augusts nach verbessertem (Kalender)stil. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.

Wappen:
Seiblin (in blau ein goldener Balken, darunter ein Stern);? (in rot ein silberner Rost),? (in rot neun silberne Steine oder Sterne),? (in silber eine rote Rose, darunter zwei grüne Blätter).

Kommentar

Die lange Grabinschrift würdigt wortreich die Verdienste und Aufopferung des Verstorbenen, der in bischöflichen Diensten stand und ausweislich der Herkunftsangabe für seine Söhne Georg Theoderich, Karl und Daniel in den Heidelberger Matrikeln in Ladenburg lebte.2) Seine Verdienste hatte Bischof Dietrich von Bettendorff mit der Übertragung verschiedener heimgefallener Lehen belohnt, die die genannten Söhne 1595 in Erbbestand erhielten.3)

Bemerkenswert sind die ausdrücklichen Erwähnungen des Festhaltens am katholischen Bekenntnis und der Verwendung des neuen Kalenders.

Textkritischer Apparat

  1. quondam nur Wickenburg, daher mit Kürzung.
  2. Leiblin ebd.
  3. xxx ebd.
  4. Jahresangabe fehlt ebd.
  5. exulceratissimus Hertzog; exulceratissimis Wickenburg.
  6. Fehlt Hertzog, ergänzt nach Wickenburg.
  7. etiam Hertzog.
  8. de se fehlt Wickenburg.
  9. Fautbin ebd.
  10. Fehlt ebd; die Rechnung ergibt allerdings 10 Monate, 9 Monate bei Berechnung nach altem Kalender.
  11. mdlxxxxi ebd.

Anmerkungen

  1. Schmitt u. oben S. LXXVf.
  2. Toepke II 81, 101, 135.
  3. Schannat, Hist. ep. Worm. I 292; vgl. auch Briefbuch des Bistums Worms fol. 61v u. 65ff.

Nachweise

  1. Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 239-240 Nr. XXX.
  2. Wickenburg II fol. 162-163.
  3. Schmitt, Bildwerke 305 Nr. 32.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 546† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0054603.