Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 297 Worms-Herrnsheim, kath. Pfarrkirche 1483/(1492)

Beschreibung

Epitaph Philipp Kämmerers von Worms gen. von Dalberg und seiner Gattin Barbara geb. von Flersheim. Südostecke der Grabkapelle. Großes Grabmal aus hellgelbem Sandstein mit rechtwinklig einander zugekehrten Halbfiguren der Verstorbenen in spätgotischer Architektur, die Grabinschriften jeweils längs neben den Figuren (A,B), der helmlose, gerüstete Ritter steht betend auf einem Löwen, die Edelfrau in faltenreichem Gewand auf einem Hund. Über den Figuren erhebt sich eine mehrgliedrige gotische Architektur, flankiert von Fialen, die auf Konsolen mit den Evangelistensymbolen ruhen. Ein vorgewölbter Spitzbogen mit Fischblasenmaßwerk überragt die Figuren und wendet um in eine Art Medaillon, das unten aus dem umgekehrten Spitzbogen und oben aus einem Kielbogen gebildet wird, die beide mit Krabben besetzt sind. In diesem Feld jeweils ein Wappen, beim Ritter mit beschädigtem Helm, bei der Edelfrau von einem Engel gehalten. Die Flanken des Grabdenkmales sind mit Maßwerk, Fischblasen und Vierpässen geschmückt; in Höhe der Köpfe sitzen dort Löwe und Hund. Gut erhalten, besonders in den Kapitalisbuchstaben noch jüngere Reste von Zement und Farben enthalten; mit roter Steinschutzfarbe gestrichen.

Maße: H. ca. 400, B.(Ritter) 112, (Edelfrau) 121, Bu. 4,5 (Minuskel) 6,5 cm (Kapitalis).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A,B), Kapitalis (A).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Rüdiger Fuchs) [1/5]

  1. A

    〈ANNO · D(OMI)NI · 1492a) · INVENCIO(N)Eb) · CRV(CIS)〉 Starb / philpsc) · kem(m)ererd) · uo(n) · dalbu(r)ge) · de(r) · selle(n) · got · genad ·

  2. B

    1483 · uf · sa(n)t · luxf) · tag · starb · ba(r)bel · uo(n) · fleßhey(m)g) · philpsh) / kem(m)ere(r)i) · uo(n) · dalbu(r)gsk) · hußf(r)awe · de(r) · selle(n) · got · genad

Datum: 18. Oktober 1483;1 3. Mai 1492.

Wappen:
Kämmerer von Worms gen. von Dalberg; Flersheim.

Kommentar

Der Schriftwechsel bei der Datumsformel in Philipps Sterbeinschrift zeigt an, daß das Datum nachgetragen wurde. Im übrigen sind die Schriftformen der Minuskeln beider Inschriften mit ihren ausgesprochen dekorativen Elementen zeitgleich. Bis auf die Datumsformel bei Philipp entstand das gotische Epitaph also kurz nach dem Tode seiner Gattin Barbara. Es besteht kein Grund anzunehmen, daß der Nachtrag des Todesdatums nicht schon 1492, also kurz nach dem Tode Philipps, erfolgt wäre. Daß man damals eine Kapitalis, wenn auch von einer unklassischen Form, wählte, setzt voraus, daß eine solche Schriftform in dem für die Dalberger wichtigen kulturellen Zentrum Worms schon als Vorbild vorhanden war. Dabei spielt deren Ausführung und Qualität keine Rolle, lediglich ihre Existenz als Innovationsvorbild und Traditionsbruch ist für das Verständnis der Herrnsheimer Anwendung wichtig. Da die anzunehmenden Wormser Vorbilder in der Umgebung des Bischofs Johann von Dalberg entstanden, jener ein Neffe des Verstorbenen war und etwa gleichzeitig wegen der Arbeiten am Domkreuzgang ein reiches Künstlerreservoir zur Verfügung stand, sind alle Voraussetzungen erfüllt, unter denen 1492 in Herrnsheim eine Kapitalis von einem freilich noch nicht perfekten Meister und außerdem unter ungünstigen räumlichen Bedingungen ausgeführt werden konnte.2)

Der dekorativen späten Minuskel mit schon manieristischen Cauden steht eine mit klassischer Proportion und Formensprache noch nicht in Einklang befindliche Kapitalis an der Seite, deren vergleichsweise schlanke Buchstaben auch von der nötigen Zusammendrängung verursacht sein können. Außer der leicht unregelmäßigen Strichführung wirken auch unklassisch A mit kleiner Trabs und die nicht sauber spitz zulaufenden Winkel zwischen Schäften und Schrägbalken des N sowie der über den Schaft hinausragende und nicht schließende Bogen des D. Die geringe Vertrautheit mit den neuen Formen verraten am Schaft zusammentreffender Bogen und Cauda des R sowie gezwungen wirkende Sporenbildung. Schon für die Minuskeln zog der Steinmetz ein Raster von horizontalen und vertikalen Linien vor; bei der Inschrift Philipps sind sie noch gut zu erkennen.

Philipp Kämmerer war der Sohn Johanns (XII.) aus der Dalbergischen Hauptlinie und der Anna von Helmstatt; Barbara von Flersheim war die Tochter Friedrichs und der Margarethe von Randeck. Ihre Nachkommenschaft erlosch noch im 16. Jahrhundert im Mannesstamm; ihr Sohn Wolf (†1549) und ihr Enkel Eberhard (†1559) sind ebenfalls in Herrnsheim begraben.3)

Textkritischer Apparat

  1. J-förmige 1, 4 in moderner Position.
  2. inventionis Hertzog.
  3. Sic. philips Hertzog, Kdm., Schmitt, Armknecht.
  4. Cammerer Hertzog.
  5. dalberg Hertzog, Kdm., Schmitt, Armknecht.
  6. lucie Hertzog, Kdm., Schmitt, Armknecht.
  7. Sic. Alle anderen flershey(m) o.ä., aber keine Kürzung erkennbar; das ist untypisch, da in beiden Inschriften sonst r häufig gekürzt.
  8. philippi Kdm., Schmitt, Armknecht.
  9. kamerer Kdm., Schmitt.
  10. dalburg Kdm., Schmitt, Armknecht.

Anmerkungen

  1. Auf dem Stein steht eindeutig lux tag, d.i. Lukastag.
  2. Vgl. zur Kapitalis oben S. LXVf. u. bes. Nr. 316.
  3. Vgl. Möller, Stammtafeln AF II Taf. LXVI u. Nr. 442f., 461, 473.

Nachweise

  1. Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 311v.
  2. Abriß der herrschaftlichen Epitaphien.
  3. Kdm. Worms 67 u. Abb. 34.
  4. Schmitt, Herrnsheimer Dalberg 30 u. Abb. VI.
  5. Armknecht, Grabmäler der Dalberg 246 Nr. 1.2 u. Abb.
  6. Bardong, Harlesheim Abb. 11.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 297 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0029701.