Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 113 Stadtmuseum, mittelrheinisch(?) 1.V.14. Jh.?

Beschreibung

Bildbeischrift zu Figur der Anna mit Palmzweig und der gekrönten Maria auf dem Arm. Hohes Fenster in der Westwand der Andreaskirche, Herkunft unbekannt. Schrift weiß auf schwarzem Grund über den Köpfen. Vor blauem Hintergrund nimbierte Figuren in Rot- und Brauntönen unter einem pseudogotischen Wimperg mit Maßwerkrundbogen(!) und Vierpaß stehend, darüber quasi als Hintergrund fünf Türme, gelb. Im Maßwerk eine Scheibe mit Davidstern. Umlaufender Fries mit Rankenwerk wohl neu. Maria hält eine heraldische Lilie in der Hand; dasselbe Zeichen krönt den Wimperg.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. S(ANCTA) · MARIA / S(ANCTA) · ANNA ·

Kommentar

Das bisher wenig beachtete Fenster ist dem frühen 14. Jahrhundert zugeschrieben worden,1) wurde jedoch noch nicht einer erfolgreichen Untersuchung nach originalen Teilen oder nach seiner Herkunft unterzogen; das Gesicht der hl. Anna ist überzeichnet.

Obwohl eine Figurengruppe dieser Art am Südportal des Domes vorkommt und mithin das Motiv in der Zeit um 1300 in Worms und wegen der Berühmtheit jener Skulpturen auch in der weiteren Umgebung bekannt war,2) stellen sich doch erhebliche Zweifel hinsichtlich der Originalität von Beischrift und Architekturdetails ein.

Trotz der stark verwischten Buchstabenkonturen lassen sich Einzelheiten manieristischer Formengebung erkennen wie etwa in den Doppelstrichen3) und teils spitzen Schwellungen der linken Schäfte beim A sowie dem fast runden A am Anfang von ANNA; wenigstens teilweise beschreiben diese Formen zusammen mit der Bogenbildung Abweichungen, die nicht nur dem räumlichen Abstand zu vermeintlich gleichzeitigen südwestdeutschen Glasmalereien zuzuschreiben sind.4) Das lückenhafte mittelrheinische Material bedarf noch eingehender Echtheitsprüfungen.

Die Darstellung der hl. Anna mit dem Marienkind auf dem Arm erlebte erst im Barock eine hohe Blüte; die vorliegende Variante nimmt möglicherweise eine Anna-Selbdritt-Komposition vorweg, da Maria eine Lilie – hier wohl als Christus-Symbol – in der Hand hält; die Lilie gilt allerdings auch als Attribut der Anna selbst und als Marien-Symbol.5)

Anmerkungen

  1. Wentzel, Meisterwerke der Glasmalerei 38; Böcher, St.-Andreas-Stift 13.
  2. Vgl. Schmitt, Bildwerke 265ff.
  3. Zu Schattenstrichen des A und beigegebenen Haarstrichen in der Glas- und Wandmalerei vgl. Koch, Schrift auf den niederösterreichischen Bildfenstern, bes. LII u. ders., Paläographie der Inschriften österreichischer Fresken, bes. 23.
  4. Im Vergleich zu CVMA I 2 und II 1.
  5. Vgl. zu Anna Braun, Tracht und Attribute 80f., zur Lilie M. Pfister-Burkhalter, Art. Lilie, in: LCI 3 (1971) Sp. 100-102.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 113 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0011304.