Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 514 Dom, innen 1580

Beschreibung

Epitaph des Bischofs Dietrich/Theoderich von Bettendorff. An der Nordwand des Westchores, nördliche Blendnische des Vorchores, früher auf der Nordseite des Hochchores, zur Sakristei hin, gegenüber dem Rodenstein-Epitaph.1) Hohes Denkmal aus hellgelbem Sandstein mit heute fast verschwundener sparsamer blauer Bemalung. Über zwei Säulen und leerer Zwischenwand Sockel mit Inschriften; in einer Rollwerkkartusche achtzeilige Sterbeinschrift (A) auf einer Schiefertafel, Buchstaben mit Goldfarbe gefaßt, darunter schwarz ausgemalte Spruchinschrift (B) in schmalem Sockelfeld beiderseits einer Sensenmannbüste mit Stundenglas und Initialen des Meisters (L) auf der Sense; auf dem A und B trennenden Steg Spruch (C), schwarz ausgemalt. Gemalte Spruchinschrift (D) auf dem oberen Sims des Sockels. In der Mitte der reichen Architektur Rundbogennische mit kniendem Bischof, der ein Kreuz in den Händen und den Bischofsstab in den Armen hält, vor dem Kruzifix mit Titulus (M); auf dessen Fuß Tafel mit Spruch (E). Quasi vor Augen des Bischofs weitere Rollwerkkartusche mit Spruch (F). Zu seinen Füßen Mitra. In seitlichen, von Wappenpilastern gerahmten Rundbogennischen die Apostelfürsten, über denen Kartuschen ihre Namensbeischriften enthalten (G). Auf den jeweils vier Wappen mit Beischriften tragenden Pilastern stehen die Statuetten der vier Tugenden mit Namensbeischriften auf ihren Postamenten (H); im Buch der Fides Spruch (I). In der Lünette Gottvater in Wolkenglorie von geflügelten Putten umgeben, vor ihm eine Scheibe mit der Taube des Heiligen Geistes, passend zu den Resten der Spruchinschrift im Bogen (K). Darüber Prunkwappen in Kranzmedaillon und stark ornamentierter Giebel mit Masken; Spitzenfigur fehlt. Zahlreiche kleinere Beschädigungen an Figuren und Ornamenten, Farbfassung von Inschriften teils verblaßt.

Maße: H. 770, B. ca. 400., Bu. 2,2 (A), 5,7 (B), 2,5 (C,E), 3 (D,F), 3,6-5 (G), 4 (H), 1 cm (I).

Schriftart(en): Kapitalis (A,C,E,F,G,H,I,K,L,M), Kursive Kapitalis (B,D).

  1. A

    ANNO DONATAE SALVTIS M D L XXX THEODORICVS A BETTENDORFFa) / REVERENDISSIMVS VANGIONVM ANTISTES ET ILLVSTRIS IMPERIIb) PRIN/CEPS SVB EPISCOPATV ANNOSc) XXVIIIAETATIS SVAE LXII POST / INGENTES CVRAS SVAEQVE REIPVB(LICAE) VIGILIAS, SENIO ET VENERA = /BILI ANNORVM SERIE EMACERATVS, XXXId) DIE IANVARII ANIMAM / AD COELESTES FOELICITER ET RELIGIOSE TRANSMISIT MANESe) / CVIVS SPIRITVS IN REQVIE FVTVRAM PRAESTOLATVR / RESVRRECTIONEM

  2. B

    VIGILATE QVIA NESCITIS / DIEM NEQVE HORAM / MATT(HEVS) / XX[V]2)

  3. C

    RESSPICEf) / FINEM3)

  4. D

    BEATI MORTVI QVI IN DOMINO MORIVNTVR4)

  5. E

    LIVORE EIVS SANA/TI SVMVS ISA. LIII.5)

  6. F

    ADIVVA ME DOMINE DEVS / MEVS SALVVM ME FAC / SECVNDVM MISERICOR = /DIAM TVAM. PSAL. 108.6)

  7. G

    SANCT(VS) PETRVSSANCT(VS) PAVLVS

  8. H

    IVSTITIA SPES FIDES CHARITAS

  9. I

    DV SOLT / GLAVBE(N) / AN EINE(N) GOTTDO / NICHT / VNNVTZ/LICH / SCHWEREN

  10. K

    [TRES SVNT QVI TESTIMONIVM DA]NT [IN CAELO PATER VERBV]Mg) (ET) SPIRITVS SANCTVS 1. IOA(NNES) 57)

  11. L

    HRH

  12. M

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDEORVM)

Übersetzung:

Im Jahre der Heilsschenkung 1580, am 31. Tag des Januar, übergab den Himmlischen froh und gläubig seine Seele Dietrich von Bettendorff, höchstachtbarer Bischof der Vangionem (Wormser) und des Reiches ausgezeichneter Fürst, nach 28 Jahren des Episkopats im Alter von 62 Jahren, nach gewaltigen Sorgen und Wachen für sein Gemeinwesen, vom Alter und der ehrwürdigen Reihe der Jahre geschwächt. In Ruhe erwartet seine Seele die künftige Auferstehung. – Seid wachsam, denn ihr wißt nicht Tag noch Stunde. – Bedenke das Ende. – Glücklich die Toten, die im Herrn sterben. – Durch sein Leiden sind wir geheilt worden. – Hilf mir, o Herr, mein Gott, und errette mich nach deiner Barmherzigkeit. – Drei sind es, die Zeugnis im Himmel geben: der Vater, das Wort und der Heilige Geist.

Wappen und Beischriften:
viergeteilt von Bistum Worms und Bettendorff; Bettendorff, Gemmingen.
Anbringung am Denkmal (links):8)Anbringung am Denkmal (rechts):9)
NIFERNGEMMINGEN
DALHEIMHELMSTAT
FRAVWENBERGOTTERBACH
RIPENVELBERG
BETTENDORFFRAIDENBERG
WESTERSTETE(N)SELTENECK
NIPPENBERGNEWENSTAIN
ERMERSHOVE(N)ALFINGEN

Kommentar

Das prächtige Epitaph Bischof Dietrichs/Theoderichs von Bettendorff, mit dem Bischof Philipps von Rodenstein das einzige erhaltene größere Bischofsdenkmal aus der Zeit vor der großen Zerstörung von 1689, würdigt in sehr allgemeiner Weise die Verdienste des Verstorbenen, umrahmt von tröstenden und weisen Sprüchen. Der Sohn des Hans (†1556) und der Barbara von Gemmingen (†1521)10) amtierte in einer für sein Bistum und das geistliche Leben der Stadt Worms höchst schwierigen Zeit: Fiel sein Amtsantritt 1552 in die kriegerischen Auseinandersetzungen mit Markgraf Albrecht von Brandenburg, so beschwerten Rechtsstreite mit der Stadt und die konfessionellen Zusammenstöße mit den Kurpfälzern, insbesondere bei der Auflösung der Klöster Neuhausen, Liebenau, Maria Himmelskron u.a.m. die weitere Regierungszeit,11) so daß die Sterbeinschrift mit Recht von ingentes curae suaeque rei publicae vigiliae sprechen darf. Er hatte 1529 in Heidelberg studiert.12)

Der in der bischöflichen Residenz Ladenburg Verstorbene wurde in seiner Bischofskirche in der Gruft des Hochchores bestattet.13) Von Hans Rupprecht Hoffmann (†1616), in Trier beheimatetem Bildhauer,14) stammt das aufwendige Epitaph mit reicher Symbolik und sechzehnteiliger Ahnenprobe, das dem erst 1770 aufgestellten Denkmal des Bischofs Franz Ludwig Pfalzgraf bei Rhein (†1732) als kompositorisches Vorbild diente.15) Die kräftige und zugleich demütige Renaissancefigur Bettendorffs zeigt den Betenden in reichem Chorgewand mit den Insignien Stab und Mitra.

Ein Eulengefäß Bettendorffs aus dem Jahre 1558 mit seinem Bischofswappen hat das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe erworben.16)

Textkritischer Apparat

  1. Beijtendorn Wickenburg.
  2. S. Imperii Helwich.
  3. sui episcopatus anno Kdm.
  4. 30 Zorn-Wilck.
  5. Hier bricht Kdm. ab.
  6. Sic.
  7. Undeutliche Reste einer schwarz gemalten Inschrift.

Anmerkungen

  1. Hertzog: „in dem oberen Chor oder der grossen Sacristey zur linken handt gegen den hohen Altar“; Helwich in Relation zum Denkmal Friedrichs von Domeneck: „... ante aram summam... ibidem ad murum positum ...“; Wickenburg in Relation zum Rodenstein-Denkmal: „cui ex opposito respondet oblique ad latus sinistrum chori...“.
  2. Mt. 25,13.
  3. Rückübersetzung von Sir. 7,40: „Was du auch tust, bedenke das Ende“; Vulgata: „In omnibus operibus tuis memorare novissima tua“. Expilizit Luther-Zitat und Rückübersetzung in Hochdorf a.d.E., DI XXV (Ludwigsburg) Nr. 394. Die griffige lateinische Formel geht wohl auf den in den zahlreichen Handschriften der Gesta Romanorum cap. 103, hg. von H. Oesterley. Berlin 1872, 431, überlieferten Hexameter zurück: „Quidquid agis, prudenter agas et respice finem“.
  4. Apc. 14,13.
  5. Is. 53,5.
  6. Ps.(G) 108,26.
  7. I Io. 5,7.
  8. Helwich listet zeilenweise von rechts nach links springend auf, seine Numerierung in Klammern; hier genealogische Ordnung: Bettendorff (1), Westerstetten (2), Nippenburg (3), Emershofen (5), Reipp von Odernheim (4), Frauenberg (6), Talheim (7), Niefern (8). Auf einem Wappenblatt, abgebildet bei Villinger (wie Anm. 10), die Positionen ebenso. Im Original steht die äußerste linke Reihe auf dem Kopf; korrekt wie oben Helwich, Opus genealogicum I fol. 110v.
  9. Liste Helwichs wie bei Anm. 8, in Reihenfolge: Gemmingen (1), Helmstatt (2), Otterbach (3), Vellberg (4), Freudenberg (5), Neuenstein (6), Seldeneck (7), Hohenalfingen (8).
  10. Die Eltern sind in Nußloch bestattet, vgl. DI XII (Heidelberg) Nr. 216 u. 283.
  11. Schannat 432-434; C.H.J. Villinger, Das Eulengefäß des Bischofs Theodor, in: Wonnegauer Heimatbll. 18,1 (1973) 2 u. 4.
  12. Toepke I 544.
  13. Zorn-Wilck u. Helwich, Prodromus.
  14. Schmitt nach E. Strübing, Johann von Trarbach. Phil. Diss. masch. Frankfurt 1920, 106f.: aus Worms. Zu Hoffmann vgl. F. Balke, Über die Werke des kurtrierischen Bildhauers Hans Ruprecht Hoffmann (†1616) (Trierer Jahresberichte NF 7f.) Trier 1916 für 1914/15 u. E. Zahn, in: NDB 9 (1972) 420f.: aus Sinsheim.
  15. Schmitt 335ff.
  16. Villinger (wie Anm. 11) mit Abb.

Nachweise

  1. Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 219 (A,B,C,D,E,F,K).
  2. Helwich, Syntagma 3 (A).
  3. Zorn-Wilck (W) 630, (M) 759 (A).
  4. Helwich, Prodromus 52 (A).
  5. Schannat, Hist. ep. Worm. I 434 (A).
  6. Wickenburg II fol. 164-165 (A,B,C,D).
  7. Zorn-Meixner fol. 168 (A).
  8. Gallia Christiana V Sp. 688f. (A).
  9. Kdm. Worms 197 (A).
  10. Kranzbühler, Nachrichten 14 Nr. 28. (A).
  11. Kautzsch, Dom Taf. 151.
  12. Schmitt, Bildwerke 332f. (A,B,C,D,E,F,H,L).
  13. Hamann, Deutsche und französische Kunst I 49 Abb. 93.
  14. Illert, Worms Abb. 70.
  15. v. Winterfeld, Dom Abb. S. 66.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 514 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0051401.