Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 539 Stadtmuseum, aus Kloster Mariamünster 1590

Beschreibung

Grabplatte der Äbtissin Margaretha Kissel aus Worms. Innen an der Wand des nördlichen Seitenschiffs der Andreaskirche, 2. Stein von Osten, 1892 als Kanaldeckplatte zwischen Kämmererstraße und Färbergasse gefunden, dann im Paulusmuseum, aus Mariamünster.1) Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein auf abgesetzter Leiste; im vertieften Feld Figur der Verstorbenen in Nonnentracht mit Schleier, Buch und Stab, auf einem bequasteten Kissen ruhend. Zu ihren Füßen ein Wappen. Bestoßen, am Rand mehrfach ausgebessert. Bruch in der Mitte geflickt.

Maße: H. 193,5, B. 108,5, Bu. 7,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Rüdiger Fuchs) [1/1]

  1. AN(N)oa) D(OMI)NI · M · D · XC VII [KAL(ENDAS)]b) / APRIL(I)S O(BIIT) D(OMI)NA · MARG[ARE]TA KISELIN · NATA WORM[AT](IENSIS) / ABB(ATISS)A · H(VIVS) DOM(VS) · Q(VAE) FELICITR / REXIT · XXXTA · AN(N)IS · ETA[TI]S SVE · A(NN)o LXV · C(VIVS) · A(NIMA) · R(EQVIESCAT) · I(N) · P(ACE) ·

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1590, an den 7. Kalenden des April (26. März), starb Frau Margaretha Kissel aus Worms, Äbtissin dieses Hauses, das sie 30 Jahre lang glücklich leitete, im Alter von 65 Jahren. Ihre Seele ruhe in Frieden.

Wappen:
Kissel? (Handwerkerzeichen: Zimmermann).

Kommentar

Der Grabstein der Äbtissin Margaretha Kissel soll wegen früher oben sichtbaren Vertiefungen schon im Kloster Mariamünster an der Wand gestanden haben.2) Die Umschrift enthält hochgestellte und zahlreiche untergestellte Buchstaben und wirkt deshalb sehr unruhig.

Zum Todesdatum sind weitere Angaben überliefert: Eine jüngere Lesung ergab den 7. April 1597,3) eine Datierung auf den 10. Februar 1590 kann nicht vom Grabstein stammen.4) Alle Angaben, auch die oben vorgeschlagene Lesung, stimmen nicht mit den überlieferten Zeitangaben der Äbtissinnenliste überein, denn weder 1590 noch 1597 lassen über die 30jährige Amtszeit auf das Todesdatum der Vorgängerin Elisabeth Herdt, 29. März 1562, ohne Emendation zurückrechnen.5) Es gäbe dafür mehrere Erklärungsmöglichkeiten: Entweder fehlt eine Äbtissin in der Liste Schannats zwischen 1562 und 1567, wenn man 1597 zu lesen hätte, das Todesdatum 1562 stimmt nicht oder eine uns unbekannte Vakanz von fünf Jahren lag zwischen 1562 und 1567. Wenn Elisabeth Herdt wirklich am 15. August 1559 starb,6) ergäbe die Lesung 1590 für Margaretha Kissel eine 30jährige Regierungszeit. Zwingend erscheint 1590 auch angesichts der Nachricht, daß die Nachfolgerin Eva Cullmann am 2. November 1593 starb.7) Freilich widersprechen Würdtweins Angaben aus Nekrologen häufig den Todesdaten auf Grabsteinen! Schannat nannte an ihrer Stelle Eva Senger, die 1590 erwählt worden sei und im gleichen Jahr resigniert habe; demzufolge errechnete oder fand er für die 1612 verstorbene Äbtissin Margaretha Seyfrid, die 1596 inschriftlich belegt ist,8) eine Amtszeit von 22 Jahren.9) Trotz zahlreicher widersprüchlicher Angaben zu Todesdaten und Amtszeiten der Äbtissinen von Mariamünster ist den inschriftlichen Informationen zum Todestag zu vertrauen; Abweichungen liegen in wegen schmaler Materialbasis nicht überprüfbaren Rechenfehlern, umstrittenen Amtsübernahmen und nicht rekonstruierbarer Nekrologauswertung begründet.

Textkritischer Apparat

  1. Überhöhte Versalien bei ANNO, APRILIS, KISELIN.
  2. An der heute XC VII VIL zu lesenden Buchstabengruppe wurde unkontrollierbar nachgebessert. Emendiert nach XC VII KAL bei Helwich, XC VII DIE KAL Weckerling, XC VII VID Mus.Inv.

Anmerkungen

  1. Helwich, Weckerling 230.
  2. Weckerling 230.
  3. Mus.Inv., Register.
  4. Würdtwein, Monasticon Wormatiense II fol. 70r-v.
  5. Vgl. Nr. 479 nach Helwich.
  6. Würdtwein, Monasticon Wormatiense II fol. 70.
  7. Ebd. fol. 70v.
  8. Vgl. Nr. 524 (1583/1596).
  9. Schannat, Hist. ep. Worm. I 181f.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 20.
  2. Weckerling, Grabdenkmäler 231 Nr. 5.
  3. Mus.Inv. MGA Nr. 4 u. MGH Nr. 1.
  4. Illert, Worms 40 u. Abb. Nr. 29.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 539 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0053909.