Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 213† Martinsstift nach 1410

Beschreibung

Tafelgemälde mit Stiftern? und Sprüchen. Innen neben der Tür zum Kirchhof,1) vielleicht auch als Altarbild,2) jedenfalls 1687 über einem Tragaltar3) Gemälde mit dem Bild der Mystischen Mühle oder Hostienmühle, unter der zwei Personen in Ritterrüstungen mit ihren Wappen knien, rechts Giselbert Phus II., links Wiprecht; über ihnen wohl in Schriftbändern Sterbenachrichten (A,B) und Sprüche (C,D). Aus teils abweichenden Beschreibungen läßt sich folgendes Aussehen rekonstruieren: Über den Stifterdarstellungen mit einer Spruchinschrift (E) das Mühlrad, von vier Evangelisten angetrieben, und ein Mahltrichter, in den Maria (F) das Christuskind (G) kopfüber hineinhält; zwölf Apostel (H) treiben das Rad.4) Unter der Mühle steht der Papst,5) der in einem Kelch Hostien, vielleicht auch Blut, auffängt. Die Hostien werden weitergereicht an einen Kardinal, von dem an einen Bischof, von dem an einen Priester, der sie dem Volk austeilt, das Ganze begleitet von Engeln. In der Giebelzone Wolkenglorie, aus der Gottvater spricht (I). Die Inschriften „nitt wol zu lesen“.

Inschriften nach Hertzog.

  1. A

    Anno domini 1386 S. Catharinae virginis obiit Fos Cammerer miles

  2. B

    Anno domini 1410a) in die S. Jacobi apostoli obiit Wipertus Cammerer armiger

  3. C

    Gott der Her leßt sich mahlenDer Welt Missethat wil er bezalen

  4. D

    Dein bitter Marter vnd vnschuldig BluttSey vnser Schirm vnd vnser Hutt

  5. E

    Das Muhlradt sollen wir treibenVnd von Gottes Martel schreiben

  6. F

    Son, durch die bitter Martel deinLaß dir den Sunder beuolhen sein

  7. G

    Mein Blutt rottb) ich in Weitzen weißDas ich die Welt damit speiß

  8. H

    Gott gebe vns zu vnseren HendtDas wir die Welt sollen wendt

  9. I

    Die Dreyfaltigkeitt gab den RhattDie was in schuldtDar muste leiden mein Kindt den TodtDas es vns hülffe zu huldt

Datum: 25. November 1386; 25. Juli 1410.

Wappen:
Kämmerer von Worms.

Kommentar

Für die Datierung des Werkes sind die Todesdaten der beiden genannten Kämmerer von Worms, Giselbert Phus II.6) und Wiprecht7), maßgebend; da der letztere 1410 starb, müßte es nach seinem Tod am 25. Juli entstanden sein, es sei denn, dieses Datum wurde nachgefügt und bot so Anlaß für die lückenhafte Wiedergabe bei Hertzog. Obwohl nur bei jenem überliefert, kann kein Zweifel herrschen, daß das Gemälde von den beiden Dargestellten oder nächsten Angehörigen gestiftet worden war; der Familienzweig starb schon in der Generation nach Wiprecht aus.8)

Die sehr drastische Darstellung, bei der Maria das Christuskind eigenhändig der Mühle und damit dem Leiden übergab, erregte die Gemüter der Betrachter.9) Die Wormser Mühle gehört zu den frühesten ihrer Art und blieb in der Reihe vergleichbarer Werke auf den unterschiedlichsten Trägern thematisch vereinzelt.10) Die Hostienmühle oder Mystische Mühle steht in enger Verwandtschaft mit dem „gekelterten Christus“11) und versinnbildlicht die eucharistische Wandlung; Ausgangspunkt war die Verwandlung des alttestamentarischen Korns zum Mehl des Neuen Bundes, das dann sehr leicht mit Christus gleichgesetzt werden konnte in Anlehnung an Joh. 6,35: „Ich bin das Brot des Lebens“.12) Außer dem heiligen Meßopfer umfaßt die allegorische Darstellung in mystischen Mühlen die Menschwerdung Gottes, das Brot des Glaubens und der Eucharistie, hier in Worms auch das Opfer, das die Mutter Maria bringt.

Textkritischer Apparat

  1. Fehlt Jahreszahl ohne Angabe einer Lücke, ergänzt nach vorangehender Nr.
  2. Unsicher gelesen.

Anmerkungen

  1. Hertzog.
  2. Des Engländers Gilbert Burnet Reisebriefe von um 1685, zitiert nach Giesen, Kleine Zitate 154.
  3. Voyage d‘Italie par (F.) Maximilian Misson. Amsterdam 1743, zitiert nach Deggau, Eine französische Beschreibung von Worms aus dem Jahre 1687, in: Vom Rhein 10 (1911) 65f. Eine deutsche Beschreibung des 17. Jh.s im Stadtarchiv Worms, vgl. A. Martin, Das Bild der Hostienmühle in Worms. Eine Ergänzung, in: Mitteilungsblatt des Altertumsvereins Worms 1. Folge 10 (1939) 69: über dem Eingang der Kirche.
  4. Nach Burnet eine Windmühle; Hertzogs Evangelisten am Mühlrad von Misson als vier Tiere Hesekiels (Kap. 1), in denen sich ja die Evangelistensymbole wiederfinden, gedeutet.
  5. Nach Hertzog ein siebzigjähriger Ritter.
  6. Vgl. Nr. 167.
  7. Vgl. vorangehende Nr.
  8. Möller, Stammtafeln AF II Taf. LXV.
  9. Burnet (wie Anm. 2): „Auch hätte ich gerne eine andere Kuriosität, welche euch etwas lächerlich vorkommen wird, angesehen: Ein Gemälde nämlich, welches auf einem Altar der Papisten stehen und von den Feinden der Transsubstantiation erfunden sein soll .... Ein herrliches Sinnbild, welches auch die ärgsten Lappländer nicht dummer erdenken könnten. Aber was ist‘s Wunder? wann man einmal die Transsubstantiation verschlucket hat, so ist nichts, so man nicht auch verdauen könnte.“
  10. A. Thomas, Art. Mystische Mühle, in: LCI III (1971) Sp. 297-299; J. Giesen, Das Bild der Hostienmühle in Worms, in: Der Wormsgau 2,4 (1939) 263f. Maria nur in der ebenfalls frühen Darstellung des Wandgemäldes von Eriskirch/Bodensee in ähnlicher Rolle.
  11. F. Bassermann-Jordan, Ein plastisches Kelterbild im Historischen Weinmuseum zu Speyer a.Rh., in: Pfälzisches Museum 29 (1912) 1-8; A. Thomas, Die Darstellung Christi in der Kelter. Eine theologische und kunsthistorische Studie, zugleich ein Beitrag zur Geschichte und Volkskunde des Weinbaus (Forschungen zur Volkskunde 20/21) Düsseldorf 1936, bes. 163ff.
  12. H. Vollmer, Bibel und Gewerbe in alter Zeit. Kelter und Mühle zur Veranschaulichung kirchlicher Heilsvorstellungen (Bericht des Deutschen Bibel-Archivs 7) Hamburg 1937, insbes. zu literarischen Verarbeitungen des Themas. Vgl. auch Joh. 6,50f.

Nachweise

  1. Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 307r-v.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 213† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0021301.