Inschriftenkatalog: Stadt Worms
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 29: Worms (1991)
Nr. 396† Dom, Kreuzgang 1517
Beschreibung
Möglicherweise Epitaph eines unbekannten Geistlichen oder kollektives Totengedächtnismal. Im 7. östlichen Joch des Kreuzgangnordflügels, vielleicht über oder wenigstens am Eingang zur Blasiuskapelle.1) Abbildung des hl. Blasius rechts, des hl. Mauritius mit Fahne und Wappenschild links, darunter Spruchinschrift (A) und weiter unten zweite Spruchinschrift (B); zwischen den Heiligen Figur eines knienden Geistlichen mit Wappenschild und Jahreszahl (C).
Nach Hertzog.
- A
Christe, precor tristesque dolores, signa verenda.a)Neminemb) decipiat mundus nec daemonis actus.Sit procul a famulo caro petulantia crucis.a)
- B
Animae fidelium requiescant.Divina dulces animae cum pace quiescant.Salvator, magna te pietate rogo.Defunctis requies securae et tempora vitaeSint virtus, vivisc) pax bona laeta dies.
- C
1517d)
Übersetzung:
Christus, ich flehe dich an und die traurigen Schmerzen, die verehrungswürdigen Zeichen; niemanden täusche die Welt oder das Wirken des Teufels; fern sei von dem teuren Diener des Kreuzes die Leichtfertigkeit. – Die Seelen der Gläubigen mögen ruhen, in göttlichem Frieden mögen die süßen Seelen ruhen. Erretter, dich flehe ich um große Gnade an; den Verstorbenen seien Ruhe und Zeiten sicheren Lebens, den Lebenden Tüchtigkeit, guter Friede, froher Tag.
? (rot und gelb);? (zwei lothringische Kreuze).2) |
Textkritischer Apparat
- veneranda crucis Hertzog, Schmitt. crucis zum dritten Hexameter gezogen, nach a famulo caro petul ebd. Emendation gemäß Metrum nach Hinweis von Dr. Ute Ecker, Mainz.
- Nemo Hertzog, Schmitt; nach Sinn und Metrum korrigiert.
- Emendiert aus vinis bei Hertzog und Schmitt.
- 1514 Schmitt.
Anmerkungen
- Schmitt nach Hertzog: „Weitter uber St. Blasii Capel“.
- „zwey dupel Creutz“.
- Bischof Eberwin von Kronberg hatte am Mauritiustag 1301 (22. September) den Blasiusaltar geweiht. Erinnert sei aber ferner daran, daß die 1033 von Bischof Azecho gestiftete Mauritiuskapelle auf dem Friedhof des Domstiftes stand, vgl. Schannat, Hist. ep. Worm. II 50f.; es ist denkbar, daß sie später in den Kreuzgang einbezogen wurde.
- Vgl. Nr. 425.
Nachweise
- Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 232r-v Nr. VII.
- Schmitt, Bildwerke 300f. Nr. 10.
Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 396† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0039608.
Kommentar
Darstellung eines knienden Geistlichen mit Wappen und Sinnzusammenhang der Hexameter und Distichen lassen darauf schließen, daß die Zitate von einem Denkmal stammen, das dem Totengedächtnis gewidmet war, wenngleich man dem Gewährsmann auch die Verquickung zweier nicht zusammengehörender Teile zutrauen muß. Die Wahl der für den Standort quasi zuständigen Heiligen3) als Begleitfiguren ist für ein individuelles Totengedächtnismal ebenso denkbar wie für eine reine figürliche Ausschmückung, die mit frommen Sprüchen kombiniert war; ihr Inhalt läßt an ein kollektives Totenmal für die im Kreuzgang Begrabenen denken, wie es 1535 für die Nonnen von Maria Himmelskron in Worms-Hochheim errichtet wurde.4) Das Entstehungsjahr schließt unmittelbar an die von den letzten Schlußsteinen des Jahres 1516 belegten Baumaßnahmen an; denkbar wäre also, daß man so für die durch die spätgotischen Umbauten gestörte Memorie des romanischen Kreuzganges einen Ersatz schuf, und zwar in Form einer kollektiven Gedenkstätte.