Inschriftenkatalog: Stadt Worms

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 29: Worms (1991)

Nr. 67† Martinsstift 2.H.13. Jh.? o. später

Beschreibung

Gedenkinschrift für Kaiser Otto III. Wahrscheinlich über einem Portal.1)

Nach Zorn-Meixner.

  1. Otto III. fundator hujus aedis est

Übersetzung:

Otto III. ist der Gründer dieser Kirche.

Kommentar

Falls es sich wirklich um eine alte Inschrift handelte und nicht um eine nach den Zerstörungen von 1689 angefertigte, gehörte sie in den Umkreis der vom Stift betriebenen Verehrung Kaiser Ottos III., der als Kirchenstifter auf dem Stiftsiegel zwischen 1250 und 1271 dargestellt war.2) Die hypothetische Zuschreibung der kurzen Gedenkinschrift noch ins 13. Jahrhundert resultiert aus dem sinnfälligen Ausdruck des Stiftungsvorganges auf dem nur kurzzeitig verwandten Siegel. Die besondere Beziehung zu Otto III. pflegte man weiterhin, denn in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde im neu angelegten Seelbuch unter dem 5. Dezember 991, eben dem vorgeblichen Jahr einer als Gründung mißverstandenen großzügigen Schenkungsurkunde,3) eingetragen: „Anno domini DCCCCLXXXXI obiit Otto Imperator tercius fundator huius ecclesie; unum maldrum siliginis et unam libram hallensium de curia Edelwini. Re[migii]“; in einer Hand wohl vom Ende des 15. Jahrhunderts ist ein viel reicher ausgestattetes „Anniversarium Ottonis Imperatoris fundatoris huius ecclesiae...“ mit detaillierten Angaben zu Leistungen und Zahlungen angefügt.4) Mit guten Gründen sah Kranzbühler das Zustandekommen des vollkommen falschen Todesdatums in der Vermischung mehrerer Informationen, nämlich aus dem Todestag des Vaters Otto (zwischen dem 3. und 8. Dezember 983) und dem Todesjahr der Mutter Theophanu 991.5) Eine weitere, freilich ebenso verdächtige und wenn am Martinsstift existierend dann wohl aus der Zeit nach der Zerstörung stammende Inschrift vereinigt die Ottoverehrung des Stiftes propangandistisch mit der ebenfalls gepflegten Martinslegende.6)

Wiederholt wurde die Gründungslegende inschriftlich am Propsteihof zu Boppard zum Jahre 1479: „Otto, post Ottonem regnavit tertius Otto, item fundator ecclesiae Wormatiensis sancti Martini.“7) Die Überlegung ist daher nicht von der Hand zu weisen, daß auch die Wormser Inschrift erst im 15. Jahrhundert entstand. Neben Siegelbild und Seelbucheintrag spricht allerdings auch die im 13. Jahrhundert zu Blüte gelangende und allenthalben verbreitete Stifterverehrung für eine Frühdatierung.8) Der Wortlaut der Inschrift legt es nahe, sie als dingliches Substrat einer vom Stift gepflegten Tradition und ihre publikumswirksame Zurschaustellung zu verstehen, kaum als Dokumentation und Rechtfertigung der Stifterverehrung. Das Fehlen jeglicher Titulatur ist dem Abschreiber anzulasten oder resultiert aus sehr viel späterer Entstehung.

Anmerkungen

  1. „über dessen Kirchthor steht“.
  2. Vgl. Kranzbühler, St. Martin 24f. u. Abb. II,2. Vgl. Nr. 65 zum Gedenken Kaiser Ludwigs des Frommen in Kloster Mariamünster u. oben S. CVff. zu inschriftlich überlieferten illustren Stiftern und Gönnern.
  3. MGH DO. III. 428: Fälschung des 12. Jh.s; RI II,3 1043, 1043/I, 1482: Existenz zweier Deperdita Ottos III. für möglich gehalten.
  4. Liber animarum S. Martini fol. 70v.
  5. Kranzbühler 22, vgl. auch RI II,2 Nr. 919e u. II,3 Nr. 1035b.
  6. Como, Kollegiatstift St. Martin 7: „Otto tertius Romanorum imperator christianissimus hac veste me decoratum voluit. – Otto der Dritte dieses Namens, Römischer und Christlicher Keyser, hat mich durch dieses Kleidt gezieret“ – ohne Nachweis. Form und Anbringung sind unbekannt; die Datierung nach 1689 kann mit der Übersetzung, die Como zur Inschrift zog, begründet werden. Es bestehen freilich erhebliche Ungereimtheiten in der Überlieferungsgeschichte der Inschrift: Die von Como für St. Martin in Worms reklamierte Inschrift auch bei C. Rutsch, Boppard und das Rheintal von St. Goar bis Lahnstein in Landschaft und Geschichte. Koblenz 1880, 74, nach Kdm. Boppard I 328 ehemals über dem Kircheneingang des Stiftes St. Martin in Boppard, zuvor aber nur Kapelle und später Franziskanerinnenkloster; übrigens erst 1280 wurde der Altar der Kapelle dem hl. Martin geweiht, Rutsch 75.
  7. Como 7.
  8. Vgl. dazu beim Stiftergedenken für Kaiser Ludwig d.Fr. im Kloster Mariamünster, Nr. 65.

Nachweise

  1. Zorn-Meixner fol. 17.

Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 67† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0006703.