Inschriftenkatalog: Stadt Worms
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 29: Worms (1991)
Nr. 48† Worms-Neuhausen, Cyriakusstift 1273
Beschreibung
Grabplatte des Bischofs Samuel, mitten in der Kirche,1) vor dem Heilig-Kreuz-Altar.2) Im Zuge der Translation 1273 wurden die Gebeine des Bischofs, Abtes von Lorsch und Neuhausener Stiftsgründers in einem Bleisarg in der Stiftskirche beigesetzt. Das Grab erhielt eine Deckplatte aus weißem Stein mit wohl einzeiliger, möglicherweise längs geschriebener Inschrift.
Nach Helwich.
Schriftart(en): Gotische Majuskel, vor 1300.3)
SAMVEL EPISCOPVS VVORMATIENSIS
Anmerkungen
- Helwich: „cuius tumuli ibidem lapidi albo inscriptio magnis litteris haec legitur in medio templi“.
- Chronicon Wormatiense saeculi XV 24.
- So aus Helwichs knapper Beschreibung abzuleiten.
- Vgl. Nr. 33, 43, 52 (1234, 1257, 1283).
- Vgl. H. Gensicke, Samuel, Bischof von Worms 838-856, in: Die Reichsabtei Lorsch. Festschrift zum Gedenken an ihre Stiftung 764, hg. von F. Knöpp. Darmstadt 1973, I 253-255.
- Lateinische Bistumschronik fol. 12v u. 13v.
- Chronicon Wormatiense saeculi XV 24; Wormser Bischofschronik fol. 26v-27.
- Zorn, Chronik bei Arnold 29. Bei Zorn, Wormatiensia fol. 128, dort direkt folgend „Cum Satan ...“.
- Vgl. zum Wortverständnis jüngst F. Rädle, Epitaphium, in: Epigraphik 1988, Tagungsband Graz, im Druck.
- Zu weiteren angeblichen Inschriftentexten, auch zum nach Lorsch oder Neuhausen gesetzten Stiftergedenken in „Haec loca fundavit Samuel ...“ vgl. oben Kap. 4.
Nachweise
- Helwich, Prodromus 17.
- Ders., Antiquitates Laurishamenses 25.
Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 48† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0004806.
Kommentar
Nach der Beschreibung bei Helwich kann es sich nur um eine bescheiden ausgestattete Grababdeckung gehandelt haben, wie sie für mehrere Wormser Bischöfe des 13. Jahrhunderts im Dom bezeugt ist.4) Ihre Entstehung muß nach dem 7. September 1273, dem Tag der Translation, angesetzt werden.
Samuel, Mönch in Fulda und Lorsch, dort auch 837 Abt und kurz darauf Bischof von Worms, hatte sich nach dem Teilungsvertrag von Verdun König Ludwig d. Dt. angeschlossen, von ihm Privilegien für Lorsch erhalten und 847 ebenso Erlaubnis und Mittel für die Gründung des Cyriakusstiftes bei der angeblichen königlichen Pfalzkirche St. Dionys zu Neuhausen. Nach seinem Tod am 6. oder 7. Februar 856 wurde er in Lorsch bestattet.5) Die Umstände und Gründe für seine spätere Überführung nach Neuhausen durch Bischof Eberhard Raugraf sind nicht bekannt; doch darf man annehmen, daß das Cyriakusstift Ansprüche auf den illustren Stifter gegenüber der im Niedergang begriffenen und damals schon zur Prämonstratenserpropstei umgewandelten Lorscher Kirche durchsetzen konnte.
Wie bei nahezu allen frühen Wormser Bischöfen sind auch für Samuel Sprüche überliefert, die auf eine verlorene Bischofschronik zurückgehen. Eine bezeichnende Variante klärt die Fiktion als solche: In der Lateinischen Bistumschronik6) sind insgesamt drei Begräbnisnachrichten zu unterschiedlichen Orten und Zeiten mitgeteilt, stereotyp jeweils eingeleitet mit „cum tali epitaphio“; im Zuge von Ausbesserungsarbeiten im Jahre 1479, nach dem Brand von 1460, fand man im Fußboden den Bleisarg mit den Knochen Samuels, die man in allen Ehren wieder beisetzte, und zwar „cum tali epitaphio: Hoc Samuel tumulo placuit dormire secundo / Cum Sathane ecclesiam filius exusserat istam / ...“. Die erste Zeile fehlt beim Kirschgartener Chronisten und in dem Überlieferungsstrang nach der Zimmerschen Chronik und Zorn;7) letzterer faßte sie mit dem Vers „Dum Laurissa suum pugil exhumat incineratum“ zu einem „epitaphium ex tabella“ zusammen; in einer älteren Fassung heißt es freilich nach dem Gebeinfund: „... und ist disses Epitaphium auff den Sarck gemacht: Hoc ...“.8) Die unterschiedlichen Zusammensetzungen und Varianten sind nur aus dem Kombinieren von Versatzteilen aus der alten Bischofschronistik zu erklären und nicht aus der Existenz wirklicher Inschriften. Man kann nicht einmal behaupten, die Gewährsmänner des 16. Jahrhunderts oder ihre Vorlagen hätten selbst Inschriften erdichtet, denn in keiner der die Zitate einleitenden Passagen ist ausdrücklich und unmißverständlich von einer Inschrift die Rede. Ankündigungen wie „Mit diesem epitaphium“,9) „war ihm diese gedächtnis darzu geschrieben“, „epitaphium ex tabella“ oder gar nur „unde invenitur hoc sic scriptum“ und „dessen noch etlich schrifften und verslein vorhanden folgends inhalts“ sind ausschließlich auf Chronikzitate zurückzuführen, die mehr oder weniger kunstvolle und ausführliche Abschnitte der Chronistik zum Begräbnis bzw. zur Translation enthielten und als markante Informationen übernommen wurden, versehen eben mit geeignet erscheinenden Ankündigungen. Die Fiktion des Inschriftencharakters beruht also einzig und allein auf Konstruktionen später Chronikbenutzer.10)