Inschriftenkatalog: Stadt Worms
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 29: Worms (1991)
Nr. 36† Martinsstift 2.V.13. Jh.?
Beschreibung
Wandmalerei mit Propheten- und Apostelnamen und Spruchinschriften. Im oberen Teil der Nord- und Südwand des Chores über den Bogenblenden, 1887 freigelegt, 1896 restauriert und teils übermalt durch den Wormser Kirchenmaler Fritz Muth, der die Originale in heute verschollenen Aquarellen festhielt, 1908 durch Otto Linnemann übermalt. Bei den Aufräumungsarbeiten nach 1945 geborgene Reste nicht auffindbar1) und aus vorhandenen Fotos nicht zu beurteilen. Über die Kopien vor der ersten Restaurierung sind nennenswerte Schriftreste nur von der Südseite bekannt, an der zwölf Prophetenfiguren mit Schriftbändern (A-M) in zwei Gruppen in Rundbogennischen standen, jeweils von einer breiten Borte aus Blattwerkornamentik umrahmt, zu ihren Häupten ihre Namen. Gegenüberliegend auf der Nordseite befanden sich die Figuren der zwölf Apostel (N-Y), deren beigegebene Inschriften und Namen nur über schwierig zu beurteilende, mehrstufige Nachmalungen bekannt sind. Die Apostel sicher von links, die Propheten in hypothetischer Reihenfolge. Eine Geißelung des Herrn aus dem ursprünglichen Bestand wurde durch Linnemann 1908 in einen monumentalen Gemäldezyklus im Mittelschiff erweitert, der u.a. David mit der Harfe, die Heimsuchung der Elisabeth, die Verkündigung, die Anbetung der drei Könige und der Hirten, Jesus im Tempel, eine Auferstehung und Marien Tod umfaßte.2)
Nach Aquarellen Fritz Muths in den Abbildungen bei Borrmann und Fotos im Stadtarchiv.3)
Maße: H.(Bildfeld) jeweils ca. 215, B.(Bildfeld je Gruppe) jeweils ca. 400 cm.1)
Schriftart(en): Gotische Majuskel, vor 1300 (A-Y).
Textkritischer Apparat
- Keine oder nur wenige Buchstaben und zudem unsicher gelesen.
- Sic! in Nachmalung.
- Bei Borrmann Amos, aber Text aus Micha 1,3, fortzusetzen mit SVO.
- In jüngster Nachmalung verschrieben DES.
- Diese Ergänzung nach Linnemanns Nachmalung ist höchst fraglich, da auf dem Aquarell Muths vielleicht doch noch [J]OEL zu lesen ist und sich auf dem Schriftband die kaum kenntlichen und unsicher zu lesenden Buchstaben [........EOR .DE.] befanden.
- Auch diese Nachmalung fraglich, da am Anfang des Schriftbandes nach Muth [.]G CV[...] oder [.]T CV[...]zu erkennen ist.
- Undeutliche und teils verwirrende Schriftreste bei Muth erlauben keine Kontrolle.
- Der ergänzte Text nach der Vulgata; eigentümlicherweise überliefert die Nachmalung Linnemanns von diesem nach Muth besterhaltenen Schriftband in der problematischen Hälfte nur die Buchstaben C.M.
- Offenbar Text ausgelassen, vgl. bei Anm. 14. Die Ergänzung stimmt nicht mit den bei Muth vermutbaren Buchstabenresten überein: [...T..]ERI[.. .]T · ER[...ALD..].
- Die Ergänzung stimmt nicht mit den bei Muth vermutbaren Buchstabenresten überein: [..]E[......] VEC[.] VT N[......].
- Sic!
- Stattdessen falsch ODES.
Anmerkungen
- Glatz, Mittelalterliche Wandmalerei 342.
- Nach StA Worms Neg.Nr. 3567.
- StA Worms Neg.Nr. M 7805, F 1113/8-41, F 3167/62,64.
- Za. 1,12.
- Agg. 2,8.
- Hab. 2,3. Nach Borrmanns hypothetischer Zuschreibung Hosea.
- Mi. 1,3; vgl. auch bei Anm. c.
- Os. 12,5.
- Mal. 3,1.
- Am. 9,11, vgl. aber bei Anm. e.
- Dn. 9,26, vgl. aber Anm. f.
- Ez. 34,23.
- Bar. 3,38. Der Nachweis scheint nur im Widerspruch zum Prophetennamen zu stehen, denn die Weissagungen Baruchs waren schon von Augustinus dem Jeremias zugeschrieben worden, De civitate Dei XVIII 33 mit Zitat Bar. 3,36ff., und in älteren Listen der Bücher des Alten Testamentes so enthalten.
- Is. 7,14: „et pariet filium, et vocabitur nomen eius Emmanuel“.
- So. 3,17.
- Mt. 20,22: „Potestis ...“.
- Io. 1,49.
- Mt. 9,9: „... secutus est eum“.
- Mt. 10,7.
- Iud. 21.
- Io. 20,29.
- Io. 21,16 + 17.
- Act. 9,15.
- Mt. 4,19, Mk. 1,17.
- Io. 21,22, Io. 21,23.
- Iac. 2,17.
- Io. 14,9.
- So Borrmann nach Weihenotiz zu 1265; Liber animarum S. Martini fol. 53v, bestätigt durch Urkunde Bischof Eberhards im StA Worms.
- An 1265 schon zweifelnd Kranzbühler, St. Martin 15f.; 1240 genannt bei Böcher, St.-Martins-Kirche 5; noch näher an den Domwestchor gerückt von Spille, Meerweibchenstein.
- Vgl. A. Katzenellenbogen, Art. Apostel, in: RDK 1 (1937) Sp. 823f., W.H. van Os, Art. Credo, in: LCI 1 (1968) Sp. 461-464. Die Verbindung von Credo und Aposteln resultiert aus einer pseudoaugustinischen Predigt, derzufolge es von den Aposteln bei ihrem Abschied gemeinsam verfaßt wurde, ohne daß die darin vorkommende Verteilung in mittelalterlichen Abbildungen konsequent nachvollzogen worden wäre. DI XIX (Göttingen) Nr. 38 zum Flügelaltar von 1424, DI XXVI (Osnabrück) Nr. 32 zur Altarpredella vom Anfang des 15. Jhs. jeweils mit Apostel-Programm und Credo.
- Zu Billigheim (Lkrs. Südliche Weinstraße) Glatz 176ff. u. Abb. 10 und Beispiel aus Osnabrück, ante.
- Vgl. W. Molsdorf, Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst. Leipzig 1926, 186ff. Nr. 1022ff.
- Ebd. 163 Nr. 987.
- Vgl. Anm. 13, nämlich außerdem Amos, Ezechiel und Aggäus, dazu mit anderer Übersetzung die Belege nach Habakuk u. Malachias sowie die Erwähnung nach Daniel in Augustinus, De civitate Dei XVIII 28, 33-35 u. 31, 34.
Nachweise
- R. Borrmann (Hg.), Aufnahmen mittelalterlicher Wand- und Deckenmalerei in Deutschland. Berlin 1897/98, Taf. 43 u. 52, Kommentare zu Tafeln.
Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 36† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di029mz02k0003600.
Wenn nicht anders vermerkt, Ergänzungen in eckigen Klammern vorgenommen gemäß Nachmalungen nach 1908; die Lesungen aus Muths Aquarellen können kaum zu einer sicheren und endgültigen Kontrolle herangezogen werden, da man auch dort keineswegs immer die Wiedergabe des wirklich Gesehenen voraussetzen kann.
[· Z]ACHARIAS[ ·4) D(OMI)NE EX(ERCITVVM) VSQVEQVO NON MISEREBERIS JERVSAL(EM)]a)
[·]A[GGAE]VS [·5) V]EN[IET · DESIDERAT(VS) CVNCT(IS) GENT(IBVS)]a)
[· HABAGVGb) ·6) VIS(VS) · PROC(VL) ET APPAREB(IT) · IN FINE(EM) · ET NON MENT(IETVR).]
[· MICHAEASb) ·7) QVIA ECCE D(OMI)N(V)S EGRED(IETVR)] DE LOCOc)
[· HOSEAS ·]8) D(OMI)N(V)S · DE(VS)d) [· EX(ERCITVVM) · D(OMI)N(V)S) · MEMORIALE EJVS.]
[· MALACHIAS ·9) · · ECCE VENIT DICIT D(OMI)N(V)S EXERCIT(VVM)]
[· AMOS ·10) I(N) · DIE ILLA SVSC(ITABO) · T(A)B(ER)N(A)C(VLVM) · DAVID QVOD CECID(IT)]e)
[·]DANIEL ·11) [ET POST · HEBD(OMADES) · SEXAG(INTA) · DVAS OCCID(ETVR) CHRIST(VS)]f)
[·H]E[CECHI]EL[ ·12) ET SVSCIT(ABO) · SVP(ER) · EAS PAST(OREM) · VNVM ·]g)
[JER]EM[I]AS13) POST · H(AEC) · I(N) T(ER)RIS · VI(SVS) · E(ST) [ET CVM HOMINIBVS CONVERSATVS EST]h)
· IESAI[AS ·14) ECCE VIRG(O) · CONCIPIET ET PAR(IET) ... EM(ANVE)L]i)
[· SOPHONIAS ·15) D(OMI)N(V)S · D(EVS) · TVVS I(N) · MED(IO) · TVI, FORT(IS) · IPSE SALV(A)B(IT)]k)
Texte aus den Nachmalungen Otto Linnemanns, in eckigen Klammern eigene sinngemäße Ergänzungen
· S(ANCTVS) JACOBVS · M(AIOR) ·16) PODESTIS BIB(ERE) · CAL(ICEM) Q(VEM) E(GO) BIB[IT(VRVS)] SVM
· S(ANCTVS) BATHOLOMAEVS ·17) RA[BBI] TV ES FIL(IVS) · DEI TV ES RE[X ISRAEL]
S(ANCTVS) · MATHAEVS ·18) [ET S]VRGENS SECVT(VS) · EST JESVM
S(ANCTVS) · SI[MON]19) EVNTES PRAED(ICATE) · DICENT(ES) · QVIA APPRO(PIN)QVA(VIT) [REGNVM] [C]OEL(ORVM)
S(ANCTVS) · THATHAEVS ·20) VOSMETIPSOS I(N) · DILECT(IONE) · DEI SERV(ATE) ·
· S(ANCTVS) · THOMAS ·21) BEATI, QVI N(ON) VIDERVNT, ET GREDIDERV(NT)l)
[· S(ANCTVS) · P]ETRVS ·22) PASCE AGNOS MEOS · PASCE OVESm) MEAS
· S(ANCTVS) · PAVLVS ·23) VAS ELECTIONIS EST MIHI ISTE ·
· S(ANCTVS) · ANDREAS ·24) V(ENI)TE POST ME, ET FAC(IAM) VOS FIER(I) PISCAT(ORES) HOMIN(VM)
· JOHANNES · EVANG(ELISTA)25) SIC EVM VOLO MANERE DONEC VENIAM ·
· JACOBVS · MINOR26) ···· FIDES SINE OPERIBVS MORTVA EST ·
· PHILIPPVS ·27) PHILIPPE QVI VIDET ME VID(ET) · ET PATREM ·
Übersetzung:
Micha: Denn sehet, der Herr wird ausziehen von (seiner) Stätte. – Jeremias (Baruch): Danach wurde er auf der Erde gesehen und ist unter den Menschen gewandelt.