Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 70 Paulusstift E.13.-A.14. Jh.

Beschreibung

Zwei oder drei Fragmente einer Grabplatte zweier unbekannter, aber verwandter Personen, wahrscheinlich eines Ehepaares. 1987 bei Grabungen an der östlichen Mauer des vormaligen Rupertusfriedhofes in ca. 1 m Tiefe gefunden, wohl aus dem Paulusstift stammend. Ehemals hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien. Als Bruchstück erhalten nur die untere linke Ecke, zum großen Teil abgetreten(?) (A); bei einem weiteren Fragment Oberfläche ebenfalls stark zerstört, undeutliche Buchstabenreste (B), ein drittes ohne Inschrift. Allseitig bestoßen oder beschnitten. Heute mit Blei ausgefüllte Befestigungslöcher weisen auf eine Verbauung der Spolie im Zugang des Friedhofes, eventuell an der Treppe, hin.

Maße: H1. 77, B1. 30, H2. 109, B2. 30, Bu. 5,5 (A),? cm (B).

Schriftart(en): Gotische Majuskel, vor 1300 (A).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Rüdiger Fuchs) [1/2]

  1. A

    [..... / ..... ..... / ...] + ANNO · / EODEM · [.....]

  2. B

    [...]ND[...]

Kommentar

Die höchst unsichere Zusammenziehung der Fragmente stützt sich auf Fundumstände, Verwendung als Spolien und ähnliche Steinoberfläche. Da der Schriftrest des zweiten Fragmentes keinen den Schaft übergreifenden Bogen aufweist, gehören die Stücke schriftgeschichtlich nicht zusammen; außerdem befindet sich der Rest auf der Innenseite einer Begrenzungslinie, die ca. 17 cm vom gestörten Rand entfernt ist, eben deutlich mehr als beim ersten Fragment. Der Zerstörungsgrad schränkt die Zuordnungsmöglichkeiten stark ein.

Für die Schriftformen der Inschrift A finden sich in Worms keine Parallelen; die auffällig schlanken Majuskeln weisen neben geringen Bogenschwellungen abgeschlossenes E, ligiertes kapitales und unziales N sowie achsensymmetrisches A mit gebrochenem Mittelbalken auf. Die Mischung von auseinanderstrebenden Datierungsindizien wird durch ausgeprägte Deckstriche an Schäften und zu Spitzen verlängerte Bögen von E, D und N vervollständigt. Da die Schlankheit der Buchstaben durch notwendige Drängung für ein vergrößertes Formular verursacht worden sein kann, ist ein Ansatz in das Ende des 13. Jahrhunderts bis zum Anfang des 14. möglich.1)

Die Formel „Anno eodem ...“ schließt die Sterbenachricht für eine zweite Person, meist den Ehegatten, an. Seit dem 14. Jahrhundert sind fortlaufende oder gegenläufige Umschriften insbesondere bei adligen Doppelgrabmälern im Schwange, wie etwa bei der verworfenen Erstfassung des Epitaphs Zum Jungen-Weikersheim in der Katharinenkirche zu Oppenheim2) und bei mehreren Denkmälern im Landkreis Bad Kreuznach.3) In Worms selbst existieren zwar noch zahlreiche Mehrfachverwendungen, mit 69 Nummern vielleicht überhaupt der dichteste Bestand, jedoch bestehen die zeitnahen bis auf eine in zusätzlichen Umschriften und sind nicht ursprünglich als Denkmäler für zwei oder mehr Personen konzipiert.4)

Anmerkungen

  1. Trotz des gegenüber anderen Wormser Inschriften mangelnden Gotisierungsniveaus kann man den Stein kaum vor die Mitte des 13. Jh.s setzen, da Umschriftplatten dieser Art – und dazu in einer Doppelverwendung – höchst selten sind, und dann meist besondere Personen betreffen. Steine mit gegenüber zeitgleichen, aber entwickelteren Buchstabenformen auch in der Ausführungsqualität abfallenden Schriftformen sind in fast allen Beständen anzutreffen, man vgl. dazu etwa die Stifterinschrift des Werner von Worms in Schönau, DI XII (Heidelberg) Nr. 22 und auch einzelne hier vorliegende Formen belegende Grabplatten in Steinheim, DI XXV (Ludwigsburg) Nr. 5, 12, 23, u. Lobenfeld, DI XII (Heidelberg) Nr. 24.
  2. Neufund; Verfasser beabsichtigt in naher Zukunft Ergänzung zu DI XXIII (Oppenheim) Nr. 73.
  3. In Bearbeitung durch Eberhard J. Nikitsch, Mainz.
  4. Vgl. oben S. CI, CVIII u. Nr. 84: eine zeitnahe Umschrift für zwei Personen.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 70 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0007008.