Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 69† Bergkloster, St. Andreas (825)/E.13. Jh.?

Beschreibung

Verlorene Grabplatte des Bischofs Bernhard/Bernharius. Beim Hochaltar, rechter Hand des Vitalius-Steines „nach Hochheim zu“. Steinplatte mit teilweiser Umschrift; im Feld Hand mit Bischofsstab.

Nach Schannat und Würdtwein.

Maße: Maße unbekannt.

Schriftart(en): Gotische Majuskel, vor 1300?1)

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. + BERNA/RIVS EP(ISCOPV)Sa) / WORMACIEb) +

Übersetzung:

Bernharius, Bischof von Worms.

Kommentar

Sowohl die Abbildung bei Schannat als auch die explizite Aussage Würdtweins anhand des Schrifttyps machen deutlich, daß es sich hier um eine im 13. oder spätestens 14. Jahrhundert angefertigte Grabplatte des 825 verstorbenen Bischofs handelte.2) Die Erneuerung geschah in zeitgemäßer Form der lebensgroßen Umschriftplatte, deren Text freilich mit den wortkargen Grabbenennungen von Bischöfen des 13. Jahrhunderts genau übereinstimmt, und gibt keinen Hinweis auf die ursprüngliche. Diese wollte Würdtwein in einem vollständig verlorenen Stein mit einer angeblichen Inschrift erkannt haben; sie ist jedoch nur aus der mißverstandenen Todesnachricht der Jüngeren Bischofschronik abgeleitet, wie sie auch beim Kirschgartener Chronisten, Zorn und seinen Abschreibern begegnet.3)

Über die Grablege der ältesten Bischöfe von Worms lassen sich keine genauen Angaben machen; auch im Falle des Bernharius ist man auf die Nachricht über sein Begräbnis im Andreasbergkloster nach der Bischofschronistik und auf die verlorene Platte angewiesen. Beiden lag offenbar eine Tradition ungewissen Alters zugrunde, die aber kaum in die Lebenszeit des Bischofs zurückreicht, da das hohe Alter der Andreasbergkirche eben nur mit dem Grab des Bischofs belegt ist, die erste sichere Erwähnung jedoch gut 200 Jahre später mit der Verlegung der Institution in die Stadt durch Bischof Burchard I. geschieht.4) Es ist daher sehr viel wahrscheinlicher, daß die Grablege des Bischofs Bernharius ebenso wie das Vitalis-Grab und der Dreijungfrauenstein in eine Reihe von fingierten Denkmälern gehört, mit denen hohes Alter, und damit Ansehen, Attraktivität der Kirche als Grabplatz illustrer Stifter und Gönner augenfällig gemacht oder gar bewiesen werden sollte.5) Ob die zeitliche Unechtheit mit einer inhaltlichen einhergeht und ob ein Denkmal dann gegebenenfalls nicht mehr nur kommemorativen, sondern schon dokumentarischen Charakter besitzt, ließe sich nur durch Heranziehung zusätzlicher Quellen entscheiden. Träfe die Beurteilung des Steines als fingiertes Beweisstück zu, wäre seine Existenz möglicherweise sogar als Auslöser für die Nachrichten der Bischofschronik zur Grablege anzusehen. Aus der Geschichte der Kirche, die 1243 den Reuerinnen übergeben worden war, ist zu wenig bekannt, um Gründe für eine solche Politik zu ermitteln, immerhin fiele die Grabfälschung auf einen angesehenen Bischof der Stadt dann in eine Zeit des Wiederaufbaues der Kirche6) und könnte der Einwerbung von Baumitteln und der Erhöhung der Attraktivität der Kirche für Besucher und Spender gedient haben. Daß offenbar doch stärker an oder mit der Klostertradition manipuliert wurde, legt die räumliche Nachbarschaft des Steines zu einer möglichen Scheingrablege von Personen aus dem Umkreis der Ursulalegende nahe.7)

Textkritischer Apparat

  1. Überliefert von Schannat und Würdtwein die Buchstaben EPC mit griechischem S.
  2. Sic.

Anmerkungen

  1. Schannat, Würdtwein, Kraus.
  2. 823 Schannat, Würdtwein; 825 Simon, Stand und Herkunft. Die Schriftdatierung explizit auf ausgehendes 13. Jh. bei Würdtwein auch bei Kraus übernommen, freilich aus der Nachzeichnung nur schwer so einzugrenzen.
  3. Zur Überlieferung vgl. oben S. XLVf.; Text in Rekonstruktion nach K. Strecker, in: MGH Poetae IV 3. Berlin 1896, 1035f: „Ossibus et nervis iam sum disiunctus in antro / his precor obnixe versibus exiguis / te quoque devote, frater, ceu ore loquendo / ut quis eram, agnoscas prorsus in orbe manens / Bernharius praesul fuerat mihi nomen, honorem / in regali aula promerui procerum / nunc vero ut cernis stricto inclususque sepulchro / quod plebem regerem, hanc ut et annumeram / quippe quater quini et trini sunt plus minus anni / mutavi hanc lucem carnis ab hospitio / O frater, duodenis Aprilisque calendis / cum scriptum hoc recitas, dicere non pigeat / omnipotens genitor rerum et rex magnus Olympi / sanctorum meritis Bernharium socia“, überliefert in Chronicus liber antistitum fol. 8 als „In huius Berenharii laudes hec resonant carmina“, im Gegensatz zu Zorn, Chronik bei Arnold 23: „Bernharii episcopi apud Poenitentes epitaphium“. Mit unmittelbar anschließenden weiteren Versen auch Wormser Bischofschronik fol. 22v.
  4. Würdtwein u. oben S. XXV.
  5. Vgl. Nr. 65 u. 67.
  6. Kranzbühler 80f.
  7. Vgl. Nr. 222f.

Nachweise

  1. Schannat, Hist. ep. Worm. I 313 u. Taf. III.
  2. Würdtwein, Monasticon Wormatiense II fol. 171.
  3. Kraus, Christliche Inschriften II Nr. 163.
  4. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 81.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 69† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0006908.