Hinweis zu den Abbildungen

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Der Band umfasst 750 Inschriftennummern der heutigen kreisfreien Stadt Worms bis zur Zerstörung von 1689. Davon sind etwas mehr als die Hälfte wenigstens teilweise noch erhalten, fast 60 weitere immerhin in brauchbaren Fotos überliefert. Zu zwei Dritteln stammen die Inschriften aus dem weiten Bereich des Totengedächtnisses, ergänzt durch Nachrichten zu Bauen und Errichten, Stiften und Gedenken. Einige wenige Inschriften begleiten und erklären Bilder, fixieren Weihen oder rechtserhebliche Sachverhalte.

Als Edition stellt der Inschriftenband Worms eine bedeutende Erweiterung des Quellenmaterials zur Geschichte der Stadt, ihrer Kirchen und ihrer Bewohner dar. Vielfach lassen sich an den Wormser Inschriften einzelne Phänomene über lange Zeitraume hin beobachten: Die Memorialinschriften erschließen Vorstellungen von Tod, Jenseits und Auferstehung, wichtig zumal in einer konfessionell polarisierten Stadt. Interessant ist auch die Frage, welche sozialen Gruppen Grabmaler mit Inschriften erhielten oder überhaupt Inschriftendenkmaler hinterließen. Nicht nur aus den Reihen des Klerus, sondern zahlreich und aus recht früher Zeit haben sich in Worms Grabinschriften aus dem weltlichen Bereich erhalten. Seitdem Ende des 13. Jh. begegnet man in ihnen einer städtischen Oberschicht am Scheideweg zwischen Stadtbürgertum und Niederadel, vornehmlich ab der 2. Hälfte des 16. Jh. dann einer vielfach versippten lutherischen Ratsverwandtschaft. Eine adlige Grablege schufen nur die Kammerer von Worms im Martinsstift und ihr dalbergischer Zweig in Herrnsheim. Von der Grablege der Bischofe und der Domgeistlichkeit lassen sich nur vage Vorstellungen gewinnen; umso mehr muss man die weitgehende Erhaltung der spätgotischen Ausstattungsbildnerei des Domkreuzganges hochschätzen, die auswärtige Künstler heranführte und wie bei Grabmalern Gelegenheit bot, die eigene Vorstellungswelt in Bild und Wort darzustellen. Der Bestand der Wormser Inschriften zeichnet sich durch eine Reihe von Denkmalern aus, die hin sichtlich Programmatik, Historisierung und Legendenbildung bis hin zu Fälschung in besonderer Weise untersucht und teilweise neu gedeutet werden mussten.

Im Katalogteil werden Inschriftentexte ediert, teils übersetzt, datiert und im Kontext von Standort und Träger erklärt; in mehreren sachlich getrennten Kapiteln der Einleitung ergibt sich aus diesen Einzelbeobachtungen eine Zusammenschau der Wormser Inschriften hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit für die Geschichte der Stadt und ihrer Institutionen, zu Textüberlieferung, Schriftgeschichte und Besonderheiten des Bestandes. Mehrere Register erschließen den Band für weitere Arbeiten. Der Tafelteil gibt eine repräsentative Auswahl von Inschriften im Bild wieder.

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Vorwort

Im Sommer 1982 wurde der Bearbeiter mit der Sammlung und Bearbeitung der Inschriften der Stadt Worms und des Landkreises Alzey-Worms betraut. Die Vielzahl der gefundenen Inschriften erzwang schon bald eine Beschränkung der Bearbeitung auf das Gebiet der heutigen kreisfreien Stadt Worms einschließlich ihrer Vororte. Die Sammlung und editorische Verarbeitung fand im Sommer 1989 ihren Abschluß, nachdem Neufunde von Fragmenten und Abschriften die Zahl der Inschriftennummern immer wieder anwachsen ließen. Nachträge konnten nur noch beschränkt aufgenommen werden.

An dieser Stelle möge allen Förderern der Arbeit gebührender Dank abgestattet sein, seien sie hier oder an entsprechender Stelle im Katalog namentlich genannt. Bei komplizierten Aufnahmen und fotografischen Arbeiten liehen die Mitarbeiter der Mainzer Inschriftenarbeitsstelle ihre Unterstützung. Dankbar entgegengenommene Hilfe bei den vielfältigen Ermittlungen und Untersuchungen der Inventarisierungsarbeit gewährten die Pfarrer und ihre Mitarbeiter, die Hüter von Kirchen und profanen Gebäuden, die Bürgermeister und Ortsvorsteher, die Mitarbeiter des Museums der Stadt Worms und des Stadtarchives Worms, Mitglieder des Altertumsvereines und der Historischen Vereine des Stadtgebietes. Ferner gilt Dank dem Landesamt für Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz, dem Badischen Landesmuseum und dem Generallandesarchiv in Karlsruhe, den Stadtarchiven und Stadtbibliotheken in Frankfurt und Mainz, dem Dom- und Diözesanarchiv Mainz, dem Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden und dem Hessischen Staatsarchiv Darmstadt; in zweckdienlichster Weise haben sie Fotobestände, Akten und Handschriften zur Benutzung überlassen. In gleicher Weise sei den Hütern der von Worms nach außerhalb gebrachten Inschriftenobjekte und Archivalien, den Pfarrern und Küstern in Aschaffenburg, Bad Dürkheim, Ernstkirchen, Großkarlbach und Großostheim, dem Dom- und Diözesanmuseum Mainz, dem Historischen Museum der Pfalz in Speyer, dem Augustinermuseum Freiburg, der Bayerischen Staatsbibliothek München, dem Bayerischen Staatsarchiv Würzburg, der Arbeitsstelle für Textilrestaurierung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in Bamberg gedankt. Von den vielen in und bei Worms ansässigen Personen, die den vorliegenden Inschriftenband mit Rat und Tat gefördert haben, seien hier namentlich erwähnt Frau Dr. Mathilde Grünewald (Museum der Stadt Worms), Herr Dr. Helmut Hartmann (Bechtheim), Herr Dr. Walter Hotz (Altertumsverein Worms), Frau Michaela Küper (Domarchiv Worms), Herr Fritz Reuter (Stadtarchiv Worms), Herr Joachim Schalk (Worms-Horchheim), Herr Eugen Schüler (Worms-Leiselheim), Frau Dr. Irene Spille (Worms-Pfeddersheim). Wertvolle Hinweise zu einzelnen Denkmälern gaben Herr Prof. Dr. Friedrich Karl Azzola (Trebur), Herr Prof. Dr.Dr. Otto Böcher (Mainz), Frau Dr. Walburg Boppert (RGZM), Frau Dr. Hannelore Herrmann (Schloß Seehof bei Bamberg), Herr Dr. T. Kwasman (Hochschule für jüdische Studien Heidelberg), Herr Manfred Maier (Stadtarchiv Worms) und Herr Prof. Dr. Fidel Rädle (Göttingen). Durch Diskussion und Rat in epigraphischen, historischen und philologischen Fragen halfen zahlreiche Kollegen der benachbarten Arbeitsstellen der Akademie, namentlich Drr. Ecker, Hehl, Heinig, Monsees, Nikitsch, Rübsamen, Scholz und Zernecke; Herr Prof. Dr. Otto Zwierlein, Philologisches Seminar der Universität Bonn, prüfte einige Übersetzungen und enträtselte einige meist verstümmelt überlieferte Texte. Besonderer Dank für Mühe, geduldige Anleitung und stete Förderung im Gespräch gebührt der Mentorin, Frau Dr. Renate Neumüllers-Klauser von der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie, die an letzter Stelle, doch gewiß nicht an niedriger genannt ist, wie eben der Schlußstein den Bogen zusammenhaltend. Verbliebene Irrtümer und Lücken liegen jedoch allein in der Verantwortung des Bearbeiters.

Mainz, im Dezember 1989.

Rüdiger Fuchs

1. Vorbemerkungen und Benutzungshinweise

Der vorliegende Band enthält die Inschriften im Gebiet der heutigen kreisfreien Stadt Worms von nachrömischer Zeit bis zum Zerstörungsjahr 1689. Die angestrebte vollständige Erfassung bezieht auch Inschriftenträger aus öffentlichen und privaten Sammlungen sowie an entfernt liegenden Orten ein, soweit ihre Herkunft aus, Entstehung in Worms oder ihre Herstellung für eine Person oder Institution in Worms mit einiger Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Neben den heute noch erhaltenen sind auch alle erreichbaren abschriftlich und nur noch fotografisch überlieferten Inschriften aufgenommen.

Die Reihenfolge der Inschriften im Katalog ist chronologisch; ihre Aufnahme, Bearbeitung und Edition folgt den für das Inschriften-Unternehmen in Deutschland erarbeiteten Grundsätzen mit einigen im weiteren zu begründenden Ausnahmen. Wie bisher wurden Runen, Hauszeichen, Steinmetz- und sonstige Meisterzeichen, Goldschmiede- und Beschauzeichen, Monogramme und Einzelbuchstaben ausgeschlossen, sofern sie nicht in Verbindung mit einer Inschrift auftreten oder als Erbauungs- und Herstellungsdaten oder aus vergleichbaren Gründen besonders wichtig erschienen. Isolierte Jahreszahlen wurden gegebenenfalls nach sakralen und profanen Standorten getrennt sinnvoll zusammengefaßt und unter der frühesten Jahreszahl eingeordnet. Ausgeschlossen bleiben Inschriftenträger, deren Existenz, gegebenenfalls Zeitstellung und Inhalt, jedoch ohne die Mitteilung eines tragfähigen Inschriftenzitates bekannt ist. An geeigneten Stellen sind Hinweise darauf in Anmerkungen aufgenommen worden; außerdem gibt Kapitel 9. der Einleitung nähere Auskunft über nicht aufgenommene Inschriften. Wie schon für Oppenheim wurde die dem Bearbeiter anheimgestellte Festlegung der Zeitgrenze sogar über 1650 hinaus auf 1689 verschoben; das Jahr der Stadtzerstörung bietet sich als stadtgeschichtliche, kunsthistorische, denkmalkundliche und demographische Zäsur an. Eine Beschränkung auf 1550 oder 1600 hätte das Corpus der Beobachtung des Einflusses konfessioneller Polarität auf die Inschriftenproduktion beraubt und in der Gewichtung des Bestandes einseitig die geistliche Provenienz von Inschriften betont. Die zusätzliche Ausdehnung soll die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf Produktion und Qualität von Inschriften verdeutlichen helfen und die Wiederaufnahme einer Tradition gelehrter Grabdichtung belegen. Die Zerstörung der Stadt vor 300 Jahren wirkte so nachhaltig, daß im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts in keiner Weise selbst die geringe Dichte etwa von Grabinschriften der beiden ebenfalls mit großen Mühen, Lasten und Kriegseinwirkungen beschwerten Dekaden davor erreicht wurde.

In der Kopfzeile einer Katalognummer steht links die fortlaufend gezählte Nummer der Inschrift, bei verlorenen ergänzt um ein Sterbekreuz. Die Mitte jener Zeile nimmt die Standortangabe ein, die aus gegebenem Anlaß mit einer Herkunftsangabe versehen ist; so mußten die über 150 Nummern, die aus dem Stadtmuseum stammen, sowohl von den Beständen des Andreasstiftes getrennt als auch ihrem ursprünglichen Standort zugeordnet werden. Um nicht in der wechselvollen Geschichte einiger Institutionen aufgeblähte und leicht irreführende Bezeichnungen suchen zu müssen, wurden den Standorten in der alten Stadt Worms griffige Bezeichnungen beigegeben; so meint „Paulusstift” den Bereich der alten Burchardschen Gründung bis zur Säkularisierung, das “Paulusmuseum” hingegen beherbergte bis 1928 am selben Ort Objekte aus dem Stadtgebiet, heute befindet sich in den Gebäuden ein Dominikanerkloster, das nicht mit dem im 16. Jahrhundert nach einer Zerstörung simultan genutzten alten Dominikanerkloster verwechselt werden darf. Die Datierung am rechten Rand ist in der Regel dem Inschrifttext entnommen; bei genau auf den Tag datierten Inschriften wird dabei stillschweigend vorausgesetzt, daß sie zum angegebenen Zeitpunkt oder wenigstens kurz darauf entstanden, falls keine dem widersprechenden Indizien bekannt sind. Bei etwa einem halben Dutzend meist lutherischer Denkmäler sind vom Todesdatum bis zu fünf Jahren entfernt liegende Herstellungsjahre hinzugesetzt. Bei großen, künstlerisch aufwendigen Epitaphien ist zur Genüge bekannt, daß sich ihre Fertigstellung ebenfalls über Jahre hinziehen konnte; nicht in allen Fällen wird dieser Sachverhalt bei ihnen und schon gar nicht bei schlichteren Denkmälern durch eine Inschrift mitgeteilt. In der Regel ist es aber nicht möglich, ohne archivalische Zusatzinformationen den zeitlichen Abstand zwischen Todesfall und [Druckseite X] Denkmalherstellung auch nur ungefähr abzuschätzen.1) Für die zahlreichen Doppelgrabmäler und mehrfach verwendeten Inschriftenträger ist jeweils das Jahr der mutmaßlichen Erstbearbeitung des Objektes angegeben. In Klammern sind wichtige in der Inschrift erwähnte Jahreszahlen dem Entstehungsjahr hinzugesetzt, ebenso die Jahreszahlen von erst später vervollständigten Inschriften. Anders als bisher ergab sich beim Wormser Inschriftenbestand die Notwendigkeit, die Zweckmäßigkeit einer Trennung von Inschriften, die sich auf einem einzigen Träger befinden, zu erwägen. War ein Denkmal von vornherein für mehrere Personen einer Familie oder Gruppe konzipiert, verbot sich ein solches Vorgehen von selbst. Bei ebenso zahlreichen wiederverwendeten Umschriftplatten erfolgte jedoch eine Unterscheidung nach bewußter und zufälliger Wiederverwendung; zielgerichtet denselben Stein benutzte man etwa für die Grablege dreier Karlebecher im Andreasstift (vgl. Nr. 161); gegebenenfalls faßte man sogar zwei Sterbenachrichten (vgl. Nr. 84) in einer einzigen Inschrift zusammen — in beiden Fällen wurden alle Texte unter einer Nummer ediert. Die letzterwähnte Platte wurde aber 1495 (vgl. Nr. 340) nochmals benutzt; die Auswahl des Trägers war in diesem Falle allein bestimmt durch die zufällige Verfügbarkeit eines Steines. Noch prägnanter trifft diese Sachlage auf rückseitige Wiederverwendungen zu, die nur bei zwei Steinen sicher nachweisbar sind (vgl. Nr. 93, 503), jedoch für den Bestand des lutherischen Friedhofes häufiger vermutet werden müssen. Für knapp 20 Wiederverwendungen dieser zweiten Art wurden eigene Nummern und somit chronologisch richtig eingeordnete Plätze im Katalog der Inschriften vergeben. Ein vergleichsweise hoher Anteil, nämlich knapp ein Viertel aller Inschriften, verfügt über keine eigene oder keine verläßliche Datumsangabe, die auch in der unmittelbaren Nähe der Entstehungszeit liegt; sie wurden an das Ende des jeweils ermittelten Zeitraumes plaziert, die Inschriften aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts also nach 1349; Inschriften vom Anfang eines Jahrhunderts stehen nach jenen der vorangehenden Jahrhundertwende. In einigen Fällen fraglicher Datierungen wurden den Jahreszahlen Fragezeichen beigegeben, die teils von älteren Angaben abweichenden Ergebnisse regelmäßig im Kommentar erläutert; ein Überblick dazu findet sich in Kap. 8. der Einleitung.

Der der Kopfzeile folgende Absatz ist der Benennung von Gattung und Inschriftenträger sowie seiner Beschreibung vorbehalten; da aus der Bezeichnung des Trägers hervorgeht, ob es sich um eine Grabinschrift handelt, ist diese nicht gesondert ausgewiesen. An die Angaben zum von der Inschrift betroffenen Personenkreis schließen sich Informationen zum genauen Standort bzw. zur Herkunft des Objektes, eine geraffte Beschreibung, Informationen zur Anbringung der Inschrift, ihrem Material und Erhaltungszustand an. Außer bei Wappenblasonierungen erfolgen Beschreibungen vom Blickpunkt des Betrachters aus. Beschlossen wird dieser Abschnitt gegebenenfalls vom Textnachweis, von Maßangaben und der Schriftbezeichnung. Wenn nicht anders angegeben handelt es sich jeweils um die äußersten Maße des Objektes; für Buchstabengrößen wurden N, n oder äquivalente Teile anderer Buchstaben gemessen, bei schwankender Höhe jeweils kleinste und größte Ausdehnung angegeben. Zeitliche Ausdehnung und Dichte des Wormser Inschriftenbestandes erfordern eine umfangreiche und komplizierte Nomenklatur der Schriftbezeichnungen, die im weiteren noch erklärt und beschrieben werden: Frühchristliche Schrift, Angelsächsische Schrift, Karolingische Kapitalis(?), Romanische Majuskel, Gotische Majuskel, Frühhumanistische Kapitalis, Kapitalis (für verschiedene Ausprägungen der Renaissancekapitalis), Gotische Minuskel, Fraktur, Humanistische Minuskel; Sonderformen sind in den Kommentaren und unten in Kapitel 5. näher beschrieben. Aus Beschreibungen, Nachempfindungen oder Nachzeichnungen bekannte oder erschließbare Schriftformen wurden im Register durch ein (Ü) gekennzeichnet zusätzlich ausgewiesen.

Zur besseren Übersicht wurden die Inschriftentexte beidseitig eingerückt; statt kostenträchtigem zeilenweisem Absetzen markieren Schrägstriche die Zeilenenden, bei Umschriftplatten die Ecken; Doppelstriche zeigen Übergang auf ein anderes Inschriftfeld oder Störung der Zeile durch trägerimmanente Darstellungen an. Lediglich metrische oder gereimte Inschriften wurden demgegenüber in der Regel nach Vers oder Reim abgesetzt. Abkürzungen original oder fotografisch erhaltener Inschriften wurden aufgelöst und entsprechend dem Klammersystem des Unternehmens in runde Klammern gesetzt; bei nur abschriftlich bekannten Inschriftentexten sind Abkürzungen in der Regel nur dann gekennzeichnet, wenn dem Gewährsmann eine texttreue Übernahme zugetraut werden kann. Von überschriebenen Buchstaben wurden nur Fallendungen von Anno und von Ordinalzahlen sowie [Druckseite XI] Umlautkennungen ebenfalls hochgesetzt, andere im fortlaufenden Druckbild gehalten und per Anmerkung gekennzeichnet. Ergänzungen verlorener oder nicht mehr zuverlässig lesbarer Textteile sind in eckige Klammern gesetzt, für nicht rekonstruierbare Passagen stehen Punkte auf der Zeile; Lesungen von Fotos wurden wie solche von Originalen gehandhabt und daher nicht in eckige Klammern gesetzt. Bei der Herstellung der Inschrift absichtlich freigelassene Stellen, etwa zum Nachtrag von Sterbedaten, sind mit Punkten oder gegebenenfalls ihrem nachgefügten Text in spitzen Klammern kenntlich gemacht. Abweichungen davon sind im jeweiligen Fall besonders erläutert. Werden mehrere nicht gleichzeitig entstandene Texte durch A, B, C usw. in einer Nummer zusammengefaßt, so geht ihre Entstehungszeit aus den expliziten Daten oder dem Kommentar hervor. Außer bei formelhaften, häufig wiederkehrenden Inschriftformularen schließt sich eine Übersetzung fremdsprachiger Texte an.

Der Kommentar beginnt mit der gegebenenfalls notwendigen Auflösung der Tagesdatierung, die in Wormser Inschriften bis 1405 ausschließlich nach dem römischen oder dem mittelalterlichen Festkalender berechnet wurde. Die nachfolgende Identifizierung oder Beschreibung der Wappen nennt falls vorhanden zuerst das Mittel- oder Allianzwappen, anschließend die Wappen der linken, also meistens der Vaterseite, dann die der rechten Seite, um die Abstammungslinien durchsichtiger zu machen, gegebenenfalls bei großen Ahnenproben in Spaltendruck. Den Hauptteil des Kommentars bilden die Informationen zum Aussehen und zur Datierung der Inschrift(en), zu den genannten Personen und besonderen Betreffen. Überlieferungslage und Komplexität der Texte machten Hilfen für die quellenkundliche Einordnung und Interpretationsansätze erforderlich, ohne daß in allen Fällen erschöpfende Deutungen gegeben werden können. Besonderheiten sprachlicher und metrischer Formen finden ebenso Berücksichtigung wie die Suche nach Textvorlagen und Werkstattzusammenhängen.

Ein kritischer Apparat nimmt in Buchstabenanmerkungen Stellung zu gravierenden abweichenden Lesungen, fraglichen oder ergänzten Stellen, Eigentümlichkeiten der Gestaltung oder Plazierung von Inschriften am Träger. Ziffernanmerkungen belegen die erwähnten Hilfen und Aussagen des Bearbeiters. Die abschließenden Zitatnachweise in chronologischer Reihenfolge nennen vollständige Wiedergaben, wichtige Erwähnungen und Abbildungen von Texten; Vollständigkeit konnte hier nur ausnahmsweise erreicht werden.

Die Mannigfaltigkeit des Wormser Inschriftenbestandes erschließen inhaltlich unterschiedene Register am Ende des Bandes; ihre Verweise beziehen sich jeweils auf die Nummern der Inschriften. Aktuelle und ehemalige Aufstellungsorte von Inschriftenträgern erschließt das Register „Standorte” (01). Im Orts- und Personenregister (02) wurden alle in den Inschriften vorkommenden Personen und Orte, in einigen begründeten Ausnahmen auch erschlossene aufgenommen; wegen ihres überwiegenden Personenbetreffs sind aufgelöste und unbekannte Initialen und Monogramme sowie „Künstler und Meister” (02a) angehängt. Unter Taufnamen finden sich nur Personen der Frühzeit und solche mit individuellen Herkunftsnamen, die nicht gleichzeitig schon Familien- oder Burgnamen sind. Verheiratete Frauen sind, wenn bekannt auch unter ihrem Geburtsnamen zu finden. Das Wappenregister (03) verzeichnet alle Wappennamen in vereinheitlichter Schreibung, die auch in der Edition angewendet wurde, falls nicht Beischriften als quasi-autorisierte Namen dort Texttreue verlangten. Bevor das viergeteilte Dalberg-Wappen des 17. Jahrhunderts erscheint, sind mit dem inschriftlichen Namen Dalberg gelegentlich auch Wappenbilder der Kämmerer von Worms gen. von Dalberg bezeichnet; im Register sind sie selbstverständlich unter ihrem richtigen Namen eingeordnet. Nicht gedeutete und fragliche Wappen sind anschließend an das Register mit Kurzbeschreibungen angehängt. Weitere Register betreffen Angaben zu Personen, nämlich „Epitheta und Berufe - Stände - Titel - Verwandtschaften“ (04), sprachliche Besonderheiten in „Initien” (05) und „Formeln und sprachliche Wendungen, Glossar” (06). Zum Inhalt der Inschriften und Textrezeption führen die Register „Texttypen, Inschriftengattungen” (07) und „Bibelzitate, Liturgische Texte, Schriftstellerzitate” (07a). Über die äußere Form geben Auskunft „Inschriftenträger” (08), „Schriftarten” (09). Ein „Sachregister” (10) fordert den Benutzer auf, ihn interessierende Besonderheiten des Bestandes zu entdecken; er mag dort nach Phänomenen einzelner Inschriften wie auch des Corpus Ausschau halten und sich informieren, welche Inschriften in einem ganz bestimmten Kontext aussagefähig sein können. Er findet dort die Grabinschriften mit Altersangaben des Verstorbenen, Anrede des Lesers, Grabmarkierungen und Monumentalbuchstaben, lutherische Grabmäler und Psalmenzählung, Beschau- und Steinmetzzeichen, Angaben zu Fehler- und Formularbesonderheiten, zu Trägern mit konfessionellen Aussagen, Datum- und Kalenderproblemen, zu Meister- und Werkstattidentität, Schrift- und Sprachbesonderheiten. Größere Komplexe bilden darin „Datierungsbesonderheiten, Material, Schriftherstellung und Verse/Reime” sowie gesondert „Heilige, biblische und legendarische / mythologische / vormittelalterliche Personen in Nennungen und Darstellungen. Allegorie, Ikonographie, Mythologie und Symbolik” (10a).

Bedingt durch die langwierige Manuskript- und Editionsherstellung konnte nicht die gesamte seit Anfang 1989 erschienene und erreichbare Literatur zu im Inschriftenband angesprochenen Problemen [Druckseite XII] konsequent eingearbeitet werden; während das für F. Reuters Edition der Hammanschen Zeichnungen noch weitgehend möglich war, müßte man sich zur jüngst von J. Bollinger über die Familie der Kämmerer von Worms gen. von Dalberg vorgelegten Untersuchung in einem anderen Rahmen äußern; abweichende Ergebnisse konnten hier ebensowenig in ausreichendem Maße berücksichtigt werden wie die der in Kürze zu erwartenden Neubearbeitung der Series episcoporum. Ebenfalls aus Kostengründen wurde die Neuordnung der Handschriften des Hess. Staatsarchivs Darmstadt, Abt. C 1, nur im Literaturverzeichnis angegeben.

2. Historischer Überblick

2. 1. Allgemeine Stadtgeschichte von Worms

Links des Rheins, unweit seines in früherer Zeit stark veränderten, weiter nach Westen reichenden Laufes erstreckt sich zwischen den Flüßchen Eis und Pfrimm eine hochwasserfreie Zone, die schon seit ältesten Zeiten Menschen zur Niederlassung angezogen hatte. Zu topographischen Standortvorteilen einer geschützten Lage traten das relativ günstige Klima am nördlichen Ende des Oberrheingrabens und, für die spätere Entwicklung zu einem geschichtlich bedeutsamen Platz noch wichtiger, eine überaus verkehrsgünstige Lage am südwestlichen Rand des Rhein-Main-Neckar-Raumes mit vorteilhaften Verkehrsverbindungen in alle Richtungen.2) Verhältnismäßig früh stößt man daher in Worms auf Nachrichten zur Bergung von Altertümern und Überresten aus Vor- und Römerzeit; die Zeitgenossen des ausgehenden Mittelalters konnten jedoch wenig aus ihren Funden erkennen. Mächtige Knochen hielt man für solche von Riesen der lokalen germanischen Sagenwelt (Nr. 333), einen 1493 gefundenen Ziegelstempel der 22. Mainzer Legion „Pia Primigena” mit dem Zusatz „IVL PRIMVS” sah noch der gelehrte Stadtchronist Friedrich Zorn für ein mögliches Indiz eines Papstgrabes an.3) Stadtchronistik und kulturhistorisch interessierte Betrachter der Stadt berichten über Funde von Altertümern; man sammelt Antiquitäten oder Kuriositäten, Bischof Johannes III. aus dem Hause Dalberg stellt Römersteine im Bischofshof auf (vgl. Nr. 300), man sucht nach Resten des Recken Siegfried, entdeckt wie Johann Daniel Schoepflin im 18. Jahrhundert die publizistisch verwertbare römische Vergangenheit, legt sogar wie Johann Philipp Bandel und später die Familie der Freiherren von Heyl private Sammlungen an.4) Aber erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit der Gründung des Wormser Altertumsvereins (1879) das Sammeln von Überresten in erste und ernsthafte wissenschaftliche Bahnen gelenkt.5) Mit den Namen Dr. Carl Koehl (†1929), Dr. August Weckerling (†1924) und Maximilian Freiherr von Heyl (†1925) verbindet sich diese erste Phase dokumentierbarer Ausgrabungen vorgeschichtlicher und römischer Bodenzeugnisse.6) Auch in jüngerer Vergangenheit werden die reichen Sammlungen des Museums der Stadt Worms im Andreasstift wieder durch gezielte Ausgrabungen im Stadtgebiet ergänzt und geben Auskunft über die Menschen, die sich jenen günstigen Platz zur Niederlassung erwählt hatten.7)

In gewisser Weise die eigene nebulöse Vergangenheit glorifizierend sah sich Worms in der frühen Neuzeit als Kolonie des Rom an Alter überflügelnden Trier und als Hauptort der Vangionen, als „civitas Vangionum”, die seit C. Julius Caesar mit den Römern in treuem Bunde stand.8) Nun überschritt jener zwar als erster römischer Machthaber den Rhein von Gallien aus, doch die römische Zeit von [Druckseite XIII] Worms beginnt erst unter Augustus, als die Rheinlinie und das rechtsrheinische Germanien in den Wirkungsbereich der römischen Waffen gerieten und Worms im ersten nachchristlichen Jahrhundert als Hilfstruppenkastell des Mainzer Legionsstandortes siedlungstopographisch eine entwicklungsfähige Struktur erhielt. Umfangreiche Gräberfelder an den Ausfallstraßen nach Norden und Süden sowie reiche Sachfunde lassen eine permanente militärische Besatzung annehmen, die vielleicht einen Rheinübergang zu schützen hatte. Wie an ähnlichen Standorten immer zu beobachten, gesellte sich eine zivile Ansiedlung hinzu. Seit dem Fall des Limes im Jahre 260 gingen die römischen Siedlungen am Rhein schweren Zeiten entgegen, doch konnte sich Worms trotz Zerstörungen wie etwa 406 durch eine Germanenkoalition als Siedlungskern halten. Die römische Präsenz und Kontrolle wurde allerdings nur noch mittelbar durch Ansiedlung von Burgundern und anderen Ostgermanen gesichert, bis nach einem kurzen alemannischen Zwischenspiel Worms spätestens um 500 unter sichere fränkische Kontrolle geriet.9) Aus spätrömisch-fränkischer Zeit stammen mehrere frühchristliche Grabsteine, die teils anhand von Grabinhalten näher datiert werden konnten (vgl. Nr. 1-3).10)

Wenn man von wenigen Nachrichten zu Herrscheraufenthalten, Pfalzbauten und Wormser Bischöfen absieht, liegt die Entwicklung des Siedlungsplatzes Worms und Umgebung bis zum 8./9. Jahrhundert im Dunkeln.11) In der unsicher belegten Bischofsliste zwischen dem auf der Kölner Synode von 346 genannten Bischof Victor und dem in Paris 614 genannten Berthulf klafft eine gewaltige zeitliche Lücke, in der sich zwar ein anhaltendes Christentum am oberen Mittelrhein nachweisen läßt, aber eben nicht das kontinuierliche Weiterfunktionieren einer episkopalen Kirchenorganisation; zwar weiß man nicht, ob in der mangelhaften Überlieferung nicht doch die Namen weiterer Amtsträger verloren gingen, doch muß man mit einer wirklichen Unterbrechung mindestens seit der Mitte des 5. Jahrhunderts rechnen.12) Angesichts der Zerstörungen der Völkerwanderungszeit dürfte dann auch die römische Bischofskirche untergegangen sein. Erst zu 852 erfahren wir vom Wiederaufbau einer zerstörten Bischofskirche, also des vorburchardischen Domes;13) zuvor, im Jahre 847, war das Stift St. Cyriakus in Neuhausen gegründet oder zumindest funktionsfähig eingerichtet worden.14) Das spätere Zisterzienserinnenkloster Maria- oder Nonnenmünster führte sich auf eine Gründung durch Kaiser Ludwig den Frommen zurück (vgl. Nr. 65). Es gibt gute Gründe, die Errichtung einer Stadtmauer und die Gründung der meisten der innerstädtischen Pfarrkirchen wegen altertümlicher Patrozinien schon in die karolingische Zeit zu setzen.15) Damals existierten auch schon die meisten der heute eingemeindeten Dörfer um Worms herum, die außer Ibersheim und Rheindürkheim ebenfalls Inschriften dieses Bandes beherbergen.16)

Obwohl Worms vielleicht durch einen Brand nach 790/791 seinen Platz als beliebteste Residenz Karls d.Gr. an Aachen verlor, blieb die Stadt eng mit dem Herrscherhaus verbunden, was durch zahlreiche Aufenthalte, Reichsversammlungen und Fürstentage zu belegen ist, und die Attraktivität der Stadt hielt in gewisser Weise bis weit ins Hochmittelalter hin an.17) Die mit den Ottonen verschwägerte [Druckseite XIV] Salierfamilie, die die Grafengewalt im Wormsgau ausübte, wählte sich die Bischofskirche als Grablege18) und die Wormser Bischöfe jener Zeit standen in enger Verbindung zum Königshaus: Hildebold wirkte als Kanzler Ottos II. und Ottos III. (vgl. Nr. 8) und in dieser Funktion gelangen ihm umfangreiche Absicherungen und Erweiterungen der bischöflichen Herrschaftsrechte;19) zahlreiche eigene Schenkungen an die Wormser Kirche krönte Kaiser Heinrich II. durch seine Anwesenheit bei der Domweihe Bischof Burchards I. im Jahre 1018,20) dessen Unterstützung er selbst seine Krone verdankte. In jener Zeit kristallisiert sich auch die kirchlich-seelsorgerische Struktur der Innenstadt heraus, die in vier Pfarrsprengel eingeteilt wurde, deren wahrscheinlich ältere, meist karolingische Hauptkirchen jeweils einem der alten Stifte angeschlossen waren.21) Diese Hauptstandorte von Inschriftenträgern wurden durch kleine Kirchen und Kapellen vermehrt, im 13. Jahrhundert auch durch Bettelordenskirchen und das Liebfrauenstift in der Mainzer Vorstadt, insbesondere aber durch die Gründung der beiden Dominikanerinnenklöster Liebenau und Maria Himmelskron in Hochheim.22)

Nachdem König Heinrich IV. (vgl. Nr. 334) im beginnenden Investiturstreit und den Sachsenkriegen die Loyalität Bischof Adelberts verloren hatte,23) stellte sich das vorstädtische Gemeinwesen um so entschlossener auf seine Seite und gewährte ihm Sicherheit in seinen Mauern. Das dankbar erteilte Zollprivileg von 1074 begründete dann eine starke und lange währende Affinität von sich entwickelnder Stadt und Reichsoberhaupt, von der eine lange Liste noch erhaltener Privilegien beredtes Zeugnis ablegt. Unter den Nachfolgern wurden die wirtschaftlichen und rechtlichen Fesseln der Bürgerschaft weiter gelockert;24) zur selben Zeit begünstigte offenbar ein anhaltender wirtschaftlicher und politischer Aufschwung des Hochstiftes den Neubau des sogenannten „staufischen Domes”. Die ersten dunklen Wolken zogen auf, als Kaiser Friedrich II. 1232 im Interessenkonflikt zwischen Stadt und Bischof seinen Sohn Heinrich (VII.) korrigierte, die Errichtung eines Stadtrates verbot und Bischof Heinrich II. die Zerstörung des neuen Stadthauses erlaubte.25) Die durch diese erste Rachtung von 1233 zunächst eingedämmten Emanzipationsbestrebungen des Wormser Rates wurden in den Wirren der ausgehenden Stauferzeit und des Interregnums, auch begünstigt durch Vakanzen auf dem Bischofsstuhl, ausgebaut und in der zweiten Rachtung von 1293 vertraglich gesichert.26) Konflikte um die Ausübung der Stadtherrschaft und Ratsbesetzung hielten bis zum Ende des Mittelalters an, verschärft noch durch die Auseinandersetzungen über die Finanzierung der städtischen Ausgaben, also die Frage, ob der Wormser Klerus mit städtischen Verbrauchssteuern belegt werden durfte.27) Mit wechselndem Erfolg gelang es schließlich der städtischen Oberschicht doch, den Einfluß des bischöflichen Stadtherrn zurückzudrängen und trotz der nachteiligen Pfalzgrafenrachtung von 1519 in den beiden Räten des 16. Jahrhunderts ein selbständiges Instrument des Stadtregimentes zu schaffen.28) Mit dem Einzug der Reformation in Worms29) eröffneten sich neue Reibungspunkte, insbesondere im Streit um die Magnuspfarrkirche, gleichzeitig verlor aber das im Mittelalter mehrfach angewendete Druckmittel des Interdiktes seine Wirkung; ein Auszug der Geistlichkeit mit Paramenten und Glockenklöppeln wie von 1499 bis 1509 (vgl. Nr. 342) hatte seine Abschreckung eingebüßt. Die im 13. Jahrhundert eingeleitete wirtschaftliche Prosperität der Stadt und die Emanzipation der ritterlich-ministerialen wie der bürgerlichen Oberschicht, zugleich aber auch ihre soziale Differenzierung bereiteten die Voraussetzung dafür, daß neben den Grabinschriften des Stiftsklerus schon am Ende des 13. Jahrhunderts auch solche der städtischen Oberschichten traten, und zwar gleichzeitig von offenbar zwei verschiedenen Perso-[Druckseite XV]-nenkreisen, deren Angehörige sich als „miles” oder „civis Wormatiensis” bezeichneten.30) Anders als viele bisher bearbeiteten Inschriftenstandorte beherbergt Worms aber nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Grabdenkmälern ritterlicher Personen; sie beschränken sich fast ausnahmslos auf Angehörige der ministerialischen und schließlich ritterlichen Familie der Kämmerer von Worms im Martinsstift und die Familie Ritter Dirolfs von Hochheim samt angesippter und befreundeter Familien im Kloster Maria Himmelskron in Worms-Hochheim. Erst ab dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts errichteten die neuen Herrnsheimer Ortsherren des dalbergischen Kämmererzweiges eine Familiengrablege in Worms-Herrnsheim. Begräbnisse adliger Personen in Worms rühren daher meist von ihrem geistlichen Stand her. Waren im 14. Jahrhundert Ritterbürtige aus dem Stadtregiment langsam ausgeschieden, so verloren auch die Geschlechter bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts ihre Position;31) ab dem 16. Jahrhundert gehörten daher die Grabinschriften der lutherischen Standorte Magnuskirche und lutherischer Friedhof einer zünftigen und untereinander vielfach versippten Ratsverwandtschaft.

Mit dem Reichstag von 1495 hatte Worms seine Bedeutung als Versammlungsort für reichspolitisch bedeutende Entscheidungen wie zu Zeiten des Investiturstreites und der Staufer für ein halbes Jahrhundert zurückgewonnen; beherrschende Themen waren Reform und Regiment des Reiches, bis mit dem sogenannten „Lutherreichstag” von 1521 die Stadt zur Geburtsstätte der Glaubensspaltung wurde und alle bedeutenden Reichstage danach verstärkt mit konfessionellen Fragen beschäftigt waren. Nach dem Religionsgespräch von 1540/41 beschlossen die Verhandlungen über die Reichsmatrikel und den drohenden Waffengang mit den Schmalkaldenern 1545 eine Phase verstärkter reichspolitischer Bedeutung der Stadt, die aber noch als Tagungsort des Oberrheinischen Reichskreises, von Städteversammlungen 1606 und 1612 und etwa als Konferenzort für kirchenpolitische Auseinandersetzungen wie etwa 1586 (vgl. Nr. 530) zur Verfügung stand.32) Zwar wurde die Stadt seit ihrem Kampf mit dem Bischof Johannes III. von Dalberg nicht müde, ihre “Libertas” und Reichsfreiheit zu betonen,33) doch im 17. Jahrhundert war von dem Gegner kaum mehr Widerstand zu spüren; das ohnehin kleine und arme Bistum wurde, durch die konfessionsbedingten Verluste schon geschwächt, im territorialpolitischen Ringen der benachbarten Kurfürsten von Mainz und Kurpfalz langsam zerrieben.34) Auch unter katholischer Besatzung während des Dreißigjährigen Krieges gelang dem Hochstift keine dauerhafte Verbesserung seiner Position, obwohl das katholische Bekenntnis etwas an Boden gewann, wie die Niederlassungspläne für den Kapuzinerorden seit 1629 zeigen. Mögen auch die Sterblichkeitsraten bis zu einem Höhepunkt in den Jahren 1633-1635 angestiegen sein, so zeugen doch die lutherischen Grabmäler von einem geordneten und funktionierenden Gemeinwesen, das noch 1634/35 im Vergleich zu anderen Standorten geradezu opulent wirkende Denkmäler des Totengedächtnisses schaffen ließ;35) auch die katholischen Institutionen hatten unter dem Schutz der Truppen des allerkatholischsten Königs in die Ausstattung ihrer Kirchen investiert.36) Nicht lange nach der schwedischen Niederlage von Nördlingen 1634 veränderte sich die Situation, als auch der letzte Rest einer gewissen Stabilität und Ordnung zusammenbrach; wenig Besserung brachte nach wechselndem Kriegsglück die Übergabe der Stadt an die Kaiserlichen unter Gallas bis 1642 (vgl. Nr. 692) oder dann die Einnahme durch die Lothringer.37) Die schwierige Zeit insgesamt kennzeichnen Berichte zur Situation im hessischen Ried und an der benachbarten Bergstraße, aus welchem Bereich nicht wenige Bewohner [Druckseite XVI] Zuflucht in der immer noch befestigten Stadt Worms gesucht hatten;38) immerhin stammen allein fünf der sieben Inschriften des Jahres 1635 von Auswärtigen, darunter zwei für Personen, die vom rechtsrheinischen Ufer nach Worms geflüchtet waren (Nr. 687, 693). Außerdem markiert ein deutliches Absinken der Inschriftendichte in Worms nach 1635 diese Zäsur. Im Zeitraum von 1636 bis 1651 geht die Zahl der bekannt gewordenen Grabinschriften für Worms und Umgebung auf nur sechs(!) an der Zahl und zudem sprachlich und in der Darstellung höchst einfach gehaltene zurück. Darin spiegelt sich die Situation der nun aller Resourcen und vor allem Reserven beraubten Bevölkerung, die sich von den Rückschlägen wechselnder Besatzungen und der allgemeinen Unsicherheit des Lebens erst nach 1660 wieder erholt hatte und den zahlreichen Toten der Seuchenjahre 1666-166839) und im Jahrzehnt danach vor allem in ihrer sprachlichen Gestaltung angemessene Memorialzeugnisse errichten konnte.

Die schon von den französischen Réunionen und ihren kriegerischen Begleiterscheinungen getrübte Erholungsphase fand am Pfingstdienstag (31. Mai) des Jahres 1689 ein jähes Ende: Mit vielen anderen Städten und Dörfern fiel Worms den planmäßigen Zerstörungen im pfälzischen Erbfolgekrieg zum Opfer.40) Nichts war mehr wie zuvor: Die Bevölkerungszahl schrumpfte für einige Zeit auf unter ein Fünftel,41) ohne sich vor dem 19. Jahrhundert wirklich zu erholen; ein Trümmerfeld bedeckte den Platz der einst türmereichen Stadt, in der nur wenige Häuser in der Speyerer Vorstadt und drei Kirchen verschont blieben, weil von den Franzosen auf höheren Befehl geschützt, nämlich das Kapuzinerkloster wegen der Verehrung der Jungfrau Maria und auf Fürsprache des Generals Diliade, Mariamünster wegen der Gründung durch Ludwig d.Fr. (vgl. Nr. 65) und das Bergkloster St. Andreas wegen der Grablege der angeblichen fränkischen Prinzessinnen (vgl. Nr. 222).42) Einem Marienbild im Dom war ein Zettel angeheftet worden, der es als das einzige Objekt aus Holz, das dem „ignis Gallicus” entging, auswies.43) Es wäre verfehlt, diesem Ereignis die Hauptlast für den Denkmälerverlust allein zuzuschreiben; man wird differenzieren müssen. Verloren gingen in erster Linie die aus wertvolleren Materialien bestehende Bischofsgrablege, viele Wandmalereien durch Brände und überhaupt die meisten Metallobjekte, so alle Glocken in den Kirchen der Kernstadt, im Dom allein 16 und mindestens 13 der Stadt gehörende.44) Über längere Zeit fehlende Kirchendächer leisteten der beginnenden natürlichen Zerstörung von Denkmälern Vorschub und auch die Wiederaufbauzeit des 18. Jahrhunderts45) verursachte weitere Abgänge, wenn etwa die Orgelempore der Pauluskirche z.T. aus umgedrehten Grabsteinen gebaut wurde. Auch das neue barocke Gesicht der Stadt ist heute nur noch schwer vorstellbar; erschütterten die Kriege des 18. Jahrhunderts Worms nur noch am Rande und beschränkten sich die Revolutionstruppen 1794 auf die Demolierung des Bischofshofes und die Napoleons auf das Anzünden des Lazarettes im Domkreuzgang, verlor Worms doch weiter an alter Substanz: Kreuzgang und Johanniskirche mußten auf Abbruch versteigert werden, die Dominikanerkirche und Luthers [Druckseite XVII] ehemaliges Quartier, der Johanniterhof, waren nicht mehr zu retten; ebenso wurden Bergkloster, Mariamünster und Richardikonvent wenigstens in Teilen abgerissen, geistlicher Immobilienbesitz vielfach auf Abbruch versteigert.46)

Die Bausubstanz der Stadt veränderte sich notwendigerweise, als mit der Industrialisierung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die Bevölkerungszahl wieder anstieg und die für große bauliche Veränderungen nötigen Geldmittel in die Stadt flossen; diese betrafen vornehmlich die Erweiterung der Bebauung.47) Die territoriale Neuordnung nach dem Wiener Kongreß schlug die Stadt Worms der linksrheinischen Provinz „Rheinhessen” im Großherzogtum Hessen zu; so wurde sie baugeschichtlich und denkmalpflegerisch an hessen-darmstädtische Geschicke gebunden.48) In die schon gelichteten Reihen der Inschriftendenkmäler schlug dann der große Weltkrieg eine weitere Bresche. Die beiden schweren Bombenangriffe vom 21. Februar und 18. März 1945 zerstörten alle Kirchen im Stadtzentrum und auch das Museum im ehemaligen Andreasstift;49) während dieses Jahres und der darauffolgenden Wiederaufbauphase gingen die Träger von fast 30 Inschriftennummern des Kataloges verloren, die z.T. noch in den Trümmern fotografisch aufgenommen wurden. Bis in die jüngste Vergangenheit verschwanden v.a. durch den Abriß der Vorhalle von St. Martin50) und die Räumung der Klosterkirche Maria Himmelskron in Hochheim51) weitere Träger von mindestens 22 Inschriftennummern. Angesichts dessen überrascht die Zahl von über 740 bekannten Inschriften, von denen für über 390 wenigstens Reste, für fast 60 weitere noch Fotografien vorhanden sind; insgesamt 100 fragmentarisch überlieferte Texte, die nur in weniger als der Hälfte aller Fälle mit älteren Zitaten ergänzt werden konnten, lassen natürlich einen Großteil der Information vermissen, sind jedoch, sofern datierbar, wichtig für die zahlenmäßige Verteilung von Inschriften nach jeweiligen Standorten. Im Bereich von Paulusstift und Dom haben kürzlich vom Stadtmuseum überwachte Ausgrabungen vor allem Teile von Grabplatten zutage gefördert; trotzdem ist an beiden Standorten diese Gattung unterrepräsentiert. Die Funde belegen aber nicht ein ursprüngliches Fehlen, sondern starke Verluste, für die die Baugeschichten der Institutionen passende Gelegenheiten aufzeigen.

2. 2. Beschreibung und Geschichte der wichtigsten Standorte von Inschriftenträgern in der alten Stadt 51)

Älteste kirchliche Institution und Hauptkirche von Worms war seit jeher der Dom mit dem Patrozinium der Apostel Petrus und Paulus. Die bis in römische Zeit zurückzuverfolgenden Reste zeigen mehrere Bauperioden an, so darüber eine fränkische Kirche, karolingische Um- und Neubauten 852 und 872. Das heutige Erscheinungsbild geht im wesentlichen aus dem staufischen Neubau hervor, der einen eigenen Neubau Bischof Burchards I. ablöste; nur die Untergeschosse der Westtürme stammen aus dem frühen 11. Jahrhundert. Der kleinste der drei rheinischen Kaiserdome ist eine „doppelchörige Pfeilerbasilika”, deren Ostteile noch vor 1132 begonnen wurden; in ungleichmäßigem Baurhythmus erreichte man mit der Weihe von 1181 unter Bischof Conrad II. (Nr. 28) womöglich schon die Fertigstellung des Westchores, dessen Architekturformen freilich ihrer Zeit um zwei Jahrzehnte vorauszueilen scheinen. Nur die Ostteile und die nördlichen Langhausarkaden konnten nach der Bergung von Bauhölzern im Jahre 1979 dendrochronologisch auf vor 1132 bzw. 1161/3 datiert werden; der West-[Druckseite XVIII]-bau war 1906/07 aus statischen Erwägungen vollkommen abgetragen und nach Sicherung des Lößuntergrundes nur mit Veränderung der gewagten und instabilen Rose Stein für Stein wieder aufgebaut worden. Auch andere Bauteile erfuhren mannigfaltige Veränderungen: Die 1058 (vgl. Nr. 11) geweihte Nikolauskapelle wich Ende des 13. Jahrhunderts einem Neu- und Erweiterungsbau,52) der eine Verlegung des Südportales um ein Joch nach Osten erforderte und im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts eine vollständige Umgestaltung des prächtigen Südeinganges einleitete. Pietätvoll drehte man das alte Tympanon um (vgl. Nr. 23) und plazierte auf die Rückseite eine Marienkrönung; auch andere Teile des Löwenportales (vgl. Nr. 21f.) wurden in der benachbarten Annenkapelle verbaut und durch ein reiches Figurenprogramm in den Archivolten des Schildbogens ersetzt. Neben Szenen des alten und neuen Testamentes erregten allegorische Figuren wie „Frau Welt”, „Synagoge” und die „Ecclesia” auf einem Tetramorph schon früh die Aufmerksamkeit der Betrachter.53) Ausgehend von den neuen Datierungen und in engem Vergleich mit dem salischen Speyerer Dombau fand die jüngste Beschäftigung mit dem Wormser Dom den baugeschichtlichen Platz seiner Ost- und Langhausteile in der Transformation und Übersetzung von Speyer II; nicht Speyer, sondern Worms wurde zum Kraftzentrum einer eigenen engeren und weiterstrahlenden Schule der spätromanischen Kirchenbaukunst am Oberrhein.54)

Eine für die Inschriftenüberlieferung wesentliche Bauveränderung betraf den romanischen Kreuzgang, aus dessen alter Nordwand noch einige Namen als Grabinschriften erhalten sind (vgl. Nr. 66, 108, 118). Die unter Bischof Johannes III. von Dalberg 1484 begonnene spätgotische Erneuerung vernichtete einen Großteil des alten Bestandes, den es in der favorisierten Grablege der Stiftsgeistlichkeit einmal gegeben haben mußte. Nur eine Platte von 1380 und ein einziges figürliches Denkmal von 1446 (vgl. Nr. 162, 231) sind noch in nennenswertem Umfang erhalten, 10 weitere, davon eine Inschrift des 14. Jahrhunderts, sind abschriftlich überliefert; in der Mehrzahl handelt es sich bei jenen zudem um allenfalls mit Wappen geschmückte Platten, die sich nicht mit den reicher ausgestatteten Denkmälern anderer hochstiftischer Grablegen vergleichen können. Den wenigstens teilweisen Verlust der Totenmemorie könnte ein auf 1517 datiertes, leider verlorenes Denkmal ausgeglichen haben, dessen Formulierungen an ein kollektives Totengedächtnismal denken lassen (vgl. Nr. 396). Die Bauarbeiten, die sich ausweislich der Schlußsteine mindestens bis 1516 hinzogen, schufen immerhin einen reich auszustattenden Raum, dessen Denkmäler wie sonst in Worms nicht mehr in einer kurzen Zeitspanne hohe künstlerische Aktivität auf sich zogen und trotz aller Widrigkeiten in einem erstaunlichen Maße erhalten blieben. Den Zerstörungen von 1689 und 1814 folgten nämlich Abbrucharbeiten, die aus dem reichen Bestand immerhin Schlußsteine und die künstlerisch wertvollen Christus-Reliefs (Nr. 311, 316, 317, 318, 391) übrigließen; Holztafeln waren verbrannt, Metallepitaphien entwendet, die Grabplatten ließ man nach 1792 zu Bodenplatten umarbeiten oder verkaufte sie später mit den übrigen Werksteinen.55) Die Abschriften von Bernhard Hertzog und Georg Helwich haben nicht wenige der Klerikergrabinschriften bewahrt, doch ist der von ihnen nicht festgehaltene Anteil nicht zu ermessen; daß es wirklich mehr gegeben haben sollte, legt ein Kapitelsbeschluß von Jahre 1625 nahe, in dem eine gewisse Gestaltungsfreiheit wegen Überfüllung des Kreuzganges zurückgenommen und etwa Vikaren, die keine Stiftung tätigten, nur noch das Einhauen des Todesjahres gestattet wurde.56) Die schmerzlichsten Verluste im Dom betreffen Bischofsgrablege, Altäre und Malereien, von denen außer dem monumentalen Christophorusbild nur Reste in Kopien der Jahrhundertwende auf uns gekommen sind, [Druckseite XIX] und Metallobjekte wie liturgische Geräte und die monumentale Fassung der Kaiserurkunde Friedrichs I. (vgl. Nr. 26).57)

Den Dom und benachbarte Stiftsgebäude als Inschriftenstandort auszuwerten, trifft daher auf erhebliche Schwierigkeiten. Das erhaltene Material gehört meist zum Baukörper; weder von der Grablege der Bischöfe noch der Stiftsgeistlichen läßt sich so ein befriedigender Eindruck gewinnen. Stimmen die zugänglichen Informationen, scheint für die Bischofsgrablege der Wormser Domes zwar gelegentlich kostbareres Material benutzt worden zu sein, doch bleibt die künstlerische Gestaltung etwa figürlicher Denkmäler hinter den Erwartungen zurück, während sie spätestens ab dem Beginn des 14. Jahrhunderts in fast allen Bischofsstädten reich belegt sind.58) Überaus bescheiden wirken lapidare, auf großen Platten angebrachte Namen im 13. Jahrhundert, und als ab dem 16. Jahrhundert endlich mehr erhalten ist, fällt das Niveau nach den architektonisch (Nr. 514) und sprachlich (Nr. 611) ansprechenden Denkmälern wieder ab (Nr. 642). Die Verarmung des Hochstiftes und die Wahl auswärtig schon etablierter Prälaten, die meist ihre Grablege an anderen Orten fanden, reduzierten die Möglichkeit prächtiger Ausgestaltungen zusätzlich. Immerhin konnten 174 Inschriftennummern dem Dombereich zugewiesen werden. Verstärkt wird der Informationsmangel noch durch die desolate Überlieferung, deren entmutigender Zustand schon daran abzulesen ist, daß die Hochstiftsgeistlichkeit von Worms als eine der wenigen in Deutschland keine monographische Behandlung erfahren hat.59)

Die Wormser Bischofskirche bildete nicht nur den geistlichen Mittelpunkt einer Stadt, sondern natürlich auch der Diözese Worms, die zwar insgesamt recht klein war, doch in breitem Band über dem Rhein liegend von Bruchmühlbach bei Landstuhl im Westen bis zum Neckar aufwärts kurz vor Heilbronn reichte.60) Die stilprägende Wirkung des Domes überschritt die Grenzen des Bistums beträchtlich, wie man heute nach den Neudatierungen weiß.61) Demgegenüber scheint die Wormser Besonderheit einer lange benutzten späten gotischen Majuskel (vgl. Kap. 5.2.) vor allem in den unmittelbaren Wirkungsbereich von Stadt und hoher Geistlichkeit, etwa nach Ladenburg und Wimpfen ausgestrahlt zu haben.

Aus der Reihe der Nebenstifte ragt das Paulusstift zwar an Alter und Ansehen hervor, weil es von dem verehrten Bischof Burchard I. 1002 auf dem Platz der salischen Zwingburg gegründet worden war und viele Stiftungen erhielt,62) doch trifft man keine große intakte oder abschriftlich überlieferte Grablege an. Noch stärker als beim Dom sind die erhaltenen Inschriften mit dem Baukörper verbunden, sowohl die lapidaren Namen des Westwerkes, die als Stifterinschriften zu deuten sind, als auch die kaum redseligeren des Kreuzganges, in denen man aber wohl Grabinschriften zu vermuten hat. In der Umgebung fanden sich zwar verstreute und dem Komplex Paulusstift-Rupertuspfarrkirche zuzuweisende Fragmente,63) doch scheint zuzutreffen, was schon im 18. Jahrhundert festgestellt wurde, daß nämlich „In ecclesia collegiata ad Sanctum Paulum nihil memoratu dignum occurrit, in coemiterio vero ... strata jacent epitaphia antiqua, e quibus duo sequentia adhuc integra sunt”.64) Aus den neu aufgefundenen Fragmenten geht zumindest hervor, daß es wie an den anderen Stiften eine mit großen Umschriftplatten ausgestattete Grablege wohl im Kreuzgang gegeben hatte. Während des barocken Wiederaufbaues wurde eine unbekannte Anzahl dieser Platten für den Sockel der neuen Orgelempore zurechtgeschnitten und mit ihrer Schauseite zur Wand hin eingelassen,65) während Bruchstücke im Füllmaterial, Treppen, Bodenbelägen umgebender Grundstücke und Bauten verschwanden (Nr. 41, 57, 112, 146, 157, 190, 240, 407, 421, 597). Eine Scheidung zwischen den Beständen von nach 1689 nicht mehr aufgebauter Rupertuskirche und Paulusstift unterblieb hier; letzterem wurden alle Funde gutge-[Druckseite XX]-schrieben. Lediglich Begräbnisnachrichten anhand eines Nekrologauszuges stellen scheinbare Abschriften von Inschriften dar, die Bernhard Hertzog unter der Überschrift „Was vor fürneme Adenliche und andere geschlechter begrebnussen zu St. Paul im Stifft zu Worms haben” überliefert.66)

Die erste Stiftskirche, eine dreischiffige Pfeilerbasilika, besaß fünf Joche und einen gradlinig geschlossenen Chor sowie zwei Rundtürme an der Westseite. Nur jene wurden in den neuen spätromanischen mit Säulen versehenen Bau übernommen, dessen erweiterten polygonalen Chor eine Vorhalle mit achteckiger Kuppel, Fensterrose und aufwendigem Portal im Westen ausbalancierte. Zwischen Westwerk mit Halle und Türmen und Chor wurde nach der Zerstörung von 1689 eine barocke Halle gebaut.67) Nach der Profanierung als Fruchtscheuer und Museum des Altertumsvereins im 19. Jahrhundert übernahm der Dominikanerorden 1929 die Stiftsgebäude. Aus der Bombardierung von 1945 gingen die alten romanischen Teile so gut erhalten hervor, daß man die Kirche in ihren barocken Formen wiederherstellen konnte.

Die trotz ihrer Kargheit bemerkenswertesten Inschriften befinden sich am Westwerk, an dem einzelne Namen spätestens seit dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts von reger Bauförderung durch Laien, Geistliche und Patronatsgemeinden zeugen. Der der Wormser Bauschule zugehörige Westbau wurde wohl nach dem Brand von 1231 aufgeführt und zeigt Verwandtschaft zu dem auch hinsichtlich der Stifternamen nahen Otterberg.68) Die anhand von Stilvergleichen zum Pfeddersheimer „Meerweibchenstein” und zur Bauplastik des Domwestchores vorgeschlagene Frühdatierung auf 1200 (Ostchor) und kurz nach 1210 (Westportal)69) ist bisher nicht ausreichend gewürdigt und überprüft worden. Diese Neudatierung setzt die neuen Erkenntnisse der Dombaugeschichte und die Verschiebung des Westchorabschlusses noch ins 12. Jahrhundert konsequent um und rechnet angesichts von Stil- und Qualitätsgleichheit der Portalformen nur mit geringen zeitlichen Abständen der Werke der Wormser Bauschule zu Domwestchor und Kreuzgangportal. Anhand der Schriftformen ist dieser Sachverhalt weder zu bestätigen noch zu widerlegen; Kürze und Ausführungsqualität, soweit man sie bei dem heutigen Stand der Verwitterung überhaupt beurteilen kann, lassen nicht die Umsetzung zeitüblicher Merkmale erwarten, für die es gerade am Beginn des 13. Jahrhunderts keinen verbindlichen Katalog gibt, von dem Mangel sicher datierbarer und nicht allzu weit entfernter Vergleichsbeispiele nicht zu reden. In der Tat wurden bei einigen der Namen retardierende Elemente der Schriftgestaltung festgestellt, doch genügen sie allein nicht zum Beweis einer Frühdatierung. Von einer entsprechenden Umsetzung wurde abgesehen, da urkundliche Belege der Namen, bei allem Zweifel in ihre Relation zum Zeitpunkt der inschriftlichen Fixierung, eine durchaus verzögerte Baugeschichte oder gegebenenfalls ihre Anbringung erst im Zuge von Reparaturen möglich erscheinen lassen. Wenn man die erstaunliche Konstellation der benachbarten Stifternamen Adelheid und Conrad im oberen Teil der Rose (Nr. 47) mit dem inschriftlichen Vorkommen der Namen von Jutta und möglicherweise von Emeringer (Nr. 34), gegebenenfalls also der 1222 genannten Eltern, sowie der dann mit der Mutter in Geschäftsbeziehung stehenden Rudewin und Masvilia von Flomborn (Nr. 35) zusammensieht und letztgenannter Erwähnung im Testament des Hezzel von 1254 berücksichtigt, gewinnt der spätere Ansatz zumindest der Inschriften an Gewicht.70) An der Westfassade führte man 1601, also zu einer Zeit verstärkter Bau- und Verschönerungsaktivitäten in der gesamten Stadt, umfangreiche Fassadenmalereien aus, die die Frühgeschichte des Stiftes mit Darstellungen und Sprüchen illustrierten und ehrwürdiges Alter und Rang der burchardischen Gründung herausstellten, teilweise übrigens in fast wörtlicher Übernahme von Texten des Cyriakusstiftes in Neuhausen (vgl. Nr. 594).

In dem etwa gleichaltrigen, von Bischof Burchard I. vom Andreasberg in die Stadt verlegten Andreasstift befindet sich seit 1930 das Museum des Altertumsvereins Worms, das mit dem Umzug in die Hände der Stadt Worms gegeben wurde und heute Museum der Stadt Worms im Andreasstift heißt, [Druckseite XXI] im nachfolgenden kurz Stadtmuseum genannt.71) Die Trennung der Bestände bereitete naturgemäß bei jenen Denkmälern Schwierigkeiten, deren ursprünglicher Standort nicht durch ältere Erwähnungen und Zitate gesichert ist oder aus dem Text selbst hervorgeht. Über das alte Paulusmuseum gelangten als größte Einzelbestände zahlreiche Inschriftenträger des ehemaligen lutherischen Friedhofes und nach 1951 die meisten Grabplatten des Dominikanerinnenklosters Maria Himmelskron in Hochheim dorthin, seltener sind Reste aus dem Dombereich und der benachbarten Magnuskirche; aus dem Paulusmuseum wurden auch zwei Denkmäler des Paulusstifts mit umgezogen. Im alten Kreuzgang, im Kirchenraum, in den Sammlungen im Inneren und denen im Hof befinden sich außerdem zahlreiche Objekte, deren ursprünglichen Standort man nicht mehr kennt oder die selbst beim Fund als Spolie verbaut waren. Die aus geschnittenen Resten von großen Umschriftplatten in die Treppe im Hof und in die anliegende Stadtmauer eingefügten Fragmente dürften alle noch aus dem Stift stammen, da sich einige von ihnen auch anhand der geringen verbliebenen Textinformation entsprechend lokalisierten Abschriften zuordnen lassen (vgl. Nr. 210, 272, 484). Für etwas weniger als ein Drittel des Bestandes im Museum blieb die Herkunft ungewiß oder unsicher bestimmbar; ein beträchtlicher Teil davon mag jedoch ohnehin zum Andreasstift gehört haben. Um so mehr ist das anzunehmen, als ältere Bergungsaktionen auch schon Denkmäler aus dem Andreasstift den Sammlungen des Altertumsvereines zugeführt hatten (Nr. 367).

Nach einer Phase des Niederganges wurden nach 1180 in engem Anschluß an die Kunstformen des Domes Kirche und Kreuzgangwestflügel des burchardischen Stiftes neugebaut; für die dreischiffige Pfeilerbasilika mit sechs Jochen nutzte man wenig mehr als die alten Fundamente; gerader äußerer Chorabschluß und Bauornamentik entsprechen den Vorgaben des spätromanischen Dombaues. Die Neueinwölbung der Kirche nach dem Brand von 1242 und der gotische Umbau des Kreuzgangsüdflügels in Spätformen von 1612 (Nr. 568) stellten die einzigen nachvollziehbaren Bauveränderungen bis zur Zerstörung von 1689 dar. Von dem sich lange hinziehenden Wiederaufbau gibt eine Bau- und Widmungsinschrift an Bischof Burchard I. von 1761 Auskunft. Der Aufhebung des Stiftes im Jahre 1802 folgte dann die Nutzung der Gebäude als Lager und Magazin samt funktionalen Umbauten. Als das Paulusmuseum des Altertumsvereines wegen der Übernahme der Stiftsgebäude durch den Domini- kanerorden eine neue Bleibe suchen mußte, ermöglichte eine großzügige Stiftung des Freiherrn Maximilian von Heyl wie schon beim profanierten Paulusstift die Renovierung der Gebäude des Andreasstiftes ab 1928, darunter die Rekonstruktion der Rippengewölbe in Stein, da sie nach 1689 nur in Holz ausgeführt gewesen waren. Die neue Bleibe des Museums, nun unter städtischer Leitung, mußte nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut werden, bei welcher Gelegenheit man auch neuzeitliche Zutaten entfernte.72)

Außer den beiden rätselhaften alten Inschriften des 11.-12. Jahrhunderts (vgl. Nr. 15f.) umfaßt der Bestand, der sicher dem Andreasstift zugeschrieben werden kann, seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts meist Grabplatten von Klerikern, wenigen Laien; eine Reihe von Inschriften ist als Name oder Sterbe/Begräbnisnotiz an Bauglieder geschrieben, so für eine Agnes von Obrigheim am Pfeiler des Kreuzgangsüdflügels, dem Kreuzgarten zugewandt, während der Dormitar Nikolaus Faber als Angestellter des Stiftes auf der gegenüberliegenden Seite im Kreuzgang selbst begraben lag (vgl. Nr. 130, 242). Bemerkenswert ist die Inschrift am Sockel des Nordturmes von 1326, in der ein Fund von Sarkophagen samt Gebeinen, ihre Beisetzung in einer Gruft und die Errichtung eines kollektiven Anniversares festgehalten wurde (vgl. Nr. 114). In keinem anderen Wormser Stift neigten Weltkleriker in gleichem Maße der neuen Lehre Luthers zu wie bei St. Andreas, wo schon vor dem Lutherreichstag 1521 lutherisch gepredigt wurde; wichtige Folge war die Loslösung der von St. Andreas betreuten Pfarrkirche St. Magnus, die bis zur Auflösung des Stiftes zwischen ihm, seit 1717 den Jesuiten, und dem Rat der Stadt umstritten war (vgl. insbes. Nr. 631-633).73)

Mit älterem und ehedem reichhaltigem Bestand glänzte das spätestens seit 1521 „kaiserlich” genannte Kollegiatstift St. Martin, heute Filialkirche des Domes, im Nordwesten der alten Stadt. In seiner eigenen Gründungstradition führt sich das Stift auf eine Urkunde Kaiser Ottos III. von angeblich 991 zurück; sie enthält aber nur eine Schenkung, deren chronologische Widersprüche zwar eine Emendation auf 996 erwägen lassen, deren Fakten jedoch auf einer Fälschung von nur vielleicht echten Vorlagen beruhen.74) Sulpicius Severus berichtete in der Vita des hl. Martin von dessen Einkerkerung [Druckseite XXII] in Worms im Jahre 357, als er dem heidnischen Kaiser Julian den Kriegsdienst verweigerte; seit dem späten Mittelalter gehört daher zum festen Repertoire von Wormser Chronisten, daß dem Besucher der Kerker gezeigt werde, der Kirschgartener Chronist sah dort sogar eine schöne Kapelle.75) Das sicher unter Bischof Burchard I. bezeugte Stift erhielt seine heutige Kirche erst im 13. Jahrhundert, wie der stilistische Vergleich mit anderen Bauten der Wormser Bauschule zeigt; ein vorläufiger Bauabschluß an der Westfassade wird um 1240 oder neuerdings schon um 1210 angesetzt. Ob und durch welche bauliche Veränderung man sich 1265 zu einer Weihe veranlaßt sah, ist nicht bekannt. Nur wenige und zudem undatierte Inschriften sind aus dieser Zeit bekannt; erst 1625 unterrichtet die Bauinschrift des Vizedekans Thomas Beccaria inschriftlich über Bauveränderungen (Nr. 663). Die dreischiffige Pfeilerbasilika besaß einen gerade geschlossenen Chor, viereinhalb Joche und eine Doppelturmfassade im Westen, von der nur der Nordturm fertiggestellt wurde. Chorform und Fortsetzung des Mittelschiffes in das Sanktuarium ohne Querhaus oder begleitende Seitenschiffe wurden als Indizien für einen alten, möglicherweise spätottonischen Grundriß angesehen. Mit dem Kreuzgang, dem Verbindungstrakt zur inkorporierten Lambertuskirche und zahlreichen Kapellen standen ab dem 13. Jahrhundert reiche Möglichkeiten für Grablegen und andere Inschriften zur Verfügung.76)

In dem mit über 80 Katalognummern nach dem Dom inschriftenreichsten Standort überwiegen naturgemäß Grabinschriften, und zwar bis 1463 die der (älteren) Kämmerer von Worms, die hier ihre Familiengrablege besaßen, ebenso wie jüngere Linien mit dem Dalbergnamen die ihren in Oppenheim und Herrnsheim hatten. Von ihren Denkmälern im Martinsstift sind noch eine einzige originale Platte (Nr. 664) und eine Replik des 17. Jahrhunderts (Nr. 149) heute zugänglich, drei weitere wurden nach der Auffindung 1969/70 im Boden des Kreuzganges, heute Kindergarten, belassen.77) Die Verluste von 1689 wurden verschlimmert, als man am Ende des Wiederaufbaues nach dem zweiten Weltkrieg die offene Bogenhalle vor dem Westportal abriß und die in ihrem Boden befindlichen Grabplatten beseitigte. Der glückliche Umstand einer fotografischen Überlieferung hält jedoch wenigstens ansatzweise einen Bestand von Gruftplatten fest, die mit den verschwundenen Kämmererplatten eine Besonderheit teilen, die sonst in Worms und überhaupt nur selten anzutreffen ist. Außer gelegentlichen monumentalen Namen längs über das Mittelfeld der Platte sind alle ausreichend erhaltenen Denkmäler mit übergroßen Buchstaben der gotischen Majuskel beschrieben. Die Kennzeichnungsmethoden von Grabplatten werden unten eigens besprochen (Kap. 7.). An interessanten Inschriften ergänzen diese Eigentümlichkeit ein Tympanon von um 1220 (Nr. 31),78) zwei schwierig zu deutende Spruchinschriften (Nr. 32, 359), eine die Stiftstradition bekräftigende Inschrift für den Gründer Otto III. (Nr. 67), ein unsicher überliefertes Apostel- und Prophetenprogramm als Wandmalerei des Chores (Nr. 36) sowie ein womöglich sehr frühes Beispiel einer Hostienmühle (Nr. 213), außer der ersten allesamt verloren und daher nur unsicher datiert. Singulär ist eine dem ehemaligen Martinsstift gehörende Stola erhalten (vgl. Nr. 13).

Als jüngstes, ärmstes und zeitlebens rangniedrigstes Kollegiatstift in Worms verfügt das Liebfrauenstift, heute die katholische Pfarrkirche der Nordstadt, doch über einen beträchtlichen Bestand an Inschriftenträgern. Erst nachdem 1298 Bischof Emicho Raugraf ein Marienheiligtum in der nördlichen Vorstadt zu einem Stift mit 12 Kanonikern, deren Zahl allerdings im Jahre 1300 auf die Hälfte reduziert werden mußte, erhoben hatte, waren wie seinerzeit bei der Katharinenkirche in Oppenheim die Voraussetzungen für inschriftliche Überlieferung geschaffen.79) Nur in inschriftlichen Zeugnissen spiegelt sich auch die wenig kontinuierliche Baugeschichte der dreischiffigen Basilika mit doppeltürmigem Westwerk: Nach dem Baubeginn um 1276/77 trat um 1310 eine Planänderung zugunsten einer vergrößerten Kirche für die Bedürfnisse von Wallfahrern ein, während der Bauteile sukzessive abgerissen und neu aufgebaut wurden. Im Jahre 1381 arbeitete man am Chor und Chorumgang (Nr. 165), doch erst 1465 meldet eine Inschrifttafel am nordwestlichen Chorpfeiler die Bauvollendung oder richtiger einen gewissen Bauabschluß (Nr. 259), da Ornamentformen auf weitere Bauaktivitäten hinweisen und [Druckseite XXIII] auch am Kreuzgang noch gearbeitet wurde.80) Erst am Ende des 15. Jahrhunderts freilich steigt die Zahl der Inschriften, vornehmlich der Grabinschriften merklich an. Bis auf drei Ausnahmen handelt es sich jeweils um körpergroße Platten mit Umschriften, am Ende des 17. Jahrhunderts auch mit zeilenweise angelegten Inschriften in abgegrenzten Feldern. Mangels Masse sonst in Worms nicht zu verfolgen, weist gerade die Klerikergrablege an Liebfrauen einen verhältnismäßig hohen Anteil an konservativen Umschriftplatten auf. Über frühere, aber nicht notwendigerweise ursprüngliche Standorte und Gruppierungen von Grabplatten geben zwei Fotos und Lagepläne der 1911 von Pfarrer Ihm gehobenen Platten Auskunft.81) Den neuen Markierungen in römischen Zahlzeichen auf den Platten entsprachen solche im Boden und auf benachbarten Pfeilern und Wänden, die durch Erneuerungen heute verschwunden sind.

Konkordanz der alten Markierungen mit Katalognummern:
Textabbildung 1

I Nr. 651
II Nr. 727
III Nr. 164
IV Nr. 89
VI Nr. 669
VIII Nr. 344
IX Nr. 734
X Nr. 714
XI Nr. 324
XII Nr. 716
XIII Nr. 730
XIV Nr. 637
XVI Nr. 712
XVII Nr. 677

[Druckseite XXIV]

Es stellte sich natürlich die Frage, ob jene Fundsituation von 1911 der ursprünglichen entsprach oder nur eine willkürliche Streuung im Rahmen einer Fußbodenplättung darstellte. Nur eine Lageskizze von Gräbern, nicht nur von Platten, könnte eine eindeutige Klärung bringen, sie fehlt jedoch. Heute verlorene Klerikerplatten lokalisierte Wickenburg im Kreuzgang, drei noch erhaltene hinter dem Hauptaltar, von denen zwei noch 1911 dort gefunden wurden (Nr. 716 u. 734), die dritte, die Platte des Vikars Peter Luff (Nr. 344), fand man im südlichen Chorumgang, obwohl Wickenburg sie „retro summum altare” sah. In der Nähe des Hochaltares hätte sich die Platte des Bischofs Eberhard Cratz von Scharffenstein (†1663) (Nr. 712f.) finden müssen, sie lag aber weit westlich im nördlichen Seitenschiff, wie Wickenburg sagt, „ad latus ecclesiae sinistrum”. Daraus müßte man zumindest erwägen, daß seine Lokalisierungen, eben knapp zwei Generationen nach der Zerstörung, schon erste Neuordnungen wiedergeben und nicht notwendigerweise ursprüngliche Lagen. Für Stiftsgeistliche wären diese ohnehin im Kreuzgang, nicht in der Kirche, zu suchen, es sei denn, ihre Begräbnisplätze ständen in Zusammenhang mit den ihnen zugewiesenen Altären oder der Kreuzgang stand noch nicht oder nicht mehr zur Verfügung, wie es für Platten am Ende des 15. Jahrhunderts und nach Kriegszerstörungen des 17. Jahrhunderts der Fall gewesen sein könnte. Unter der Voraussetzung originärer Bodenlagen der Platten im Jahre 1911 müßte man den relativ kleinen Stein des Kapuzinerpaters Pontianus (Nr. 677), der als einziger aus dem Rahmen der hochrechteckigen Platten in Liebfrauen herausfällt, eben nicht als Grabstein, sondern auch als Grabplatte verstehen; Größe und Anordnung der Inschrift widersprechen jedoch diesem Sachverhalt.

Nur zwei der ursprünglich fünf Hauptpfarrkirchen der Stadt bargen nachweislich größere Inschriftenbestände: Daß die jüngst um die Pauluskirche gefundenen Bruchstücke des 14. Jahrhunderts eventuell doch zur Rupertuskirche gehörten, ist wegen deren geringer Größe nicht anzunehmen. Für die Lambertuspfarrkirche beim Martinsstift sind zwei Grabinschriften aus dem Ende des 17. Jahrhunderts bekannt geworden (vgl. Nr. 729, 736); in St. Amandus fand man zwei heute ebenfalls verschollene Bruchstücke (vgl. Nr. 126, 426). Aus der seit Beginn des 13. Jahrhunderts nachweisbaren Pfarrkirche beim Dom, dem ehemaligen Zentralbau der Johanniskirche, sind abschriftlich immerhin 15 Grabinschriften bekannt geworden; der mächtige Löwentaufstein befindet sich heute in der Nikolauskapelle des Domes, freilich ohne seine gemalten Inschriften (vgl. Nr. 307). Dem südlichen Domvorplatz mit Friedhof waren am Äußeren des Domes mehrere kurze Grabinschriften, im 17. Jahrhundert zusätzlich mit schwarzen gemalten Kreuzen gekennzeichnet, zugewandt; zu eben dieser Friedhofsumgebung gehört auch die Posaune des jüngsten Gerichts (Nr. 110). Erst seit der Zeit Schannats wird die Kirche im Anklang an den Kirchenpatron, dessen Figur sich an der gegenüberliegenden Nikolauskapelle befindet, fälschlich „Baptisterium” genannt;81) die Reihe ihrer Grabmäler beginnt erst in der Mitte des 14. Jahrhunderts, und zwar soweit man den Gewährsleuten vertrauen darf, nicht in Form der zeitgemäßen großen Umschriftplatten, sondern wie auch am Dom schon früher als kurze Grab- oder Sterbe- notiz, gegebenenfalls auch als Metall- oder Holztafel. Zeitüblichen Formen stehen die seit 1299 nachweisbaren Grabmäler der Magnuskirche, heute die einzige noch erhaltene der Hauptpfarrkirchen, wesentlich näher. Bis zur letzten Grabinschrift von 1638 (vgl. Nr. 697) handelt es sich durchweg um Umschriftplatten; lediglich die figürlichen Denkmäler Von Gottfarth und Kechler von Schwandorf weichen davon ab (Nr. 640, 652). Nicht nur in urepigraphischem Anliegen, nämlich schriftgeschichtlich im Nachweis von Werkstattarbeiten in später und sehr später gotischer Majuskel sowie bei Eigentümlichkeiten der gotischen Minuskel, bringt der Bestand der Magnuskirche neue Erkenntnisse; auch die lange umstrittene konfessionelle Zugehörigkeit der Kirche wirkte sich auf die Inschriftendenkmäler in eigenartiger Weise prägend aus: Abgesehen von dem dezidiert lutherisch gesinnten Ausmalungsprogramm von 1614 (Nr. 631-633) machte sich die prekäre Lage zwischen den konfessionellen Lagern offenbar auch in der Gestaltung von Grabmonumenten bemerkbar, da bis auf die beiden genannten Ausnahmen alle übrigen Denkmäler nach 1550 noch dem alten Typ der Umschriftplatte verhaftet sind, wogegen die lutherischen Denkmäler des Stephansfriedhofes diese Form gerade nicht mehr zeigen, obwohl engste Familienverbindungen zwischen den beiden jeweils dort bestatteten Personengruppen bestanden. Offenbar wirkte sich zwischen den beiden Platten Marchard (vgl. Nr. 647) und Fabritius [Druckseite XXV] (vgl. Nr. 697) auf die Uniformität der Umschriftplatten der Magnuskirche entweder die konfessionelle Dominanz der Katholiken in Worms nach der spanischen Besetzung aus oder — das ist wahrscheinlicher — die Wahl dieser Form und ihre Beibehaltung resultieren aus den besonderen Standorten der Träger: Der Unterschied zu den lutherischen Denkmälern des Friedhofes könnte darin liegen, daß die Platten der Magnuskirche eben einen Kirchenboden zu bedecken hatten, während jene quasi wie Kopfsteine an einem Ende des Grabes an die nahegelegene Friedhofsmauer gelehnt waren (vgl. auch unten Kap. 3.).

Jene letzte Grabplatte von 1638 für den Pfarrer Jakob Daniel Fabritius (Nr. 697) ist mit einer Laudatio des Toten durch den Amtskollegen Michael Wenzel geschmückt, in der DVPLICIS ... TEMPLI ... SVBSELLIA genannt sind; in einer Zeit unklarer konfessioneller Grenzen in der Stadt Worms, aus der sonst wenig Zeugnisse erhalten blieben, müßte diese Aussage als möglicher Hinweis auf die simultane Nutzung der Kirche geprüft werden.

Das Bergkloster St. Andreas, so genannt nach der 1141 erwähnten „ecclesia S. Andreae in monte”, entstand aus der Übertragung der alten Andreaspfarrkirche an den Orden der Reuerinnen 1243 durch Bischof Landolf von Worms, nachdem 1231/32 die Niederlassung von Dominikanern gescheitert war. Außer Baunachrichten zu 1261 und vor 1320 besitzt man nur wenige Angaben zu Altären meist des 14. Jahrhunderts. In der Stadtzerstörung verschont (vgl. Nr. 222), wurden die beschädigten Gebäude 1803 auf Abbruch versteigert und schon bald darauf abgetragen, so daß sich eine Umwandlung in eine Kaserne 1823 nicht mehr lohnte.82) In einer Kirchenmauer hatte schon Schannat einen frühmittelalterlichen Grabstein gefunden (Nr. 4), der zusammen mit dem sogenannten Dreijungfrauenstein (Nr. 222) noch erhalten ist; ein wohl im 13.-14. Jahrhundert erneuertes Bischofsgrab (Nr. 69), ein zweiter Teil der großen Scheingrablege (Nr. 223), beide in Stichen bei Schannat überliefert, und zwei anscheinend zeitübliche Grabinschriften (Nr. 103, 635) sind verloren. In Kirche und Kreuzgang, beide im 1803 erstellten Situationsplan des Klosters,83) müßten eigentlich wie in anderen Wormser Klöstern auch noch mehr Grabinschriften vorhanden gewesen sein.

Die Wormser Klostergründung der Dominikaner oder Prediger begann 1226,84) nahm aber erst 1232 nach der Einigung mit Bischof Heinrich II. Gestalt an, als der Ankauf eines Hofes nahe der Münze gelang. Nach mehreren Neu- und Aufbauten genügte der Gebäudekomplex, ehemals gegenüber dem heutigen Roten Haus, offenbar hohen Ansprüchen, da mehrere Ordenskapitel darin tagten, 1495 prominente Fürsten vorösterliche Tage darin verbrachten und er beim Luther-Reichstag mehreren Parteien Quartier gewährte.85) Von den zahlreichen während der damaligen Epidemie in Worms verstorbenen Reichstagsteilnehmern wurden nachweislich drei Angehörige des kaiserlichen Gefolges in der Dominikanerkirche begraben (Nr. 403-405); mehrere ältere Inschriftenträger gehören in die Kategorie der spätmittelalterlichen Umschriftplatten. Schon kurz nach dem Reichstag diente die Dominikanerkirche dem lutherischen Gottesdienst und in der Folgezeit beanspruchten Rat und lutherische Gemeinde die simultane Nutzung des Kirchenschiffes, die erst nach der Zerstörung von 1689 endete. Nach den Begräbnissen der drei Reichstagsteilnehmer brach die inschriftliche Überlieferung ab. Den Wiederaufbau leisteten die Dominikaner alleine; im Zuge dieser Arbeiten verschwanden 1714 alle Grabplatten. Nur durch eine Schadensberechnung von 1697, die auch eine Baubeschreibung enthält, läßt sich eine Vorstellung von dem Kirchenbau gewinnen.86)

Das sich selbst mit einer problematischen Inschrift auf eine Gründung durch Kaiser Ludwig d.Fr. (Nr. 65) zurückführende Frauenkloster Nonnen- oder Mariamünster lag gerade noch in der südöstlichen Ecke der späteren äußeren Stadtbefestigung in unmittelbarer Nähe zur Cäcilienpfarrkirche und [Druckseite XXVI] zur Meinhardskapelle. Der urkundlich erst unter Bischof Burchard I. nachweisbare Konvent gehörte wahrscheinlich zuerst dem Benediktiner-, dann dem Augustinerorden an, bevor eine grundlegende Erneuerung und Reform die Besetzung mit Zisterzienserinnen der Eberbacher Filiation 1236 durch Bischof Landolf und die endgültige Übertragung an den Zisterzienserorden 1291 nötig werden ließen. Danach setzte ein Aufschwung des klösterlichen Lebens ein, der sich in Erweiterungsbauten und zahlreichen Altarstiftungen niederschlug und eben auch die Voraussetzung für die Entstehung von Inschriftendenkmälern schuf; insgesamt 18 sind noch vorhanden oder wenigstens bekannt. Ob sich unter dem Chor der dreischiffigen Basilika noch eine Krypta mit dem sogenannten „antiquus chorus” befand, in dem angeblich auch einige der nicht in geschlossener Grablege beerdigten Äbtissinnen ihre letzte Ruhestätte fanden, ist nicht zweifelsfrei geklärt (vgl. u.a. Nr. 128, 250, 288). Außer den Äbtissinnengrabplatten und wenigen Einrichtungsgegenständen (vgl. Nr. 432, 524, 570, 679, 698) sind nur vage Zuschreibungen von Inschriftenträgern aus dem Museumsbestand möglich, die sich auf die mit sicher zuweisbaren Inschriften identischen Fundumstände als Kanalabdeckungen von Wormser Straßen stützen (vgl. Nr. 59, 79, 246). Nach der Mitte des 15. Jahrhunderts sind insgesamt sechs Äbtissinnengrabsteine erhalten, nämlich die Nummern im Katalog 250, 431, 539, 723 und heute im Stadtmuseum die Steine der Maria Ursula Bender von Speyer (†1698) und der Anna Barbara Kolb von Boppard (†1703), ausnahmslos in der Mitte durchgeschnitten und wieder zusammengesetzt.87) In dem einzigen Wormser Bestand mit einer längeren Reihe erhaltener Grabmonumente von Konventsoberen ist die auch bei anderen Zisterzienserklöstern festgestellte Gleichförmigkeit der Darstellung und des Arrangements einzelner Elemente über lange Zeiträume zu beobachten. Im großen und ganzen entsprechen die Steine der Äbtissinnen denen der Eberbacher Äbte vor 1700.88)

Obwohl die Klostergebäude nicht das Schicksal der 1689 völlig zerstörten Stadt teilten, sind die heute verbliebenen Reste gering: Um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die Äbtissin Maria Theresia Fräntzlin Erneuerungen an Gebäuden und Ausstattungsgegenständen (Nr. 698) durchführen lassen; in der napoleonischen Zeit dienten die Gebäude als Kaserne, nachdem die Konventualinnen zum Umzug in die Stadt gezwungen worden waren; seit 1810 im Besitz der Stadt wurden die Baulichkeiten privatisiert und schließlich doch zum größten Teil der Versteigerung auf Abbruch zugeführt, die 1822 die Klosterkirche erfaßte; der Rest wurde in die von Heylschen Lederfabriken einbezogen. Aus dem 18. Jahrhundert befindet sich im Stadtmuseum eine Bernhard-Darstellung mit Chronogramm von 1712; alte Bauzahlen und ein Chronogramm von 1713 als Eingangsspruch sind fotografisch überliefert (Nr. 537). Zu den von der Stadt Worms veräußerten Werten gehören auch verschiedene an Wormser und Pfälzer Kirchen verkaufte Einrichtungsgegenstände wie Taufstein, Kanzel, Altar in Großkarlbach (Nr. 423, 524, 679). Eine Verlustabschätzung für Inschriftenträger im Kloster Mariamünster ließe sich nur mit einem hohen Unsicherheitsfaktor vornehmen; immerhin war es das älteste, größte und am längsten bestehende Frauenkloster der Stadt, das der Äbtissin Mechthild, Schwester Burchards I., und dem Bischof und speziellen Gönner Landolf von Hoheneck (†1247) die letzte Ruhestätte bot.89)

Das ursprünglich vor dem Neutor in der westlichen Vorstadt gelegene Karmeliterkloster entstand wie zahlreiche andere Konvente in und bei Worms am Ende des 13. Jahrhunderts. Vom 22. September 1299 datiert die bischöfliche Erlaubnis für Errichtung von Kirche, Kloster und Friedhof; 1310 war der erste Bauabschnitt beendet und für 1387 ist eine Weihe bezeugt. Der Konvent beanspruchte auch die 1496 geweihte Kapelle der Annenbruderschaft, für die das Kaiserpaar den Altargrundstein gelegt hatte. Bevor die Karmeliter 1657 die Stephanskirche beim Bischofshof zugewiesen bekamen, weil die Schweden 1632 mit der Vorstadt auch die Klostergebäude zerstört hatten, muß es verhältnismäßig zahlreiche Begräbnisse im Kloster gegeben haben, da nicht wenige Anniversarien mit Angabe des Grabplatzes überliefert sind, darunter mit Inschriftzitat für den Weihbischof Simon von Düren (Nr. 268) und für den Dekan am Andreasstift Gregor Gutmeyer (Nr. 656a).90) Der Wiederaufbau im 18. Jahrhundert läßt sich nur schwer beurteilen, da das gesamte Klosteranwesen ab 1792 zuerst als französisches, später auch als hessen-darmstädtisches Lazarett und Magazin genutzt wurde; die Kirche war schon 1825 abgebrochen worden, der Rest fiel 1884.91)

[Druckseite XXVII] Erst 1624/5 begannen Verhandlungen über die Niederlassung von Kapuzinern in der Stadt Worms; mit kaiserlicher und bischöflicher Unterstützung gelang jedoch eine genehmigte Etablierung eines Konventes erst 1631. Nach verschiedenen nicht realisierbaren Bauplanungen im Bereich des Liebfrauenstiftes wurde 1642 am Chor der Jodocus-Kapelle von Liebfrauen der Grundstein für das neue Kloster gelegt (Nr. 701), das die Kapelle und zwei Stiftskurien mit einbezog. Die zweischiffige Kirche und anliegende Konventsgebäude schützten die französischen Truppen zwar 1689 eigenhändig vor dem großen Feuer, doch brannte ein Teil 1692 ab; bis zu welchen Grad Neubaupläne des 18. Jahrhunderts wirklich zur Ausführung kamen, ist nicht mehr nachzuvollziehen, da schon 1803 die noch erhaltenen Gebäude versteigert und mindestens die Jodocus-Kapelle abgerissen wurde. Ein Teil des Klosters bildet heute den Mittelpunkt des Liebfrauenmilch-Weingutes.92)

Auf der Nordseite des Domwestchores schloß sich nachweisbar seit dem 13. Jahrhundert die bischöfliche Pfalz an; mindestens teilweise wurde der Bischofshof 1472 von Bischof Reinhard von Sickingen wieder aufgebaut, nachdem ihn der Turmeinsturz von 1429 im Mitleidenschaft gezogen hatte. Der Schauplatz der Luther-Verhöre war noch im 16. Jahrhundert mannigfaltigen Veränderungen und Anbauten unterworfen, bis ihn um 1602/3 Bischof Philipp von Rodenstein mit großem Aufwand etwa bei der Fassadengestaltung ausschmücken ließ (Nr. 603, 605). Bis auf die Außenmauern brannten die Gebäude 1689 aus und auch der Nachfolgebau des 18. Jahrhunderts, an dessen Einrichtung Balthasar Neumann beteiligt war, blieb nicht lange bestehen, denn nach der Einquartierung des emigrierten Prinzen Condé 1792 wurde er von den französischen Revolutionstruppen 1794 erneut in Brand gesteckt und schließlich 1805 versteigert.93) Unter anderem dem Interesse Bischof Johanns von Dalberg am Altertum verdankte der Hof eine Sammlung von Grabsteinen und Skulpturen.94) Gebäude und Vorplatz gehörten zu einem eigenen Rechtsbezirk, dessen Grenzen mit Wappen und Inschriften tragenden Steinen markiert und so in Plänen des 18. Jahrhunderts eingezeichnet waren (Nr. 588). Die nördliche Seite des Vorplatzes schloß die 1055 geweihte Stephanskirche (Nr. 10) ab, die wohl als bischöfliche Hofkapelle diente. Nach der Stadtzerstörung wurde diese Funktion auf eine neue gleichfalls dem hl. Stephan geweihte Kapelle im Bischofshof selbst übertragen.95)

Mit einer ebenfalls dem 11. Jahrhundert angehörenden Inschrift ist die Kilianskapelle (Nr. 9) südlich der Hagenstraße schon früh nachgewiesen; ihr gerader Chorschluß paßt in die Zeit der burchardischen Kirchenbauten. Schon vor der Stadtzerstörung war die Kapelle in Verfall geraten; 1779 fixierte der Stadtschreiber Hallungius den ruinösen Zustand.96) Aus den übrigen Pfarrkirchen (Cäcilien, Michael, Ruperti), den vielen anderen Kapellen und kleinen Kirchen (Alban, Allerheiligen, Georg, Gertrud, Heilig-Geist-Spital, Leprosen, Maria Magdalena, Margaretha, Meinhard, Nazarius, Pankratius, Sixtus, Silvester und Valentin, Ulrich) sind keine Inschriftenträger im Wortlaut bekannt, ebensowenig aus dem der Bürgerschaft recht nahe stehenden Franziskanerkloster97) noch aus den Konventen der Wilhelmiten, Augustiner, der Zisterzienserinnen und später der Windesheimer Augustiner in Kirschgarten, der Tertiarierinnen im Richardikonvent.98) Nur die Grabplatte des Heinrich Nikolaus Faust von Stromberg gelangte aus der Johanniterkommende in die Sammlungen des Museums (Nr. 654).

In der Mainzer Vorstadt vor dem Martinstor, im Bereich der heutigen Wonsamstraße,99) lag der lutherische Friedhof mit einer Kirche, Gottesacker-Kirche oder auch zum Armen Stephan genannt;100) mindestens seit 1562 wurden dort in einem umfriedeten Bezirk mit eigens abgeteiltem Pestfriedhof bürgerliche Personen, vor allem aber lutherische Ratsherren und ihre Familienangehörigen bestattet. Innen an der Einfriedung und außen an der kleinen Stephanskirche waren Grabmäler angebracht, denen bei dem Gewährsmann des 18. Jahrhunderts, dem Fortsetzer der Zornschen Chronik, Johann [Druckseite XXXVIII] Friedrich Meixner, Nummern für eine Liste von Abschriften beigeben sind. Aus dem Arrangement der nicht perspektivischen Skizze des Friedhofes in seiner Chronikversion muß man schließen, daß die Denkmäler, von denen nur drei dem 18. Jahrhundert angehören, ursprünglich an oder wenigstens vor eine Wand gestellt waren. Dem Aussehen von Denkmälern in der Funktion von Kopfgrabsteinen entspricht, daß sich unter den 35 Nummern erhaltener Inschriften keine körpergroßen Umschriftplatten befinden, die auf eine Einfügung im Bodenbelag von Kirchen hinweisen. Schon ab dem Ende des 16. Jahrhunderts gab es unter den betreffenden Denkmälern solche, die in der äußeren Form als Epitaphien oder Wanddenkmäler gelten könnten und doch im Freien an der Friedhofsmauer standen (vgl. unten Kap. 3.). Von alten vorstädtischen Friedhöfen der frühen christlichen Zeit in Worms stammen die ältesten der hier vorgestellten Inschriftenträger (Nr. 1-4); auch sie standen in unmittelbarstem Zusammenhang mit dem Grabplatz; dieselbe Funktion der Grabkennzeichnung muß auch den meist knappen Todesnachrichten oder reinen Namensinschriften an Außenwänden von Bauwerken zugesprochen werden, wie sie beim Dom, am Andreasstift und am Kreuzgang des Paulusstiftes sicher bezeugt sind.

Von den profanen Gebäuden der Stadt Worms, die selbst Inschriften trugen oder -träger bargen, ist in erster Linie der Gebäudekomplex von Münze, Rathaus und Bürgerhof zu nennen; die 1491 von den Münzerhausgenossen erworbene Neue Münze wurde zum städtischen Repräsentationsbau hergerichtet und mit Bildern von Kaisern und Sagengestalten opulent geschmückt. An diesem alten Gebäude und seinen Anbauten, als Ganzes das städtische Regierungszentrum, verherrlichten Fassadenmalereien Treue und Verbundenheit der Stadt mit dem Kaiser (Nr. 333, 427, 518); in den Beschreibungen und Nachzeichnungen sind einige Unstimmigkeiten erhalten, so sah Thomas Coryate vier Kaiserbüsten, Peter Hamman zeichnete sechs und sein Sohn Johann Friedrich fünf (Nr. 518);101) dabei kann das erhaltene Medaillon Kaiser Friedrichs III. gar nicht hierzu gerechnet werden. Höchsten Wert legte der Schöpfer des Programmes auf die Betonung der “Libertas” in deutlichem Antagonismus zum in Sichtweite gelegenen Bischofshof (Nr. 603) des nominellen Stadtherrn. Dieselbe Thematik begegnet bei der Widmungsinschrift für König/Kaiser Heinrich IV. am Turm der „Rheinpforte” (Nr. 334).

Die Stadtbefestigung, die ja schon früh, nämlich außen nach der schwedischen Besetzung 1632 und im inneren Ring 1689 in großen Teilen niedergelegt worden war, bietet ansonsten keine weiteren ihr eigenen Inschriften, wenn man von der Benennung der Pfauenpforte als „Warte der Wormser” (Nr. 362) absieht. In der Umgebung des Stadtmuseums im Andreasstift wurden beim Wiederaufbau nach 1945 freilich zahlreiche Grabplattenfragmente mit eingemauert. Mit Bauzahlen (Nr. 379) und knappen Bauinschriften eines Brunnens (Nr. 604) und zweier Häuser (Nr. 560, 720) ist vergleichsweise wenig an profanen Inschriften bis zum Ende des 17. Jahrhunderts überliefert, sicherlich mit eine Folge der Zerstörungen.

Zum Großherzoglich-hessischen Kreisamt des 19. Jahrhunderts war das 1718 erbaute Palais der Familie von Bettendorff, selbst an der Stelle der alten Dompropstei, umgewandelt worden; eines seiner hinteren Gebäudeteile diente bald dem Altertumsverein der Stadt Worms als Lagerungsort für Grabsteine, die entgegen alten Angaben nicht alle aus dem Dombereich stammten (vgl. Nr. 153).102)

2. 3. Beschreibung und Geschichte der wichtigsten Standorte von Inschriftenträgern in den heutigen Vororten

Im Nordwesten der Stadt liegt das ursprünglich dem Kloster Fulda gehörende Weindorf Abenheim, das wie die meisten rheinhessischen Orte erstmals im Lorscher Codex genannt ist und nach Verlehnungen an Leiningen, Nassau und Katzenelnbogen seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts in mehreren Schritten von der Familie der Kämmerer von Worms gen. von Dalberg erworben wurde, die Pfandschaften, herrschaftliche Rechte und Grundbesitz zusammenkaufte. Zentrum der neuen Ortsherrschaft wurde das von Wolff Kämmerer nach 1473 erworbene Schlößchen, das den Grundstock für das 1556 von Wolff d.Ä. (†1576) und Philipp Kämmerer (†1590) zum Amtshaus ausgebaute Gebäude bildete (Nr. 464). Die an zahlreichen Gebäuden noch vorhandenen Bauzahlen (Nr. 466) und Grenzziehungen (Nr. 565) belegen den Aufschwung des Ortes in dalbergischer Zeit. Die heutige Kirche stammt aus dem 18. Jahrhundert; in den Weinbergen nordöstlich des Dorfes steht noch die dem Erzengel Michael [Druckseite XXIX] geweihte sogenannte Klausenbergkapelle, deren Neubau in spätgotischen Formen durch die Jahreszahlen 1572 und 1602 fixiert ist (Nr. 501).102)

Ebenfalls alter Lorscher Besitz, kam Heppenheim an der Wiese vor 1460 an Kurpfalz und blieb dort bis zur territorialen Neuordnung der Napoleonzeit. Bautätigkeit ab der Mitte des 16. Jahrhunderts ist in zahlreichen Bauzahlen dokumentiert. Die jetzt evangelische Pfarrkirche wurde 1596/97 mit flachgedecktem Langhaus, fünfseitigem Chor, niedrigem Gratgewölbe und spätgotischen Maßwerkformen über einem Vorgängerbau errichtet und birgt noch einen alten Sarkophagdeckel (Nr. 12) und eine Pfarrergrabplatte (Nr. 303, eine weitere verlorene Nr. 348); den Neubau begleiteten umfangreiche Kirchenausmalungen, von denen nur wenige Reste erhalten blieben und die bei Renovierungen nach der Mitte des 19. Jahrhunderts um heute ebenfalls wieder verdeckte Bibelsprüche ergänzt wurden (Nr. 566).103)

Wie die vorgenannten Orte zuerst als Lorscher Besitz erwähnt, ging die Ortsherrschaft von Herrnsheim zunächst als leiningisches, dann als sponheimisches Lehen an die Kämmerer von Worms gen. von Dalberg, die durch Burgenbau und Anlage einer Ortsbefestigung Herrnsheim zu ihrem Herrschaftszentrum ausbauten. Eine spätromanische Basilika vom Beginn des 13. Jahrhunderts wurde unter der neuen Ortsherrschaft von bayerischen Steinmetzen unter der Leitung des Jakob von Landshut umgebaut, erhöht und mit Netzgewölben versehen; Langhaus und flachgedeckte Seitenschiffe befinden sich unter einem Dach. 1878 wurde ein zweites nördliches Seitenschiff angefügt, 1904/5 der Chor durch einen die gesamte Breite umfassenden Zwischenbau hinausgerückt. Schon vor dem spätgotischen Umbau der Pfarrkirche St. Peter ab etwa 1470104) war ein Angehöriger der Familie dort begraben (Nr. 264), doch nach 1483 wurde die Südkapelle (Nr. 280 zu 1478) mit dem Ursula-Altar zur Grablege des Herrnsheimer Familienzweiges, für die qualitätvolle figürliche Denkmäler, teilweise in Ergänzung von zeitüblichen Grabplatten geschaffen wurden. Lediglich drei Inschriftenträger der Kirche, für einen Pfarrer (Nr. 287) und für zwei Schultheißen-Familien (Nr. 550, 681), sind nicht mit der Familie der Kämmerer und später der Dalberg zu verbinden, von deren profanen Bauaktivitäten auch Inschriften am Schloß (Nr. 545) und Bauzahlen im Ort (Nr. 460) zeugen. Zwei Glocken (Nr. 291, 332) und die Inschriften und Wappen mehrerer Einrichtungsgegenstände (Nr. 306, 308, 320, 346) künden von dem Stiftungseifer des Ehepaares Philipp und Barbara Kämmerer (Nr. 297, 328). Zwischen 1581 und 1614 war eine der Herrnsheimer Linien lutherisch, bis mit dem Tode Eberhards unter Wolff und Wolff Friedrich sich eine katholische Dominanz wieder durchsetzte, die sich auch in der Form der Denkmäler jedenfalls der Familienangehörigen widerspiegelt (vgl. unten Kap. 3. u. 6.3.). Mit Hilfe einer jüngst über den Villinger-Nachlaß im StA Worms wiedergefundenen Handschrift, „Abriß der herrschaftlichen Epitaphien”, war es möglich, annähernd frühere Standorte von Denkmälern außerhalb der Ursulakapelle zu bestimmen; bezeichnenderweise sind in jener Zusammenstellung nur drei Grabplatten katholischer Familienmitglieder vor Altären und die aufrecht stehenden oder hängenden Denkmäler aufgenommen. Der Streit um die Konfessionshoheit, später zwischen Dalbergern, Kurpfalz und Gemeinde, überdauerte die Wirren des Dreißigjährigen Krieges, die ab 1635 die Einwohnerschaft von Herrnsheim wie so viele andere auch ins Exil nach Worms zwangen. Daher wurden schon Margaretha Kunigunde (†1626) (Nr. 664), später auch Philipp Balthasar (†1639) und seine Frau Margaretha geb. von Warsberg (†1647) (Nr. 699, 702) in der Wormser Martinskirche bestattet.105)

Als Inschriftenstandort ist Hochheim, ehemals hochstiftisches Lehen, bedeutend durch die 1278 mit bischöflicher Genehmigung erfolgte Gründung des Dominikanerinnenklosters Maria Himmelskron. Es erfreute sich großzügiger Förderung der Stifterfamilie des Dirolf von Hochheim106) und ihr verwandtschaftlich und ständisch in der Wormser ministerialen Oberschicht verbundener Familien. Bis zur Weihe von 1293 war die Klosterkirche wenigstens funktionsbereit; wohl die Zerstörungen des Städtekrieges von 1388 nötigten zu einem Neubau der Bettelordenskirche, der sich bis in die ersten Dekaden des 15. Jahrhunderts hinzog. Die flachgedeckte Halle mit neun Fensterachsen und dreiseitig geschlossenem Chor fiel nach der Klosteraufhebung von 1570 der reformierten Gemeinde als Winterkirche zu. Unter der kurpfälzischen Linie Neuburg wurde die Kirche wieder den Katholiken zurückgegeben, [Druckseite XXX] daher stammt die heutige Einrichtung vor allem aus dem 18. Jahrhundert.107) Die meisten der Grabplatten wurden nach 1950 ins Museum der Stadt Worms gebracht, einige gingen, wie alte Fotos zeigen, verloren. An Besonderheiten wies diese Grablege, die nach dem 14. Jahrhundert nur durch wenige Steine von Priorinnen, Beichtvätern und Schaffnern ergänzt wurde, außer dem redseligen Gedenkstein und Stifterdenkmal für den Gründer Dirolf (Nr. 97), häufige Wiederverwendungen, die figürliche Platte einer Nonne in Halbrelief (Nr. 100) und einen kollektiven Gedenkstein von erst 1535 für die Konventualinnen (Nr. 425) auf. Eine Reformation von 1430 durch Dominikanerinnen aus Schönsteinbach brachte zwar eine geistliche Erneuerung, konnte jedoch den langsamen wirtschaftlichen Niedergang des Klosters bis zur nach mehreren Anläufen erfolgreichen Aufhebung durch Kurpfalz 1563/1570 nicht verhindern. Außer der als katholische Pfarrkirche genutzten Bettelordenskirche gab es eine heute evangelische Pfarrkirche, die sogenannte Bergkirche, deren Krypta ins beginnende 11. Jahrhundert datiert wird; auch der romanische Turm mit Formen der Wormser Andreas-Bauhütte in den oberen Geschossen blieb erhalten, während Chor und Schiff in spätesten gotischen Formen erneuert wurden (Nr. 622).108) Auf ihrem Turm hängt auch eine der wenigen erhaltenen mittelalterlichen Glocken des Wormser Bestandes (Nr. 258).109)

Zwischen Hochheim und Neuhausen lag das 1288 von Jakob Engelmann und seiner Frau Lieba gestiftete und nach ihr benannte Dominikanerinnenkloster Liebenau (St. Agnes), dessen Gebäude restlos verschwunden sind.110) Eine Gedenkplatte mit einem aus dem Testament der Stifter, die vor dem Altar begraben lagen, geschöpften Text ziert seit 1973 den alten Klosterplatz.111) Offenbar gelangte das Kloster bald zu solchem Ansehen, daß es anders als die umliegenden Frauenklöster verstärkt die Aufmerksamkeit des Hochadels am Rhein erregte; in den Listen der Priorinnen und im Kloster begrabenen Personen überwiegen zumindestens bei den inschriftlich bekannten die Töchter hoher Häuser wie der Pfalzgrafen und Herzöge von Baiern, der Grafen von Nassau, Oettingen, Württemberg und Hanau. Aus der ersten Blütezeit konnten die 1563 durch die kurpfälzische Reformation nach St. Katharinen in Freiburg vertriebenen Schwestern das Reliquiar der Grafen von Oettingen retten (Nr. 119f.).112) Beide Dominikanerinnenklöster wurden zwischen 1561 und 1563 auf Betreiben Kurfürst Friedrichs des Frommen gewaltsam geöffnet und später der kurpfälzischen Verwaltung unterstellt.113)

Zu den ältesten geistlichen Institutionen des Wormser Umlandes gehörte das Cyriakusstift in Neuhausen, das freilich im Mittelalter, obwohl außerhalb der Stadtmauern, mit den Stiften der Stadt eine enge Verbindung eingegangen war. Anstelle der Kirche einer merowingischen Pfalz, die dem hl. Dionysius geweiht war, gründete Bischof Samuel wohl 847 mit Zustimmung, richtig gar mit Unterstützung König Ludwigs d.Dt., ein dem hl. Cyriakus geweihtes Stift, dessen Königsbindung bis in die Zeit der zwischen Bistum Worms und Kurpfalz umstrittenen Auflösung gegenwärtig blieb. Die Wormser Lokaltradition kennt nur Samuel als Stiftsgründer, wenngleich die Erwähnung von Cyriakusreliquien in der Güterschenkung eines Adalbold von 823 schon in die Zeit des Bischofs Bernharius fällt und daher eine frühere Stiftsgründung vermutet wurde.114) In der kurpfälzischen Reformation war das Stift vor den Toren der Stadt zwangsweise aufgelöst worden und verlor wie andere Kirchen bei Worms, nämlich Maria Himmelskron in Hochheim und Liebenau, alle mit dem katholischen Ritus verbundenen Ausstattungsgegenstände durch Bilderstürmer.115) Die Gebäude des zuerst zu einer Fürstenschule, dann zu einem Gymnasium, schließlich Waisenhaus und bischöflich-wormsischem Amt profanierten [Druckseite XXXI] Stiftes gingen 1793 in den Revolutionswirren endgültig unter;116) aus diesem Grunde sind nur die wenigsten der überlieferten Inschriften sachgerecht und vollständig zu beurteilen. Insbesondere Datierungen von nur in oder abhängig von der Bischofschronistik bekannten Inschriften konnten nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden, da sie mangels verläßlicher Beschreibungen teilweise an Nachrichten und Umstände von knapp beschriebenen Ereignissen und Zerstörungen geknüpft sind: Zur Ermittlung von Zeitstellung oder gar wirklichen Existenz von Grabinschriften der drei in Neuhausen begrabenen Wormser Bischöfe Hildebald (Nr. 8), Adelbert (Nr. 19) und Samuel (Nr. 48) wie auch der Spruchinschriften an Portalen und Altar (Nr. 282-285) sind zureichende Indizien ebensowenig beizubringen wie für ein schlecht beschriebenes Reliquienkästchen (Nr. 5). Wie schon beim Paulusstift genügt die Überlieferung nicht, um die wenigen bekannten Grabinschriften für die Klerikergrablege zu ergänzen; in ähnlicher Weise zählte Bernhard Hertzog unter der Überschrift „Was vor adenliche und andere Geschlechter zu Neuhausen begraben ligen” in Datumsfolge Sterbenachrichten von 44 meist geistlichen Personen auf.117) Auch die geringen Abweichungen der Reihenfolge vom Kalender versagen es nicht, diese Liste als Auszug aus einem Nekrolog zu verstehen; eine Abschrift von Inschriftenträgern ist nicht anzunehmen, da diese Unregelmäßigkeiten durchaus mit einem über einen langen Zeitraum hin geführten Totenbuch vereinbar sind und außerdem zwei Geistliche, Raban von Mentzingen und Johannes Enolff(i) von Lahnstein, mit Gewißheit im Dom begraben lagen (Nr. 267, 323). Trotz der Zerstörungen des Stiftes sah Hertzog am Kirchenportal noch die gemalte Figur des Gründers König Dagobert mit dem ersten Patron Dionysius, jeweils in entsprechendem Habit, also als gekrönter Ritter mit Küraß und französischem Lilienwappen und Bischof.118) Man würde die Bilder gerne mit dem Wiederaufbau und der neuen Portalgestaltung um 1479 in Verbindung bringen, der auch verschiedene Spruchinschriften zugewiesen wurden (Nr. 282-285), allein — die Beschreibungen und die Sicherheit der Inschriftenüberlieferung reichen dazu nicht aus.

Im Westen der Stadt Worms, im weiten Tal der Pfrimm lag das 754 erstmals genannte, aber schon in merowingischer Zeit besiedelte Dorf Pfeddersheim nahe bei alten römischen Siedlungsresten. Königs- gut ebendort erhielt das Bistum Metz, private Schenkungen sind wie für fast alle Dörfer der Umgebung an Lorsch und Fulda bekannt. Die Anbindung an karolingische Hauptorte und Bildungszentren wurde dadurch verstärkt, daß die Abtei Gorze den Metzer Besitz übernahm und dann an die eigene Propstei auf dem Georgenberg übertrug. Weiteres Reichsgut und Herrschaftsrechte gelangten an die Donnersberger Geschlechter der von Bolanden, Hohenfels und Falkenstein. Das befestigte Dorf Pfeddersheim erlitt in der unsicheren Zeit der Mitte des 13. Jahrhunderts manche Unbill (Verwüstungen 1251, 1264), wurde aber offenbar so schnell wieder hergestellt, daß zwischen 1304 und 1308 durch König Albrecht I. eine Stadtrechtsverleihung nach Oppenheimer Recht erfolgen konnte. Ein ungetrübter Genuß dieser Vorrechte währte nur bis zur ersten Verpfändung 1330 an die Herren von Falkenstein, die allmählich auf immer mehr Regalien ausdehnt wurde; nach der Zersplitterung der Pfandleihe wegen der falkensteinischen Erbteilung von 1420 erwarb Kurmainz alle Pfandanteile bis 1451, verlor sie aber wieder 1465 an Kurpfalz. Der Status einer kurpfälzischen Landstadt wurde erst im Westfälischen Frieden 1648 rechtswirksam, wenngleich die Verbindungen zum Reich zuvor auf formale Bestätigungen der Rechte geschwunden waren. Im 14. Jahrhundert stand Pfeddersheim in den Reihen des zweiten rheinischen Städtebundes, dessen Heer aber vor den Toren der Stadt von Pfalzgraf Ludwig V. geschlagen wurde, und suchte danach Anschluß an die Stadt Worms; nach dem mainzischen Bischofsstreit wurde die Pfandschaft neu geregelt und seitdem teilte Pfeddersheim das Schicksal der Kurpfalz. Im bairisch-pfälzischen Erbfolgekrieg noch ungestörte Festung erlitt die Stadt dann die kurfürstliche Bestrafung für ihre Parteinahme für den Bockenheimer Bauernhaufen, dem sie die Tore geöffnet hatte. Danach folgte eine lange Zeit der wirtschaftlichen Prosperität, die sich auch in der Pflege und Verstärkung der Befestigungsanlagen zeigte, vielleicht 1553/4 und 1611, nicht schon 1511 (vgl. Nr. 459, 626), signierten Bürgermeister inschriftlich solche Arbeiten und ab der Mitte des 16. Jahrhunderts belegen Jahreszahlen (Nr. 433) den auch im übrigen Stadtgebiet so nachweisbaren Baueifer. In diese Zeit fallen auch die wenigen erhaltenen Grabinschriften, durchweg auf schlichten Steinplatten, von denen nur noch eine in der Friedhofsmauer eingelassen ist (Nr. 630); die übrigen wurden um die Kirche aufgestellt oder in deren Turmuntergeschoß geborgen (Nr. 555, 600, 643, 650 und spätere). Im Dreißigjährigen Krieg erlitt Pfeddersheim das Schicksal der Wormser Umgebung, gegenüber der großen Stadt nach 1634 verschlimmert, da es sich weniger effektiv gegen Marodeure und Besatzer wehren konnte.

[Druckseite XXXII] Eine geringe Erholung der Bevölkerungszahl, die von 1000 auf etwa 350 zurückgegangen war, stoppte dann die Pfalzzerstörung; zur Schleifung der Stadtmauer und der Türme kam es glücklicherweise nicht mehr und dem erneuten Wiederaufbau fielen abgesehen von den drei Tortürmen kaum noch Denkmäler zum Opfer.119) Von der auf romanische Fundamente zurückgehenden und gotisch umgebauten Pfarrkirche überstand nur der weitgehend noch romanische Turm die Brände; im 17. Jahrhundert evangelisch-reformiert wird die Kirche seit der Pfälzer Kirchenteilung und heute als eine der letzten simultan genutzt.120)

Keine Inschriftenträger im Bearbeitungszeitraum bergen die nördlichen Vororte Ibersheim und Rheindürkheim, verhältnismäßig wenige finden sich an der südlichen Peripherie der Stadt Worms, in Horchheim, nämlich zwei Glocken (Nr. 365, 374), zwei Bauzahlen und zwei Fragmente (Nr. 549, 715, 738), in Leiselheim Bauzahlen und der Name eines Bauherrn(?) (Nr. 439, 592a), in Pfiffligheim ebenfalls Bauzahlen (Nr. 339) und ein Herbergsspruch (Nr. 587), in Weinsheim ein Erinnerungskreuz (Nr. 418) und in Wiesoppenheim eine Kasel, ein Taufstein und eine Kelter (Nr. 412, 724, 732).121)

Überhaupt haben sich in der Stadt Worms und ihren Vororten nur verhältnismäßig wenige Bauinschriften erhalten; fühlbar macht sich der Mangel erst recht bei profanen Gebäuden, wenn man von repräsentativen Bauten absieht. Wenn Bauinformationen über Jahreszahlen hinausgehen, nennen sie meist nur Bauherren oder Verantwortliche einer Körperschaft (Nr. 343, 459, 464, 469, 542, 545, 560, 569, 583, 604, 626, 660, 674, 678, 720, 721). Ein Bild zu den Bauaktivitäten läßt sich aus den verstreuten Nachrichten allein nicht gewinnen. Zusätzliche Informationen bieten dann topographisch zusammengestellte Bauzahlen, die sich in den Vororten ab der Mitte des 16. und in der alten Stadt ab Anfang des 17. Jahrhunderts zu konzentrieren beginnen (Nr. 339, 379, 433, 439, 460, 466, 468, 529, 591). Hauptsächlich handelt es sich wohl um Neubauten an alten Siedlungsstätten. Daß die Menge und der vehemente Anstieg der Bauzahlen nicht allein auf ein in Mode gekommenes Verfahren ihrer Anbringung auf Portalen, Türbögen und Stürzen zurückzuführen ist, zeigt das Fehlen inschriftloser, aber repräsentativer entsprechender Bauteile von vor 1570 überhaupt an; ein Teil davon hätte ebenfalls die Zeiten überdauern müssen.122) Man kann also von umfangreichen Bauaktivitäten ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausgehen; ihr wirkliches Ausmaß und die Qualität ihrer Ausführung lassen sich hingegen nicht annähernd bestimmen.

Die kirchlichen Verhältnisse in den Wormser Vororten beschreibt ausführlich das Synodale von 1496.123) Wie nicht anders zu erwarten standen die teilweise sehr alten Pfarrkirchen bezüglich Patronat, Zehnt und Baurecht in der Gewalt der Wormser Stiftskirchen oder einzelner Dignitäre; in Abenheim fiel das Patronat von Fulda an die Dalberger, in Herrnsheim von Neuhausen und in Pfeddersheim vom Georgenbergkloster an die Pfalz, die über Pfandschaften, Ortsherrschaften und Beteiligungen die Reichsstadt Worms fast umschloß.124)

Hinweis: Die Zählung der Fußnoten in diesem Kapitel weicht von der Darstellung im Band ab. Die Nummer 142a) im Band entspricht hier der Anmerkung 143) etc.

3. Inschriftengattungen und Inschriftenträger, Material

Im nachfolgenden Katalog der Inschriftendenkmäler der Stadt Worms wurde eine strenge Trennung zwischen Gattung und Träger versucht in der Überzeugung, daß sie sich zwar oft formal bedingen, jedoch auch Redundanzen vorkommen können. Auf durchaus gleichartigen Objekten sind verschiedene Gattungen von Inschriften möglich, wie auch umgekehrt die dingliche Realisation von gleichartigen Texten auf sehr unterschiedlichen Materialien und in vielfältigsten Formen gesucht wurde. Mar-[Druckseite XXXIII]-kante Beispiele für untypische Verbindungen von Form und Funktion sind sicherlich die Bauinschrift von 1384 an der Wertheimer Stadtkirche124) auf einer Umschriftplatte mit Wappen im vertieften Feld und die Bauinschrift von 1468 an der ev. Pfarrkirche in Ensingen auf einer in den oberen Ecken abgeschrägten Umschriftplatte mit erhabenem Wappen.125) So ist es keineswegs wahrscheinlich, daß die sogenannten Wormser Weihnachtsreliefs (Nr. 311, 316-318, 391), wie Bernhard Hertzog bei einigen meinte, gleichzeitig Epitaphien der Stifter gewesen seien, und auch der Segenswunsch auf dem Schlußstein des Kanonikers Peter Sander(i) (Nr. 329) vom ehemaligen Domkreuzgang macht aus dem Denkmal noch kein Grabmal oder Epitaph. Beim knappen Vermerk von Namen auf Baugliedern sind Stifter- und Sterbe- oder Begräbnisnotizen möglichst auch dann zu trennen, wenn kein Verb die eindeutige Zuordnung erlaubt. Als auf den Text bezogener Faktor wurde daher die Benennung der Gattung in der Regel an den Anfang der Beschreibung von Inschriftenträgern gestellt, dem die der äußeren Form zu folgen hat. Bei Objekten des Totengedächtnisses setzt der Träger schon die Gattung voraus, deren Nennung dann wegfällt; biblische oder andere, meist weise oder gelehrte Sprüche auf letztgenannten Denkmälern bilden keine eigene Gattung.

Die Erfahrung hat gelehrt, daß diese Vorgehensweise bei strikter Beachtung nicht in allen Fällen elegante Lösungen erbringt und für die spätere statistische Auswertung dann auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, wenn auf einem Träger mehrere Gattungen vereint sind, ohne daß eine von ihnen eindeutig dominiert und die Funktion des Trägers bestimmt, denn das tun Inschriften nicht immer. Geben also mit ggf. Jahreszahlen und Namen von Klerikern beschriebene Architekturreste Bauherren im Sinne einer Bauinschrift oder nur den seinerzeitigen Inhaber etwa einer Stiftskurie an? Charakter und monumentale Anbringung auf Pilasterresten (Nr. 583, 645, 674) lassen an die erste Sichtweise denken. Kann man Initialen zwar auf einem Meßgeschirr von 1636 (Nr. 685) funktional als Stifterinschrift deuten, so gilt dies nicht notwendigerweise auch für durchaus ähnliche auf einem profanen Trinkbecher (Nr. 675), dessen Besitzer sie lediglich anzeigen. Schwierige Unterscheidungen sind gerade bei Stifterinschriften gegeben, die wie im Falle des Altares des Klosters Mariamünster mit einer Weihenotiz (Nr. 679) verbunden sein können oder bei Nennung der Stifter nur durch Initialen und Wappen einen anderen Schwerpunkt in der Widmung an eine Kirche suchen (Nr. 678). Eine singuläre Inschrift von 1326 an der Andreaskirche (Nr. 114) gedachte eines Sarkophagfundes und der Bergung von Knochen, in erster Linie vermerkt sie aber augenfällig und an geeigneter Stelle die Stiftung eines passenden Jahrgedächtnisses. Die dem Hochheimer Klostergründer Dirolf gewidmete Platte mit den Wünschen der Konventualinnen diente dem 1318 verstorbenen Gönner nicht nur auch, sondern vor allem als Grabplatte (Nr. 97), ohne daß der Text die Grundinformationen zeittypischer Grabinschriften enthielte. Vollends an Eindeutigkeit verlieren Zuschreibungen, wenn Ausmalungsprogramme in einer Katalognummer (Nr. 518) zusammengefaßt werden mußten, die dann Stifter- und Widmungsvermerk, Sprüche und Namen als Bildbeischriften in historisierender Art vereint. Die aufgeführten Beispiele zeigen, daß die Vergabe eines eindeutigen Etikettes nicht in allen Fällen gelingen kann, daß über die gattungsspezifische Einordnung eines Inschriftenträgers Differenzen bestehen können und daher bei der Benutzung von Gattungsstatistiken und entsprechenden Registern Vorsicht geboten ist. Diese Nachteile wiegen aber den weitgehend gelungenen Versuch einer sauberen Trennung von Gattung und Träger nicht auf.

Wie in allen bisher vom Deutschen Inschriftenwerk bearbeiteten Beständen nehmen auch in Worms den breitesten Raum Inschriften des Totengedächtnisses der verschiedensten Ausprägungen ein. Der Einfachheit halber wurden alle diese Inschriften als “Grabinschriften” bezeichnet, unbeschadet unterschiedlicher Informationsgehalte, die im wesentlichen vier Arten umfassen: reine Namen, Sterbe- und Begräbnisvermerke,126) selten losgelöst vom Rest Heil- und Segenswünsche. Dieses Übergewicht jener Gattung ist nur natürlich und entspricht in der Stadt Worms weitgehend, wenn auch nicht notwendigerweise proportional, den ursprünglichen Verhältnissen. In den meisten Fällen wird man die Dominanz von Grabinschriften aber wenigstens teilweise auf zwei Faktoren zurückführen müssen, und zwar auf die relative Dauerhaftigkeit des Materials gegenüber Glasfenstern, Wandmalereien, begehrten Metallobjekten und etwa Holzbalken und auf das verhältnismäßig früh einsetzende Interesse an ihrem Quellenwert für die Genealogen eines Raumes oder einzelner Familien. In Beständen, die nicht über derartig weitläufige Möglichkeiten der inschriftlichen Grablegen und des dazu notwendigen sozialen Umfeldes verfügten, werden ursprünglich andere Gattungen und Träger überwogen haben; denkbar ist [Druckseite XXXIV] das etwa leicht für Gebiete mit ausgeprägter Tradition von Haus- und Balkeninschriften oder für Standorte mit weitgehender Erhaltung beziehungsweise guter Überlieferung religiöser Gebrauchsgegenstände und Kircheneinrichtungen. Aufgrund erheblicher Verluste, die nur in seltenen Fällen in ihrer Größenordnung abzuschätzen sind und deren Kenntnis auf der Zufälligkeit von Abschriften oder Erwähnungen beruhen, sind zuverlässige Vergleiche nur mit schwerwiegenden Einschränkungen möglich. Um gar die Verteilung von Gattungen und Inschriftenträgern zwischen entfernt liegenden Beständen vergleichen zu können, ist nicht nur das Verlustpotential abzuschätzen, sondern auch der jeweilige Zeitpunkt starker Abgänge zu berücksichtigen. Sehr unterschiedliche Auswirkungen auf den zu ermittelnden Inschriftenbestand eines Standortes — erhalten oder nur abschriftlich bekannt — liegen in zeitlich verschobenen und aus verschiedenen Ursachen resultierenden Abgängen begründet. Erheblichen Einfluß gewinnt hier die zeitliche Relation zu potentiellen Inschriftenabschreibern, die nur in Ausnahmefällen wie etwa Würzburg in großem Umfang weit vor 1600 zu arbeiten begannen (vgl. unten Kap. 4.). Um Aussagen nicht zu verfälschen, ist es dann wichtig festzustellen, ob es einen großräumigen spätmittelalterlichen Stadtbrand, eine frühe Durchführung der Reformation in einer Kirche mit Umbauten oder gar einen Bildersturm wie 1565 in Oppenheim gab,127) ob große Zerstörungen und Plünderungen stattfanden wie im Dreißigjährigen Krieg oder erst später wie bei der Pfalzzerstörung 1689. So werden der Wickenburgschen Sammlung pfälzischer Denkmäler zwar eine Reihe sonst nicht bekannter Wormser Inschriften verdankt, umfassende Beschreibungen und Zitate des Bestandes im Domkreuzgang konnten aber nur die Inschriftensammler Bernhard Hertzog und Georg Helwich (vgl. Kap. 4.) vorlegen, die noch den ungestörten Zustand vorfanden.

Die Bezeichnung „Grabinschrift” gilt implizit für alle entsprechenden Träger und für Denkmäler, die wegen Abganges nicht mehr einem Typ zugeordnet werden können; in Ausnahmefällen glichen Objekt- und Lagebeschreibungen sowie Rückschlüsse aus Formular- und Formzusammenhängen die fehlende Erhaltung aus, um wenigstens hypothetisch den Träger bestimmen zu können. Unter Grabinschriften fallen auch die erwähnten wenigen Namen in gleicher Funktion.128)

Im ausgedehnten Bearbeitungszeitraum haben sich sowohl die Formen der Inschriftträger als auch die Texte des Totengedenkens verändert, weil auch seine Begründung und seine Durchführung Veränderungen unterworfen waren, es sein mußten in dem Augenblick, in dem sich die liturgisch notwendigen Handlungen am Grabe oder allein schon ihre Abhängigkeit vom Grabplatz änderten,129) ganz zu schweigen von den allgemeinen geistesgeschichtlichen Neuerungen, die etwa die Haltung gegenüber Abbildung von Individuen prägten. Der Wechsel von frühchristlichen Grabsteinen über hochmittelalterliche Grabplatten zu opulenten, architektonisch und ornamental durchgebildeten, riesigen Denkmälern von Herrschern, Kirchenfürsten, Fürsten und auf niedrigerem Niveau auch des ritterbürtigen Adels ist anhand des Denkmalbestandes fast überall nachzuvollziehen; die Feingliederung der Veränderungen und ihre Manifestation hängt aber im wesentlichen von den besonderen Umständen ab, die sich auf einen Bestand von Memorialzeugnissen auswirken konnten. Seit den Veröffentlichungen von Philipp Ariès130) und des Mittelaltersonderforschungsbereiches der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster131) hat man sich verstärkt um die Quellengattung der Memorialzeugnisse bemüht. Zwar war man von kunsthistorischer Seite schon relativ früh auf die Beobachtung gestoßen, daß vor dem 12. Jahrhundert nur verhältnismäßig wenige Denkmäler des Totengedächtnisses zu ermitteln sind und sie nur in ganz wenigen und ausgesuchten Fällen bildliche Darstellungen enthielten,132) doch bemühte [Druckseite XXXV] man sich von ihrer Seite vornehmlich um Denkmäler mit bildlicher Darstellung; in der Konzentration auf formale Gestaltungskriterien133) unterblieb die Erarbeitung einer verbindlichen Terminologie, die sich an der Funktion eines Denkmales zu orientieren hätte.134) Gerade weil diese Denkmäler eine große Vielfalt von Formen und Funktionen umfassen können, bietet sich kein einzelner universaler Oberbegriff an, und man kann sich mit den oft verwendeten Begriffen „Grabdenkmal” oder „Grabmal” nur behelfen. Typengeschichten des Grabmals gibt es unter vorwiegend kunsthistorischen Aspekten und nach Landschaften betrachtet zuhauf, aber eben meist auf künstlerisch interessante Typen oder Zeiträume beschränkt135) und ohne brauchbare Anleitung, unter welchen Kriterien formale und funktionale Merkmale zusammengenommen bestimmte Benennungen erzwingen. Die Unterscheidung zwischen „Grabmal” als dem in erster Linie den Grabplatz deckenden und bezeichnenden Monument und „Grabdenkmal”, dessen primärer Zweck in der Memoria einer Person liege,136) bleibt unscharf, weil sich theoretisch alle inschriftlichen Grabmonumente dann unter “Grabdenkmal” einreihen ließen, der Bezug zu Memoria oder Gedenken im Wort „Denkmal” so eng aber nicht mehr zu begründen ist und außerdem gerade dann die funktionale und formale Unterscheidung zwischen grabgebundenem Objekt und dem reinen Memorialzeugnis verloren geht. Als Gattungsbezeichnung für Inschriftenträger des Totengedächtnisses wurden daher nachfolgende Termini gebraucht: Grabplatten für Grab oder Gruft deckende Inschriftenträger; Grabsteine für wie Stelen aufrecht in unmittelbarer Nähe des Grabes, vielleicht wie heute am Kopfende, angebrachte Platten insbesondere des lutherischen Friedhofes; Grabdenkmäler für in gleichem räumlichen Zusammenhang zum Grab stehende Monumente mit reicher Ausgestaltung durch architektonische Gliederung, Figuren in Beterreihen und Szenen; Epitaphien für Denkmäler, die nicht notwendigerweise mit einer Grabstelle verbunden waren,137) was vor allem in jenen Fällen deutlich wird, in denen wie in Herrnsheim für einige Angehörige der Kämmerer-Familie (Nr. 296f., 328, 442f., 461, 473, 475) und bei Bischofsgräbern im Dom (Nr. 228f., 607, 611) figürliche Denkmäler an der Wand und zusätzlich Bodenplatten mit entsprechenden Inschriften überliefert und gar erhalten sind. Die Zweckbestimmung des Epitaphs wurde nicht in der Fixierung des Sterbefalles oder des Grabes gesehen, sondern in erster Linie diene es als Andachtsbild und Aufforderung zur Besinnung an den Vorübergehenden, die jener in Form einer persönlichen Andacht und Fürbitte dem Seelenheil des Verstorbenen und seiner selbst zugutekommen lassen solle; diesem Wesen entspreche die Darstellung andachtswürdiger Figuren und Szenen, meist aus dem Leben Jesu oder von Namenspatronen.138) Es ist aber keinesfalls so, daß man den Charakter des Epitaphs auf die Verklammerung von Memoria und reinem Andachtsbild einengen sollte, da auch für Verstorbene mit lediglich Beterfiguren im figürlichen Denkmal Grabplatten existieren konnten (vgl. Nr. 297, 328); eine Unterscheidung von Epitaph und Bildepitaph im engeren Sinne Weckwerths erscheint da angebracht. Den Faktor Andachtsbild muß nicht das Denkmal selbst tragen, da die weitaus meisten Denkmäler dieser Art in unmittelbarer Nähe zu Ältären standen.139)

Die im Katalog benutzte Einteilung unterscheidet sich erheblich von der oben genannten Heinfried Wischermanns, der sonst in jüngeren Inschriftenbänden oft angewandten Benennung der liegenden Platten als „Grabsteine”140) und auch der Abschichtung von Grabdenkmälern als Epitaphien besonde-[Druckseite XXXVI]-rer Art in Aufbau und opulenter architektonischer Gestaltung.141) Alle Denkmalgruppen konnten sehr unterschiedliche Ausformungen erfahren, was im folgenden für Worms zu beschreiben sein wird, einzelne Exemplare sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild einander wieder stark annähern, so daß Differenzierungen in der überwiegend gestörten Fundsituation erschwert sind. Die oft nicht rekonstruierbaren Denkmalbewegungen und die Überlieferungssituation der oft nur unzureichend beschriebenen Denkmäler mit figürlichen und szenischen Darstellungen etwa beim Domkreuzgang verführen dazu, schematisch alle Denkmäler, die nicht als Grabplatten oder -steine nachzuweisen sind, als Epitaphien anzusehen.

Aus nachrömischer Zeit sind an Rhein und Mosel zahlreiche Grabinschriften erhalten oder wenigstens überliefert, die allesamt aus zeilenweise beschriebenen, relativ kleinen Platten bestehen und Grabsteine genannt werden, weil sie in räumlichem Zusammenhang mit dem Grabplatz standen, was augenfällig aus der häufigen Formel HIC IACET/QUIESCIT o.ä. hervorgeht; sie lagen auf Friedhöfen über den Gräbern oder waren zumeist an oder bei Sarkophagen angebracht und in Form und Aussage noch römisch-christlichen Vorbildern verhaftet.142) Abgesehen von Einzeldenkmälern stimmen die Inschriften einer zweiten frühen, und zwar nachkarolingischen Gruppe von Totengedächtnismälern im Text oft mit Nekrologeinträgen überein; diese meist Memoriensteine genannten Denkmäler waren wenn überhaupt mit nur knappsten inschriftlichen Angaben zu Person und Todestag versehen. Daß ihre verhältnismäßig kleinen Abmessungen wirklich darauf hinweisen, sie hätten ursprünglich nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Grabplatz gestanden, ist neuerdings wieder bestritten worden.143) Die charakteristischen, fast nur auf den Kölner Raum beschränkten Formen sind in Worms nicht belegbar. Die Überlieferung von Grabinschriften beginnt hier mit drei frühchristlichen (Nr. 1-3) und einem sonderbaren vorkarolingischen Grabstein (Nr. 4); Beschriftungen von Sarginnenwänden (Nr. 6f.), von Bischofsgrabplatten (Nr. 8, 25, 28), eines Sarkophages und Quadersteinen mit Namen (Nr. 14-16), des Bilidruda-Sarkophages (Nr. 12) lassen sich nicht in ohnehin nur kärglich bekannte Typenentwicklungen einordnen, zumal die Wormser Beispiele nicht in allen Fällen exakt datiert werden können. Zumindest entspricht das Wormser Material der gängigen Beobachtung, daß Grabinschriften vor dem 13. Jahrhundert eher die Ausnahme sind. Wormser Grabinschriften des 13. Jahrhunderts bestehen zumeist aus Namen an Bauteilen und sind dann nur schwer von Stiftervermerken (Nr. 34ff.) zu trennen;144) lediglich die Inschrift eines Scholaren Johannes enthält die Angabe des Todestages (Nr. 38), die einer Bertha und eines Eberhard (Nr. 37) wenigstens ein Kreuz. Im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts setzt dann wie anderenorts meist schon ab der Mitte die Überlieferung körpergroßer Umschriftplatten auch für nicht in besonderem Maße ausgewiesene Personen ein, die hier durchweg Grabplatten genannt werden, weil sie in ihrer ursprünglichen Lage als Deckplatte eines Grabes oder einer Gruft dienten. Hauptmerkmale sind körpergroße Maße und von innen lesbare Umschriften in der Plattenebene, meist mit Linien eingegrenzt.145) Erhalten oder wenigstens im Aussehen durch Fotos bekannt sind nur solche aus Stein mit gehauener Inschrift; die spärlichen Nachrichten zur Verwendung von Metallen erlauben kaum, zwischen Ganzmetallplatten und Steinen mit Metallauflage zu unterscheiden.146) Ob die Rohform der Umschriftplatte weiter ausgestaltet wurde, hängt von dem Aufwand [Druckseite XXXVII] ab, den der Auftraggeber treiben wollte oder standesbedingt treiben mußte. Wenn man von Denkmälern für einen besonderen Personenkreis von Herrschern, Stiftern und Prälaten absieht, setzen Konzeption der Umschriftplatte und die Ausgestaltung ihres Mittelfeldes in etwa gleichzeitig ein: Ersten Wormser Platten von vielleicht ab 1280 (Nr. 51) folgen schnell in Kreisen der städtischen Oberschicht Platten mit Mittelwappen (Nr. 59f. von 1295?, 1296), wie sie für Kloster Rosenthal (Donnersbergkreis) schon 1261 (Raugraf Heinrich) und 1263 (Graf Eberhard von Eberstein) bezeugt sind.147) Nur wenig später treten Figur (Nr. 79, 100) beziehungsweise in Architekturrahmung gestellte Figuren auf (Nr. 84), zögernd freilich Wappen und Figur in Kombination wie beim Dirolf-Denkmal (Nr. 97). Der weitaus größte Teil der erhaltenen Grabplatten in Worms entbehrt freilich solchen Schmuckes, weist allerdings mehrfach monumentale Namen und/oder Monumentalbuchstaben, bei geistlichen Personen auch den Stab als Abzeichen ihrer Würde auf (Nr. 69, 80, 128 u.a.m.). Das Fehlen einer dichten erhaltenen oder verläßlich beschreibenden Überlieferung des 14. Jahrhunderts für den Dombereich und insbesondere für die Bischofsgrablege macht sich dahingehend bemerkbar, daß erst 1364 eine Ahnenprobe mit vier Wappen auf einer (figürlichen) Grabplatte zu belegen ist (Nr. 145), freilich auch sonst kaum zeitlich übertroffen wird.148) Etwa um dieselbe Zeit begegnet gewöhnlich die Anbringung von zwei Wappen, in Worms etwas später erst 1376 (Nr. 159). Daß diese Entwicklungen etwa beim Mainzer Bestand außer beim Vierwappenstein früher einsetzen, geht außer auf die Überlieferungssituation auch auf die Zusammensetzung des Personenkreises zurück; den ältesten figürlichen Stein erhielt immerhin Graf Diether von Katzenelnbogen (†1276).149) Nachdem sich im 15. Jahrhundert auf den Grabplatten die Viererahnenprobe für ritterschaftliche Pfründeninhaber am Domstift durchgesetzt hatte, änderte sich in der Konstellation nur wenig und noch die Grabplatte für Bischof Philipp von Rodenstein (Nr. 607) zeigt diese. Größere Ahnenproben blieben bis auf eine Ausnahme mehrgliedrigen Denkmälern vorbehalten; acht Ahnenwappen und ein zusätzliches Allianzwappen schmücken jedoch einzigartig die Umschriftgrabplatte des württembergischen Rates Ludwig Andreas Lemlin von Reinhertzhofen (Nr. 688) von 1635 und heben sie weit von den bürgerlichen Platten und Denkmälern mit Elternahnenwappen ab.150) Der Typ der Grabplatte, in der Regel mit umlaufendem Schriftband auf verschiedenen profilierten oder abgegrenzten Leisten versehen, blieb bis zum Ende des 17. Jahrhunderts in Verwendung und wurde im Laufe der Zeit natürlich mit vielerlei Beiwerk ausgestaltet. Zu Wappen, Architektur und Figuren traten die erwähnten Amtsstäbe von Bischöfen und Äbtissinnen hinzu, Priesterkelche teils in flachen Kielbogennischen ab dem Ende des 14. Jahrhunderts, eine Tafel leider ohne erhaltene Schrift 1465 (Nr. 261). Im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts verschwand teils die Umschrift zugunsten einer meist ausführlicheren Zeileninschrift in einem abgegrenzten Mittelfeld, wie das für drei Steine in Liebfrauen (Nr. 727, 730) und die Platte des Dekans Peter Dorn an St. Martin (Nr. 737) zu belegen ist, ohne daß dadurch der Charakter als Platte oder deren Definition grundsätzlich in Frage gestellt würde. Das erste Bibelzitat auf einem Totengedächtnismal findet sich 1551 auf dem gemeinsamen Epitaph Schaumberg/Truchseß von Pommersfelden (Nr. 451), in Deutsch übrigens in Anklängen 1559 und 1561 (Nr. 470, 477), in Textübernahme erst 1565 (Nr. 486), während die ersten frei über Tod, Vergänglichkeit und Heil räsonnierenden Texte vielleicht schon 1509 dem Epitaph Gerstner/Waagleiter (Nr. 380), sicher dem möglichen Kollektivdenkmal von 1517 (Nr. 396) beigefügt waren. Losgelöst von den Zwängen und Usancen der Ausgestaltung ihrer äußeren Form ist auf der lutherischen Umschriftplatte des Pfarrers Jakob Daniel Fabritius von 1638 (Nr. 697) das Feld unter dem Wappen mit einer Laudatio aus der „Feder” seines Amtskollegen Michael Wenzel ganz im Stile auch anderer lutherischer Denkmäler gefüllt.

Eine Trägergattung ganz eigener Art, für die wie für die frühmittelalterlichen Steine der Begriff Grabstein gewählt wurde, zeichnet den Bestand von Denkmälern aus, der vom lutherischen Friedhof zuerst ins Paulusmuseum und von dort ins heutige Museum der Stadt Worms gerettet wurde. Aus der Meixnerschen Skizze muß man folgern, daß die betreffenden Steine innen an der Mauer des Friedhofes und der Wand der alten Stephanskirche standen, jeweils am Ende des Einzel- oder Familiengrabes.151)

Von dem ursprünglich wohl viel stärker belegten Friedhof sind nur die von Meixner abgeschriebenen Denkmäler bekannt; es ist anzunehmen, daß sich weitere Gräber vielleicht mit Holzkreuzen in der [Druckseite XXXVIII] scheinbar freien Mitte befanden, keineswegs aber, daß die besagten Grabsteine sich etwa nicht dicht am Grabplatz befunden hätten. Nur dort konnten sie ihre Aufgabe erfüllen und den Grabplatz sozial herausgehobener Personen bezeichnen; eben fast ausschließlich solche, Ratsherren, Pfarrer und ihre Angehörigen, erhielten dann den bevorrechtigen Platz an der Mauer, der die Aufstellung von größeren und dauerhaften Denkmälern ermöglichte. Wie die fehlenden Abschriften von Rückseitenverwendungen zeigen, lehnten diese Objekte an der Friedhofsmauer, Sockel zur Verankerung in der Erde sind nicht vorhanden. Sie willkürlich im Friedhofsareal zu plazieren, hätte keinen Sinn ergeben, und wenn nicht für alle jeweils genannten Familienmitglieder, so mußte doch das Denkmal für die Person, deren Todesfall seine Errichtung begründete, den Grabplatz bezeichnen, um dem Charakter eines Friedhofes gerecht zu werden. Zu stören braucht auch nicht die mehrfach zu beobachtende konventionelle Formelhaftigkeit, das Denkmal sei zum Gedächtnis oder als epitaphium alloquii instar gestellt worden, wenn wie in letzterem Fall auf demselben der verstorbene Sohn spricht: Ich, Georg Peter, bin hier in diesem Grab bestattet ... (Nr. 682) oder auch der ausdrückliche Wunsch nach gemeinsamem Grabplatz geäußert wird (Nr. 696). Die erst ab 1562 sicher bezeugte Belegung des Friedhofes vor dem inneren Mauerring führte auch dazu, daß eine Reihe von Denkmälern gemäß ihrer Inschrift als Gedenkmäler fungierte, wenn nahen Verwandten ein Monument zu Ehren oder zum Gedächtnis gesetzt wurde. Ob Umbettungen oder Nachbestattung des Stifters bei den Denkmälern Kuderer (Nr. 486) und Bechtolsheim (Nr. 497a) stattfanden, ist nicht vermerkt oder anderweitig bekannt geworden. Mit den Gedenkformeln ließen sich auch früher verstorbene und daher nicht auf demselben Friedhof begrabene Familienangehörige (Nr. 503) mit einschließen; trotzdem muß man nicht zwangsläufig von einem Epitaph sprechen. Es sieht so aus, als habe man in der ersten Generation der Friedhofsbelegung für die äußere Gestaltung und den Text noch nach geeigneten Formen Ausschau gehalten. Als funktional gleichwertig durch ihre Aufstellung an Mauern sind aber grundsätzlich zwei Ausprägungen zu unterscheiden, der äußerlich schlichte und allenfalls in Textgestaltung und Diktion anspruchsvolle Grabstein, wie er dem heutigen Sprachgebrauch nicht fern ist, und davon abgesetzt Grabdenkmäler mit reicher Ausgestaltung durch teils mehrstufige architektonische Gliederung, Figuren in Beterreihen und Szenen. Mit der Anwendung des Begriffes Grabdenkmal wurde versucht, die Abgrenzung von funktional gleichem Grabstein zu erreichen und gleichzeitig die Spannung einer konventionellen Nähe zum Epitaph, sei es durch Andachtsbildern ähnliche Darstellung oder Konzentration auf das Gedächtnis des Toten, aufzufangen; meist wird beides kombiniert, etwa in der Art, daß der Feststellung Mantzius hoc recubat ... conditur hic corpus eine Formel wie publicum hunc doloris et amoris cippum .. fieri et erigi voluit folgt (Nr. 719). Die als Grabdenkmal bezeichneten Inschriftenträger sind — so die hypothetische Rekonstruktion — dann doch an den Grabplatz gebunden. Ungewisse Fundlagen und Verluste gerade des Materiales aus dem Domkreuzgang nötigten bei der daraus resultierenden Unsicherheit der terminologischen Kennzeichnung eines Denkmales zu einem gewissen Schematismus, der in bewußter Vereinfachung Denkmäler des lutherischen Friedhofes und in deren Gefolge auch solche rekonstruierbarer lutherischer Grablegen in Herrnsheim und in der Magnuskirche nicht als Epitaphien bezeichnete, die äußerliche Verwandtschaft in senkrechter Aufstellung und Darstellungsabsicht jedoch in der Abgrenzung zu Grabplatten und Grabsteinen sucht, so daß sich Grabdenkmäler von Epitaphien nur in der unterstellten Absicht der Grabkennzeichnung zu unterscheiden brauchen und beide Gruppen ansonsten sehr eng zusammengesehen werden müssen, was sich im vorliegenden Katalog auch in der gelegentlich nicht technisch begründeten Verwendung des Begriffes „Grabdenkmal” zeigt.152) Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß sich die Konfessionszugehörigkeit einer verstorbenen Person bzw. ihres Bestattungsplatzes auf die äußere Gestaltung der Memorie auswirkte. Kein einziges Denkmal vom lutherischen Friedhof zeigt daher die Form einer Grabplatte mit Umschrift oder solcher aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit zeilenweise beschriebenem Mittelfeld (Nr. 727, 730). Eine handfeste Regel, wonach Umschriftplatten vorzugsweise katholischen Verstorbenen gehören würden, ergibt sich daraus nicht, allenfalls eine Tendenz, die unter gewissen Voraussetzungen durchbrochen wurde: Nach 1617 kennt man im Bestand der Magnuskirche, die noch 1614 ein protestantisches Ausschmückungsprogramm erhalten hatte, sechs Grabplatten mit Umschriften, die wohl ausnahmslos auch Protestanten gehörten, bei nur zwei weiteren figürlichen Denkmälern. Eben 1617 kehrte man zu dem nur in dem nicht figürlichen Denkmal Hasel (Nr. 559) nachweislich einmal abgelegten Gebrauch der [Druckseite XXXIX] Umschriftplatte zurück,153) einer Form, die eben vorwiegend in katholisch gebliebenen Wormser Kirchen und in Herrnsheim beim katholischen Zweig der Familie anzutreffen ist. Wie die Platten des lutherischen Ratsherrn Marchard (Nr. 647) von 1617 und des lutherischen Pfarrers Fabritius (Nr. 697) von 1638 zeigen,154) hat dieser Sachverhalt nicht notwendigerweise mit einer Rekatholisierung der umstrittenen Kirche unter spanisch-kaiserlicher Besatzung zu tun, sondern offenbar mit Begräbnis in der Kirche. So wird denn auch von Hans Christoph von und zu Wonsheim behauptet: ... dessen leich nam alhie ruhet ... (Nr. 658).

Außer den frühchristlichen wurden knappste Informationen zu Verstorbenen enthaltende Tafeln, meist aus Metall, die an Baugliedern der Johanniskirche angebracht waren, ebenfalls als Grabsteine bezeichnet, weil diese Kürze der Mitteilung, manchmal nur der Name, auf die Kennzeichnung des Grabplatzes hinweist, wie das auch in Wandquader eingehauene Namen taten. Die Reihe der Grabsteine des lutherischen Friedhofes beginnt mit der körpergroßen, aber quer zeilenweise beschriebenen und mit einem Wappen versehenen Platte des Daniel von Krickenbeck (Nr. 482), die eben nicht mehr die übrigen Merkmale von Bodenplatten aufweist. Erst das 1574 entstandene Denkmal des Matthias Schlatt und seiner Familie (Nr. 506) ist mit der Darstellung einer Beterreihe geschmückt; noch einen Schritt weiter ging die Anbetungsszene des Meielschen Grabdenkmales (Nr. 534), in der die Familie am Kreuz von Golgatha vor dem Hintergrund der Stadt Jerusalem kniet. Damit sind die beiden Haupttypen beschrieben: inschriftlicher Grabstein und abbildendes Denkmal mit Beterfigur(en) oder Figur(en) samt Anbetungsobjekt. Insbesondere bei den Herrnsheimer Grabdenkmälern der Angehörigen Philipp Kämmerers (†1590) sind Unterscheidungen zu figürlichen Grabplatten kaum zu treffen, wenngleich Relief und Anbringung der Inschriften eben nicht mehr den vor und um 1600 noch dominierenden Umschriftplatten entsprechen.

Jüngere, vor allem kunsthistorische Definitionsversuche des Epitaphs blieben immer dem Schoenenschen Hauptmerkmal einer vom Grabplatz unabhängigen Gültigkeit von Inschrift und Denkmal verhaftet; keine Probleme bereitet die Zuschreibung, wenn eine separate Grabplatte ein figürliches Beterdenkmal, ein Andachtsbild mit Sterbvermerk oder einfach ein um Fürbitte anhaltendes Denkmal ergänzt. In jenen Fällen jedoch, in denen solche Hilfen fehlen, auch die Inschrift keinen eindeutigen Bezug zum Grab erkennen läßt, können Epitaphien nur teilweise anhand ihrer äußeren Form und Anbringung erkannt und daher oft nur hypothetisch benannt werden. Darstellungen von Verstorbenen wurden meist ab der Mitte des 15. Jahrhunderts anbetungswürdige Bilder, Kruzifixe oder Szenen aus dem Leben Jesu u.a.m. beigegeben (Nr. 267, 277) oder die bisher nur fiktiv unter Architekturwerk stehenden, aber noch liegenden Figuren wurden aufgerichtet (Nr. 287, 297). Sicherstes Zeichen der Aufrichtung ist die nicht mehr umlaufende Inschrift; im ausgehenden 16. Jahrhundert muß man freilich auch ausnahmsweise mit Grabplatten rechnen, die nicht mehr der Konvention der Umschriftplatte entsprechen (453, 487f., 516). Anhand der Herrnsheimer Mehrfachdenkmäler einer Person läßt sich freilich verfolgen, daß aufgerichtete Beterfiguren auch den Platz eines Epitaphs einnehmen konnten; ob die unmittelbare Anbringung von Andachtsbildern beim Verstorbenen selbst für das Epitaph als unbedingt nötig angesehen werden muß, darf daher bezweifelt werden, standen doch besagte „Wanddenkmäler”155) soweit erkennbar in unmittelbarer Nähe von Altären, in Herrnsheim meist bei dem der hl. Ursula. Die enge Verbindung zu Grabmal und Epitaph kommt nicht so sehr durch die Schaffung von Epitaphaltären wie etwa in Trier zu Ausdruck,156) sondern durch die räumliche oder gar inschriftliche Verklammerung, wenn der Stifterinschrift des Hochaltares ein Fürbittebegehren Bischof Philipps von Rodenstein (Nr. 608) beigegeben ist, Bischof Wilhelm von Effern am Martinsaltar, vor dem er später begraben wurde, schon seine Memoria fixieren ließ (Nr. 628) oder mindestens Teile von Epitaphien durch Stiftung oder Widmung Altären zugeordnet werden müssen (Nr. 611, 638); insofern wird man doch von Epitaphaltären sprechen müssen. Durch den weitgehenden Verlust der Domgrablege weiß man nur wenig über die Gestaltung gerade der Klerikerdenkmäler; häufig waren bei Szenen kniende Figuren. Das gewaltige Denkmal Bischof Dietrich/Theoderichs von Bettendorff (Nr. 514) verbindet in kolossalem Aufbau, kniender Figur vor Kruzifix, Todesmahnung und Fürbittebegehren alle Elemente des Epitaphs und stand nur in der Nähe des Grabes im Hochchor; man müßte sogar vermuten, daß wie im ähnlichen Falle des Bischofs Philipp von Rodenstein (Nr. 607, 611) auch eine Grabplatte existierte.

[Druckseite XL] Das Rodensteinsche Epitaph repräsentiert den Typ des sprachgewaltigen und nur bescheiden bildlich ausgestalteten Erinnerungsmales.

In einem stark kirchlich geprägten Inschriftenbestand wie dem Wormser nehmen Stifter- und vor allem Spruchinschriften einen breiten Raum ein. Die Vermerke von Stiftern reichen von der häufigen Nennung nur seines Namens (vgl. Nr. 18) zur ausführlich begründeten Entstehung von Denkmälern (vgl. Nr. 119), oft freilich auch in unmittelbarem Zusammenhang mit Grabdenkmälern jeglicher Art mit Formeln, die dem antiken fieri curavit oder monumentum posuit entsprechen. Die den Stifter oder Auftraggeber bezeichnende Inschrift konnte hinter anderen Gattungen wie bei der Gedenkinschrift für den Speyerer Bischof Philipp von Flersheim (Nr. 440) in Umfang und Bedeutung weit zurücktreten. Waren reine Namen nicht immer funktional zu bestimmen, so sind auch Texte im genannten Umfeld nicht immer eindeutig im großen Gattungsfeld von Stiftung und Widmung zu unterscheiden. Bei den Spruchinschriften stehen neben sechs reinen Bibelsprüchen schließlich ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts häufige Zitate auf Grabdenkmälern und Schriftstellerzitate (vgl. v.a. Nr. 631f.), gegebenenfalls auch nur Anklänge, frei und situationsbezogen formulierten Inschriften gegenüber, die sowohl als Bildbeischrift wie etwa beim monumentalen Christophorus (Nr. 30) als auch in der Funktion individueller Gelegenheits-, Grab- und Todesdichtung vorkommen. Außer Bauzahlen informieren Bauinschriften über Zeit und darüberhinaus von für den Bau und die Herstellung verantwortliche Personen; es kann sich dabei um kirchliche (vgl. Nr. 259) wie profane Gebäude (vgl. Nr. 464, 545), Befestigungen (vgl. Nr. 626) und Neugestaltung von Kircheninnenräumen (vgl. Nr. 631-633) handeln. Zu unterscheiden sind diese Inschriften von Meisterinschriften, die den ausführenden Handwerker oder Künstler bei Bauten oder beweglichen Objekten nennen, oft in Ergänzung von Stifter-, Spruch- oder Widmungsinschriften. Durch Inschriften wurde eines Ereignisses (vgl. Nr. 114, 342?) oder Personen gedacht, die aber meist leicht mit Geschehnissen der Geschichte der Stadt Worms im weitesten Sinne in Verbindung zu bringen waren, seien es Inschriften für illustre Gönner der Stadt (Nr. 333f.) oder ihrer Kirchen (vgl. Nr. 9, 65, 67) gewesen. Frühe Weiheinschriften des 11. Jahrhunderts (Nr. 10f.), anscheinend Buchstabenstilisierung auf dem Nikolaustympanon (Nr. 39), zwei Grundsteininschriften, davon eine auf einer Bleitafel (Nr. 299, 701), eine vollwertige Urkundeninschrift (Nr. 26) und weitere rechtserhebliche, ja urkundenähnliche Inschriften auf städtischen Maßen (Nr. 49f., 575), die Abgrenzung der hochstiftischen Immunität (Nr. 588) und besonders die “Rätselinschrift” am Martinsstift (Nr. 359) müssen zu den vielen Besonderheiten des Wormser Inschriftenbestandes gerechnet werden, deren Überlieferung oft glücklichem Zufall zu verdanken ist und die im verbreiteten Gattungsspektrum kaum zu vergleichen sind.

Wie oben schon gesagt, lassen sich nicht alle Inschriften eindeutig auf Gattungen festlegen; deshalb müssen Zahlenvergleiche auf grobe Tendenzen beschränkt bleiben. Nachfolgend eine Verteilung der insgesamt 748 Wormser Inschriften nach Gattungen. Die Zahlen beziehen sich auf die Anzahl von Katalognummern und müssen in zweierlei Weise relativiert werden: Erstens gibt die Anzahl der als Grabinschriften gezählten nicht die Anzahl der Verstorbenen an, für die eine solche überliefert ist, sondern die Anzahl der unterscheidbaren Träger; durch Familiendenkmäler und Mehrfachverwendungen steigt die Zahl der Toten, die ein Grabmal erhalten hatten, beträchtlich an. In der Stadt Worms ist als Besonderheit die häufige Wiederverwendung von Umschriftplatten festzustellen, und zwar wiederum in zweierlei Weise, nämlich als längere Zeit später erneut benutzter Stein ohne Berücksichtigung der Erstverwendung, aber auch als bewußt innerhalb der Familie in relativ kurzen Zeitabständen erneut beschriebene Gruftplatte, in mehreren Fällen sogar bis zu dreimal.157) Zweitens erforderte die Durchmischung von Gattungen in einzelnen Nummern, wie oben dargelegt, die zugegebenermaßen subjektive Entscheidung für eine Hauptgattung; daher rührt, daß etwa nur vier Inschriften als auf die Angabe des Herstellers (Meisterinschrift oder Künstlerinschrift) konzentriert angesehen wurden, wenngleich weitere über einen entsprechenden Vermerk durch Nennung oder bedingt identifizierbares Meisterzeichen verfügen. In der nachfolgenden Übersicht zur Verteilung der Inschriftengattungen sind daher die Anzahlen nachrangiger Gattungen, auch fraglicher Zuschreibungen in Klammern nachgestellt.

[Druckseite XLI]

Grabinschrift 538 (4)
Stifterinschrift 43 (11)
Spruchinschrift 41 (80)
Bauinschrift 26 (4)
Bau/Jahreszahl(en) 26 (9)
Namensinschrift 20 (6)
Gedenkinschrift 11 (9)
Bildbeischrift 10 (12)
Widmungsinschrift 8 (10)
Urkunden-/Rechtsinschrift 6
Meisterinschrift 4 (19)
Weiheinschrift 4 (2)
Grenzsteinmarkierung 2 (2)
Grundsteininschrift 2
Kreuztitulus 2
Gattung fraglich 5

Von den Grabinschriften waren 71 mit zusätzlichen Sprüchen, also Bibelzitaten, über bloße Segenswünsche hinausgehende Räsonnements zu Tod, Heil und Auferstehung u.ä.m. ausgestattet oder selbst spruchartig gestaltet.

Die Träger der Wormser Inschriften bestehen zumeist aus rotem und hellgelbem bis gelbgrauem Sandstein in mannigfaltigen Farbnuancen und Zusammensetzungen; nicht immer erlauben die jüngeren Verwitterungsspuren und Anstriche die genaue Materialbestimmung und ohne mineralogische Untersuchung schon gar nicht die Zuschreibung zu Steinbrüchen. Eine große Anzahl von Inschriften ist ohnehin in bestehende Mauern von Kirchen und Kreuzgängen eingehauen. Die Hauptformen von Grabmälern sind oben schon genannt; für Inschriften aus dem Baubereich wurden gelegentlich auch zeilenweise beschriebene Tafeln benutzt. Nur für wenige Träger wurden kostbarere steinähnliche Materialien wie Alabaster, Marmor und Schiefer verwendet, vorzugsweise im Bereich der Bischofsgrablege, aus der jedoch nur noch drei derartige Denkmäler erhalten sind (Nr. 230, 607, 611).158) Wenn sie besser erhalten wären, könnten Metallträger die größere Vielfalt von Trägern für sich beanspruchen; bekannt sind Reliquienplättchen und einfache Tafeln aus Blei, Statuetten und vielgliedrige Kirchengeräte aus vergoldetem Silber, ein mit Edelsteinen und Edelmetall verziertes Straußenei, Messinggrabplatten oder wenigstens Steinplatten mit Messingauflage, eine mächtige Bronze- oder Kupfertafel mit vergoldeten Buchstaben der Kaiserurkunde, städtische Maße aus Bronze und nur noch vier Glocken, da die meisten in der Zerstörung von 1689 verloren gingen oder geraubt worden waren. Gemalte Inschriften in Form von monumentalen Wandmalereien sind nur wenige bekannt, dafür aber mehr solche als Epitaphien im Domkreuzgang auf Wandquadern oder Holz, herausragend freilich der riesenhafte Christophorus, die verlorenen Fassadenmalereien an der Münze, am Mayfelsturm und am Bischofshof sowie die Ausmalung in der Magnuskirche mit programmatischem Charakter. Die Bemalung von Baugliedern muß nicht notwendigerweise in unmittelbarem Anschluß an ihre Errichtung vorgenommen worden sein; folglich unterblieb eine rein baugeschichtliche Datierung u.a. für den Christophorus des Domes (Nr. 30) und die Verkündigung im alten Paulusstift (Nr. 64). Schriftgeschichtliche Indizien lassen sich wegen Übermalungen und ohnehin relativ ungesicherter Paläographie gemalter Inschriften nur vorsichtig anwenden. Holz diente als Grundlage für gemalte Epitaphien und Altarbilder, denen in der turbulenten Stadtgeschichte nur eine geringe Überlebenschance gegeben war, für Kirchengestühle, eine Bauinschrift und eine Balkenpresse. Ebenso verlustanfällig sind üblicherweise Inschriften auf Leder, bekannt und erhalten nur Nr. 120, und Textilien, von denen nur die sogenannte Martinsstola (Nr. 13) und zwei Kaseln (Nr. 412, 698) überlebten, zwei Bildteppiche mit interessanten Spruchinschriften abschriftlich bekannt sind (Nr. 20, 326).159)

Durch die Jahrhunderte war steinernen Inschriftenträgern, insbesondere eben Grabdenkmälern im Kircheninnern, sieht man von mutwilliger Zerstörung durch Baumaßnahmen ab, eine vergleichsweise hohe Überlebenschance gegeben; die Beobachtungen der vergangenen 50 Jahre haben jedoch gezeigt, daß dies nicht mehr uneingeschränkt gilt. Um so mehr muß die pflegende Hand für den dezimierten Bestand tun.

4. Nichtoriginale Überlieferung

In der Geschichte der Stadt Worms und ihrer Umgebung beeinflußte eine ganze Reihe von Ereignissen und Entwicklungen die Erhaltung und Überlieferung von Inschriftenträgern. Außer lokalen, kleinräumigen und eher zufälligen Veränderungen waren es Bauprogramme wie der spätgotische Kreuzgangneubau nach 1484, die Reformation, der Dreißigjährige Krieg und die Niederlegung der Bebauung vor den Mauern, die Zerstörung von 1689 und der sich anschließende Wiederaufbau, napoleonische Kriege und Abbruchversteigerungen nach der Säkularisierung, Stadt- und Dorferneuerungen nach dem wirtschaftlichen Aufschwung des 19. Jahrhunderts sowie die Bombennächte des zweiten Weltkrieges und die Beseitigung ihrer Schäden bis weit nach 1960.160) Die Beachtung des jeweiligenVerlustpotentiales ist wichtig für die Beurteilung sekundärer Überlieferungen, die nicht nur auf ihre eigenen Ziele hin untersucht werden müssen, sondern zusätzlich auch in Relation zu Zeiten verstärkter Abgänge. Zwar wurden schon vor dem Ende des 16. Jahrhunderts Inschriften abgeschrieben, jedoch nicht vornehmlich aus genealogischem oder prosopographischem Interesse; daraus resultiert, wie gesehen, die nur bruchstückhafte Dokumentierung von Grabinschriften aus dem alten romanischen Kreuzgang. Bernhard Hertzog und Georg Helwich, denen die meisten verlorenen Inschriften des neuen spätgotischen Kreuzganges verdankt werden, sahen eben von dem alten nur die nicht von dem Neubau betroffenen Reste, darunter 11 Grabplatten des 14. und 15. Jahrhunderts, eine irreführende Bestandsgröße, wenn man die lange Reihe der Grabinschriften etwa von 40 Speyerer Domstiftsgeistlichen betrachtet, die Helwich dort kurz nach seinem Wormser Aufenthalt abschrieb. Die Entstehungszeit der erhaltenen Abschriften oder wiederum ihrer eigenen Vorlagen gewinnt dadurch an Gewicht für die Erwartung, die man an die Überlieferung stellen darf. Sie ist also für die Frage, welches Inschriftenspektrum man für einen Standort erwarten kann, ebenso wichtig wie das Ziel des Gewährsmannes, der eben oft gar nicht an Inschriften in erster Linie interessiert war. Eine Analyse beider Sachverhalte hilft Aussagen über Eigentümlichkeiten eines Bestandes abzusichern. Wie im weiteren zu zeigen sein wird, hängen der Umfang der sekundären Überlieferung und ihr gattungsspezifischer Einzugsbereich wesentlich von ihrer zeitlichen Relation zu Ereignissen mit Inschriftverlusten ab.

Keineswegs vernachlässigt werden darf darüber die Beobachtung all jener Umstände, die umgekehrt zur Erhaltung von Inschriften beitrugen und für den heutigen Betrachter scheinbar die sekundäre Überlieferung zweitrangig erscheinen lassen. Zu nennen sind in erster Linie die Bemühungen um die Rettung des Domes und der Plastiken aus dem Kreuzgang trotz des Abbruches nach 1818 und die verdienstvollen Aktivitäten des Wormser Altertumsvereines nach 1879. Während man zu Beginn des vorigen Jahrhunderts nur die wertvolleren skulpierten Arbeiten des Kreuzganges, also die sogenannten Weihnachtsreliefs in die Nikolauskapelle und die Schlußsteine in den Dom, durch Verkauf an die Herrnsheimer Türme und nach dem privatisierten Kloster Neuburg/Ziegelhausen bei Heidelberg verbrachte,161) bewirkte das durch den Altertumsverein geförderte Denkmalbewußtsein eine umfangreiche Rettung unter anderem der Denkmäler des lutherischen Friedhofes und der als Kanalabdeckung zweckentfremdeten Grabplatten aus dem Kloster Mariamünster, die zuerst mit anderen im Paulusmuseum, später im Stadtmuseum im Andreasstift untergebracht wurden.162) Noch zum Ende des Jahrhunderts wurden aber freilich auch anscheinend stark zerstörte Steine nicht mehr des Aufhebens wert befunden und weggeworfen,163) ebenso in nicht näher datierten Wiederaufbauphasen beim Stadtmuseum/Andreasstift Steinfragmente in Mauern und Treppen verbaut, teilweise sicher auch zu diesem Zwecke zugeschnitten (Nr. 129, 178, 210, 354, 484, 591). Vergleichsweise wenige Inschriftenträger waren bei den Bodenerneuerungen in Herrnsheim, Liebfrauen und Maria Himmelskron in Hochheim verschwunden, in letzterem Falle dann wenigstens fotografisch überliefert. Vielfach nur den von Helmut Hartmann im Verein mit dem Stadtarchiv erstellten Fotografien verdankt man einigermaßen reichliche Informationen zu den Abgängen nach dem Weltkrieg; meist zeigen die Fotos noch Trümmerlandschaften.164) In eiligen Fotografien und Abschriften wurden die im Martinskindergarten, ehemals der Kreuzgang der Stiftskirche, 1969 gefundenen Grabplatten festgehalten, ehe die meisten aus baulichen und ökonomischen Gründen wieder unter dem neuen Bodenbelag verschwanden.165)

[Druckseite XLIII] Von 748 Inschriftennummern sind 327 zu mehr als der Hälfte erhalten, 77 weitere nur stark fragmentarisch und 10 in Nachzeichnung oder Nachbildung. Aussehen und Schriftform lassen sich für nochmals fast 60, teils auch fragmentarische Inschriften und viele Jahreszahlen anhand von fotografischer Überlieferung feststellen; davon sind nur wenige zum Teil und dann bisher meist ungenügend abgeschrieben worden. Erstmals gelesen und veröffentlicht wurden 112 und fünf weitere zu einem erheblichen Anteil, aus handschriftlichen Aufzeichnungen erstmals gedruckt 179 Inschriften.166) Die Vorlagen für die Edition der verlorenen und die Ergänzungen der fragmentarischen Inschriften werden durch die Stadtzerstörung von 1689 zeitlich in zwei große Gruppen geteilt, inhaltlich durch die verschiedenen Interessen der Abschreiber jedoch in weit mehr. Insbesondere bei älteren Darstellungen zu Stadt- und Institutionengeschichte dienten Inschriftenzitate als Quellenbelege oder Illustrationen für Berichtetes; so geschieht es bei den Bischofschroniken und ihren Benutzern, bei der Stadtchronik Friedrich Zorns und seinen Fortsetzern, bei Johann Friedrich Schannats Bistumsgeschichte und Würdtweins Klostergeschichten. Aus vornehmlich genealogischem oder prosopographischem Interesse sammelten Wormser Inschriften Bernhard Hertzog, Georg Helwich, Johann F. Ockhart und Johann Friedrich Schannat. Mit Inschriftenzitaten reicherte der englische Kontinentreisende Thomas Coryate zu Anfang des 17. Jahrhunderts die Beschreibung seiner Rheinreise an, während später im 17. Jahrhunderts die Bollandisten Gottfried Henschen und Daniel Papebroch Wormser Heiltümer beschrieben und Salomon Reisel Inschriftendenkmäler um ihrer selbst und ihrer Texte willen aufzeichnete. Mehr gezieltes Interesse an mittelalterlichen und neuzeitlichen (Inschriften)-Denkmälern bekundeten die umfangreiche Sammlung des „Thesaurus Palatinus” durch Johann Franz Cappellini, Reichsfreiherr von Wickenburg, und die notariell bestätigten Abschriften von Denkmälern in der Magnuskirche durch Johann Friedrich Reuß, die dann über Franz Josef Mone zu den ersten modernen Inventarwerken durch Ernst Wörner (Kdm.) und Franz Xaver Kraus (Christliche Inschriften) führten. Studien zu einzelnen Standorten, meist Kirchen wie das Domwerk von Rudolf Kautzsch, wurden seither ergänzt durch zielgerichtete Aufnahmen von Inschriftenbeständen für das alte Paulusmuseum durch Ernst Wörner und August Weckerling, für das neue Stadtmuseum durch die Museumsinventare und „Alten Aufzeichnungen”, für die Genealogie der Herrnsheimer Dalberg durch A. Schmitt und Karl Heinz Armknecht, für Liebfrauen und Hochheim durch Joachim Schalk, für St. Martin durch Fritz Reuter, für Pfeddersheim durch Albert Cappel, um nur die wichtigsten zu nennen. Durch Abgänge und Substanzverluste in jüngster Zeit sind eben auch die modernen Abschriften zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel geworden. Im folgenden sollen die wichtigsten sekundären Überlieferungen vorgestellt und hinsichtlich ihrer Verläßlichkeit in Textwiedergabe und gegebenenfalls Vollständigkeit beurteilt werden.

Die nichtoriginale Inschriftenüberlieferung beginnt für Worms heute greifbar in den Abschriften und Übernahmen aus der sogenannten „Jüngeren Bischofschronik”, die zumindest für die ältere Zeit allen späteren Chronisten mittelbar als Informationsquelle diente. Ihre nur bruchstückartige Überlieferung versuchte man zwar aus späteren Benutzern zu ergänzen,167) doch blieb der Charakter und die Wertigkeit der bischöflichen Historiographie in Worms im ganzen bisher unzureichend geklärt. Zwar hat man die “Annales Wormatienses” des 13. Jahrhunderts ediert und untersucht168) und den Komplex als fragmentarische Auszüge aus städtischer und älterer bischöflicher Chronistik erkannt; zwar hat man ebenso den sogenannten Kirschgartener Chronisten, „Chronicon civitatis Wormatiensis per monachum quendam Kirsgartensem” oder hier zitiert nach dem Herausgeber “Chronicon Wormatiense saeculi [Druckseite XLIV] XV” aufgearbeitet,169) doch hinsichtlich der Inschriftenüberlieferung fehlt eine Gesamtbeurteilung der chronikalischen Überlieferungen zu Worms, wie sie sich in den Ableitungen von Bischofschronistik, Bischofskatalog und den Benutzern insbesondere seit Friedrich Zorn ergaben. Trotz fleißiger Benutzung bis ins 16. Jahrhundert kamen alle Rekonstruktionsversuche gerade der „Jüngeren Bischofschronik” und ihrer Quellen nicht über Ansätze hinaus, wenngleich einige Ableitungen aus älterem Material durch die Stammbäume von Heinrich Boos gesichert erscheinen. Die Kernfrage in diesem Zusammenhang hat der Verläßlichkeit der Inschriftenüberlieferung in der „Jüngeren Bischofschronik” zu gelten, aus der der Kirschgartener Chronist, Brusch, v. Zimmern, Zorn und über ihn seine Fortsetzer schöpften. Es muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß hier keinesfalls eine geschlossene Aufarbeitung von Benutzungen und Abhängigkeiten von der Bischofschronik zu einer Rekonstruktion verdichtet werden können, in diesem Rahmen wegen der Fülle nicht einmal eine Filiation der benutzten Handschriften für den beschränkten Zweck möglich war.170)

So viel steht fest: Es existiert weder eine vollständige Handschrift der „Jüngeren Bischofschronik” noch eine direkte und vollständige Abschrift; alle Autoren, die sie oder eine Version von ihr benutzten oder ausschrieben, wählten nach gusto Material aus; daher kommt es, daß die wenigstens teilweise gereimte oder in gebundener Sprache abgefaßte Chronik sehr viel mehr enthalten haben muß, als die heute zugänglichen Abschriften einzeln betrachtet vermuten lassen. Drei Versionen der bis Bischof Reinhard von Sickingen reichenden Kompilation dürfen als dem Autograph vergleichsweise nahe stehend betrachtet werden: Freilich mit Bedenken das „Chronicon quod dicitur Jüngere Bischofschronik”, bis 1509,171) der „Chronicus liber antistitum Wormatiensium”, 1523-1526,172) und der „Catalogus episcoporum Wormatiensium” in München mit den Erweiterungen durch Johannes Bockenrhod.173)

Wichtig wird die Beurteilung der Chronikversionen in erster Linie für die durch die „Wormser Bischofschronik” des Wilhelm Werner Graf von Zimmern, Brusch und Zorn verbreiteten angeblich (oder doch ehedem) existierenden “Epitaphien” der Bischöfe von Worms und einiger weniger Spruchinschriften, die in demselben Kontext überliefert sind. Um es vorwegzunehmen: Aufgrund widersprüchlicher Angaben und der allergeringsten Vergleichsmöglichkeiten war eine Entscheidung über reale Existenz, Fiktion oder Mißverständnis nicht in jedem Falle in zuverlässiger Weise zu geben; gleichwohl zeichnete sich aus dem Vergleich einzelner Versionen ein Faktengerüst ab, das dazu berechtigt, vorgebliche Inschriftenzitate mit allergrößtem Mißtrauen zu betrachten. Die Benutzer der Bischofschronistik lassen einheitlich die Reihe der Wormser Bischöfe mit Victor beginnen, der am Kölner Konzil gegen den Arianer Euphrates teilgenommen habe,174) und teilen vier „vetustissimi versiculi” mit. Selten ausführlicher gehalten bilden meist zwei Distichen das Gerüst eines legendarischen Wormser Bischofskataloges;175) Tatenlob, gelegentlich Sterbenotiz und Segenswunsch werden ganz unterschiedlich eingeleitet und es verwundert nicht, daß zu Crotold in Wimpfen über ein Bild und ein „Epigramma” berichtet wird, das zunächst sehr einleuchtend mit „pone iacet sanctus Crotoldus in [Druckseite XLV] urbe sepultus ...” beginnt.176) Eine entscheidende Wendung tritt ein, wenn die literarischen Ankündigungen dieser „epigramma”, „elogia”, „überschrifften” und „versus/versiculi/verslein” stattdessen Begriffe benutzen, die die Existenz dieser Texte als Inschriften andeuten wollen oder gar explizieren. Für Bischof Bernharius (Nr. 69) geschieht das durch den Kirschgartener Chronisten in der Verbindung von Begräbnis und „epitaphium” sehr suggestiv mit den Worten: „Et sepultus est in monte sancti Andreae in suburbio versus Hocheim cum epitaphio tali, ubi modo sunt sorores poenitentes: Ossibus enervis/et nervis ...”;177) der „Catalogus” und Brusch haben die bei Zorn, der ansonsten dem Kirschgartener Chronisten folgt, nur anschließend mitgeteilten “versus” „Felix qui curae ...”.178) Während im „Catalogus” bei Bischof Guntzo lediglich eine der üblichen „De quo ...”-Formeln steht, machen Brusch und Zorn daraus: „Extant de hoc antiste tales versiculi, tumulo ipsius incisi: ...” und „Auf Guntzonis grab liest man diese vers:...”.179) Für Bischof Adelhelm berichtet Zorn: „wird in dem domstift begraben mit dieser grabschrift:”,180) obwohl Helwich als besserer Beobachter behauptet: „... sepultus nulla tumuli inscriptione”.181) Es lassen sich drei hauptsächliche Versionen jener Ankündigungen unterscheiden, die, das ist wichtig, nicht in allen Überlieferungssträngen eingängig vorhanden sind:

1. Allgemein ist nur das Vorhandensein von Versen, Epigramm, Epitaph, Elogium vermerkt: nach „Catalogus (M)” für alle; nach Brusch und Zorn: für alle von Victor bis Geroldus, Samuel, Anno, Burchard I., Adelger, Arnold, Conrad II., Heinrich I., Lupold, Heinrich II.; nach Brusch: für Ebbo.

2. Alle Formeln ähnlich zu “ist begraben mit diesem Epitaphio”: nach Brusch und Zorn: für Bernharius, Tassilo, Samuel, Hildebold, Franco, Erpho, Razo, Azecho, (Wolfram), Adalbero, Adelbert, Burchard II., Conrad I.; nach Zorn: für Adelhelm (mit dieser grabschrift)”, Dietlach.

3. Ausdrückliche Erwähnung einer Inschrift als „inscriptio” oder „epitaphium incisum” bzw. in deutscher Sprache als „ist die Schrift eingehauen” o.ä.: nach Wormser Bischofschronik: Bernharius, Folcwicus, Samuel ...; nach Zorn und Brusch: für Ludwig d. Frommen, Guntzo, Richowo, Dietmar, Schöneck; nach Brusch: für Samuel „cum tali inscriptione”, Dietlach „tumulo eius incisum est tale epigramma”; nach Zorn: für Volmar-Glocke; nach „Catalogus (W)”: für Ebbo.

Zusammenfassend kann man feststellen, daß unabhängig von Exzerpten aus der Bischofschronistik keiner der Wormser Inschriftensammler eines jener Grabgedichte als inschriftlich existierend nachweisen kann, wenn man von den umstrittenen Fällen der Inschriften Adelberts (Nr. 17) und Emerichs von Schöneck (Nr. 98) absieht; im Gegenteil sind mehrfach, so für Bernharius (Nr. 69), Hildebold (Nr. 8), Conrad II. (Nr. 28) und Heinrich II. (Nr. 33), schlichte Grabinschriften mit reiner Namensnennung des Verstorbenen bekannt, für die die Bischofschronik Grabgedichte überliefert. Nach Heinrich II. (†1234) haben Brusch und die übrigen Benutzer der Chronik nur noch die Inschrift Emerichs von Schöneck, lediglich die Münchener Version des “Catalogus” enthält entsprechende Textteile bis Bischof Reinhard von Sickingen. Für das 14. bis 15. Jahrhundert sind im übrigen mehrfach schlichte Anno domini-Grabplatten verläßlich abgeschrieben; alles deutet also darauf hin, daß die Benutzer jene frühen Grabgedichte als Füllstoff in informationsarmer Zeit verwendeten, sozusagen ihre Kompilation mit Auszügen aus einer wenigstens teilweise gereimten Bischofschronik bereicherten.182) Es besteht zwar die Möglichkeit, daß zu einem ungewissen Zeitpunkt Chronik und Bischofsvierzeiler voneinander unabhängige Texte bildeten,183) wahrscheinlich ist das jedoch nicht, obwohl zugegeben der dichterische Anspruch einzelner “Epitaphia” zwischen reimlosen und leoninisch gereimten Distichen, „versus unisoni, caudati, cruciferi” schwankt. Daß es sich bei den Texten nicht um wirklich existente Grabinschriften gehandelt haben kann, legt trotz all dieser Unterschiede ihre doch reichlich uniforme Bauart durch die Jahrhunderte nahe. Bestärkt wird diese Ansicht von Bedenken im Vergleich mit den anderen Überlieferungen und Textanalysen selbst: Weitaus nicht alle angeblichen Grabtexte lassen sich in Decorum und Sachmitteilung in den Erwartungshorizont jener Gattung einfügen. Nicht nur das [Druckseite XLVI] schon penetrante und über Jahrhunderte gleichförmige Tatenlob im Bild des guten Hirten, das immer wieder die Verdienste um die Stadt Worms hervorhebt, widerspricht dem; auch wird bei keinem einzigen Bischof im Zuge der „Grabschrift” ein Todestag genannt. Die Ausnahme bildet das Epitaph des Bernharius (Nr. 69), dessen Text von Strecker als einziges sprachlich in der betreffenden Epoche angesiedelt wird; die Existenz einer Inschrift ist damit längst nicht bewiesen. In vielen finden sich zudem Informationen, die mit Grabtexten nur zum Teil oder gar nichts zu tun haben,184) teils auch erst im Nachhinein bekannt sein konnten.185)

Entscheidend sind in erster Linie nicht die geringen Textabweichungen, sondern in verschiedenen Überlieferungssträngen voneinander differierende Zusammensetzungen von, und nur so sind sie zu deuten, Versatzstücken aus der Bischofschronik, wie sie zum Komplex des Bischofs Samuel in Neuhausen (Nr. 48), Adelbert (Nr. 17) und bei Bernharius (Nr. 69) beobachtet wurden. Für Samuel sind wie für nahezu alle frühen Wormser Bischöfe auch Sprüche überliefert, die sich wenigstens teilweise als Inschriften ausgeben. Eine bezeichnende Variante klärt die Fiktion als solche: In der Lateinischen Bistumschronik186) sind insgesamt drei Begräbnisnachrichten zu unterschiedlichen Orten und Zeiten mitgeteilt, stereotyp jeweils eingeleitet mit „cum tali epitaphio”; im Zuge von Ausbesserungsarbeiten im Jahre 1479, nach dem Brand von 1460, fand man im Fußboden den Bleisarg mit den Knochen Samuels, die man in allen Ehren wieder beisetzte, und zwar „cum tali epitaphio: Hoc Samuel tumulo placuit dormire secundo / Cum Sathane ecclesiam filius exusserat istam / Alma renudantur Samuelis et ossa levantur / Hic colitur digne quia mansit inustus in igne.” Die erste Zeile fehlt beim Kirschgartener Chronisten und in dem Überlieferungsstrang, aus dem die von Zimmernsche Wormser Bischofschronik, Brusch und Zorn schöpften; letzterer faßte sie mit dem Vers „Dum Laurissa suum pugil exhumat incineratum” zu einem „epitaphium ex tabella” zusammen.187) Die Notiz über Bischof Samuel als Gründer von Neuhausen, „Haec loca fundavit Samuel gratumque paravit / Ipse gregem Christi tumulo qui clauditur isto”, wurde von Helwich als „cum tali inscriptione”, Brusch und Zorn als Inschrift in Lorsch lokalisiert,188) bei Helwich verständlich, da er für Neuhausen ja die schlichte Namensinschrift kannte und die Deckplatte beschrieben hatte; der Kirschgartener Chronist zitiert dieses „Epitaphium” eher beiläufig nach dem Fund des Bleisarges von 1479.189) In ähnlicher Weise wurden Memorialverse für Bischof Bernharius und die angebliche Schenkung und die Gedenkverse für Bischof Adelbert in abweichender Zusammensetzung und Vollständigkeit überliefert (vgl. Nr. 69, 17). Vor diesem Hintergrund verlieren die oben aufgezählten und explizit als Inschriften überlieferten Texte ihre Glaubwürdigkeit, was ihren Charakter als einst real existierende Inschriften betrifft. Die unterschiedlichen Zusammensetzungen und Varianten sind nur aus dem Kombinieren von Versatzteilen aus der alten Bischofschronistik zu erklären und nicht aus der Existenz wirklicher Inschriften. Nur für dieses Verständnis der Texte treffen auch ihre unterschiedlichen Ankündigungsformeln und ihre Widersprüche gegenüber anderer Überlieferung zu, die entweder Fehlen von Inschriften konstatiert oder abweichenden Wortlaut, nämlich vor dem 14. Jahrhundert nur monumentale Namen, angibt. Man muß also in einer vorläufigen Wertung der Chroniküberlieferung davon ausgehen, daß jene Texte zum Tod oder zur Würdigung der Wormser Bischöfe in Geschichtsdarstellungen eingefügt und dort wohl aus einem Mißverständnis heraus zum Teil als Inschriften bezeichnet wurden; gerade die Uneinheitlichkeit der Beobachter legt das nahe, wiewohl auch sprachliche und sachliche Gesichtspunkte mit dieser Interpretation übereinstimmen. Aus der im 15. Jahrhundert üblichen und gar nicht mehr wegzudenkenden Praxis, hochrangigen Verstorbenen Inschriftensteine zu setzen, verstand man geeignete Nachrichten der Bischofschronistik als Inschriftenüberlieferung, die man freilich nicht nachprüfte oder konsequent umsetzte, denn durchaus die meisten Beschreibungen blieben ambivalent, als ob man den Vorlagen doch nicht getraut hätte. Im Umfeld des Bistums dienten die Texte als Propaganda für das der Stadt förderliche Wirken des Stadtherrn und mochten gar im Hinblick auf zeitgenössische Auseinanderset-[Druckseite XLVII]-zungen geschrieben worden sein. Aus den oben genannten Gründen und weil mehrere angebliche Grabinschriften sich an verschiedenen Orten befunden haben sollen, ist als denkbarer Anbringungsort ein übergroßes Denkmal oder Ausmalungsprogramm quasi als kollektive Totenmemorie des Wormser Episkopates auszuschließen.

Eine besondere Brisanz erhält dieses vorläufige Untersuchungsergebnis, wenn man es folgerichtig auch für Inschriftentexte problematisiert, die eben nicht nur Bischofsepitaphien sein wollten, sondern auf alle Inschriften in gebundener Sprache aus diesem Überlieferungskomplex ausdehnt. Trotz gelegentlicher Bedenken wurden nachfolgend aufgezählte Inschriften in den Katalog aufgenommen, und zwar weil sie durchgehend besser und einheitlicher als Inschriften an Objekten beschrieben sind oder wie die Inschrift Bischof Adelberts (Nr. 17) gar als mögliche spätere Fälschung auf den Text der Chronistik nachgebildet wurden. Sowohl für die Sprüche am Domnordportal (Nr. 27) als auch für die Gedenkinschrift für Kaiser Ludwig den Frommen (Nr. 65) und die Neuhausener Sprüche (Nr. 282- 285) ist eine Charakterisierung als Inschriften vorhanden. Da das allein noch wenig besagt, wie ähnliche Fälle für die Bischofsepitaphien erwiesen, ist nach zusätzlichen Informationen Ausschau zu halten; in der Tat sind allen letztgenannten Inschriften Lokalisierungen und teils Kurzbeschreibungen beigegeben, die auf Autopsien, wenn nicht der heutigen Gewährsmänner, so doch ihrer Vorlagen schließen lassen. Weniger sicher gilt das für den zweiten Teil der Glockeninschrift von 1312 (Nr. 91), für die man Zorn vertrauen muß, und für das Vatizinium zum Auszug des Klerus (Nr. 342), das sogar als literarische Fiktion verstanden werden muß. Ein Verdacht des Mißverständnisses läßt sich auch für die Grab- oder Gedenkinschriften der Bischöfe Emerich von Schöneck (Nr. 98) und Reinhard von Sickingen (Nr. 398) nicht leugnen, wenngleich die Beschreibungen bei Hertzog nur aus Autopsie mindestens seiner Vorlagen zu verstehen sind;190) er hat freilich auch die Exzerpte der „Jüngeren Bischofschronik” benutzt, denen zumindest in geringerer Ausführlichkeit solche Vorbemerkungen fiktiver Art zugetraut werden müssen. Denkbar wäre also doch, daß er inschriftlich fixierte Lokalisierung, authentische Grabbeschreibung und literarische Überlieferung dem verführerischen Vorbild der Chronistik folgend verband und dabei eben nicht einen inschriftlich realisierten Text präsentierte.

Um die Abhängigkeiten der einzelnen Benutzer zu ermitteln, wären umfangreichere Textvergleiche notwendig, als im Rahmen der Inschriftenedition möglich waren. Die Informationsunterschiede betreffs Inschriftenzitaten und etwa auch differierende Bischofszählungen legen offen, daß etwa „Chronicus liber” einerseits, von Zimmern, Brusch und Zorn andererseits nicht aus derselben Version der Bischofschronik schöpften. Da es sich jeweils nicht um vollständige Abschriften, sondern lediglic um Benutzung und Exzerpte handelte, ist für die drei letztgenannten nur die Verwandtschaft ihrer Vorlagen festzustellen; so kann etwa die Glockeninschrift von 1312 (Nr. 91) bei Zorn weder aus „Chronicus liber”, der Wormser Bischofschronik von Zimmerns noch Brusch stammen, den er aber ausweislich seiner Materialsammlung mindestens in der deutschen Übersetzung Johann Herolds kannte.191)

Zu den Benutzern der Bischofschronistik gehörte wie gesagt auch Kaspar Brusch(ius) (1518-1557) für seine „Epitomes” der Bistumsgeschichten Deutschlands von 1549, die Chronikauszüge für das Erzbistum Mainz und seine Suffraganbistümer enthalten,192) und zwar wohl über die von Zimmernsche Wormser Bischofschronik.193) Brusch, Poeta laureatus und vielgereister Humanist, sammelte eifrig, aber wenig kritisch „Denkmale der Vergangenheit” in vielfältigster Form; aus Worms waren ihm außer angeblichen Bischofsdenkmälern noch die monumentale Kaiserurkunde und Begräbnisplätze von Äbtissinnen in Mariamünster bekannt, so in seiner 1551 in Ingolstadt publizierten Klostergeschichte Deutschlands. Viel stärker von seinem Auftraggeber abhängig stellte Johann Friedrich Schannat seine Bistumsgeschichte von Worms, „Historia episcopatus Wormatiensis”, zusammen.194) Listen geistlicher Würdenträger, kurze Bischofsbiographien und Institutionengeschichten illustrierte der erst [Druckseite XLVIII] nach der Zerstörung nach Worms gekommene Sammler durch Abbildungen und Zitate von Inschriften; der früh erhobene Vorwurf leichter Ungenauigkeiten hinsichtlich der Kupferstiche römischer Denkmäler besteht zurecht,195) auch sind Abschreibefehler und eigenwillige, eben nicht originalgetreue Gestaltung der Abkürzungen zu beobachten. Wie sich das auf die Nachbildungen der problematischen Denkmäler Bischof Adelberts (Nr. 17) und des Königspaares im Bergkloster (Nr. 223) auswirkte, läßt sich anhand des geringen Vergleichsmateriales nicht zuverlässig herausfinden. Für die Überlieferung der hochstiftischen Grablege, sei es durch Schannat, Hertzog oder Helwich, ist diese geringe Vergleichsbasis das Hauptproblem. Man kann daher eben den Umfang einer ungleichgewichtigen Wiedergabe von Text und weiteren Informationen nur vermuten; der Benutzer sei davor gewarnt, gerade Schannats Vollständigkeit zu vertrauen: Abgesehen davon, daß sich der Sammler gelegentlich auf ältere Gewährsmänner bezieht, ja wegen der Domzerstörung beziehen muß, wenn er eine Grabinschrift ankündigt als „olim legebatur”, fehlen vorwiegend Angaben zum Aussehen; figürliche Darstellungen sind regelmäßig, Wappen oft unterschlagen, wie sich bei den heute noch erhaltenen Denkmälern Beyer von Boppard (Nr. 145) und Wittstatt gen. Hagenbach (Nr. 231) belegen läßt: Aus Schannats Angaben allein wären Grablegen im Dom und auch in den anderen Stiften196) also nur unvollkommen zu beschreiben; bei Wappen kommen die Notizen von Hertzog und Helwich zu Hilfe, nicht jedoch konsequent bei Angaben zu figürlichen Darstellungen. Wenn also behauptet wurde, die Wormser Domgrablege sei eher bescheiden ausgestattet gewesen, mag das für einen Teil der frühen Bischofsgrablege gelten, im 14. und 15. Jahrhundert dürfte aber die Klerikergrablege grundsätzlich kaum vom Zeitüblichen an anderen vergleichbaren Standorten abgewichen sein. Man könnte allenfalls von einer geringeren Dichte entsprechender Denkmäler ausgehen. Bauentwicklung und Perspektive der wichtigsten Gewährsleute vermitteln einen Eindruck, der der spätmittelalterlichen Situation nicht gerecht wird. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch, daß vor der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts keine Inschrift einer Person bekannt geworden ist, die nur Domkanoniker in Worms war; die mit Inschriften angereicherten Amtslisten des Domklerus bei Schannat lassen sich also in keiner Weise mit den Beschreibungen etwa der Würzburger Domgrablege vergleichen. Nennenswerte Abschriften aus Stiften und Klöstern verzeichnet Schannat nur für die Dominikanerinnen in Hochheim und Liebenau und für den Männerkonvent des Ordens in der Stadt, die fast alle auch von Stephan Alexander Würdtwein, Weihbischof in Worms, in seine Klostergeschichte, „Monasticon Wormatiense”, aufgenommen sind. Wie dessen Abweichungen bei Zahlenangaben für die gleichfalls enthaltenen Grabinschriften der Äbtissinnen von Mariamünster zeigen, lagen dem Ortskundigen(!) entweder schlechte Abschriften vor oder ein Teil der Texte, bei denen Lesefehler durch die deutliche Schrift nicht sehr wahrscheinlich sind, entstand durch eine Kontamination von Inschriften und Nekrologexzerpten.

Da das Kloster der Karmeliter von anderen Abschreibern vernachlässigt wurde, ist sehr zu bedauern, daß der Chronist der Karmeliterprovinz, Jakob Milendonk, in seiner Kompilation zahlreicher Klostergeschichten die ausführliche Behandlung des Wormser Konventes nur zweimal nicht sehr zuverlässig mit Inschriften bereichert hat, jedoch bei der recht häufigen Nennung von Stiftern gelegentlich den Grabplatz mit angibt. Texte und Gestaltung möglicher Inschriftenträger, wären sie denn überliefert, beträfen einen Personenkreis, der als Auftraggeber von Inschriftendenkmälern in einem Wormser Kloster nur wenig präsent ist, also nicht zu den Konventualen, Äbtissinnen, Beichtvätern und illustren Mitgliedern der Stifterfamilie (Hochheim), Reichstagsbesuchern (Dominikaner) oder hochadligen Töchteranstalten (Liebenau) gehörte. Bezeichnenderweise hatten anderenorts in Worms Begrabene im Karmeliterkloster Stiftungen, wohl für Anniversarfeiern, getätigt, so aus der Familie der Kämmerer von Worms und zahlreiche Stiftskanoniker.

Außer den Exzerpten aus der Bischofschronistik und einiger Inschriftentexte, die ihm vielleicht doch nur daraus bekannt geworden sind, enthalten die Aufzeichnungen des Wormser Gymnasialrektors Friedrich Zorn (1538-1610)197) und seiner Fortsetzer auch eigene, auf Autopsien beruhende Abschriften von heute meist verschwundenen Inschriften. Zu unterscheiden sind im wesentlichen zwei Fassun-[Druckseite XLIX]-gen der „Chronologia der alten und ehrbaren freihen Reichsstatt Wormbs ...” zu Lebzeiten des Chronisten und die Fortsetzungen von Andreas Wilck (um 1613) und Georg Friedrich Meixner (um 1763). Die wenig sorgfältige und für die Inschriftenüberlieferung nicht sehr ergiebige Erstfassung einer Wormser Stadtchronik, hier Zorn-1, wurde 1570 geschrieben, fünf Jahre nachdem der aus Worms gebürtige Autor von Oppenheim konfessionsbedingt zurückgekehrt war. Vor 1604 muß dann eine zweite wesentlich erweiterte Version und zwar Zorns, hier Zorn-2, selbst entstanden sein,198) die die Frühgeschichte der Stadt hauptsächlich anhand der hochstiftischen Chronistik ausschreibt und erheblich mehr Material bietet.199) Von Heinrich Boos gegen Arnold, Köster und Becker200) angezweifelt und von Hellmuth Gensicke widerlegt,201) ging die ältere Forschung noch von der Autorschaft eines Franz Berthold von Flersheim für die zweite Fassung aus, weil sein Name in zwei Frankfurter Exemplaren genannt ist. Das Wormser Exemplar, Zorn-2, bei Bedarf unten zitiert als Zorn-2 (W), stammt nach Gensicke von der Hand Zorns, die er in den Ratsherrenlisten202) und der Zorn-2 (W) vorgeschalteten Bürgermeisterliste erkannte; dort heißt es zu Valentin Hasloch, er sei 2uxoris meae Margarethae pater”, eben Zorns Schwiegervater. Interessant ist hier die Beobachtung, daß dazu die Hand von Zorn-1 von 1570 wie eine Konzepthand wirkt, daß ferner die deutsche Schrift der in der Chronik entspricht, daß dort die lateinischen Texte in einer besonders klaren und deutlichen Schrift gehalten sind, während die Marginalia etwa zur Urkunde von 1184 und zu Grabinschriften in Hochheim in exakt derselben Hand geschrieben sind wie die nach 1598 fast generell in lateinische Buchstaben wechselnde Schrift der Bürgermeisterliste. Das alles deutet darauf hin, daß die Handschrift Zorn-2 als Autorenexemplar schon vor der Jahrhundertwende geschrieben wurde, Zorn-3 von 1604 eine Abschrift daraus gibt, ohne die Marginalia zu kennen.

Von einer Haupthand, wohl in Zorns Kurrentschrift,203) geschrieben sind zwei sich gegenseitig ergänzende Handschriften;204) letzteres erweist die gegenseitige Lücken schließende Foliierung der annalistisch gegliederten Aufzeichnungen. Nur wenige, aber teils wörtlich übernommene Passagen dieser Notizen des Chronisten fanden Eingang in die Chronikversionen. Es handelt sich also um eine nur teilweise verwertete Materialsammlung, für die der Autor außer antiken Autoren Aventinus, Beatus Rhenanus und Caspar Bruschius als Gewährsleute nennt; teilweise wörtlich stimmen deutsche Übersetzungen von angeblichen Bischofsepitaphien mit jenen in Johann Herolds Rückübersetzung der Bistumsgeschichten Bruschs überein.

Mit der Überlieferung der Wormser Rachtungen, also der Verträge der Stadt mit dem Bischof als Stadtherrn, findet die Chronik, die von diesem Streit mitgeprägt worden war, eine natürliche Zäsur, denn mit der letzten von 1526 wurde ein gewisser Abschluß in der Entwicklung der Stadtverfassung erreicht; eigentümlicherweise dünnen die Nachrichten zur Stadtgeschichte, als sie in die Lebenszeit des Chronisten hineinreicht, erheblich aus. Für die spezielle Geschichte der Stadt Worms, so muß man vermuten, standen ihm alle Unterlagen des Rates, insbesondere die Herrscherurkunden, und eine Version der Bischofschronik zur Verfügung, darüberhinaus für die allgemeine Geschichte antike Autoren wie Caesar und Tacitus, Schedel und Trithemius, Lorscher Handschriften und die Viten Bischof Burchards und Erkenberts.205)

Dem Wormser Exemplar von Zorn-2 sind marginal Hochheimer Grabinschriften vom Anfang des 14. Jahrhunderts hinzugefügt; es verzeichnet außerdem die Inschrift für Azecho und Benzo an der Kilianskirche und die Inschriften am Rathaus-Münze-Komplex. Die vielleicht wichtigste Leistung der Zornschen Chroniken ist noch der von dem Verfasser selbst unternommene Versuch, zwischen den Texten des 1184er Diploms und seiner monumentalen Fassung (Nr. 26) zu unterscheiden.

[Druckseite L] Von der Chronikfortsetzung durch Zorns Zeitgenossen Andreas Wilck (†1616), der ihm als Wormser Pfarrer auch die Leichenrede hielt (vgl. bei Nr. 623) sind ebenfalls mindestens drei Exemplare bekannt geworden, von denen sich allerdings keines der im Taufbuch belegbaren Hand des Kompilators und Autors zweifelsfrei zuordnen läßt.206) Einer Abschrift der zweiten Zornschen Fassung fügte Wilck teils aus eigenem Erleben und eigener Anschauung bekannte Fakten und auch Inschriften hinzu: Anläßlich der Aufhebung des Stiftes Neuhausen verzeichnet er die Spruchinschriften von wahrscheinlich 1479 (Nr. 282-284), es folgen die Devise protestantischer Kleriker im Straßburger Kapitelstreit (Nr. 530), Spruchinschriften der Neugestaltung der Westfassade des Paulusstiftes (Nr. 594) und quasi aus erster Hand die programmatischen Inschriften der Magnuskirche (Nr. 631-633), letztere übrigens nicht im Exemplar des Stadtarchives Worms und im Münchner Exemplar schon ohne die Unregelmäßigkeiten der Frankfurter Handschrift. Das Zitat der Inschrift Nr. 32 findet sich nur im Münchner Exemplar, das somit als letztes entstanden sein dürfte.

Die Fortsetzung der Zornschen Chronik durch Georg Friedrich Meixner (1702-1782) um 1763 verdient besondere Erwähnung wegen der nur hier überlieferten Inschrift für Otto III. am Martinsstift (Nr. 67) und der ab Folio 389v aufgezeichneten Denkmäler des lutherischen Friedhofes bis ins 18. Jahrhundert hinein, denen eine Skizze zur Verteilung auf dem ursprünglichen Gelände vorangestellt ist (siehe S. LI).

Für den Erhebungszeitraum sind davon zwischen 1562 und 1679 40 Inschriftenzitate relevant, von denen immerhin noch 28 durch ganz erhaltene, fragmentarische oder fotografierte Steine zu überprüfen sind. Ein heute im Stadtmuseum aufbewahrtes Fragment stimmt mit einer anderwärtigen Überlieferung zum Grabmal des Friedrich Zorn überein, wird aber bei Meixners Abschrift inmitten der sonst in deutscher Sprache gehaltenen Grabinschrift des Wilhelm Redecker (†1628) (Nr. 665) verzeichnet, vielleicht aufgrund durcheinandergebrachter Denkmalteile. Obwohl durchweg gut bis hervorragend erhalten, notierte Meixner die Inschriften von vier weiteren Denkmälern nicht, die vom lutherischen Friedhof ins Paulusmuseum gebracht worden waren.207) Sie standen offenbar zur Zeit Meixners und Wörners jeweils mit einer anderen Seite dicht an einer Wand, so daß man Rückseitenverwendungen nicht erkennen konnte. Nur beim Stein des Georg Geuder (Nr. 503) ließ sich der Sachverhalt aufklären; seine Rückseite für Johanna von Lützow (Nr. 731) ist wegen des Einbaues in eine Wand heute zugänglich und jene Grabinschrift Lützow wurde von Meixner abgeschrieben. Diesen Sachverhalt darf man nicht als Einzelfall betrachten, denn dazu paßt, daß die anderen betroffenen Steine (Drach, Nr. 494, Steinberger Nr. 519, Keberer Nr. 535) vor 1588 hergestellt wurden und eben ihre viel späteren Wiederverwendungen für Meixner sichtbar gewesen waren; im 19. Jahrhundert drehte man dann die damals und heute besser erhaltenen Seiten nach vorne, ohne es irgendwo zu vermerken! Weder bei den ersten Aufzeichnungen 1887 noch heute sind alle aus Zorn-Meixner bekannten Inschriften des beginnenden 17. und des 18. Jahrhunderts zugänglich gewesen; das mag ein Hinweis darauf sein, daß insbesondere diese späteren etwa nach 1633 auf Rückseiten geschrieben wurden.208) Einmal vermerkt der Gewährsmann das Verfahren sogar selbst an dem Denkmal Leopard-Haffner.209) Im Verdacht, früher ebenfalls nicht sichtbar gewesen zu sein, stehen der Stein des Georg zur Glocken von 1622 (Nr. 656) und ein Fragment (Nr. 703).

Genealogische und prosopographische Interessen führten in der Regel dazu, daß auch Inschriften meist von Grabdenkmälern gesammelt wurden, entweder für einzelne Familien, Adelsregionen oder die geistlichen Institutionen eines bestimmten Bereiches. Obwohl auf eine Zusammenstellung des gesamten rheinischen Ritteradels abzielend, verzeichnete Bernhard Hertzog eigenhändig und wohl in Vorbereitung einer Publikation in drei umfangreichen Bänden gerade für Worms mehr Inschriften als für andere Standorte. Üblicherweise folgt nach Bemerkungen zur Region und ihrer Geschichte eine alphabetische Aufzählung von Adelsfamilien, indem Name und teils kolorierte Wappen an den Anfang eines Bogens geschrieben und chronologisch Informationen für die erreichbaren Familienmitglieder, so unkritisch übernommene Turnierteilnahmen, Heiraten, Kinder, Begräbnisse und denkwürdige Taten angehängt wurden.210) Anders als im ersten Buch für Speyer nahm der Sammler für die Stadt Worms in [Druckseite LI]

Textabbildung Nr. 2 (Skizze aus Zorn-Meixner)

mehreren Kapiteln reihenweise Inschriften oder Begräbnisnachweise auf; diese Abweichung ist um so erstaunlicher, als außerhalb des Domstiftes die Mehrzahl der Verstorbenen gar nicht zu dem Hertzog interessierenden Personenkreis zählte. Auffallen muß in dieser Hinsicht auch, daß in seiner Beschreibung des Wormser Domkreuzganges außer mehreren heute verlorenen Inschriften auf den großen Reliefs eine Reihe von Grabinschriften nur von ihm abgeschrieben wurden,211) während Georg Helwich wohl doch stärker auswählte. In zwei Fällen sind Sterbetexte, die dem Formular von Umschriftplatten entsprachen, in der Reihenfolge des Kalenders aufgezeichnet; es handelt sich hierbei um Abschriften oder Paraphrasen aus Seelbüchern der Stifte St. Paul und St. Cyriakus in Neuhausen.212) Demgegenüber geht aus genauen Lokalisierungen im Dom und in der Johanniskirche hervor, daß Hertzog selbst oder ein Gewährsmann Inschriften an Ort und Stelle abgeschrieben hat.213) Er bemühte sich durchaus um eigene Anschauung von Denkmälern; das ersieht man aus der Notiz über eine von ihm ca. 1570 unternommene Kirchturmbesteigung in Godramstein bei Landau in Begleitung des Astronomen Tilmann Stella.214) Die zusätzlichen Informationen zu Worms kommen nicht von ungefähr, da der aus Weißenburg stammende Bernhard Hertzog (1537-1596?), nach Studien in Straßburg und Heidelberg zuerst Sekretär in Pfalz-Zweibrücken, dann hanau-lichtenbergischer Amtmann in Wörth,215) [Druckseite LII] durch seine Heirat mit Elisabeth Breitenacker aus Weißenburg eine Verbindung nach Worms besaß; aus deren angesehener und einflußreicher Sippe entstammte nämlich auch der zeitgenössische Wormser Ratsherr und Bürgermeister Christoph Reinfart (†1598) (Nr. 567).

Die durch Tintenfraß schwer beschädigte Handschrift gibt besonders sprachlich schwierige Texte der Domstiftsmemorie und der Weihnachtsreliefs in gelegentlich unzuverlässiger Weise wieder; wenn zu entschuldbaren Lese- und Übermittlungsfehlern Lücken (Nr. 547) und Zeilenverstellungen (Nr. 396) in metrischen Inschriften treten, wird deutlich, daß der Kompilator seine Materialien generell nicht philologisch kontrolliert oder wenigstens vor seinem kurz nach dem Abschluß der Handschrift216) anzusetzenden Tod nicht mehr einer kritischen Durchsicht unterzogen hatte. Diese Feststellung paßt zu dem Bild eines fleißigen, aber unkritischen Sammlers, das man sich auch anhand der „Chronica Alsatiae” von 1592 von ihm gemacht hatte.217) Mit dem Vierteljahrhundert vor dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges fehlt in dieser Sammlung eine inschriftenträchtige Epoche, die auch von anderen nur unzureichend abgedeckt wird.

Unter den prosopographischen Arbeiten des Mainzer Vikars und Archivars Georg Helwich (1588- 1632) nimmt das „Syntagma monumentorum” als einen großen Teil des oberen Mittelrheins abdeckende Sammlung einen bedeutenden Platz in der Sekundärüberlieferung für Wormser Inschriften ein.218) Es handelt sich um eine eigenhändige Reinschrift aus den Aufnahmeblättern datierter — heute würde man sagen — Erhebungskampagnen in Sachen Inschriften, die für Worms durch Studien des Sammlers zu Lorsch219) und zum Wormser Episkopat220) zu ergänzen ist. Da nur weniger als ein Viertel der im „Syntagma” für Worms überlieferten, meist kurzen Inschriften anhand erhaltenen und fotografierten Materiales überprüft werden kann, sind die im allgemeinen Vergleich gewonnenen Erkenntnisse vorsichtig zu übertragen: Nicht alle Abschriften geben den Wortlaut einer Inschrift buchstabengetreu wieder, es kommt vor, daß Vota unterschlagen, römische Zahlen überhaupt in arabische umgerechnet und Satzstellung zugunsten regestenartiger Anno Domini-Formulare vereinfacht werden, daß gelegentlich Wappenzeichnungen entgegen der Zweckbestimmung fehlen; alle diese Erscheinungen minderten den Wert der Abschriften nur wenig, wenn sich der Sammler nur ein Inschriftenkompendium für seine in der Hauptsache genealogischen und prosopographischen Studien zulegen wollte, das er sich selbst durch ein Orts- und Familienregister erschloß. Aus dem reichen Material seiner eigenen Sammlungen und der Mainzer geistlichen Archive standen Helwich zusätzliche Informationen zur Verfügung, mit denen er etwa Wappenzuordnungen prüfen und korrigieren konnte; auch überblickte er seine Sammlung so gut, daß ihm Verweise in der Reinschrift möglich waren.221) Einen erheblichen Mangel stellen nicht nur die meist unkontrollierbaren Formularumstellungen, sondern auch Wappenunterschlagungen dar; könnte man Schannats Angaben zum Wiltberg-Denkmal von 1583 (Nr. 522) noch als Interpolation aus Stiftsunterlagen verstehen, so erregt das anscheinende Fehlen von Wappen zu den Grabinschriften Adelsheim (Nr. 372) und Erenberg (Nr. 389) nach 1500 sowohl bei Hertzog als auch bei Helwich den Verdacht, daß zumindest schwer Erkennbares unterschlagen wurde.

In einer heute verlorenen Handschrift, „Epitaphia Dalbergiorum”, vereinte Helwich seine Abschriften von Denkmälern der Kämmerer von Worms gen. von Dalberg bis 1626. Die Handschrift gelangte aus dem freiherrlich-dalbergischen Familienarchiv über Aschaffenburg ins Staatsarchiv Darmstadt, wo sie 1944 verbrannte.222) Auszugsweise überliefert sind die Inschriften der „Epitaphia” in Ockharts Kämmerergeschichte, in der freilich Zitate auch nach 1626 angeblich den „Epitaphia” entnommen sind, was nur über Nachträge anderer Hände bis mindestens 1776 möglich ist. In einer anderen familiengeschichtlich ausgerichteten Sammlung Helwichs, dem „Opus genealogicum”,223) findet sich ein Zettel zur Herrnsheimer Grabinschrift des Wolf Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (†1527) (Nr. 414), die Ockhart auch aus den „Epitaphia” kannte. Handschrift und Arrangement sind bezeichnenderweise identisch mit denen des “Syntagma”, in dem Herrnsheim eben fehlt; man muß daher annehmen, daß beide Sammlungen überhaupt auf ähnliche Weise zustandekamen, Helwich sein Kapitel [Druckseite LIII] Herrnsheim aus der Handschrift des „Syntagma” praktisch ausgliederte. Außerdem vermerkt Ockhart224) die erwogenen Nachträge einleitend und berichtet auch, daß dem Autograph eine Liste von 23 Orten mit Kämmererinschriften vorgeschaltet sei; das erinnert an Helwichs eigene Register im „Syntagma” und dessen Gliederung nach Standorten, die sich auch aus Ockharts Belegen erschließen läßt: Gemäß den bei Ockhart mitgeteilten Belegstellen stammen die sicher identifizierbaren Denkmäler von folgenden Standorten: bis Seite 12 aus der Wormser Martinskirche, Seite 20 aus dem Wormser Dom, Seite 25 aus Worms-Hochheim, Seite 27-35 aus pfälzischen Standorten, Seite 40-60 aus Worms-Herrnsheim, Seite 62-71 aus Oppenheim, Seite 73 aus Bechtolsheim, danach in dieser Abfolge Mainz, Wallhausen, Disibodenberg, Boppard, Nieder-Olm, Steinheim, Ladenburg, Meisenheim, Lohr a.M.; Ausnahmen wie die im angenommenen Herrnheimer Kapitel auf Seite 48 verzeichnete Anna Kämmerer, verheiratete von Schönburg und begraben in Hattenheim/Rhg., sind durch Zusammenfassung von Familien begründet, sie war nämlich eine Tochter Wolffs d. Schwarzen (Nr. 443).225) Die Angaben Ockharts zu seiner Benutzung Helwichs sind sicher lückenhaft, da jener wohl auch Inschriften verzeichnete, die angeblich nur aus Schannats „Monumenta vetera” genommen sind, doch erlaubt die rekonstruierte Reihenfolge der Standorte die Kontrolle nicht explizit genannter Begräbnisorte. Entscheidende Bedeutung kann diesem Sachverhalt zukommen, wenn widersprüchliche Angaben zu Standorten vorliegen wie im Fall der Elisabeth Vogt von Hunolstein geb. Kämmerer von Worms (†1388), deren Grabinschrift in den „Epitaphia” auf Seite 5 mitten im Kapitel zum Martinsstift verzeichnet ist, für die es aber doch eine weitere im Kloster Disibodenberg fragmentarisch erhaltene Inschrift gegeben haben soll; die Grabinschrift einer dort begrabenen Metza/Mechthild von Steinkallenfels (1339) geb. Kämmerer von Worms verzeichnete Helwich in seinen „Epitaphia Dalbergiorum” jedoch auf Seite 88, nach Mainz und Wallhausen.226) Als gesichert darf gelten, daß Ockhart die mit Gewißheit in Helwichs „Epitaphia” zusätzlich verzeichneten Wappen in keiner Weise kenntlich machte und sich die Freiheit nahm, regelmäßig und ausschließlich die bei Helwich (und Hertzog) nur gelegentlichen verwendeten Umrechnungen in arabische Zahlen anzugeben.

Ein Vergleich der von Helwich und Hertzog abgeschriebenen Inschriften hinsichtlich ihrer Materialauswahl ergibt für das Wormser Domstift folgende Bilanz: 30 Inschriften aus dem Bereich des Totengedächtnisses wurden jeweils von beiden aufgenommen; neun von Schannat und Wickenburg verzeichnete hat keiner der beiden,227) ebenso entgingen ihnen beiden einige Schlußsteine des Kreuzganges (Nr. 301, 310, 313, 321, 329, 335, 336, 394). Mit den Zielen ihrer Abschriften übereinstimmend fehlen bei Helwich 10 Inschriften von Vikaren und eines bischöflichen Amtsträgers des 16. Jahrhunderts, bei Hertzog sechs Grabinschriften von adligen Geistlichen des 15., die jedoch aus rheinfernen Gegenden stammten.

Dasselbe Schicksal wie die “Epitaphia Dalbergiorum” erlitt eine sehr ähnliche Zusammenstellung Johann Friedrich Schannats von 1731, “Monumenta vetera”, die ebenfalls nur bei Johann F. Ockharts „Urkundlicher Darstellung”, einer mit Stammbäumen sowie Urkunden- und Inschriftennachweisen versehenen Familiengeschichte der Kämmerer von Worms und ihrer Dalberglinien, von um 1821, überliefert ist. Nur einige von deren Herrnsheimer Denkmälern, und zwar bis auf zwei von heute noch erhaltenen, wurden in den „Abriß der herrschaftlichen Epitaphien zu Herrnsheim” aufgenommen, der noch aus dem 17. Jahrhundert stammen könnte; darunter befindet sich das höchst merkwürdige einer angeblich 1204 verstorbenen Gertrud von Dalberg (Nr. 363).228) Diesen beiden noch erreichbaren Abschriften zu den Kämmerern und Dalbergern fehlen Wappenzeichnungen; den Verlust der originalen Aufzeichnungen Helwichs, der an Wappen stark interessiert war, können sie daher nicht ausgleichen, zumal bei Ockhart außerdem Zuweisungen zu Standorten sehr problematisch sind. Aus den genealogisch ausgerichteten Abschriften insgesamt stammen mehrere in Existenz, Wortlaut und Standort fragliche Inschriften (Nr. 150, 152, 171, 179, 181, 363), deren klärende Beurteilung der weitgehende Verlust der Kämmerergrablege im Martinsstift verhindert.

Daß die Inschriften der Ausmalungsprogramme am Bischofshof (Nr. 603) und am Gebäudekomplex von Rathaus und Münze in der vorliegenden Ausführlichkeit bekannt geworden sind, ist den Aufzeichnungen eines englischen Kontinentreisenden, Thomas Coryate (ca. 1577-1617), zu verdanken, der im [Druckseite LIV] Jahre 1608 rheinabwärts reiste und bei vielen Gelegenheiten seine Beobachtungen mit Inschriften möglichst außergewöhnlicher Art anreicherte. Der Pfarrerssohn aus Somerset erlangte nach Studien in Oxford Aufnahme in die Umgebung des Kronprinzen Heinrich und galt dort als spleeniger und reisebesessener Zeitgenosse, den es nach 1612 in den Nahen und Fernen Osten verschlug.229) Es gibt keinen konkreten Anhaltspunkt, gerade die recht umfangreichen Wormser Inschriften nicht seinen Notizen vor Ort zuzuschreiben, wenngleich das Werk eine Reihe von anhand anderer Quellen nachgebesserten Passagen enthält wie zum Beispiel die Übersetzung des Bernhardsbriefes von Speyer, den Coryate wohl nur identifizierte, nicht jedoch im Dom abschrieb.230) Für keine der beiden Wormser Inschriftengruppen, auch nicht für die Sibyllensprüche in Anlehnung an Filippo Barbieris Druck von 1481, ließ sich eine Vorlage ermitteln, aus der der Autor seine Inschriften redigiert haben könnte; schon gar nicht gilt das für die individuellen Texte am Rathaus-Münze-Komplex. Beide Textgruppen schrieb der Autor nach eigenem Bekunden selbst ab, bedauerte auch, für die Distichen über den Sibyllen nicht mehr genug Zeit gehabt zu haben. Dieser Sachverhalt wird nicht dadurch entkräftet, daß er wieder nach eigener Aussage andere Literatur oder gegebenfalls lokale Auskünfte benutzte, wenn er etwa zur Bistumserrichtung Sebastian Münster zitiert; Objektbeschreibungen sind von allgemeiner Faktensammlung streng zu trennen und erwiesen sich als weitgehend authentisch und zuverlässig.

Der umfangreichen Sammlung von Denksprüchen, „Teutsche Apophthegmata”, von Julius Wilhelm Zincgref (1591-1636) und Johann Leonhard Weidner wurde aus Worms nur ein Wirtshausspruch (Nr. 587) einverleibt, und das obwohl der Sammler in Heidelberg geboren war, längere Zeit dort lebte, nach mehreren Reisen 1626 gar in Worms heiratete und bis zu seinem Tode in Kreuznach und Alzey als Landschreiber tätig war.231)

Aus vollkommen anderen Antrieben wurden Inschriften seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert abgeschrieben: Die beiden Bollandisten Gotfried Henschen und David Papebroch reisten 1660 rheinaufwärts nach Italien, um Material für die Acta Sanctorum zu beschaffen; in Worms fanden sie einige prächtige Reliquienbehälter, von denen sie aber nur den Thron mit Petrus und Königin Constanze einer ausführlichen Beschreibung mit Zitat der Inschrift für wert hielten (Nr. 29). Salomon Reisel (1625-1701) aus Schlesien, zunächst Stadtarzt in Worms, später Leibarzt am württembergischen Hof, schrieb wohl vor seiner Übersiedlung 1679 Inschriften von Wormser Römersteinen ab und vermerkte auch einige spätere, die ihm in irgendeiner Verbindung zur Römerzeit zu stehen schienen (Nr. 300, 362, 518, 603). Die in der Sammlung Kremer/Lamey im Badischen Generallandesarchiv Karlsruhe aufbewahrte Handschrift stellt wohl eine vom Wormser Gymnasialrektor Johann Wendelin Jung besorgte und um ein Gedicht von 1727 erweiterte Abschrift dar, die sich ansonsten um getreue Wiedergabe der Reiselschen Vorlagen zu Inschriften und ihren Trägern bemühte.

Schon sehr viel stärker an großräumigen Inschriftenerhebungen interessiert war Johann Franz Capellini, Reichsfreiherr von Wickenburg gen. Stechinelli (1677-1752), seit 1712 kurpfälzischer geheimer Rat und seit 1738 Präsident des kurpfälzischen geistlichen Administrations-Corpus;232) dieses Amt ermöglichte ihm den Zugang zu den Kirchen in der Pfalz und ihren Denkmälern, die er wohl teilweise von Beauftragten abschreiben ließ. Laut eigener Aussage im Vorwort des „Thesaurus Palatinus” beabsichtigte er, der Lokalgeschichte und Genealogie Material zur Verfügung zu stellen und der Nachwelt die vom Verfall bedrohten Denkmäler zu überliefern. Die nicht sehr zuverlässigen Textwiedergaben233) decken einen wesentlich größeren Raum ab, der mit den Städten Mainz, Worms, Speyer, Aschaffenburg und Trier der Pfalz benachbarte Gebiete umfaßt. Die Handschrift im Geheimen Hausarchiv München überliefert in zwei Bänden auf über 950 Seiten eine Vielzahl von Grab-, Glocken- und Bauinschriften;234) gelegentlich hielt der Sammler wie zum Wormser Paulusstift und zur Domkirche [Druckseite LV] auffälliges Fehlen oder nur geringen Bestand fest. Ein beträchtlicher Teil der Inschriften stammt aus dem 18. Jahrhundert, in Worms Grabinschriften bis zum Jahre 1747. Während für Herrnsheim fast alle Träger noch erhalten oder wenigstens auch anderwärtig bekannt sind, überliefert das Kapitel zu den Kirchen der Stadt Worms gerade zahlreiche heute verlorene und oft auch nicht in anderen Abschriften vorhandene Texte und gleicht so den Totalverlust etwa in der Johanniskirche etwas aus. Mit gewissen Abstrichen kann man aus dem bei Wickenburg fehlenden, bei Hertzog und Helwich im jeweiligen Rahmen überlieferten Bestand das Verlustpotential nach 1689 abzuschätzen versuchen; insgesamt machen die Inschriftenaufnahmen bei Wickenburg jedoch einen mehr zufälligen und in der Dichte unausgewogenen Eindruck, wenn keine 10 Jahre nach der letzten in Worms abgeschriebenen Inschrift 28 ihm offenbar entgangene Inschriften in der Magnuskirche notariell beglaubigt festgehalten wurden. Verwunderlich ist das indes nicht, da man erst 1755 ernsthaft mit dem Wiederaufbau der Magnuskirche begann. Die im Schutt gefundenen Grabdenkmäler ließ der regierende Stättmeister Johann Baumann durch das Notariat Fabricius abzeichnen; der ausführende Kanzlist Johann Friedrich Reuß setzte zusammen mit drei Zeugen seine Unterschrift unter eine heute leider nicht mehr auffindbare Dokumentation. Nur vier der ehemals 27 lesbaren Inschriftsteine sind heute nicht mehr durch Autopsie oder Foto bekannt; ausweislich eines jüngeren Inhaltsverzeichnisses waren die Abschriften hinsichtlich Namen und Daten weitgehend korrekt.235) In den Trümmern der Lambertuskirche schrieb Notar Christian Solms zwei Grabsteine in ebenfalls offizieller Mission und unter Zeugen ab (vgl. Nr. 729, 736).

Der seit dem 19. Jahrhundert Inschriften mit wissenschaftlichem Interesse betrachtenden Literatur ist nur wenig mehr als der in jüngerer Zeit feststellbare Bestand zu entnehmen, da die Mehrzahl der jüngeren Abgänge nicht durch Abschriften, sondern über alte Fotos, die nach den Zerstörungen des zweiten Weltkrieges angefertigt wurden, dokumentiert werden können. Interessant ist in dieser Hinsicht eher, daß Franz-Josef Mone eine heute verlorene Spruchinschrift für gleichzeitig mit der Stifterinschrift des Heinrich von Oppenheim am Martinsstift hielt (Nr. 31f.) und dadurch wenigstens ansatzweise die Anwendung moderner Methoden belegt. Besserer Erhaltungszustand führte nicht notwendigerweise auch zu besseren Lesungen, wie vor allem an Datierungsfehlern im Kunstdenkmalinventar zu zeigen wäre. Eine erhebliche Erweiterung der Kenntnisse von Inschriften in Worms brachten ohnehin erst die Bergungen des Altertumsvereins vom lutherischen Friedhof und in der Stadt, etwa der zu Kanalabdeckplatten profanierten Grabplatten aus Kloster Mariamünster.236) Das Kunstdenkmalinventar des in denkmalpflegerischen Belangen höchst kämpferischen Ernst Wörner237) wurde für die Stadt Worms und Herrnsheim durch die intensivierte Ausgrabungstätigkeit bei Kirchen und Plätzen zwangsläufig schneller überholt, als man selbst bei einem der Pionierbände des großherzoglich-hessen-darm- städtischen Kunstdenkmalwerkes erwarten durfte. Nur in geringem Maße trugen auch die Aufzeichnungen in den Museen (Alte Aufzeichnungen, Aufstellungsplan, Mus.Inv.) zur Vermehrung der Inschriftentexte bei, da kriegsbedingte Verluste im wesentlichen erst nach den ersten Fotosicherungen im Zuge des Wiederaufbaues eintraten.238) Die Aufzeichnungen in den Museumsinventaren zu Grabsteinen sind in Kladden unterteilt nach MG für allgemeine mittelalterliche und neuzeitliche Steine, MGA für Steine aus Mariamünster und MGH für Steine aus Worms-Hochheim, Kloster Maria Himmelskron;239) ergänzt werden sie durch Karteikarten mit zum Teil gleichen Nummern, die aber auch Abschriften von anderen Standorten enthalten.

Von den Bauzahlen an Häusern der Vororte verschwand ein beträchtlicher Teil gegenüber den Fotosammlungen und einer Denkmalliste für den ehemaligen Landkreis von 1910.240)

5. Schriftformen

Zu den Aufgaben des Deutschen Inschriftenwerkes gehört seit seinem Beginn die Bereitstellung und Analyse einer Materialbasis für eine Inschriftenpaläographie des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Die Editionsbände können diese Aufgabe jedoch nur mit zunächst lokal begrenzter Gültigkeit erfüllen. Erst eine genügende Dichte des Materiales wird es ermöglichen, die großen Entwicklungslinien der Monumentalschrift mit solcher Verläßlichkeit herauszuarbeiten, daß fragliche Objekte, Entwicklungssprünge und Ausnahmen von der nur scheinbar linearen Schriftentwicklung eingeordnet werden können. Zu den Desideraten gehört auch die Frage, in welcher Weise Auszeichnungsschriften in Handschriften als Vorbilder für Monumentalinschriften dienten und wie sie umgesetzt wurden.240)

In gewisser Weise erstellt man für einen Inschriftenband hypothetisch so etwas wie eine grobe Abfolge der Schrifteigentümlichkeiten und bringt diese dann zur Deckung mit datierten Exemplaren; bei ausreichender Dichte innerhalb eines Bestandes ergibt sich die relative Chronologie der Merkmale freilich schon deduktiv aus der Reihe der datierten Inschriften. Diese sind allerdings nicht überall und für alle Zeiträume in repräsentativer Auswahl vorhanden, so daß sekundäre Datierungsmerkmale wie Baugeschichte und Personenidentifizierung die Beweislast mit all ihren Fallstricken übernehmen, oft sogar übernehmen müssen.241) Die Möglichkeit einer wechselseitigen Überprüfung der Ergebnisse aus paläographischer und dazu sekundärer Datierung entfällt dort, wo über längere Zeit, in Worms zwischen der Mitte des 11. Jahrhunderts und 1278(!), keine aus ihrem eigenen Text sicher datierten vorhanden sind und bei den wenigen auf geringe Zeitspannen eingrenzbaren Inschriften Entwicklungslinien durch Niveauunterschiede und die Eigenheiten der Trägergattungen verschoben sein können. Etliche sind auch einfach zu kurz oder verfügen über zu wenige Buchstaben, um sichere Vergleiche zu erlauben. Aus diesen Bedenken ist aber keinesfalls abzuleiten, Datierungen auf Grund der Monumentalpaläographie seien unmöglich oder gar irreführend; gewarnt werden soll hier vielmehr vor Risiken bei kurzen Texten und vermeintlich sicheren zusätzlichen Datierungshilfen. Angesichts großer Schwankungsbreiten in der Formenabfolge, daß nämlich gleichzeitig verschiedene Ausprägungen und ungleichzeitig identische Formen vorkommen können, muß man sich gelegentlich vor den apodiktischen Relationen „älter” und „jünger” hüten oder ihnen doch ein gesundes Mißtrauen entgegenbringen; die oft wünschenswerten vergleichenden Charakterisierungen „fortschrittlich” und „retardierend” sollten im Zweifelsfalle mehr Vertrauen genießen, taugen aber nicht für die geforderte chronologische Organisation des Kataloges.

Trotzdem konnte der Versuch einer noch auf Worms beschränkten Geschichte der Monumentalschrift wichtige Einblicke in Entwicklungslinien und die Handhabung von Schriftdatierungen geben; sie offenbarte Meister- oder Werkstattidentitäten, gab Aufschlüsse zu den Übergangsschriften am Ende des 15. Jahrhunderts und führte in mehreren Fällen zu überhaupt neuen Ansätzen von Denkmaldatierungen.

Man geht davon aus, daß im allgemeinen die Ausprägungen von Monumentalschriften nicht eigentlich Neues darstellen, sondern aus Transponierungen bekannter Formen in neue Stoffe und die Mehrdimensionalität entstanden;242) Tempo und und Güte der Umsetzung hingen von der Kunstfertigkeit der Hersteller und dem technischen Vorgang der Schriftherstellung je nach Beschreibstoff ab. Um Merkmale der Monumentalschriften wiederzufinden, hielt man folglich in Handschriften Ausschau243) und zwar dort an solchen Stellen, die selbst wieder Schrift als Dekoration, Auszeichnung, Hervorhebung u.a.m. benutzten, also eine Durchstilisierung der Buchstaben erwarten lassen. Keineswegs alle Ausformungen von Handschriften eigneten sich zur monumentalen Umsetzung und noch weniger kann von einer gleichzeitig verlaufenden Entwicklung die Rede sein: Sehr ähnliche Schriftformen können auf verschiedenen Beschreibstoffen Jahrhunderte voneinander entfernt entstanden sein. Wenn man davon ausgeht, daß es zwischen Scriptorium und Werkstatt einen heute nicht greifbaren Vermittlungs-[Druckseite LVII]-vorgang gegeben haben muß, der in Identität von Personen, vor allem aber in der Weitergabe von Mustervorzeichnungen gelegen haben dürfte, ist in dieser Instanz ein weiterer Einflußfaktor auf die Ausgestaltung und die zeitliche Entfernung von Buchstaben in Handschriften und auf Monumenten gegeben. Im wesentlichen ist davon die Frage der Innovation betroffen, für die jeweils nach einem Ausstrahlungszentrum zu suchen wäre. Nach der Etablierung einer Schriftform bildeten schon vorhandene Denkmäler und Schulung in Werkstatt-Traditionen ein konservatives Vorbild, das auch in Musterbüchern weitergeschrieben wurde; der Rückgriff auf handschriftliche Vorbilder ging in seiner Bedeutung für die Weiterentwicklung zurück. Neue Ideen hielten Einzug durch radikale Übernahmen neuer Entwicklungen oder die Verschmelzung bekannten Formenmateriales mit fremden Anregungen, die durch die hohe Mobilität von Handwerkern und Künstlern beigebracht und relativ rasch weiterverbreitet wurden. Eine ganze Reihe von Umständen wirkte also auf die Ausbildung von Formen ein, wobei heute meist nur noch die Beharrlichkeit oder Veränderung von Traditionen zu beobachten, keinesfalls aber zu begründen sind: Außer Nähe oder Ferne zu Innovationszentren nahmen Einfluß auf die Schriftform der Auftraggeber und seine Werkstattwahl mit mehr oder minder künstlerischem Qualitätsanspruch und eine Reihe von zufälligen Begleiterscheinungen wie Verfügbarkeit international geprägter Bauhütten oder umgekehrt die relative Abgeschlossenheit von Werkstätten. Auszierungen von gotischen Majuskeln auf den Grabplatten des Klosters Disibodenberg etwa reichen von den ersten und schönsten Exemplaren bei den Mitgliedern der Familie Heinzenberg (1302/1308) regelmäßig bis weit in die vierziger Jahre und vereinzelt bis ins letzte Drittel des 14. Jahrhunderts;244) zur etwa gleichen Zeit begegnen durchaus identische Formen auf den Platten des zisterziensischen Mutterklosters Otterberg.245) In beiden Zisterzienserklöstern wie etwa auch in Schönau246) schenkte man also der dekorativen Ausgestaltung einer sonst zeitangepaßten Schrift große Aufmerksamkeit. Mit guten Gründen läßt sich vermuten, daß es sich jeweils um „werkstatteigene” Inschriften des Klosters handelte, deren handschriftliche oder monumentale Vorlagen zu finden, eine reizvolle Aufgabe wäre.247) In unmittelbar benachbarte Bestände gelangte diese individuelle Ausgestaltung nicht oder nur rudimentär. Wie noch zu zeigen sein wird, bildete sich auch im Kloster Maria Himmelskron in Worms-Hochheim eine eigene Schrifttradition aus, die eben dadurch erklärt werden kann, daß das Kloster die Herstellung der betreffenden Grabplatten besorgte. Regional abgrenzbare Schriftformen standen also in einem Spannungsfeld von Importen neuer Ideen und lokaler Traditionen, zwischen Innovation und Beharrlichkeit, gegebenenfalls nicht nur des Denkens, sondern auch in den handwerklich-künstlerischen Produktionsbedingungen.

Ein Blick in die Buchmalerei des Frühmittelalters belehrt darüber, daß die bildlich ausgestalteten Initialen schon flächig-körperhafte Elemente enthalten, die in der Monumentalschrift erst sehr viel später realisiert werden sollten; deutlich wird das besonders an der in zahlreichen Handschriften überlieferten Beatus-Initiale.248) Hier scheint ein Hinweis angezeigt auf ein Phänomen, das in der Tat im Zusammenspiel von Epigraphik und Handschriftenpaläographie angegangen werden müßte: Zumindest die ornamental ausgestalteten Prunkinitialen schon des 9. Jahrhunderts entsprechen körperhaften Buchstabenformen, wie sie sich bei Inschriften erst des 13. Jahrhunderts durchsetzten, vorher etwa in den geringen Bogenschwellungen der Wormser Weiheinschrift von 1058 nur ausnahmsweise und in schwacher Ausprägung realisiert sind. Nur mit gehöriger Verspätung greift also die Monumentalschrift Gestaltungsweisen auf, die in der Buchillustration, soweit die Kontur des Buchstabens betroffen ist, seit langer Zeit nur geringen Veränderungen unterworfen war. Aus dem zeitlichen Abstand muß man daher erwägen, daß in den meisten Fällen die Verwendung neuer Schriftformen nicht unmittelbar aus handschriftlichen Vorlagen abzuleiten ist, sondern aus der Anregung selbst schon innovativer Denkmäler. Man müßte auch erwarten, daß die älteren Denkmäler mit neuen Einflüssen noch handschriftlichen Vorlagen am nächsten und damit am Anfang von Innovationsreihen stehen. Vielleicht ist aber bei Gelegenheit doch viel vorsichtiger zu formulieren, indem man sagt, daß ein Denkmal wie das Grabmal [Druckseite LVIII] für Erzbischof Peter von Aspelt (†1320)249) einer neuen Entwicklung Bahn brach und nur bedingt als direktes Vorbild für die speziellen Formen nachfolgender Denkmäler, hier mit ungewohnter gotischer Minuskel, gelten kann. Gemessen an Inschriften in Stein stehen die Beschriftungen von Textilien gelegentlich zeitgenössischen Handschriftenvorlagen wesentlich näher; in der Monumentalpaläographie erst der gotischen Majuskel des 13. Jahrhunderts zugeschriebene Flächigkeit von Buchstaben zeigen in dieser Hinsicht etwa die Decke der hll. Ewalde aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts und die Herrschermäntel Kaiser Heinrichs II. in Bamberg.250) Das Charakteristikum Flächigkeit, erreicht üblicherweise durch Ausrundung von Schaft-zu-Bogenübergängen sowie Hasten- und Bogenschwellungen, später erst durch Abschlußstriche, in handschriftlichen Vorlagen wiederzufinden, trifft auf die Schwierigkeit, zwischen den allein durch die Federdrehung bewirkten Verdickungen sowie ihren quasi-Imitationen in großen flächigen Buchstaben einerseits und gewollt körperhafter Gestaltung gotischer Buchstaben andererseits differenzieren zu müssen. Nicht das Merkmal an sich ist problematisch, sondern seine Anwendung.

5. 1. Frühe Schriften — Frühchristliche, angelsächsische, karolingische Schriften

Als aus einer römischen Militärsiedlung erwachsene Bischofsstadt nahm Worms im Raum zwischen Speyer und Mainz den Platz eines politischen und kulturellen Zentrums ein, dem nur bis zur ausgehenden Karolingerzeit das Kloster Lorsch den Rang streitig machen konnte. Enge Verbindung der Bischöfe zum Herrscher seit dem 9. und wieder ab dem Ende des 10. Jahrhunderts und dadurch Intensivierung der Klerikerausbildung bildeten eine der Voraussetzungen für künstlerische Aktivitäten und damit verstärkte Inschriftenproduktion, umfangreiche Bauprogramme seit Bischof Burchard I. eine weitere. Aus spätrömischer Zeit war freilich die Sitte, Verstorbenen einen Grabstein zu setzen, am Leben geblieben und somit das Medium Inschrift auch im Frühmittelalter, wenngleich gegenüber der Römerzeit in erheblich verdünnter Überlieferung, präsent. Die in und bei Worms gefundenen Exemplare weisen alle noch der römisch-christlichen Schrift verhaftete Merkmale auf und nicht die des von Konrad F. Bauer erarbeiteten rheinfränkischen Typs.250) Dessen Hauptmerkmal besteht in der Vermischung schon vom klassischen Ideal gelöster römischer Kapitalschrift mit runenartigen Elementen, die sich insbesondere in eckigen Buchstaben und der Neigung zur Hastenverlängerung bemerkbar macht; der Stein des Unfachlas (Nr. 1) zeigt einige solcher Kriterien in unvollständiger Durchbildung, so daß man leicht eine Datierung im späteren 6. Jahrhundert suchen könnte, was aber nicht zwingend ist. Aus dem insularen Kulturbereich hingegen schöpft die Schrift des Aldualuhus/Aldualahus-Steines (Nr. 4) wohl des 8. Jahrhunderts,251) in die wie in kaum eine andere charakteristische Erscheinungen handschriftlicher Auszeichnungsschriften eingeflossen sind. Für die Zeit der karolingischen Schriftreform haben sich keine epigraphischen Beispiele in Worms erhalten. Aus dem benachbarten Lorsch mag die Grabschrift eines Klosterlehrers einen Eindruck davon vermitteln,252) wie die Inschriften des Stiftes Neuhausen, dessen Gründer Samuel auch Abt von Lorsch war, ausgesehen haben könnten.

Epigraphische Formen, auf denen die Schriften der Romanik aufbauten, lassen sich in Worms nicht belegen. Dieser Mangel ist nicht gravierend, da anders als Jahrhunderte später regional greifbare Entwicklungsschritte im 11. Jahrhundert eine wesentlich geringere Rolle spielten und daher die Hauptkriterien, falls es denn solche gibt, auch aus fremden Materialien abzuleiten sind.

5. 2. Romanische und gotische Majuskel

In gewisser Weise stellt sich die Schriftgeschichte nach der karolingischen Schriftreform als eine Geschichte ihrer Entfernung von wiederaufgenommenem klassischem Stilgefühl in Proportion und Einzelbuchstaben dar. Auf der erst jüngst wiederaufgefundenen Weiheinschrift der Nikolauskapelle des Wormser Domes (Nr. 11) ist die früheste hochmittelalterliche Schriftform belegt, auf einem ehe-[Druckseite LIX]-dem prominenten Träger überdies, dessen Ausführungsqualität einer Steininschrift die meisten zeitnahen Inschriften am Rhein in den Schatten stellt und daher wiederum nur bedingt als Fixpunkt für Vergleiche nützt. Die Schrift unterscheidet sich erheblich von den stark verschachtelten der Mainzer Willigis-Tür und der zeitlich näher liegenden Grabinschrift des Wignandus,252) aber auch von den mit Unzialen schon stärker durchdrungenen Grabinschriften der Äbtissin Ruothildis von Pfalzel und des Abtes Gumbert von Limburg253) durch ihre klare Linienführung und bis auf geringe Ausnahmen kapitale Dominanz. Sporenbildung und die unterschiedlichen Strichstärken bei Schäften und Bögen unterstreichen ein an besten Vorbildern geschultes Formengefühl, das mit dem der qualitätvollen Hildesheimer Produktion durchaus vergleichbar ist. Bislang selten zu beobachten,254) wurden kapitale E am Wortende mit Cauden versehen, obwohl eines zusätzlich auch mit einem A ligiert ist. Monumentalschrift des 11. Jahrhunderts zu beurteilen, heißt nach dem Grad ihrer Abkehr von klassisch-karolingischem Ideal kapitaler Schriftform und nahezu quadratischer Proportion zu fragen. Das neue Stilgefühl zeigte sich entweder in der zunehmenden Zahl von Unzialen (Ruothildis, Gumbert) oder der übertriebenen Anwendung von Buchstabenverbindungen (Willigis-Tür, Wignandus-Stein in Mainz-St. Stephan). In dieser Hinsicht hat sich die Weiheinschrift von 1058 eine bedenkenswerte konservative Form bewahrt und steht daher auch im Kontrast zu späteren in weniger qualitätvoller Ausführung sowie zu früheren und gleichzeitigen, deren Öffnung für unziale Inschriften dem Einfluß der kluniazensischen Reformbewegung zugeschrieben wurde.255) Nur in Schannats Nachzeichnungen überlieferte Inschriften von beiden Enden des 11. Jahrhunderts (Nr. 8, 17) dürfen streng genommen nicht für eine positive Rekonstruktion zeitgenössischer Schriftformen herangezogen werden, da man die Qualität und Realitätsnähe der Abbildung nicht kennt; immerhin läßt sich bei beiden feststellen, daß keine gravierenden Indizien gegen den jeweiligen Ansatz zu sprechen scheinen, sieht man einmal davon ab, daß das seltene unziale M der Hildebold-Inschrift (Nr. 8) unten geschlossen ist, in seiner Symmetrie aber dem M auf der Grabinschrift der Äbtissin Ruothildis von Pfalzel entspricht.

Das 12. Jahrhundert wurde gelegentlich als die entscheidende Phase für den Entwicklungssprung zur gotischen Majuskel als eigentlich seit der Antike ersten neuen Schrift angesehen; wie die dazu ausgewählten Beispiele erkennen lassen, trifft dieser zeitliche Ansatz für schon gotisch zu nennende Merkmale nur auf herausragende Werke der Metallkunst zu.256) Die Neigung zur flächigen Ausgestaltung in Form von Verbreiterung der Hasten an den Enden und durch Ausziehen der Sporen, die im Laufe der Zeit in sogenannte, nicht zur Substanz des Buchstabens gehörende Abschlußstriche mündeten, und Bogenschwellungen gewann im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts insbesondere bei in Goldschmiedearbeiten eingelegter Emailschrift an Boden. In der Lapidarpaläographie ist von diesen neuen und für die gotische Majuskel determinierenden Merkmalen zunächst nur selten etwas zu spüren und auch die Inschriften an den Wormser Domskulpturen verraten von den neuen Entwicklungsschritten nur in bescheidenen Ansätzen etwas, nämlich in der Ausrundung der vorher rechten Winkel am Übergang zwischen Hasten und Bögen vor allem bei B, D, R des Juliana-Bildes (Nr. 18)257) und beginnenden Schwellungen bei Danielgruppe und südlichem Portaltympanon (Nr. 21-23).258) Die weitaus stärker von der Gotik geprägten Formen des Nikolaus-Tympanons (Nr. 39) mußten daher erheblich nach der mutmaßlichen Entstehungszeit des Reliefs angesetzt werden. Erst in der monumetalen Wandmalerei des Christophorus im Dom (Nr. 30) tritt spätestens zu Beginn des 13. Jahrhunderts eine ausgebildete gotische Majuskel entgegen;259) da korrigierende Übermalungen nicht auszuschlie-[Druckseite LX]-ßen sind, geben ihre Einzelformen keinen sicheren Anhaltspunkt für den zeitgenössischen Schriftstandard, der bei Wandmalereien ohnehin der Lapidarschrift entwicklungsgeschichtlich vorauseilt.260) Obwohl geringe Bogenschwellungen und die Unterscheidung von Haar- und Schattenstrichen auch schon im 11. Jahrhundert zu beobachten sind, gelten nur deren oft schwer meßbare Auswirkung auf die zunehmende Flächigkeit des Buchstabens und das Vorkommen von Abschlußstrichen als sichere Indizien der Gotisierung; in unvollkommener Realisierung solcher Merkmale ist diese daher nur schwer zu beurteilen. Galt für die Definition der neuen Schrift der romanischen Majuskel nur generell ein Abrücken von klassischem und karolingischem Formenideal, so ist auch die fortschreitende weitere Entfernung davon zu einem neuen Formengefühl in der Gotik nicht mit einem sauberen zeitlichen Trennungsstrich zu belegen, die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Entwicklungsstufen daher nur natürlich. Wenn im nachfolgenden Katalog schon für Inschriften der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Bezeichnung „Gotische Majuskel, früh” gewählt wurde, sollte damit ihre weitgehende Abkehr von dem romanischen Duktus charakterisiert werden, die sich aber in nur gelegentlichen Abschlußstrichen wie beim südlichen Tympanon der Martinskirche (Nr. 31) und Ansätzen von Schwellungen darstellt. Keinem Zweifel darf die Feststellung unterliegen, daß bei den meisten frühen Inschriften und insbesondere bei den kurzen der Pauluskirche keinesfalls an eine Durchbildung der Merkmale gotischer Majuskeln gedacht werden kann. Bei den wenigsten läßt die Ausführungsqualität eine durchgehende Realisierung zeitgenössischer Formensprache erwarten, doch sind in Abschlußstrichen und dem fast einhellig verwendeten R, dessen Bogen und Cauda sich nicht berühren, enge Verbindungen zum Martinstympanon mit seiner mindestens gotisierten Majuskel gegeben.261)

Für eine lückenlose Nachzeichnung der Entwicklungsschritte der gotischen Majuskel fehlen in Worms sicher datierte Objekte im frühen 13. Jahrhundert; um so mehr macht sich dieser Mangel bemerkbar, als gerade auch Träger in sogenannten weichen Materialien, Farbe, Glas, Edelmetalle, die eine gewisse Vorreiterrolle für die Verwendung von neuen Formen in Stein beanspruchen können, für keinen Zeitraum in nennenswerter Dichte vorhanden sind. Zwischen den isolierten Zeugnissen am Ende des 12. Jahrhunderts und den Bronzegefäßen von 1278 liegen eben zahlreiche Schriftbelege in Stein mit zu den progressiven Erstanwendungen scheinbar retardierenden Elementen. Erst 1278 (Nr. 49f.) zeitigen die angestrengten Bemühungen des Graveurs, das gotische Streben nach Flächigkeit jedenfalls bei den größeren Buchstaben mittels Doppellinien zu verwirklichen, Erfolg, und man kann sie als durchgebildete gotische Majuskeln bezeichnen, obwohl hier noch das oft als Leitbuchstabe bezeichnete pseudounziale A fehlt; es begegnet aber schon in früheren Steininschriften und setzt sich nach 1280 in stark variierten, oft spielerischen Formen durch. An dem am besten erhaltenen Bestand des Klosters Maria Himmelskron in Worms-Hochheim läßt sich dann ab 1290 eine dichte Folge von datierten Majuskeln beobachten; alle genannten Merkmale der gotischen Formensprache sind verwirklicht, freilich oft mit spielerischen und für den Bestand charakteristischen Varianten: Die frühen Hochheimer Inschriften zeichnen sich durch unter die Begrenzungslinie geführte eingerollte Cauden und Zierstriche aus,262) eine Erscheinung, die schon kurz nach 1301 abbricht, 1321 (Nr. 104) in dünn und spitz auslaufender Form und schließlich 1344 und 1346 (Nr. 62, 124) nachahmend kurzfristig wieder aufgegriffen wird. Bis auf eine einzige Ausnahme (Nr. 59) ist diese Besonderheit allein dem Bestand Hochheim zuzuschreiben und zudem in sich so konsistent, daß eine Vordatierung des Guda-Steines (Nr. 58) um 20 Jahre auf 1295 möglich wurde, wie sich auch durch eine späte Abschrift beweisen ließ. Eine zweite Eigentümlichkeit, die der Hochheimer Bestand nur mit wenigen anderen Wormser Inschriften zwischen 1290 und 1350 teilt, bildet das in unterschiedlichsten Formen auftretende A, das sowohl in der konventionellen pseudounzialen Form als auch dazu spiegelbildlich mit rechts geschwungenem Spielbein sodann breit mit kräftigem Deckbalken achsensymmetrisch oder mit in ihren Strichdicken wechselnden Hasten, einmal sogar symmetrisch gerundet mit gebrochenem Mittelbalken vorkommt; nach der Jahrhundertmitte weicht diese Typenvielfalt einem fast einhellig durchgehaltenen pseudounzialen A, bis “späte gotische Majuskeln” wieder mit dem Buchstabentyp als dekorativem Element spielerisch umzugehen beginnen. War vor der Mitte des 13. Jahrhunderts in der „Gotischen Majuskel, früh” noch das Nebeneinander mit romanischem Repertoire und fast bis zum Jahrhundert das Suchen nach einem Formenkanon zu konstatieren, so bildete sich ziemlich genau mit dem Jahr 1300 in Worms eine bis auf wenige Ausnahmen zu weiten Bereichen konforme Majuskel aus, die im 14. Jahrhundert weitgehend den allgemeinen Entwicklungslinien folgte. Differenzierungen in den Bezeichnungen teils sehr verschiedener gotischer Majuskeln sollten in dem großen Bestand die Orientierung erleichtern und Vorstufen wie Nachzügler im groben Rahmen kenntlich machen. Der Bearbei-[Druckseite LXI]-ter ist sich dessen bewußt, daß hier nur ein weitmaschiges zeitliches Raster vorgelegt werden kann, das Bedürfnisse der Automatisierung in ein reichlich formales Gerüst preßten. Die Bezeichnungen „früh”, „vor 1300”, „spät”, „sehr spät” heben das Vorkommen gotischer Majuskeln außerhalb ihrer Domäne des 14. Jahrhunderts hervor; gerade angesichts überaus häufiger Doppelverwendungen von Inschriftenträgern sollen so in der editorisch notwendigen Zusammenfassung möglicherweise verschiedene Entwicklungsstufen nicht zuletzt für das Register transparent gemacht werden. Vorzubeugen ist hier dem Mißverständnis, mit diesen groben Kategorien seien abgeschlossene oder konsistente Entwicklungsschritte der Majuskel greifbar, im Zweifelsfalle gilt immer die Schriftbeschreibung im jeweiligen Kommentar zu einer Inschrift.

Als besonders heikel erwies sich in Worms die Proportion als Datierungsmerkmal gotischer Majuskeln. Relative Schlankheit der Majuskeln im 14. Jahrhundert wurde, wenn nicht als Indiz für spätere Herstellung genommen,263) dann wenigstens als progressiver angesehen.264) Einst durchaus berechtigte Generalisierungen dieser Art bedürfen der Einschränkung und bestandsgerechten Relativierung, wenn in Würzburg allerdings in unzureichender Deutlichkeit nach 1350 das Nebeneinander von breiter und hoher Form konstatiert,265) im insgesamt als konservativ angesehenen Bestand des Landkreises Ludwigsburg eine schlankere Form schon auf einer Platte von 1307 erkannt wurde.266) Hüten muß man sich also vor der unzulässig vereinfachenden Sichtweise, der hohe Grad der Schlankheit deute auf relativ späte Entstehung im 14. Jahrhundert; dieser gängigen Faustregel, die für die gotischen Buchstaben bisher auch nicht durch exakte Proportionalzahlen untermauert wurde,267) widersprechen in Worms relativ schlanke Majuskeln noch vor der Jahrhundertwende (Nr. 55, 59), die neben breiteren Formen standen und um 1300 von jenen verdrängt wurden. Deren Dominanz in der ersten Dekade und die Konsistenz der Formen erzwangen sogar die Vordatierung einer Grabplatte um 50 Jahre (Nr. 71). Je nach Raumbedarf der Schrift muß man aber schon in der zweiten Dekade wieder mit erheblich schlankeren Formen rechnen, wie die Platten für Dekan Philipp (Nr. 99), übrigens mit breiten Formen für Zweitverwendungen um 1349, und Ritter Dirolf (Nr. 98) mit freilich eigenwilligem Duktus erkennen lassen. Zeitlich nicht fern davon stehen bei den beiden erhabenen Majuskeln des Lukard-Steines (Nr. 100) und des Posaunenengels vom Domsüdportal (Nr. 110) in Ausführungsqualität und Proportion ebenfalls gegensätzliche Tendenzen auf zwei Denkmälern zeitnah beieinander, die sogar einem einzigen großen Werkstattkomplex zugeordnet worden sind. Eine wirkliche Durchsetzung schlanker Proportion erfolgt erst nach der Jahrhundertmitte; der Schlankheitsgrad nimmt fast ohne Ausnahme kontinuierlich zu bis etwa zum Ende des Jahrhunderts. Im Jahre 1381 weisen die zu Spitzen ausgebildeten Bogenschwellungen auf der Grabplatte des Philipp von Morschheim charakteristische Merkmale der zweiten Jahrhunderthälfte auf, für die es vermehrt in Würzburg schon maniriert zu nennende frühere Beispiele gibt.268)

In fast allen Inschriftenbeständen sind Verwendungen gotischer Majuskeln auch im 15. Jahrhundert nachgewiesen, nur höchst selten bis in die Neuzeit hinein; verstreute Beispiele wurden gleichsam als Epigonen, gelegentlich als Anwendungen aus bewußt historisierender oder mystifizierender Absicht heraus gewertet.269) Daß in Worms eine Vielzahl von Denkmälern des 15. Jahrhunderts mit einer sonst überall außer Mode gekommenen Schrift beschrieben wurde, kann nicht nur auf Zufällen der Erhaltung beruhen, da hier gerade in der ersten Jahrhunderthälfte eine nur vergleichsweise geringe Erhaltung und überhaupt Inschriftenüberlieferung gegeben ist. In gewisser Weise stimmig dazu ist freilich das relativ späte Auftreten der gotischen Minuskel als Konkurrenzschrift, das mit dem Jahr 1403 gut eine Generation später als in den meisten benachbarten Beständen erfolgt.270) Frühere Zählungen mit [Druckseite LXII] dem heute vollständigen Material ergänzend,271) ergibt sich als signifikante Verteilung aussagefähiger, also noch erhaltener oder fotografisch überlieferter Majuskeln: 40 Anwendungen zwischen 1350 und 1399, 17 zwischen 1400 und 1459, 13 nach 1460, bis 1459 noch 3 zusätzliche Inschriften mit Versalien oder Monumentalbuchstaben, nach 1460 noch mindestens 6, die letzte davon sicher datiert auf 1527 (Nr. 415).272) Man hat späten Exemplaren der gotischen Majuskel keine eigene Formenentwicklung mehr zugetraut und in den oft zitierten Beispielen von Erbach und Weinheim273) sicher zu Recht eine Umsetzung des Formenrepertoirs in erster Linie des 14. Jahrhunderts mit nur geringen Abwandlungen erkannt.274) Wenn die Schrift auf der Grabpatte der Katharina von Landeck275) von berufenem Mund als von lapidarschriftlichen Traditionen gelöst und als Buchinitialen nachgebildet bezeichnet wurde, trifft das sicher den eigenwilligen Charakter der im allgemeinen sonst nicht mit Abschlußstrichen versehenen Buchstaben A, F, N, X.276) Weniger konsequent ist dieses Merkmal auch auf den späten Wormser Exemplaren ausgebildet, die freilich daneben auch andere Entwicklungsschritte erkennen lassen, und zwar in teils gegenläufiger Tendenz: Die für Gotisierung von Buchstaben konstitutive Flächigkeit wird weitergetrieben, indem Bogenschwellungen verbreitert einen noch größeren Raum einnehmen und daher der Anteil der ausgehauenen Fläche an der Gesamtfläche eines Buchstabens ansteigt; obwohl die Aufschwellung nicht nur dem äußeren Bogen zugutekam, hatte diese Entwicklung eine wesentliche und dynamische Verstärkung der Sinus-Krümmung zwischen Bögen und Cauden zur Folge. Für die verhältnismäßig schlanken bis überschlanken Majuskeln des 15. Jahrhunderts, die also nicht eine um 1400 angesetzte breitere Form fortsetzen,277) hält das erste Drittel nur vier beurteilbare Exemplare in Worms bereit, die freilich noch nicht den einheitlichen Charakter gerade der Inschriften um die Jahrhundertmitte besitzen, sondern einerseits überstreckte Buchstaben des Wachenheim-Steines (Nr. 177) fortschreiben, aber auch dort nicht auftretende Ausrundungen zwischen Mittelbalken und Bogen des unzialen E aus dem Ende des 14. Jahrhunderts übernehmen, auch nicht konsequent die Überhöhung des Bogens über den niedrigen Schaft bei D anwenden.278) Kurz vor der Jahrhundertmitte wird dann ein verbreiteter sehr flächiger Buchstabentyp greifbar, dessen Eigenheiten sogar auf die Werkstattidentität von mindestens vier Steinen hinweisen; dazu gehören außer identischer Proportion, unzialem A mit schrägem Mittelbalken, kleinem Schaft des D vor allem die Ligatur OR und eben ganz ungotisch wenigstens teilweise auf gerade, stumpfe Striche zurückgeführte Cauden von R und K.279) Kurz darauf setzt sich um 1458/1460 eine gewisse Übersteigerung der Krümmungselemente durch,280) die eine Abkehr von dem einmal erreichten Formenstandard einleitet; das pseudounziale A verliert seinen Deckbalken und schon 1468 (Nr. 265) kommen C ohne Abschlußstriche und unziales D vor. Neue Schriften werfen ihre Schatten voraus.

5. 3. Übergangsschriften, Frühhumanistische Kapitalis

Eine vollends neue Qualität eröffnet die Grabplatte der Elisabeth Eisenhut von 1488 (Nr. 312), bei der die Verfremdung zuvor immer noch gotischer Majuskeln neue Dimensionen erhält und endlich [Druckseite LXIII] lokalisiert werden kann. Gotisch sind sicher noch Schwellungen, Abschlußstriche an C, E, M, X; Bogenschwellungen von A, H, N und R besitzen jedoch nicht mehr die Dynamik der Sinus-Krümmungen, sondern hängen sackartig unter dem Scheitel der Krümmungen und gehen abrupt in kurze, nur leicht geschwungene Cauden oder Zierstriche über. Diese erhebliche Verfremdung wird unterstützt durch Nodi beim I, symmetrische A mit breiter Trabs und gebrochenem Mittelbalken, retrogradem kapitalem N, Nebeneinander auch von kapitalen und unzialen Formen des U/V und T, wobei dem kapitalen T die sonst ausgeprägten spätgotischen Serifen fehlen, und teils offenen unzialen E, die das Epsilon-E durch innere Ausrundung vorwegnehmen. Damit ist die Richtung gewiesen, aus der die neuen Anregungen stammten, nämlich aus dem Alphabet der frühhumanistischen Kapitalis.281) Wenngleich für einen Stein von 1499 (Nr. 344) quasi ein Rückschritt zu mehr Gotik zu verzeichnen ist, läßt sich in Worms ein zweigleisiger Weg zur schließlich im 16. Jahrhundert dominierenden Kapitalis erkennen, wovon einer in gewissen Übergangschritten von gotischem Formengefühl, so sehr das der Einführung humanistischer Schriften widersprechen mag, abgeleitet ist. Schon früher hat der Bearbeiter aus diesen Besonderheiten des Wormser Bestandes auf eine bodenständige Wurzel der Übergangsschriften zwischen Gotik und Humanismus hingewiesen;282) in der Tat sind entgegen früheren Annahmen, diesen Ansatz jedoch bekräftigend, noch zwei Inschriftenträger in die betreffende Zeit datiert worden, die weiteres Ausscheiden von Gotik zugunsten der neuen Formen dokumentieren, ohne daß hier etwa einer konsistent verlaufenden Entwicklung das Wort geredet werden soll: Zu den mit den genannten durchaus vergleichbaren Grabplatten des Nikolaus Wormbs von 1491 in Liebfrauen (Nr. 324) und der Elisabeth Mon[d] von Cassel von 1502 in Ladenburg283) sind die Platten des Vikars Jakob Henel von Pfeddersheim von 1502 und wohl einer angehörigen Person von nach 1502 aus dem Andreaskreuzgang (Nr. 367) sowie die des Kustos von St. Andreas Johannes Indaginis (Nr. 377) hinzuzuziehen. Beim Ladenburger Stein fiel besonders kapitales E ins Gewicht; ebenso deutlich sind aber die gotischen Elemente. Er gehört übrigens streng genommen auch zum Wormser Material, weil er während des Exils des Wormser Klerus, hier von Geistlichen aus dem Andreasstift, für die Mutter eines Wormser Klerikers geschaffen wurde. Gegenüber 1491 finden sich beim Henelschen Denkmal von 1502 weitere Neuerungen in spitzem, symmetrischem A neben einem breiten mit kräftiger Trabs und deutlichen Hastenschwellungen, den offenen C, den schon nicht mehr spätgotischen E, der Anwendung eines Hundertermultiplikators beim Jahr wie beim Ladenburger Stein. Den entscheidenden Schritt von der gotischen Majuskel mit Kapitaliselementen zur nicht-klassischen Kapitalis mit gotisierenden Typen und Formteilen vollzog die Schrift auf den drei Fragmenten der Grabplatte des Johannes Indaginis: Aus dem Gemisch von gotischer Majuskel und gotisch beeinflußter frühhumanistischer Kapitalis stammen Bogenschwellungen bei B, D, O und S, in Dreiecke ausmündende Hastenenden, N wie bei den früheren retrograden mit dünnem Schrägschaft, nach unten gebauchter Nodus des H, während alle Buchstaben doch einem mäßig schlanken kapitalen Typ entsprechen.284) Betreffs der Morphologie der Buchstabenteile entspricht keines der vorgenannten Wormser Beispiele den viel stärker an verfremdeten Kapitalisbuchstaben orientierten Paradebeispielen für frühhumanistische Kapitalis, die, was kaum noch bestritten werden kann, aus Italien über die oberrheinischen Konzilsorte und den habsburgischen Hof in das künstlerische Schaffen Süddeutschlands Eingang fand. Ihre frühesten und besten Anwendungen kamen ohne Einwirken gotischer Majuskeln zustande;285) das heißt jedoch nicht automatisch, daß jede Schriftinnovation und schon gar nicht ihre lokale Weiterentwicklung allein auf Import von Anregungen zurückgeführt werden muß. In extremer Weise polarisiert findet sich die Kombination frühhumanistischer Typologie mit noch gotischer Buchstabenmorphologie in den Nomina sacra des Rüppurr-Kelches (Nr. 411), wie überhaupt im Bereich der metallenen Inschriftenträger diese Kombination lange gepflegt wurde;286) in Worms selbst wurde dieser morphologische Ansatz auch mit der Typologie der Renaissancekapitalis weiterentwickelt, und zwar im Typar des Stadtsiegels von 1550, indem Bögen innen geschwellt und schon verbreiterte Hastenenden an den Füßen gespreizt [Druckseite LXIV] wurden. Die Vielfalt der Entwicklungsmöglichkeiten am Ende des 15. Jahrhunderts tritt vor diesem Hintergrund besonders deutlich hervor, wenn man bedenkt, daß das zwar in Speyer gedruckte, aber sicher in Worms konzipierte Titelblatt der Stadtrechtsreformation von 1499287) und seine Nachdrucke zeitgleich zu gotisierenden Schriften sozusagen reine frühhumanistische Buchstabenmorphologie zeigen, in die freilich mit unzialen D, G neben Epsilon-E auch aus der Gotik stammende Buchstabentypen eingeflossen waren.

Wenngleich in jüngster Zeit allgemeine Übereinstimmung darüber erzielt wurde, daß die unklassischen Kapitalisschriften, also die Kapitalis vor der Renaissancekapitalis im strengeren Sinne, ihre Anregungen aus der Vermittlung italienischer Einflüsse über die oberrheinischen Konzile bezogen und bestimmte Ausformungen die Benennung „frühhumanistische Kapitalis”288) rechtfertigen, so dürfen unzweifelhaft gotische Formenelemente der Sonderformen nicht vernachlässigt werden und sollten, wenn nicht über die Terminologie, doch in den Schriftcharakteristiken gebührende Beachtung erfahren; je weiter man sich von den kulturschaffenden Zentren Süddeutschlands entfernt, um so stärker werden die neuen Formen von „alten”, gotischen, geprägt sein und um so später wird man sie antreffen. Da eine gleichmäßige Ausbreitung der Sonderformen nicht zu erwarten ist, wird man nach weiteren Ausstrahlungszentren Ausschau halten müssen.

Grundsätzliche Einwände gegen die vordergründige Annahme einer kontinuierlich verlaufenden Entwicklung von späten gotischen Majuskeln zur Kapitalis sollen nicht verschwiegen werden: Erstens wird das hier nirgends ernsthaft als allgemeingültige Beobachtung behauptet; das Wormser Material zeigt nur die Verformung einer in langer Tradition stehenden Majuskel in eine Übergangsschrift des Zweilinienschemas. Zweitens entstammt das neue Repertoire zwar frühhumanistischen Einflüssen, wurde aber schon vorher, wie späten Majuskelkennzeichen zuwiderlaufende Tendenzen andeuteten, aus älteren Monumentalalphabeten gespeist; noch gotisierende Elemente der Übergangsschriften zwischen 1468 und 1502 greifen zum Teil also auf frühe Entwicklungsstufen der Majuskel zurück. Das langsame Wirksamwerden der neuen Formideen begleitete ein Rückgang der übertriebenen Schwellungen oder zumindest ihre Verlagerung; sie waren mit dem konkurrierenden Modell kapitaler Einflüsse nicht oder nur schwer zu vereinbaren. Dementsprechend stammen die nichtkapitalen Reste der späteren Wormser Übergangsschriften auch nicht aus der extrem späten Majuskel um und nach der Jahrhundertmitte, sondern lehnen sich wie bei offenen unzialen E meist an Frühformen an. Mit diesen Beobachtungen stimmt überein, daß bei vielen Inschriftenträgern mit Übergangsschriften oder gar noch späteren gotischen Majuskeln eine Tendenz zur Archaisierung bestand, wenngleich diese meist nicht so auffällig zum Tragen kam, wie beim Mainzer Fastrada-Stein289) oder dem Rech-Grabstein in Hagenhausen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts.290) Archaisierung oder besondere Dekorationsabsicht ist aber den meisten Anwendungen von Übergangsschriften und vor allem der frühhumanistischen Kapitalis nicht abzusprechen. Eine Verknüpfung von Archaisierungstendenz und in geringerem Maße sach- und mitteilungsbezogenem Text ließ sich im weiteren Umkreis des Mittelrheines noch nicht bestätigen.291)

Wie die Schriftgeschichte der Kapitalis in Worms lehrt, bildete der skizzierte Formenbestand nicht das einzige Repertoire für Schriftinnovation. Die bislang nicht begründbaren Formveränderungen, ihre Geschwindigkeit und Richtungswechsel, zeigen vielmehr an, wie — wenigstens kleinräumig — die Übernahme von Formen in der Mischung mit Neuem nicht an Kopieren gebunden war, wie im vorlie-[Druckseite LXV]-genden Falle die Präsenz einer Zweilinienschrift zum Experimentieren einlud, gegen die zweifache Konkurrenz von Minuskel und vereinzelter Renaissancekapitalis einen Wormser Sonderweg am Leben erhielt und daraus selbst einen Weg zur Schriftinnovation zu finden schien. Es ist geradezu erstaunlich, für wie lange an klassischem Vorbild orientierte Kapitalis nach ihrer Erstverwendung von 1488 ausblieb und in welchem Maße sie später davon abwich.

5. 4. Kapitalis und ihre Varianten, Renaissancekapitalis

Aus dem Vorangehenden möchte man vermuten, daß es in Worms eine ganze Reihe von Inschriftenträgern mit von klassischer Kapitalis abweichender Formensprache gab; das stimmt so nur zum Teil, weil viele vor 1502 ja noch der gotischen Majuskel zuzurechnen sind. Mehrere frühe Schriftbestimmungen der Kapitalis beruhen auch auf Beschreibungen oder entsprechenden sekundären Benennungen, gar Hypothesen, die sich hinsichtlich der Formentreue nicht abschätzen lassen.

Die Rezeption neuer Stilformen beginnt in der Epigraphik des Reichsgebietes zwar schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts,292) macht sich aber am Mittelrhein erst in den beiden letzten Dekaden bemerkbar. Ihr weithin leuchtendes Vorbild der römischen Antike fand zuvor Eingang in ein neues Bildungsstreben und in den Buchdruck, insbesondere auch in die gestalterische Seite der Drucklettern.293) Nur natürlich ist es daher, die frühe Verwendung von an klassischem Standard der Capitalis quadrata orientierten Inschriften jeweils im Umkreis humanistisch geprägter Persönlichkeiten zu suchen, auch umgekehrt ihre Existenz an das Wirken einer solchen Person zu knüpfen; denkbar wäre sogar die Forderung, die Umstände, die für die frühe, gegebenenfalls zu einer Datierung zeitgenössischen Verwendung sprechen, zwingend zu klären und jeweils den Weg für das Eindringen humanistischen Gedankengutes nachzuzeichnen. Nach der ersten sicheren Verwendung einer an klassischen Vorbildern orientierten, ja sie bis in Einzelheiten nachahmenden Schrift auf dem Stammbaumrelief des Humanisten Johann von Dalberg (Nr. 316) blieben alle anderen frühen Kapitalisanwendungen hinter dieser Qualität zurück, sowohl die Schrift auf dem Titulus des Friedhofskruzifixes (Nr. 331) als auch auf dem Dalbergdenkmal in Herrnsheim (Nr. 297) und der Platte des Johannes Indaginis (Nr. 377). Die Platte der Katharina zum “Pfeilbackhaus” von 1514 (Nr. 385) zeigt Kapitalis mindestens mit starken frühhumanistischen Formen, außer bei den Ziffern ohne nennenswerten Einfluß der Gotik, nämlich nur typologisch beim Epsilon-E, unzialem D und G, H und I mit Nodus, spitzem A mit zentrierter oder nach links weisender Trabs, sich nicht regelmäßig berührenden Cauden und Bögen bei R, N mit hauchdünnem Schrägstrich; morphologische Merkmale wie Schwellungen sind nicht zu erkennen. Die gemalte Inschrift am Relief der Geburt (Nr. 391) ist in so unvollkommenen Resten überliefert, daß man verfälschende Überarbeitungen für den frühhumanistischen Charakter, nicht aber für dessen Einzelheiten ausschließen kann. Wie vergleichsweise wenig selbst der Neubau des Domkreuzganges die Rezeption der neuen Schriftform Kapitalis vorangetrieben hat, mag man daran ersehen, daß als einziger der Schlußstein des Erpho von Gemmingen (Nr. 390) mit Kapitalis beschrieben wurde und diese keinesfalls klassische Proportion oder Formen wahrt, während die Schlußsteine der Stifter von Bildreliefs, die auch mit Kapitalis beschrieben waren, nämlich zumindest derjenige Johanns von Dalberg (Nr. 321) und der des Jakob Meintzer (Nr. 388), eine dekorative Minuskel erhalten hatten.294)

In Proportion, Strichführung, Sporenbildung und Dreiecken als Worttrennern folgt die Stifterinschrift Dalbergs (Nr. 316) besten Vorlagen; trotz seiner Formschönheit am weitesten von klassischen Vorbildern entfernt steht das R, dessen Cauda konvex vom nicht geschlossenen Bogen zur Zeile läuft, eine übrigens bei vielen fast vollkommenen Humanisteninschriften verbreitete Variante, die aber üblicherweise bald der klassischen spornartig am geschlossenen Bogen vorn ansetzenden Cauda wich.295) Die Voraussetzungen für die Entstehung der Inschrift um das Stiftungsjahr 1488 sind in jeglicher Hinsicht gegeben, war doch der Initiator ein gefeierter Humanist, dem sogar eine noch frühere Verwendung der Kapitalis bei den von ihm geschützten Römersteinen (Nr. 300) zuzutrauen ist. Die Vorreiterrolle Dalbergs ist wohl zwingend notwendig, wenn man die Verwendung von rudimentären Kapitalis-[Druckseite LXVI]-buchstaben beim nachgetragenen Sterbevermerk für seinen Onkel Philipp (†1492) in Herrnsheim (Nr. 297) verstehen will; die Kapitalis des Kreuztitulus (Nr. 331) läßt sich hingegen auch aus der Umsetzung griechischer Versalien erklären, wenngleich dieses Verfahren gleichartiger Schriften nicht bei allen zeitnahen Tituli angewandt wurde. In der Inschrift des Johannes Indaginis (Nr. 377) treffen die Entwicklungslinien zusammen, ohne daß sie sich konsequent weiterverfolgen ließen, denn die schlanken Kapitalisbuchstaben des Gemmingenschen Schlußsteines (Nr. 390) mit geringsten Resten gotischer Elemente296) und die undifferenzierten des Kreuztitulus auf der Wiesoppenheimer Kasel (Nr. 412) schließen nicht die Lücke zur dem Standard nahen Schrift auf dem Kelch des Lorenz Truchseß von Pommersfelden (Nr. 417).297) Bei allem Bemühen um Proportion und Buchstabenformen zeigte auch die Monstranz des Caspar Naysar von 1523 (Nr. 409) in symmetrisch breitem A und offenem D unklassische Buchstaben. Wiederum weit entfernt von diesen sind die schlanken Kapitalisbuchstaben der Grabplatte des Albert Aschenbenner von 1535 (Nr. 422).

In Worms kann man für die 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts mangels dicht beieinanderliegender und ausreichend langer Texte wenig Aussagen zur Kapitalis machen. Wie in den meisten anderen Beständen auch setzt eine dichtere und damit aussagefähige Überlieferung erst um die Mitte des Jahrhunderts ein. Trotz zeitlicher Nähe und Verwandtschaft erhielten die Kapitalisbuchstaben auf Dalberger Denkmälern in Herrnsheim und Abenheim unterschiedliche Proportionen (Nr. 435, 462, 464, 473, 477). Es überwiegen außer bei diesen dalbergischen Epitaphien und einem weiteren im Dom (Nr. 435, 462, 464, 470, 477) relativ große Buchstaben mit klaren, nach klassischen Formen strebenden, meistens jedoch etwas schlankeren Kapitalen. Ebenso wie bei diesen Denkmälern weicht die Schrift noch erheblich von gutem Standard ab beim Widmungsstein des Andreas Rauber von 1550 (Nr. 449) und dem ersten Stein des Lutherfriedhofes für Daniel von Krickenbeck (†1562) (Nr. 482), in deren Umgebung möglicherweise sogar das Weinsheimer Steinkreuz (Nr. 418) zu setzen wäre. Gegenüber ihren R und K mit konvexen Cauden, durchweg schlanken Proportionen, konischen M mit kurzem Mittelteil erkennt man bei dem Stein des Nikolaus Vorwort von 1552 (Nr. 453) wenigstens die Bemühung um klassische Formensprache in spornartigen R-Cauden, zu Beginn fast kreisförmigen O, quadratischen M, Verteilung der Schattenlinien und dreieckigen Worttrennern. Die Mehrzahl der im Umkreis der Familie Dalberg entstandenen Denkmäler wurden mit kleineren, teils sehr individuellen Kapitalisbuchstaben beschrieben, wobei sich die beiden großen Epitaphien des Endres Wolff (Nr. 470, Heppenheim-Denkmal im Dom von 1559; Nr. 477, Dalberg-Denkmal in Herrnsheim von 1561) von den ebenfalls miteinander verwandten in Herrnsheim und Abenheim durch die größere Nähe zu quadratischer Proportion und klassischer Form abhoben. Die Schrift auf den Epitaphien Rechberg und Breidbach zeichnet sich durch eigenwillige Nodi bei I, nach links zeigender Trabs der A, am Schaft anliegender Cauda des R und kräftige, zum Teil schon im Schaft vorbereitete Sporenendungen aus. Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts fanden sich in Worms also aus verschiedenen Quellen gespeiste Ausformungen der Kapitalis und nur bei wenigen Denkmälern wird man direkte Abhängigkeit der Schrifttypen untereinander feststellen können. Über mögliche Vorlagen und Muster ist zu wenig bekannt, als daß man Hände von Herstellern durchgängig bestimmten Vorbildern zuweisen könnte. In der ersten Entwicklungslinie der größeren Buchstaben stehen die meisten Umschriften in Kapitalis. Bei vielen Denkmälern des lutherischen Friedhofes lief demgegenüber bald eine weitere Kräftigung der Linienführung bei relativ kleinen Buchstaben nebenher, die dann bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts zu einer deutlich vergrößerten ausgehauenen Fläche pro Buchstabe führte und eine erhebliche Zusammendrängung verursachte; diese führte aber nicht zu schlanken Formen. Auch bei der großen am ehesten noch Renaissancekapitalis zu nennenden Spielart schlichen sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts und verstärkt nach 1610 experimentelle Formen ein wie das R mit nicht am Schaft zusammentreffenden Bögen und Schäften (Nr. 567, 642, 643, 650, 657, 658, 663). Interessant ist, daß das R mit leicht unter die Zeile geschwungener Cauda sowohl auf dem nach klassischen Idealen strebenden Rodenstein-Denkmal wie auch auf den eben angegebenen stärker abweichenden und auch auf den Denkmälern der anderen, gedrängten Spielart vorkommt. Erst recht ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts muß man in Worms also auch innerhalb der Kapitalis mit erheblichen Differenzierungen rechnen, da mindestens abhängig vom Rang des Auftraggebers und des künstlerischen Anspruches nur bei einem Teil der Denkmäler eine Formensprache der Antike in damaliger Verkleidung angestrebt wurde. Gefährlich wäre es, anhand von einzelnen Leitbuchstaben oder vordergründig typischen Ausprägungen einen Gradmesser für antikisierende Ambitionen zu suchen, da bei den wenigsten Exemplaren eine stilistisch befriedigende Durchbildung zum Tragen kommt und am Ende des Jahrhunderts auch bei Inschriften mit [Druckseite LXVII] deutlichem Anspruch klassischer Gelehrsamkeit die zeitgenössische spielerische, dekorative Schriftgestaltung das wohlbekannte ideale Formenrepertoire überdeckt, ja eigenwillige Konstruktionen zum Vorschein bringt wie das insbesondere bei größeren Schriften gebrauchte R mit nicht zusammentreffenden Bögen und Cauden oder G und R mit unter die Zeile geführten Cauden. Das heißt nicht, daß es so etwas wie das Streben nach klassisch klaren Formen nicht mehr gegeben hätte; es fehlen aber zunehmend Indizien, unter welchen Bedingungen dieses zum Tragen kam, wenn für schlichte deutschsprachige Grabinschriften „idealere” Formen erreicht wurden als für manche sich sogar mit antiker Gelehrsamkeit brüstende.298) Meistens begegnet dagegen das Nebeneinander entgegengesetzer Tendenzen; so verwirklichte der Hersteller des Printschen Epitaphs (Nr. 616) die schräge Schattenachse des O und die Verstärkung gerade von schrägen Linien, spielt ebenso wie der des Rodenstein-Epitaphs von 1604 (Nr. 611) mit den Cauden von G und R.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stößt zu beiden Entwicklungslinien ein weiterer Verfremdungseffekt, der, so muß man vermuten, aus Einflüssen zeitgenössischer Druckschrift stammt. Sowohl bei einzelnen Versalien als auch innerhalb größerer Textpassagen werden nun Buchstaben mit Zierstrichen, Kursiven, wieder epsilonartigen E, U und A mit gebrochenem Mittelbalken benutzt,299) besonders auffällig in den werkstattgleichen Denkmälern Rühle und Oswald (Nr. 718, 722); viel stärker als vorher scheidet in jener Zeit schließlich Schriftwechsel verschiedene Textpassagen voneinander.

Nahezu alle Schriftbeschreibungen in den Bänden des Inschriftenwerkes flechten in die allgemeinen Charakterisierungen nach Stil und Ausführungsqualitäten gewöhnlich Beschreibungen einzelner Buchstaben und ihrer Sonderformen durch die Zeiten hindurch ein. Groß ist daher die Versuchung, aus einzelnen Merkmalen Leitformen herauszufinden und daran Entwicklungsstufen oder Datierungsindizien zu knüpfen. In keiner Weise läßt sich das Wormser Material jedoch nach den von Rudolf M. Kloos für München formulierten drei Stufen der Kapitalisentwicklung einteilen und vor allem nicht an einem Leitbuchstaben M messen.300) Für das Münchner Material hat die Hypothese zumindest eingeschränkte Gültigkeit, wenngleich auch nach 1600 einige Ausnahmen von nahezu quadratischem M mit herabgezogenem Mittelteil als angeblich typischem Buchstaben zu nennen sind;301) die vereinzelten Wormser Belege von 1488, 1573, 1582, vor 1594, 1658302) sind oft noch mit anderen M-Formen vermischt und widersprechen in ihrer Verteilung der genannten Hypothese, die man als generelle Regel wohl nur auf Denkmäler besonderer Wertigkeit von Inhaber und Künstler bei starken Tendenzen zur Antikisierung anwenden darf. In durch ihre soziale Schichtung dafür nicht prädestinierten Beständen muß man ohne diesen Anhaltspunkt auskommen, da etwa in Worms auch bei nach dem Vorzeigen antiker Gelehrsamkeit strebenden Denkmälern im Gegenteil gerade nicht klassische M der Capitalis quadrata benutzt wurden. Am nächsten kommt diesem Ideal noch 1634 die Platte des Wolff Johann von Dalberg (Nr. 683) mit in weiten Teilen, auch bei kreisrunden O, M und R, klassischen Formen. Der Vergleich einer ganzen Reihe mindestens verwandter, wenn nicht gar werkstattidentischer Denkmäler zeigt jedoch, daß zumindest M mit bis zur halben Zeile reichendem Mittelteil sowohl gerade als auch konisch zeitnah oder sogar nebeneinander auf einem einzigen vorkommen können (Nr. 525); damit entfällt diese Formenvariation als Datierungselement. Übereinstimmend mit Kloos muß man aber rundem U vor der Mitte des 17. Jahrhunderts Mißtrauen entgegenbringen;303) danach kommt es mit Abstrich, im 18. Jahrhundert sogar regelmäßig ohne Abstrich vor.

Höchst schwierig gestaltet sich das Herausfinden von Stilzusammenhängen für die an lutherischen Denkmälern beteiligten Werkstätten. So kann man zwar dem Meister GH drei Denkmäler (Nr. 521, 525, 535) aufgrund von Initialen und Steinmetzzeichen zuschreiben, was durch Stil und Schrift bestätigt wird, darf dieses Ergebnis jedoch nicht auf die unmißverständlichen Belege der Meisterzeichen beschränken. In der Gestaltung von Schrift, man vergleiche die Ligaturen, Einstellungen von Buchstaben, R und nach rechts nicht ausgerundetes G, Ornamentformen, Wappenhelme von 1574, 1583 und 1588, bestehen durchaus enge Parallelen zu den Denkmälern der Schlatt (Nr. 506, 554); ein Werkstatt-[Druckseite LXVIII]-zusammenhang ist umso wahrscheinlicher, als Wilhelm Keberer (Nr. 535), der Inhaber des letzten sicheren Steines von GH, mit einer Schlatt verheiratet war. Auch der Stein der Familie Ayermann (Nr. 527) paßt stilistisch zu dieser Gruppe, die gegebenenfalls noch durch weitere Denkmäler zu erweitern wäre, die nicht in demselben Maße eindeutige Zuordnungsmerkmale aufweisen, etwa durch den Geuderschen Stein von 1573 wegen Helmzier und Mittelsäule sowie Buchstabenverbindungen (Nr. 503) oder den Grabstein der Helena Drach von 1568 (Nr. 494) wegen Schriftduktus und Pilasterornamenten.304) Bezeichnenderweise existiert aber am Ende des 16. Jahrhunderts eine sichere künstlerische Verbindung zwischen Denkmälern der lutherischen Dalberg in Herrnsheim und solchen des lutherischen Friedhofes der Reichsstadt. Auch nach dem Dreißigjährigen Krieg konnten Schrifteigenheiten auf Denkmälern des lutherischen Friedhofes von 1667 und 1671 (Nr. 718, 722) für Werkstattgleichheit der Kapitalisbuchstaben reklamiert werden.

Insgesamt erlaubten die vielfältigen Aussprägungen der Kapitalis in Worms nur eingeschränkte Zuweisungen zu gemeinsamen Werkstätten; bei einer ganzen Reihe von Denkmälern paßten sie in zeitübliche Schemata, ohne sich durch besondere Eigenheiten in zeitliche Schichtungen trennen zu lassen. Für eine systematische Schriftbeschreibung ebenfalls fruchtlos erwiesen sich sowohl singulärer Verlust von Sporen (Nr. 673) als auch durch alle Zeiten, Denkmaltypen und Personengruppen zu verfolgende unter die Zeile gezogene R-Cauden. Plumpe Monogramme meist bei Bauzahlen und seltsame Blüten treibende Verschachtelungen einer Kanzelinschrift aus Mariamünster (Nr. 524) blieben ebenfalls als Randerscheinungen ausgeklammert. Kursive Kapitalis, zuerst bei gemalten Inschriften des Bettendorff-Epitaphs von 1580 (Nr. 514), spielen mit zwei weiteren Exemplaren (Nr. 621, 734) keine beachtenswerte Rolle in der monumentalen Schriftentwicklung in Worms. Gemeinhin wird die Datierung von Kapitalisbuchstaben dadurch erschwert, daß eben verschiedenste Ausprägungen nebeneinander vorkommen können; so ist immer wieder, auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, einzelnen Schriften das Streben nach klassischer Proportion, Klarheit und Formensprache anzumerken, obwohl zeitgleich auch völlig anders gestaltete Werke entstanden.

Bei der Suche nach Verteilungsmustern wird gewöhnlich darauf hingewiesen, daß für lateinische Texte im 16. Jahrhundert bevorzugt Kapitalis, für deutsche noch gotische Minuskel oder Fraktur benutzt wurde. Diese grobe Vereinfachung gilt für Worms nur sehr eingeschränkt, da schon die Grabplatte der Katharina “Zum Pfeilbackhaus” von 1514 (Nr. 385) in deutscher Sprache beschrieben ist und um die Mitte des 16. Jahrhunderts eine lange Reihe adliger (Nr. 435) und auch bürgerlicher (Nr. 454) Denkmäler in deutscher Sprache einsetzt. Die Kombination von Kapitalis und deutschem Text legen immerhin eine Spätdatierung des Weinsheimer Steinkreuzes zum Todesfall von 1531 (Nr. 418) nahe. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß die drei frühesten Oppenheimer Kapitalis-Belege (1519, 1522, 1525)305) trotz Strebens nach klassischen Formen alle in deutscher Sprache geschrieben sind, während doch sonst die Kombination von Volkssprache mit früher Verwendung klassischer Kapitalisformen jener Antikenimitation als dem auslösenden Faktor der Kapitalisverwendung zu widersprechen scheint und dementsprechend selten blieb.306) Ein bezeichnendes Licht auf den Ausnahmecharakter dieser Kombination wirft das 1492 eben lateinisch und in Kapitalis nachgetragene Datum beim sonst deutsch und in gotischer Minuskel beschriebenen Dalberg-Denkmal (Nr. 297). Im klerikalen Bereich wurde bei Grabinschriften ausschließlich Latein verwendet307) und nach 1550 wirklich meist mit Kapitalis verbunden. Mindestens drei Denkmäler benutzten für die Grabinschrift des Mannes Kapitalis oder humanistische Minuskel beim lateinischen Text und Fraktur für den deutschen Text der Ehefrau.308) Eine bezeichnende Ausnahme von einer weitgehend regelhaften Kombination der Volkssprache mit Fraktur bildeten der Gedenkstein der Hochheimer Nonnen und die Grabplatte der Äbtissin Margaretha Halpquart (Nr. 425, 431), bei denen früheste Frakturen für lateinische Texte gewählt wurden.

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5. 5. Gotische Minuskel

In handschriftlichen Gebrauchsschriften dominierte seit der Karolingerzeit die Minuskel. Besonders herausgehobene Texte und Textteile, also Initialen, Überschriften, Bildbeischriften, waren jedoch seit jeher repräsentativeren Majuskelschriften vorbehalten. Die meisten früheren Inschriften lassen sich durchaus mit diesen Textgattungen vergleichen; daher verwundert es nicht, daß sie ebenfalls und zudem ausschließlich in Majuskeln geschrieben sind, und zwar noch lange nachdem handschriftliche Minuskeln für ranghohe Texte in Übung kamen. Um Minuskeln, also eine Buchschrift des Vier-Linien-Schemas, in Monumentalschrift zu übersetzen, mußte man sich eine künstlerisch und für das repräsentative Anliegen befriedigende Variante aus Handschriften heraussuchen. In der Regel folgen Minuskelinschriften spätestens ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts den gitterartig eng beieinanderstehenden Formen der Textura oder Textualis formata bzw. Textus quadratus.309) Da es sich innerhalb der Monumentalschriften um etwas völlig neues handelte, beanspruchte diese Veränderung zwischen den Protagonisten und der allgemeinen Durchsetzung einen verhältnismäßig großen Zeitraum. Es ist nur natürlich, daß auch bei dieser Innovation Objekten mit nichträumlichen, also gemalten Inschriften eine Vorreiterrolle zufiel, weil der Weg von handschriftlichen Vorlagen zur Umsetzung in anderes Material geringer war.310) Das Grabmal des Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt (†1320) gilt im Reichsgebiet als das Denkmal mit der ältesten, und zwar gemalten Minuskel zumindest innerhalb dieser Gattung; Glasmalereien in Wienhausen und Eßlingen311) könnten ebenfalls so früh anzusetzen sein.

Im Vergleich mit umliegenden Beständen scheint die Übernahme in Worms extrem lange gedauert zu haben, denn das erste sicher datierte Denkmal mit einer gotischen Minuskel stammt erst aus dem Jahre 1403 (Nr. 206), wenn man von einer sehr hypothetischen Datierung einer stark fragmentarischen und nur fotografisch überlieferten Platte von nur vielleicht 1390 (Nr. 173a) absieht, und liegt damit mindestens eine Generation nach den umliegenden Bereichen.312) Die nächsten Belege sind um 1430 (Nr. 222) und auf 1449 (Nr. 238) zu datieren und scheinen ebenfalls der anderweitig gültigen Tendenz einer seit Ende des 14. Jahrhunderts zunehmenden Dominanz der gotischen Minuskel zu widersprechen. Die lange anhaltende Verwendung der gotischen Majuskel, so könnte man leicht schließen, habe die Entwicklung und Übernahme der Minuskel zuerst verhindert und dann gebremst. Ganz uneingeschränkt dürfen diese Aussagen nicht stehenbleiben, weil eine Eigenart der Wormser Überlieferungssituation berücksichtigt werden muß: Von 70 Inschriften zwischen 1350 und 1399 sind immerhin 40 hinsichtlich der Schrift aussagefähig, alle ausnahmslos in gotischer Majuskel, jedoch davon nur 3 von überhaupt nur 5 überlieferten Inschriften aus dem Bereich des Domes. Von 40 weiteren Inschriften bis 1450 sind 18 aussagefähig und wieder nur verhältnismäßig wenige, nämlich 2 von 12 des Domstiftes. Somit zeigt heute erfaßbar derjenige Bestand in der Stadt Worms, in dem man vorrangig die Verwirklichung einer Schriftinnovation etwa nach Mainzer Vorbild erwarten dürfte, in dem weitesten möglichen Zeitraum zwischen 1350 und 1450 nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil der gesamten Wormser Inschriftenproduktion. Für die fragliche Zeit existieren und existierten auch früher kaum bischöfliche Grabdenkmäler oder Bau-, Meister- und Ereignisinschriften, in deren Umfeld gotische Minuskeln früh und stärker verbreitet waren. Die ungünstige Überlieferungssituation, die im Falle des Domstiftes wohl schon auf die spätgotischen Kreuzgangumbauten zurückzuführen ist, könnte daher auch für das scheinbar verzögerte Auftreten der Minuskel verantwortlich gemacht werden, sie erklärt jedoch allenfalls eine mindere Dichte der Minuskel. Verspätet und zudem wenig ausgeprägt kam hingegen die Tradierung der neuen Schrift in Worms zustande, als ein real existierendes Phänomen des Bestandes und nicht nur seiner Überlieferung, wenn man bedenkt, daß frühe Minuskelinschriften in anderen, besser [Druckseite LXX] dokumentierten Kirchen Nachahmungen gefunden haben müßten,313) noch um die Mitte des 15. Jahrhunderts Majuskeln bei dicht gedrängten Schriftbelegen als besondere Kennzeichen einer Werkstatt oder gar eines Meister zu erkennen sind, es sich also um eine lebendige Tradierung handelte, und daß erst mit dem Kreuzgangneubau ab 1484 die Minuskel zur wirklich dominierenden Schrift wird.

Vor jenem Zeitpunkt können Minuskeln nur als Einzelfälle beschrieben werden; Aussagen etwa zum Formenbestand und zur Behandlung von Versalien sind angesichts der geringen Bestandsdichte nicht generalisierbar. Das früheste Exemplar von 1403, die Grabplatte für Gudichin Kämmerer von Worms geb. Landschad von Steinach, preßt die Buchstaben in Übereinstimmung mit der These einer verspätet einsetzenden Minuskel noch in ein altes Zwei-Linien-Schema und zeigt gewisse Unsicherheiten in der senkrechten Linienführung; Proportionen der Brechungen und Abstände zwischen Schäften fallen ebenfalls unregelmäßig aus.314) Die beiden sich in weitem Abstand anschließenden Belege von 1430, Dreijungfrauenstein (Nr. 222), und 1449, Glöckner Johannes Gunther aus Seligenstadt (Nr. 238), sind beide nicht im gesamten Text vollständig ausgehauen; wenigstens die Vorritzungen streben schon einen besseren Formenstandard an, der 1454 auf der Grabplatte der Äbtissin Lieba zum Guldenring (Nr. 250) in eindrucksvoller Gestaltung erreicht wird. Bei der trogartigen Minuskel sind die meisten Brechungen durch gebogene Linien aus den Schäften herausgeführt, wodurch die Spitzen der Quadrangeln in besonderer Weise betont werden. Die Tendenz, auch die Minuskeln in ein artfremdes Zwei-Linien-Schema zu zwingen, ist damit in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts jedoch noch nicht überwunden, wie noch ein entsprechendes Beispiel zu 1479 (Nr. 235) zeigt.

Mit zunehmender Dichte der Denkmäler mit Minuskelschrift ab etwa 1480 stellen sich alsbald Veränderungen bei Versalien und Minuskeln ein: So übertreffen die sehr ähnlichen Schriften auf den Denkmälern des Johannes Koler und der Kapellenstifter Philipp und Barbara Kämmerer von Dalberg (Nr. 287, 297) die klare und saubere Gestaltung auf jenem des Dieter Kämmerer (Nr. 264) durch Zierstriche und in eingerollte Cauden überführte gespaltene Schaftenden. Einen erheblichen Schub, der sich auch auf die Gestaltung der Versalien auswirkte, erhielt die Minuskel durch den Bau des spätgotischen Kreuzganges. Statt gelegentlich benutzter Versalien aus der gotischen Majuskel dringen vor allem hier seit spätestens 1486 (Nr. 310) wiederum neue Formen ein, die an schreibschriftliche Vorlagen gotischer Buchschriften anknüpfen; manieristische Verdoppelungen von Schäften und Bögen, Auszierungen von S in unten nach rechts weisende Bögen, sehr charakteristisch eine Spaltung zwischen nach links oben auslaufendem Schaft und Bogen des R, jeweils Elemente auch der späteren Fraktur-Versalien. Es handelt sich dabei durchweg um Buchstabenformen der Gebrauchsschrift, während Initialen in Handschriften noch weitgehend in gotischer Majuskel geschrieben waren. Fremdformen anderer, in diesem Falle sehr individueller Art bildeten die Grundlage für die Zuschreibung von mindestens Werkstattidentität zweier Grabplatten von 1483 (Nr. 293, 294): Augenfällige Übereinstimmung besteht in links geschlossenem doppelstöckigem a mit durchgezogenem Querbalken wie bei Versalien und einer noch schwach ausgeprägten Tendenz, untere Brechungen von f und i (Nr. 293) sowie obere Brechungen von u (Nr. 294) in Spitzen auslaufen zu lassen; die zweite Platte zeigt in rundem unzialem D und h eigenwillige experimentelle Formen einer schriftgeschichtlichen Umbruchzeit. Versalien und Mittelbalken des a, kombiniert mit Zierstrichen und i-Punkten, lassen bei mindestens drei Kreuzgangschlußsteinen aus dem Dom ebenfalls an eine identische und gegebenenfalls von voriger beeinflußte Werkstatt denken (Nr. 329, 335, 337). Bis zum letzten datierten Exemplar einer gotischen Minuskel in Worms auf der Grabplatte der Barbara Krapff (Nr. 428) verstärkte sich die Tendenz zur Schaftspaltung, die mit sehr ornamentalen Formen 1481 (Nr. 287, 297f.) begann. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts kündigt sich die Aufbrechung des starren Buchstabensystems der gotischen Minuskel darin an, daß bei einzelnen Buchstaben öfter und bei einzelnen Inschriften fast experimentierend das Hauptkennzeichen der Schaftbrechung zurückgedrängt wird; so werden die Fußquadrangeln nicht nur bei der letzten Haste des m zugunsten einer unter die Zeile reichenden Spitze aufgegeben, sondern auch bei i und analog oben bei v und u (Nr. 293f.) Quadrangeln durch Spitzen ersetzt. Durchbiegung von Schäften kann Verschleifung der Schaftbrechung zu runden Übergängen an den Schaftfüßen herbeiführen; es verwundert nicht, daß bei der betreffenden Inschrift von 1505 (Nr. 373) die langen s und f nicht mehr konsequent auf der Zeile stehen und verschiedenste Versalien benutzt wurden. Nur eine einzige erhabene Minuskelschrift gehört nicht zu den Inschriftenträgern Glocken und Metallarbeiten; [Druckseite LXXI] die Bauinschrift der Liebfrauenkirche von 1465 (Nr. 259) zeigt denn auch die mit erhabenen Inschriften in Stein häufig auftretenden Schwierigkeiten in Zeilentreue und Proportionen.

Auf original erhaltenen Inschriftenträgern läßt sich die Ablösung römischer Zahlbuchstaben durch gotische Ziffern erst relativ spät 1478 bei einer Bauzahl (Nr. 280) und 1483 bei einem Grabdenkmal (Nr. 297) belegen, und schon bald beginnen arabische Ziffern in den Regelformen des 16. Jahrhunderts die gotischen zu verdrängen, wie man an der 4 von 1492 (Nr. 297) und der 5 von 1507 (Nr. 379) erkennen kann; daneben ist die halbe acht freilich noch bis 1514 (Nr. 385, 388) nachweisbar.

5. 6. Fraktur

Als Konkurrenzschrift zur Kapitalis wurde die gotische Minuskel von der Fraktur abgelöst. Da diese bald nach 1500 in Prachtdrucken benutzt wurde und als Ausgangspunkt zahlreicher gebrochener Drucktypen bis ins 20. Jahrhundert gilt, außerdem in mannigfaltigen Ausprägungen durch Schreibmeister und bildende Künstler verbreitet wurde, steht ihre epigraphische Verwendung gegenüber den vorangehend besprochenen Schriften in engerem Zusammenhang mit Verwendungen in Handschriften und vornehmlich Drucken. Es wird heute kaum mehr bestritten, daß ihre Wurzeln in handschriftlichen Bastarden315) des 15. Jahrhunderts liegen316) und sich schon vor den kaiserlichen Prachtdrucken bei den Schreibmeistern des 15. Jahrhunderts ein gegenüber der Textualis neuer Formenkanon herauszubilden begann,317) ein Formenkanon freilich, der bei der Offenheit der neuen Buchstaben zu künstlerischer Ausgestaltung einen ungewöhnlichen Reichtum hervorbrachte. Aus der epigraphischen Verwendung läßt sich das bestätigen, da erste, die Tendenzen und Merkmale der Fraktur vorausnehmende Versalien schon ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts benutzt wurden.318) Sie stammen allesamt aus Vorlagen, die offenbar auf Versalien in Buchschriften zurückgehen, jedoch nicht auf die weiterhin für repräsentative Versalien genutzten gotischen Majuskeln, sondern auf Buchstaben, die das Ideal der einfachen Linienführung verlassen haben und auf schmückende, nicht zum Wesen des Buchstabens gehörende Elemente nicht verzichten: Es handelt sich dabei um manieristische Verdoppelungen von Schäften und Bögen, Auszierungen von S in unten nach rechts weisende Bögen, sehr charakteristisch eine Spaltung zwischen nach links oben auslaufendem Schaft und Bogen bei R und B, Brechung und teilweise Verdopplung von Bögen, jeweils Elemente auch der späteren Fraktur-Versalien.319) Bei diesen frühen, in der Lapidarpaläographie quasi noch experimentellen Formen herrscht eckige Linienführung in den zusätzlich unterbrochenen und mit neuem Ansatz weitergeführten Bögen vor. Sozusagen als Ausnahmen geltende, an schreibschriftlichen Vorlagen orientierte Versalien machen eine Schrift noch nicht zur Fraktur, deren Merkmale in den Formen der Gemeinen zu suchen sind, wenn man sie von gotischen Minuskeln, denen eben Frakturversalien nur beigegeben sind, unterscheiden will. Eine Erörterung der kontroversen Diskussion über die determinierenden Merkmale einer Fraktur kann hier unterbleiben;320) nennen muß man für die Definition bei den Versalien S-förmige Anschwünge, sogenannte „Elefantenrüssel”, die bei Inschriften in Stein jedoch oft nicht realisiert werden konnten, Streckung der Gemeinen, leicht geflammte Quadrangeln, unter die Zeile reichende f und s,321), außerdem Spaltung der Oberlängen, nach Fichtenau allesamt Ausflüsse der künstlerischen Gestaltung „offener Buchstaben”,322) und das einstöckige a. Statt der gotischen Brechungen trifft man häufig zum Fuß auslaufende gebogene Schäfte an, deren Bildung sich auch im Schwung der oberen Schaftteile niederschlug. Trotzdem wird es oft vorkommen, daß charakteristische Frakturbuchstaben neben noch ganz gotischer Minuskel verpflichteten stehen; umso näher sind sich die Formen, je mehr man sich an die Nahtstelle kurz vor der Mitte des 16. Jahrhunderts begibt.

[Druckseite LXXII] In Worms ist schon der kollektive Gedenkstein der Hochheimer Nonnen von 1535 (Nr. 425) in Fraktur geschrieben, ebenso wie die Grabplatte der Äbtissin Margaretha Halpquart von 1543 (Nr. 431) mit U-förmigem A; die Schäfte der Gemeinen besitzen noch in Reste von Quadrangeln auslaufende Füße. Vergleichbare Formen mit zusätzlich mehr Fraktur-Versalien enthält die Geudersche Grabplatte von 1548 (Nr. 438). Alle bis 1559 folgenden Anwendungen unterscheiden sich nur unwesentlich von diesen, wenn man davon absieht, daß die Fraktur auf der Platte des Ehepaares Eberhard Kämmerer und Ursula von Hutten (Nr. 461) in Herrnsheim nicht die eigentlich charakteristischen und auf dem väterlichen Denkmal (Nr. 443) vorbildhaft verwirklichten bis unter die Zeile reichenden f und s aufweist. Spät zum Jahre 1572 überraschen dann die Buchstabenformen auf der Grabplatte der Apollonia Renner (Nr. 499) noch mit dem Nebeneinander von aufwendig gestalteten Fraktur-Versalien und auf die Schaftbrechungen gotischer Minuskel zurückgreifenden Gemeinen. Weniger konsequent sind die gotischen Brechungen beim Grabstein des Peter Offenmacher (Nr. 508) und der Platte der Philipp Engelmann (Nr. 593), bei der allerdings nochmals o mit Brechungen vorkommt. Beide Tendenzen halten lange und erstaunlicherweise auch bei ansonsten reich ausgestalteten Schriftformen der Fraktur an, etwa auch besonders deutlich beim Denkmal der Anna Zorn (Nr. 667). Die Verquickung von Elementen aus gotischer Minuskel und Fraktur, und zwar nicht nur in der Kombination von Minuskel-Gemeinen mit Fraktur-Versalien, ist ein Phänomen, das in allen Beständen mit genügender Dichte beobachtet wurde.323) Sehr verbreitet ist jedoch auch eine Annäherung der Gemeinen aus Fraktur und humanistischer Minuskel.324) In diese Richtung geht in Worms die zur Kursive neigende ausführliche Beschriftung der beiden Dalberger Familienepitaphien von 1591 (Nr. 551f.); zur Mischung von Fraktur- und kapitalisnahen Versalien treten Unterlängen von f und s, einstöckige a, insgesamt jedoch ohne die typischen Schwünge stark gerundete Buchstaben mit teils deutlichen Aufstrichen der Kursive. Die eigenwillige Form resultiert aus der Anbringung als gemalte Inschrift.

Es ist gewiß richtig, gerade bei Frakturbuchstaben Ausschau nach Vorlagen oder Werkstattbeziehungen zu halten. In der Tat konnten ja nicht nur im außergewöhnlich dichten Bestand der bürgerlichen Nürnberger Friedhöfe325) paläographische Beziehungen von Denkmälern herausgefunden werden; stilistische Identifizierungen von Werkstätten wurden in den Landkreisen Enzkreis und Ludwigsburg durch Vergleiche der Frakturbuchstaben erhärtet.326) Die ritterschaftliche Prägung dieser Standorte und deren Vorliebe für deutschsprachige Inschriften legten zusammen mit der Verpflichtung qualifizierter Werkstätten den Grundstein für die hohe Dichte qualitätvoller Denkmäler mit Frakturbuchstaben. In weniger ausgeprägten Werkstattlandschaften und ohne Hilfe durch besonderen Aufbau und Ornamentik der Denkmäler wird es jedoch kaum gelingen, einander ähnliche Frakturschriften ohne etwa Leitfehler und Abnormitäten einer Schule zuzuschreiben, da eine ganze Reihe von Frakturanwendungen an die Vorlage von Schreibmeisterbüchern geknüpft werden muß, wie das etwa für die genannten Bestände in Nürnberg und im Enzkreis auch getan wurde.

5. 7. Humanistische Minuskel

Als Gebrauchsschrift für Handschriften und Drucke entwickelte sich im 15. Jahrhundert eine gut lesbare Minuskelschrift, die dem Streben italienischer Humanisten nach antiken Vorbildern und ihrer Klarheit entsprang, dabei freilich in ihren ersten Ansätzen auf nachkarolingische Vorlagen zurückgriff.326) Nun ausgeschiedene Bogenverbindungen und durch Rundung bessere Unterscheidbarkeit der Buchstaben erleichterten Schreiben und Lesen und machten die neue Schrift nicht nur zu einer beliebten Buchschrift vorzugsweise antiker oder gelehrter humanistischer Texte; ihre Grundform hätte sie auch für die Umsetzung in Monumentalschrift empfohlen. In der weiteren Umgebung von Worms blieb jedoch die Anwendung der neuen Schrift trotz der Nähe der Heidelberger Humanisten-Universität gering. Außer isolierten Beispielen in Mainz, nämlich den Denkmälern des Administrators Adalbert von Sachsen und der Gebrüder Strohhut jeweils von 1485,327) sind nur die letzteren nahe verwandten [Druckseite LXXIII] des Peter Wolf aus Limburg von 1515 in Ober-Ingelheim328) und des Heinrich Pistor, Kantor in St. Victor zu Mainz, von 1531 in Mainz-Weisenau,329) bekannt geworden. In Heidelberg setzt die Verwendung der humanistischen Minuskel spätestens mit dem Denkmal des Thomas Rhiner 1546 ein,330) gefolgt von dem des Nikolaus Druchlaub (†1559), das dem seines vorverstorbenen, gleichnamigen Vaters in Oppenheim von 1560 in Schrift und Aufbau in höchstem Maße ähnlich sieht;331) in Schaftbrechungen und Unterlängen von f und langem s blieben beide Merkmalen der gotischen Schriftfamilie verhaftet. Die humanistische Schrift hielt sich im Umkreis der Universitätsangehörigen und war in der Regel mit Texten in gelehrter lateinischer Dichtung verbunden. Das trifft auf die frühen Wormser Belege ebenfalls zu: Die Grabinschrift Hans Caspar Meiels von (1587)/1601 (Nr. 534) besteht aus jambischen Trimetern, und auf dem Denkmal der Familie Hermann Wackers von 1608 (Nr. 621) sind die drei heiligen Sprachen benutzt.332) In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzt sich diese Verbindung von Schriftform und anspruchsvollem Text fort; lediglich bei der Stifterinschrift des Johannes Rühle von 1667 (Nr. 717) und dem Lützowschen Grabstein von 1679 (Nr. 731) findet die humanistische Minuskel Anwendung für deutschen Text.

Tabelle der Schriftarten in zeitlicher Untergliederung, ohne Berücksichtigung einzelner Versalien; nach dem Schrägstrich Anzahl der zusätzlich zu originalen und fotografischen Belegen erschlossenen Verwendungen der jeweiligen Schrift.

-1300 -1400 -1450 -1500 -1550 -1600 -1650 -1689 Summe
Romanische Majuskel 11/5 11/5
Gotische Majuskel 33/8 102/12 15/1 12/2 2 164/23
Übergangsschrift Frühhumanistische Kapitalis 5/1 4 9/1
Kapitalis 3/4 8/3 80/7 75/6 22/3 188/23
Gotische Minuskel 1 3 51/2 20 75/2
Fraktur 5 14/1 9 2 30/1
Humanistische Minuskel 1 2 8 11

Hinweis: Die Zählung der Fußnoten in diesem Kapitel weicht von der Darstellung im Band ab. Die Nummer 369a) im Band entspricht hier der Anmerkung 370) etc.

6. Arbeiten mit Inschriften als Quellen für die Geschichte von Worms

Der Benutzer darf zum Katalog der Inschriften der Stadt Worms eine vorläufige Auswertung erwarten, die ihm über die vorangehenden dringend notwendigen Kapitel der Einleitung hinaus zusätzliche schon ausgewertete Informationen und Anregungen verschafft, in welchem Umfang und für welche Fragenkomplexe er sich die Inschriften von Worms zunutze machen kann. In Ansätzen geht die nachfolgende thematische Aufteilung auf den schon für die Oppenheimer Inschriften in anderem Rahmen [Druckseite LXXIV] unternommenen Versuch zurück, Inschriften eines abgegrenzten Raumes zu verschiedenen Themenbereichen zu befragen.333) Abhängig von ihrer Überlieferung, der allgemeinen Dichte und deren Verteilung nach Kirchen, Zeiten und Gattungen sowie der allgemeinen Geschichte eines Standortes werden Inschriften darin jeweils einen eigenen Stellenwert und eine eigene Wertigkeit bekommen. Es ist nicht möglich, an dieser Stelle in Auswahl und Vertiefung der Themen abschließende Vollständigkeit zu erreichen; beabsichtigt war, den Schwerpunkt der Ausführungen auf Anregung und Zusammenstellung von nützlichen Informationen zu legen.

6. 1. Standort

Inschriftenträger gehören zu den wenigen Quellen mit verbalen Informationen, die anders als Urkunden oder erzählende Quellen immer in der Verklammerung von Text und Aussehen sowie — ganz wichtig — Anbringungssort zu verstehen sind. Als Paradebeispiel mag jene Inschrift an einem Grenzstein der Wormser bischöflichen Immunität (Nr. 588) gelten, auf dem es hieß: hie wendet die Mundat diesses Stiffts; seine Funktion konnte der Stein nur am ursprünglich ihm zugewiesenen Standort erfüllen. Auch wenn eine Inschrift auf einem beweglichen Gegenstand oder an einem Bauteil Namen angibt oder Hoc opus NN. Fecit thematisiert, gar wie in Oppenheim333) DAZ BROT mit Abbildung P(ANIS) und D[I]ZE CAPELLE nennt, an deren Außenwand die Inschrift angebracht ist, dann gilt der Text nur in Verbindung mit dem Objekt und seinem engeren Standort. Daraus geht klar hervor, daß dessen Berücksichtigung, gegebenenfalls seine nachträgliche Ermittlung zu den Voraussetzungen umfassender Interpretation gehört.

Im Bestand Worms befindet sich etwas weniger als ein Drittel aller Inschriftennummern nicht mehr wenigstens in der Nähe des ursprünglichen Standortes und ein noch geringerer Teil am angestammten Platz, denn fast alle Grabplatten, Grabdenkmäler und Epitaphien wurden zwischenzeitlich auch innerhalb ihrer Kirche bewegt. Am Platze sind noch viele Baudaten, Namen als Stifter-, Baumeister- und Grabinschriften, wenige Bildbeischriften wie das Juliana-Relief (Nr. 18), das Christophorusbild (Nr. 30), das Nikolaus-Tympanon (Nr. 39), das Martinssüdportal (Nr. 31) und die Sarkophaginschrift (Nr. 114). Große Veränderungen verursachte die Errichtung des Museums des Altertumsvereines im alten Paulusstift, seit 1928 Museum der Stadt Worms im Andreasstift. Frühe Steinbergungen aus der Färbergasse (Steine aus Mariamünster) und vom Lutherfriedhof, auch die spätere aus Hochheim oder die Umstellungen in Liebfrauen betrafen jedoch Bestände, die ohnehin schon Veränderungen unterworfen gewesen waren oder die sich wie die Fundsituation des Lutherfriedhofes und der Liebfrauenkirche anhand alter Aufzeichnungen weitgehend rekonstruieren lassen.334) Trotzdem gelingt nur mit Mühe und gewissen Unsicherheiten die Scheidung des Museumsbestandes von dem des alten Andreasstiftes; auch weiß man bei an sich eindeutigen Zuordnungen, daß die betreffenden Platten im alten Kreuzgang ursprünglich nicht an derselben Stelle lagen, sondern im Zuge der Museumseinrichtung eine grobe chronologische Reihung erhalten hatten. Eine relativ große Zahl von Fragmenten und beschrifteten Baugliedern, die teils wohl erst im Zuge der Wiederaufbaumaßnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg in das Museum oder umgekehrt in Gebäudeteile seiner Umgebung gelangten, entziehen sich einer sicheren Deutung, weil meist auch nicht genügend Text für eine Zuordnung zur Verfügung steht.

Die nachfolgend aufgeführte Verteilung der Wormser Inschriften nach Institutionen, also ihrer ursprünglichen Standorte, schließt daher einen gewissen Unsicherheitsfaktor ein, der allerdings das allgemeine Bild nicht entscheidend verzerrt. Im folgenden ist jeweils für Einzelstandorte in Worms und für die Vororte insgesamt die Anzahl der überlieferten und erhaltenen Inschriften aus dem zuweisbaren Bestand angegeben, nach einem Schrägstrich steht gegebenenfalls die Zahl der außerdem fotografisch überlieferten Inschriften: Gut 160 Inschriftennummern wurden im Stadtmuseum aufgenommen, 39 (8 in Foto, im folgenden durch Schrägstrich abgetrennt) davon wurden in nachfolgender Zählung als nicht zuweisbar behandelt, wenngleich es natürlich jeweils vorgeschlagene Lokalisierungen gibt; mindestens 39 weitere gehörten mit großer Sicherheit zum Bestand des alten Andreasstiftes. Den Schwerpunkt der Inschriftenüberlieferung bildete naturgemäß der Bereich des Domstiftes mit Bischofs- und Klerikergrablege, Inschriften zu Weihe und an Bauskulptur, mit insgesamt etwa 175 Nummern, davon etwas mehr als ein Drittel (ca. 66/4) erhalten, zumeist aus der Zeit des Kreuzgangneubaues; von den 81 Inschriften des Martinsstiftes sind nur noch 13 wenigstens fragmentarisch erhalten, 16 dagegen zusätzlich auf alten Fotos; Lutherischer Friedhof 35/1 aus 45; Liebfrauenstift 28/2 aus 42; Magnuskir-[Druckseite LXXV]-che 16/10 aus 37; Paulusstift 30/1 aus 33; Kloster Mariamünster 12/1 aus 20; Johanniskirche 0 aus 16;335) kleine Kirchen, Bischofshof, Bergkloster, Rathaus 4/1 aus 30; Herrnsheim 36 (33/4) aus 52;336) Hochheim 35/4 aus 42; Neuhausen 0/2 aus 13; Liebenau 2 aus 11; Pfeddersheim 9, alle wenigstens teilweise; Heppenheim 6/1 aus 7; Horchheim 4 aus 5; Abenheim 4, teils nur Fotos bei Jahreszahlen; Pfiffligheim 1 aus 3; Wiesoppenheim 2/1 aus 3; Leiselheim 1/1 aus 2; Weinsheim 1. Frühchristliche Grabsteine, Maße und verstreute Inschriftenträger in Worms 25/1 aus 38. Aus dieser Zusammenstellung gehen nicht nur die Inschriftenschwerpunkte hervor, sie spiegelt auch nochmals die Besonderheiten der Überlieferungssituation wider: In Dom, Martinsstift und Magnuskirche gingen bei großer Dichte viele Inschriften verloren, deren Texte jedoch durch Abschreiber und glückliche Umstände eiliger fotografischer Dokumentation bekannt wurden. Guter Erhaltungsgrad wie in Hochheim oder Herrnsheim ist der geringen Zerstörung zuzuschreiben, während das scheinbar selbe Phänomen für das Paulusstift aus dem Fehlen früher Abschriften resultiert und dort im wesentlichen Inschriften am Gebäude überliefert sind. Außer durch die beiden Konvente Liebenau und Neuhausen trugen die übrigen Vororte zahlenmäßig nur noch wenig zur Überlieferung bei.337)

Für die Wormser Baugeschichte stehen relativ wenige schriftliche Quellen zur Verfügung; daher können Inschriftenträger mittels alter Lokalisierungen oder in ihrer eigenen Aussage weitere Informationen liefern. Von den durch Helwich in der Clemenskapelle des Domes lokalisierten Inschriftendenkmälern wurde das des Kustos Reinbold Beyer von Boppard auch von Hertzog beschrieben; entgegen der vorsichtigen Plazierung der Kapelle am nördlichen Querhaus338) weiß man aus Hertzogs Lokalisierung, daß sie im südlichen Querhaus gelegen haben muß (Vgl. Nr. 145). Weder berichtet eine Inschrift vom Abschluß des Kreuzgangneubaues beim Dom noch geben irgendwelche Akten davon Zeugnis; nur aus der Grundsteininschrift (Nr. 299) und den zwischen 1484 und 1516 entstandenen Schlußsteinen kennt man die wichtigsten Baudaten. Es ist zwar davon auszugehen, daß noch 1520 am Kreuzgang gebaut wurde, weil in jenem Jahr dem Wormser Domkapitel ein Erlaß des Zolles für 300 Ries Steine „pro tectura ambitus ecclesiae suae” in Ehrenfels gewährt wurde;339) doch muß man wegen der Schlußsteine Einwölbung und damit Funktionsfähigkeit des Kreuzganges voraussetzen, da außerdem ein Inschriftenträger mit guten Gründen als kollektives Totengedächtnismal (Nr. 396) für die bei dem Neubau beseitigten Grabmäler gedeutet wird. Dessen ungeachtet bezeugt auch ein freilich nicht sicher gelesener Schlußstein mit einem Marienbild und der Jahreszahl 1519 (Nr. 305) weiter anhaltende Bauarbeiten an unbekannter Stelle im Kreuzgang. Vorausgesetzt, in der Überlieferung der Schlußsteine verbirgt sich nicht ein heute nicht mehr abschätzbarer Bruch, lassen sich in ihrer zeitlichen Verteilung und Aufeinanderderfolge zwei relativ weit voneinander entfernt liegende Bauphasen ausmachen: Nach langsamem Beginn 1484 (Nr. 301) setzte ab 1486 verstärkte Bautätigkeit ein, die bis 1494 mindestens 10 weitere Schlußsteine mit Stifterinschriften hervorbrachte,340) die anders als Wappen- und Evangelistensteine durchgängig die beträchtliche Größe von 80-90 cm Durchmesser aufweisen. Nach 1494 fehlen Nachrichten zur Bautätigkeit; erst 1513 wurden weitere Einwölbungen vorgenommen. Die Unterbrechung mochte zunächst mit dem Reichstag von 1495 zusammenhängen, wurde dann aber durch den Verfassungsstreit der Stadt mit dem Bischof und schließlich durch den Auszug des hohen Klerus zwischen 1499 und 1509 verlängert.

Für die Denkmäler des Kreuzganges macht allein Hertzog nähere Standortangaben; diese dienten dazu, die Verteilung von Denkmälern auf die Flügel zu rekonstruieren und dabei gegebenenfalls anhand datierbarer Denkmäler Rückschlüsse auf die engere Baugeschichte zu ziehen. Hertzog beginnt seine Aufzählung am Südwestportal des Domes, „Uf der rechten hand des Creutzgangs, gleich über der Thür, wann man zum Thumb hinaus gehet”, und nennt dort die Auferstehung von 1488 und Denkmäler von 1517 und 1519 (Nr. 317, 396, 399). Wenn die Zuschreibung des Schlusses, „zur rechten handt des Creutzgangs, wie man außer dem Thumb gehet, nach der Dechanei zu”, zum westlichen [Druckseite LXXVI] Ende des Nordflügels stimmt, dann gehörten zu diesem Flügel auch zwei Schlußsteine von 1488 (Nr. 313f.). Nach „uf der linken handt des Creutzgangs gleich uber der schulthür” folgen Denkmäler des Südflügels, später gotische Grabplatten in den Endjochen, bis auf die Platte des Kanonikers Heinrich von Erenberg von 1515 (Nr. 389) keines aus der Zeit des Baues. Der Ostflügel war die „seitten des Creutzganges, da die Capitelstuben steet”; als letztes Denkmal erwähnt Hertzog dort die Stifterinschrift des Jakob Meintzer für ein Kreuzgangjoch von 1514 (Nr. 388), in dem auch das Relief der Geburt (Nr. 391) stand. Die Reihe muß von Nord nach Süden gerechnet sein, da im Südosteck, zum Johanniskirchhof zu, 1515 die erwähnte Grabplatte Erenberg gelegt wurde und am nördlichen Ende des Ostflügels zur Nikolauskapelle zu die bei Hertzog in dieser Reihe nicht erwähnten Reliefs der Verkündigung und der Wurzel Jesse in einem fertigen Teil standen. Diese Nordostecke könnte leicht der älteste Teil gewesen sein, weil man zunächst wohl den Anschluß an den Baukörper des südlichen Domaußenseite suchte, wie auch datierte Konsolen im östlichen Teil des Nordflügels erweisen (Nr. 305 und 1485). Die Tatsache, daß Hertzog die beiden Reliefs nicht in seinem Kreuzgangkapitel erwähnt,341) wurde als Hinweis gewertet, der betreffende Platz sei die bei Schannat erwähnte Marienkapelle gewesen;342) beide Hypothesen lassen sich miteinander vereinbaren, weil die beiden Reliefs als einzige Maria thematisieren und zwei der ältesten Schlußsteine (Nr. 301, 310) wieder als einzige Maria darstellten. Zur Baufolge läßt sich also mit aller Vorsicht nur wenig feststellen: Beginn wohl im Nordosteck mit raschem Voranschreiten bis zum Nordwesteck und wahrscheinlich darum herum, weil das frühe Relief der Grablegung (Nr. 318) wohl nur schon in einen neuen Teil des Kreuzganges gestellt wurde. In der weiteren Verlängerung nach Süden könnten sich die von Hertzog übergangenen, bei Issel als aus dem abgebrochenen Teil des Kreuzganges stammend erwähnten Schlußsteine von 1492-1494 befunden haben; der genaue Umfang des Baufortschrittes läßt sich nicht erkennen.343)

Die Überlegungen, die sich aus der problematischen Fund- und Überlieferungssituation im Liebfrauenstift ergaben, wurden im betreffenden Abschnitt des Kapitels 2.2. diskutiert.

6. 2. Zeit: Verteilung und Zeitangaben

Ohne eine konkrete Wertabstufung zwischen alten und jungen Inschriften vornehmen zu wollen, geht mit einer größeren Dichte der mittelalterlichen Inschriften eines Bestandes gemeinhin auch eine Höherschätzung ihres Quellenwertes einher. Das rührt gewöhnlich daher, daß eine einzelne Inschrift vor der explosionsartigen Vermehrung schriftlicher Quellen im 15. Jahrhundert oftmals den einzigen Beleg für eine Person, ein Ereignis oder einen Sachverhalt darstellt: In Worms sind das frühe Grabinschriften, Namen als Grab- und Stifterinschriften, die Gedenkinschrift für Bischof Azecho und Baumeister Benzo (Nr. 9) und den Sarkophagfund (Nr. 114), Spruch- und Stifterinschriften (Nr. 20, 29, 30, 32), die Inschriften auf den Maßen (Nr. 49f.), Baudaten in Liebfrauen (Nr. 165, 259); Inschriften dokumentieren die besondere Verehrung des Klosters Maria Himmelskron für den Gründer Dirolf von Hochheim (Nr. 97), bei vielen Grabinschriften nach 1300 geben sie Todesdaten von sonst oft nur einmal urkundlich genannten Personen oder Verwandtschaftsverhältnisse aufgrund der Mehrfachverwendungen. Anders als in vielen anderen Beständen enthalten auch die Grabinschriften der Neuzeit in Worms die Namen einer ganzen Reihe von Personen, die sonst nicht bekannt geworden sind,343) darunter in der Schreckenszeit nach 1620 nicht wenige Exilierte, die in der Stadt Worms Zuflucht gesucht hatten. Die Inschriftenträger des lutherischen Friedhofes sind auch geeignet, die spärlichen Angaben zu Verwandtschaften der Ratsangehörigen aus den Listen von um 1610 zu ergänzen. Darüber hinaus lassen sich die jüngeren Inschriften, wie es viel stärker getan werden müßte, als Corpus interpretieren.344)

Die zeitliche Verteilung von Inschriften in Worms kann in einem ersten Schritt allgemein und übergreifend betrachtet werden, muß freilich auch die besonderen Umstände in der Geschichte einzelner Standorte in Rechnung ziehen. Man hat sich die Frage zu stellen, ab welchem Zeitpunkt an einem kleinräumigen Standort, also etwa einer Kirche, überhaupt die Produktion und in zweiter Linie die Überlieferung von Inschriftenträgern möglich ist.345) Auffällige Verteilungsmuster können gegebenen-[Druckseite LXXVII]-falls mit Ereignissen der Geschichte der Stadt und ihrer Institutionen in Verbindung gebracht werden. In der nachfolgenden Statistik handelt es sich um die allgemeine Angabe von Inschriftennummern; die Zahl der einzelnen Inschriften liegt wesentlich höher, da mehrfach verwendete Totengedächtnismäler und zusammengefaßte Ausstattungsinschriften die Zählung erheblich komplizieren würden. In Klammern ist daher eine weitere hypothetische Zahl im jeweiligen Zeitraum Verstorbener hinzugesetzt, die eigene Inschriften oder Zusätze zu Inschriften erhielten, ohne daß sich das in der Zahl der Inschriftennummern bemerkbar gemacht hätte:346) Sie resultiert aus 27 Mehrfachverwendungen von Inschriftenträgern, ohne daß eine solche vorher durch Einteilung des Trägers als geplant ausgewiesen wäre; hinzu kommen weitere 48 Denkmäler, bei denen Nachbestattung bzw. Mitnennung weiterer Verstorbener von vorneherein beabsichtigt war.347) Die Zahl der Inschriften mit eigener Existenzberechtigung steigt weiter durch Inschriften von Ausstattungsprogrammen, durch inschriftliche Zusätze als Renovierungsvermerke sowie durch zusammengefaßte Bauzahlen.348)

0500-1299 70 (4)
1300-1399 135 (23)
1400-1499 159 (6 / 0 + 4 in 2)
1500-1599 232 (34 / 6 + 25 in 7)
1600-1649 111 (13 / 2 + 33 in 12)
1650-1689 41 (8 / 0 + 9 in 4)

Auch innerhalb der groben Zeitabschnitte ebenso wie nach einzelnen Jahren schwanken die Inschriftenzahlen beträchtlich. In der ersten der genannten Epochen hat naturgemäß das 13. Jahrhundert mit 40 Nummern den größten Anteil; trotz der zahlreichen Inschriften, die im 12. Jahrhundert im Zuge des Domneubaues entstanden, ist dieser Anstieg von 14 auf 40 Nummern nicht ausschließlich eine Folge der Überlieferungssituation, sondern veränderter Zeitumstände, da ab dem 13. Jahrhundert allenthalben eine Zunahme gerade der Grabinschriften auf einen Personenkreis zu verzeichnen ist, dem vorher der Zugang zu inschriftlich bezeichneten Grabplätzen größtenteils verwehrt war. Diese Oberschichten zwischen den Polen Ministerialität und Stadtpatriziat vermehren die Zahl der Inschriften aus dem vorwiegend geistlichen Personenkreis durch Grab- und Stifterinschriften, was insbesondere in den Beständen des Klosters Maria Himmelskron in Hochheim und des Paulusstiftes deutlich wird. Wie sich die Attraktivität eines einzelnen Standortes auf die Zahl der Inschriftenträger bemerkbar machen konnte, läßt sich am Bestand Hochheim gut ablesen: Von den 43 Nummern des ersten Viertels des 14. Jahrhunderts stammen allein 13 aus dem neuen, gut ausgestatteten Kloster, das von den 20 des folgenden Jahrhundertviertels nur noch eine Nummer und überhaupt drei Grabinschriften stellt. Der Gesamtrückgang mag mit der Lebenskrise jener Zeit zusammenhängen;348) für Hochheim machte sich aber vornehmlich das Aussterben der Gründerfamilie Dirolfs bemerkbar, dessen Auswirkungen, was die Förderung des Konventes anbelangt, von den Dirmsteinern und anderen Familien des Umkreises nicht völlig ausgeglichen werden konnte. Die erhöhte Überlieferungsdichte der Hochhei-[Druckseite LXXVIII]-mer Inschriften bis 1321 bewirkte eine in gewisser Weise künstliche Spitze bei 1320, um sich danach auf normalem Niveau einzupendeln.349) Wie sehr gerade besondere Umstände von inschriftenreichen Standorten ein statistisches Bild verfälschen können, zeigt sich auch am Beispiel des Martinsstiftes; die inschriftenträchtige Familie der Kämmerer von Worms trägt vor 1320 und nach 1340 mit jeweils fünf Nummern zum Inschriftenbestand bei. Dazu muß man wissen, daß die signifikante Lücke nicht etwa aus Überlieferungsverlusten oder generell verminderter Inschriftenproduktion zu erklären ist, sondern hauptsächlich aus der Generationsstruktur der Familie, deren Stammbaum zwischen jenen Jahren ohnehin nur wenige Verstorbene aufweist, und zudem wie bei Metza (†1339) solche Familienmitglieder, die nicht in Worms bestattet sind. Bei kleinen Zeitabschnitten und insgesamt geringen Dichten können solche Besonderheiten Zahlenverhältnisse so stark beeinträchtigen, daß ein Rückschluß auf die Verhältnisse der Zeit, also etwa die Frage, wie sich jene allgemeine Krise des 14. Jahrhunderts in Wormser Inschriften bemerkbar machte, nur mit höchster Vorsicht angepackt werden kann. Auch das dritte Viertel ist mit 24 Inschriftennummern, davon 5 Denkmäler und insgesamt 7 Inschriften aus Hochheim, gegenüber dem Jahrhundertanfang unterrepräsentiert, während das letzte Viertel mit 47 Nummern durch die Zusammenfassung undatierter Inschriften einen um etwa 10 zu hoch angesetzten Umfang aufweist. Noch extremer präsentiert sich die zeitliche Verteilung im 15. Jahrhundert, dessen Beginn einen Rückgang von 31 datierbaren Inschriften in den beiden letzten Dekaden des 14. Jahrhunderts auf zunächst 14 und dann 8 verzeichnet; nach einem leichten Anstieg auf 23 bzw. 26 in den Doppeldekaden bis 1479 folgt dann die im ganzen Zeitraum größte Dichte von 62 Inschriften bis zum Jahrhundertende. Der dramatische Abfall in den ersten 40 Jahren geht auf viele Faktoren zurück: Beteiligt sind der Ausfall der durch Umbau zerstörten Domgrablege ebenso wie der Niedergang des Klosters in Hochheim und das kurz bevorstehende Aussterben der mit dem Martinsstift verbundenen Kämmerer-Linien 1463. Danach sind wieder mehr aus Dom und Magnuskirche bekannt, was zeigt, daß es in Worms auch so etwas wie eine geringere Produktivität von Inschriften gegeben haben muß, die sich nicht auf isolierte Faktoren eines Standortes beziehen lassen. Im Jahre 1484 setzt schließlich mit dem Neubau des spätgotischen Domkreuzganges eben ein durch zahlreiche inschriftliche Ausstattungsstücke hervortretendes Bauprogramm ein, das den nur leicht überdurchschnittlichen 28 Grabinschriften noch vier große Reliefs, einen Grundstein und 12 Schlußsteine bis zum Jahrhundertende, in der zweiten Dekade des 16. Jahrhunderts nochmals fünf Schlußsteine und ein Relief beigab; außerdem

[Druckseite LXXIX] wurden anschließend die neuen Grablegen, zunächst nur wenige im Kreuzgang, nicht mehr durch die Baumaßnahmen gestört, so daß sie bis zu den ersten Abschriften erhalten blieben. Ein gleichwertiger Schub von Inschriftenträgern außerhalb des Totengedächtnisses wiederholte sich in Worms nicht mehr.

Lag die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts noch knapp über dem Durchschnitt aller Inschriftengattungen von 28 in zwei Dekaden, so stieg ihre Zahl dann langsam auf einen Wert um 40, weil nach 1540 eine funktionierende Domgrablege und eine bis weit ins 17. Jahrhundert blühende Kämmerergrablege in Herrnsheim die Einbrüche in den Frauenklöstern Liebenau und Maria Himmelskron in Hochheim, im Andreas- und Martinsstift ausglichen. Einen erheblichen Anstieg ab 1580 auf jeweils über 50 in zwei Dekaden bewirkten für die nachfolgenden 60 Jahre insbesondere der seit 1562 (Nr. 482) belegte Lutherfriedhof mit insgesamt über 40 Inschriftenträgern349) und eine mit dem Bettendorffschen Denkmal (Nr. 514) einsetzende Reihe von bischöflichen Denkmälern im Dom. In erstaunlicher Weise hielt sich dieses Gesamtniveau auch über den politischen Zusammenbruch der in Worms bis 1620 präsenten protestantischen Union am Rhein und erst das Jahr 1635 leitete nach einem Spitzenwert von insgesamt 7 Grabdenkmälern350) abrupt in ein totales Absinken der Inschriftenzahl auf acht Exemplare des folgenden Zeitabschnittes über, von denen nur noch die Grabplatte des Pfarrers Fabritius um kunstvolle Sprache und Räsonnement bemüht war. Ein gewisses künstlerisches Niveau ereichen die Denkmäler erst wieder nach 1666351) bei den Platten von Liebfrauen, und eine Belebung der Grabdichtung macht sich nicht vor dem Mantzschen Stein von 1668 (Nr. 719) bemerkbar. Die Relation der Erhaltung, obwohl zunächst von sekundärer Bedeutung, schwankt wohlgemerkt bei Einschluß von fragmentarisch erhaltenen und fotografisch überlieferten Inschriften zwischen 14% (1400-1419) und 83% (1620- 1639); die vier inschriftenreichsten Zeitabschnitte liegen alle über 60% Erhaltung bzw. Abbildung bei einem Gesamtschnitt von etwa 63%. Tendenzielle Abweichungen des Kurvendiagramms gibt es für die ohnehin problematischen Jahre 1420-1439, in denen einem Absinken der bekannten datierbaren Inschriften von 14 auf 8 der Anstieg der erhaltenen/abgebildeten von 2 auf 4 entgegensteht; allein, die Ausgangszahlen weichen schon erheblich vom Durchschnitt nach unten ab, so daß man hier zufälligen Umständen nicht entgehen kann. Trotz Anstiegs der bekannten Inschriften bis 1479 sank der Anteil der erhaltenen geringfügig, umgekehrt war es in den Zeitabschnitten vor 1579 und 1619. Eine erhebliche Abweichung kam danach vor 1639 zustande, als der Anteil der erhaltenen auf 83% hochschnellte. Der relativ hohe Erhaltungsgrad nach 1600, nämlich 70%, ist auch damit zu begründen, daß die umfangreichen Abschriftenwerke Hertzogs und Helwichs davon nur noch einen kleinen Teil berühren und im Domkreuzgang nur noch vier Inschriften überliefert sind; als das Domkapitel 1625 Maßnahmen zur Einschränkung von Bestattungen und Grabdenkmälern beschloß,352) geschah das kaum angesichts eines leeren Raumes und fehlender Nachfrage: Die Inschriften der im 17. Jahrhundert dort Bestatteten fanden vor der Zerstörung keinen Abschreiber mehr!

Wenn die Relationen zwischen bekannten und erhaltenen Inschriften durch die verschiedenen Zeitabschnitte hindurch hier auch teilweise auf die Eigentümlichkeiten der Überlieferung zurückgeführt werden mußten, sind für die Häufigkeit von Inschriften trotzdem in erster Linie Bedarf, Gelegenheit und die äußeren Umstände der Herstellung maßgeblich. Für eine erhöhte Dichte sorgten selbstredend große Baumaßnahmen, wie sich anhand des Dombaues im 12. Jahrhundert und anhand des spätgotischen Kreuzgangneubaues zwischen 1484 und 1517 ablesen läßt, und das umso mehr, als ihre Inschriften bei dem Überwiegen der Grabinschriften, die in Worms etwa 72% ausmachen, erhebliche Schwankungen in einer tendenziellen Zunahme von Inschriften bis zur ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verursachen können. Es liegt auf der Hand, daß man in Jahren mit einer erhöhten Mortalitätsrate wegen der Faktoren Bedarf und Gelegenheit auch einen Anstieg der Grabinschriften erwarten müßte und umgekehrt geneigt ist, eben aus einer hohe Dichte von Grabinschriften auf höhere Mortalität verursachende Zeitumstände wie Krieg, Hunger und Seuchen zu schließen.353) So wurde das Krisenjahr 1596 in Oppenheim augenfällig durch fünf Grabmäler und außerdem Sterbevermerke für vier Kinder des Pfarrers Valentin Laupaeus;354) wenn man jedoch bedenkt, daß damit 12 der 76 im Kirchenbuch [Druckseite LXXX] verzeichneten Todesfälle auf insgesamt sechs Denkmälern inschriftlich dokumentiert sind und ihr Anteil in anderen Jahren noch wesentlich darunter liegt, wächst das Mißtrauen in die vorbehaltlose Verwendung statistischer Aussagen. In Worms existiert für die betreffende Zeit kein Kirchenbuch mit Angaben zu Todesfällen, um die Zahl der Inschriften mit Mortalitätsraten zu vergleichen; doch anhand des Oppenheimer Materiales konnte gezeigt werden, daß eine erhöhte Sterberate nicht in jedem Fall auch eine höhere Inschriftenproduktion hervorrief, wie besonders das Jahr 1620 beweist.355) Auch wirkten sich großräumige Entwicklungen offenbar bei den benachbarten Städten Worms und Oppenheim nicht unbedingt gleichartig aus, wenn man nur die Dichte von Grabinschriften betrachtet: Lagen in Oppenheim die Krisenjahre 1632 und 1635 mit jeweils vier Inschriftenträgern gleichauf, gab es in Worms einen Anstieg von zwei auf sieben; die Seuchenjahre 1665/66 machten sich in Oppenheim trotz erhöhter Mortalität nach dem Kirchenbuch kaum, in Worms aber durch drei einzelne Denkmäler und sieben Mitnennungen (Nr. 714-716, 718, 719) bemerkbar. Der oben schon genannte Faktor der äußeren Umstände für die Herstellung von Inschriftenträgern, der in Worms für die Jahre 1634/35 und nach 1666 offenbar in dem Funktionieren des Gemeinwesens in materieller und spiritueller Hinsicht bestand, verzerrt zwar die Aussage reiner Statistik, ist jedoch für sich selbst natürlich schon wertvolle Information, denn der dramatische Rückgang der Grabinschriften in Worms nach 1636 ist wohl zum Teil wenigstens umgekehrt auf einen Zusammenbruch all jener organisatorischen Voraussetzungen zurückzuführen, die für die Produktion von Grabdenkmälern jeglicher Art nötig waren. Hierbei ist an viele Umstände zu denken, die aufzuhellen der Lokalforschung aufgetragen sei: Wie stand es um Kaufkraft und Handwerk in der Stadt; wie wirkte sich die Unsicherheit des offenen Landes vor den Mauern auf Steintransport und die Benutzung des lutherischen Friedhofes aus?

Mehrfach verwendete Inschriftenträger wurden möglichst zu dem Zeitpunkt in die chronologische Reihenfolge eingefügt, an dem die Beschriftung entstand; eine ausführliche Begründung dazu findet sich im einleitenden Kapitel der Benutzungshinweise. Zu den meisten Besonderheiten der Datierungen, also zum Vorkommen bestimmter Formeln sind das entsprechende Register und zusätzlich unter „Miscellanea” die Lemmata „Datum”, „Kalender”, „Tagesdatum” und „Uhrzeit” zu konsultieren. Bei den Formeln für die Jahresangabe kommen keine außergewöhnlichen Berechnungen vor: Unter den Aspekten Fleischwerdung, Heil und Erlösung bezog man sich auf die Geburt Jesu. Indiktionszählung und Herrscherjahre gehörten im Hochmittelalter zur gängigen Praxis des Verwaltungsschriftgutes; die Anwendungen bei Weiheinschriften, Urkunde und Hohlmaß entsprechen in ihrem rechtserheblichen Charakter dem jener Quellengattung. Hochgestellter Multiplikationsfaktor 100 zur Anzahl der Jahrhunderte kommt erstmals 1502 sogar in Majuskeln vor und entspricht damit dem sonst üblichen zeitlichen Rahmen. Hinsichtlich der Tagesdatierungen ist auf die Auflösung von Heiligen- oder Festtagen schon innerhalb der Inschrift hinzuweisen, sicher nachweisbar an den erhaltenen Grabplatten des Sigelo von Wattenheim (Nr. 62) und des Johannes Jungler (Nr. 294).356) Römischer und Festkalender wurden bis zum Ende des 14. Jahrhunderts ausschließlich benutzt; es dauert aber im Wormser Bestand wegen der geringen Überlieferung noch bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts, bis sich der neue Brauch moderner Tageszählung im Monat verstärkt belegen läßt.357) Ab dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts verdrängte die moderne Tagesangabe zunehmend die alten Kalender, obwohl noch reichlich Grabinschriften für Katholiken bezeugt sind.358) Erstaunlich ist, daß bei allen dem Bestand des Klosters Mariamünster zugeschriebenen Grabinschriften nur mit Ausnahme der Inschrift der Äbtissin Salome Lasser von 1672 (Nr. 723) der römische Kalender benutzt wurde und zwar von der Mitte des 14. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. In insgesamt vier Fällen mußte die Jahreszahl entgegen der Angabe auf dem Grabdenkmal um ein Jahr zurückgenommen werden, weil der im mittelalterlichen Worms geltende Kalender wie in den meisten Teilen des Reiches das Jahr mit Weihnachten beginnen ließ (Nr. 58, 78, 96, 400). Nur für Nr. 400 von 1519 läßt sich diese Aussage wirklich aus dem zugänglichen Material wahrscheinlich machen; die übrigen Fälle zwischen 1295 und 1317 wurden so gehandhabt nach Maßgabe der Behauptung, im Reich und insbesondere im Bereich der Mainzer Kirchenprovinz sei der Nativitätsstil überwiegend bis ins 15. Jahrhundert angewandt worden. Gegen diese von Bresslau, Gin-[Druckseite LXXXI]-zel und Grotefend in ihren Handbüchern vertretene Ansicht hat sich mittlerweile die Beobachtung durchgesetzt, spätestens schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts habe die Mainzer Kanzlei bis auf wenige von der Reichskanzlei beeinflußte Ausnahmen das Jahr mit dem 1. Januar begonnen.359) Eine durchgängige Handhabung des Circumcisionsstiles ließ sich jedoch mangels ausreichenden Materiales für Worms bisher nicht nachweisen; im 15. Jahrhundert ist wohl nur noch der Jahresbeginn am 1. Januar üblich gewesen, obwohl die Herausgeber von Wormser Materialien, Heinrich Boos und Erwin Schwan, auf diese Frage nicht eingingen.

In einer gemischt konfessionellen Stadt muß die Frage nach der Verwendung von verschiedenen Kalendern nach 1582 erlaubt sein. Man weiß zwar, daß die protestantischen Reichsstände erst im Jahre 1700 den Kalender „novo stilo” oder „stilo correcto” übernahmen und daher auch in Worms zwei Kalender nebeneinander, und zwar bis 1776 galten;360) überprüfen läßt sich das jedoch bei Inschriften nur, wenn eindeutige Angaben zur Konfession einer Person und des Standortes vorliegen. Bei der Magnuskirche, der Herrnsheimer Pfarrkirche und den nicht identifizierten Beständen des Museums, bei denen das nicht der Fall ist, kann dann die seltene Nennung des Wochentages zugleich mit dem angewendeten Kalender auch die Konfession bezeugen.361) Zu neun Belegen dieser Art gesellen sich einmal die Erwähnung des neuen Stils als stylo correcto 1591 (Nr. 546) und ein merkwürdiger Sachverhalt beim Grabstein des Jünglings Johann Jakob Sutor von 1632 (Nr. 681), als dessen Todestag der Festtag des Erzengels Michael angegeben ist, also der 29. September; dem widerspricht, daß die Tageszahl zum vorhandenen Monatsnamen ebensowenig eingehauen wurde wie die genaue Altersangabe. Das Todesdatum der Elisabeth Kämmerer (†1594) wurde auf zwei Denkmälern in verschiedenen Kalendern errechnet (Nr. 477, 558). Bis auf zwei Ausnahmen (Nr. 430 von 1541 u. 472 von 1559) kommen alle detaillierteren Altersangaben, die ab 1541 inschriftlich in Worms bezeugt sind, ausschließlich auf lutherischen Denkmälern vor. Auch die Angabe der Todesstunde in der sogenannten „kleinen Uhr” des „dies naturalis” ist öfter auf lutherischen Denkmälern anzutreffen. Überwiegend in deren Kreis kommen auch jene Denkmäler vor, die durch abseits des Sachtextes angebrachte Jahreszahlen Auskunft über das Herstellungsjahr geben, sei es, daß der Todesfall noch nicht eingetreten war (Nr. 527), sei es, daß mehrere Jahre seither vergangen waren (Nr. 504 Ausnahme, 506, 525, 550, 719, 731) oder die verspätete Schaffung des Denkmales für die Ahnfrau zur Anbringung eigener Todesdaten der Nachkommenschaft genutzt wurde (Nr. 667). Mit Jahreszahl oder Inschrift wurde auch die Herstellungszeit von Denkmälern für mehrere Personen, für ganze Familienzweige, bezeichnet (Nr. 551, 552, 682, 718).

6. 3. Soziale Schichtung der Wormser Inschriften

Wenn eine verhältnismäßig kleine Stadt seit alten Zeiten eine große Zahl von Kirchen beherbergte, man denkt bei Worms an zeitweise über 40 Kirchen und Kapellen, ist es nur natürlich, daß ihr Inschriftenbestand entscheidend von den am Ort residierenden Geistlichen und hier wiederum insbesondere durch den Weltklerus geprägt wurde. Nachfolgend genannte Zahlen von Titeln und Standesbezeichnungen geben nur die Häufigkeit des Vorkommens an, nicht die jeweilige Zahl von Personen, da nicht wenige mehrere Titel führten oder mehrfach auch unter verschiedenen Titeln vorkommen und umgekehrt nicht alle Belege auf konkrete Personen bezogen sind. 54 Inschriften betreffen demnach den Episkopat, als episcopus, praesul, antistes, archiepiscopus, archipraesul, in 77 kommen canonici vor, teilweise sich überschneidend mit 78 Bezeichnungen für höhere Stiftswürden und in 16 weiteren vicarii; Klosterinsassen sind vornehmlich durch über 20 Inschriften für Frauen, nur wenige Mönche und geistliche Funktionsträger vertreten. Etwa 25 Inschriften sind dem Bereich des katholischen Pfarr- oder Niederklerus zuzurechnen, wogegen nur 7 Inschriften aus dem Kreis der protestantischen Geistlichkeit stammen. Da die Mehrzahl der Wormser Domkleriker statutengemäß dem ritterbürtigen Adel entstammte, ergibt sich automatisch eine Vermischung mit dem laikalen Bereich, doch hinsichtlich Formular und [Druckseite LXXXII] Darstellung bilden die Denkmäler der Stiftsgeistlichkeit eine eigene Typengruppe, der im 16. Jahrhundert eine verstärkt ikonographische und symbolträchtige Darstellung eigen war. Wenn man von den frühchristlichen Steinen und Namensinschriften absieht, gehören selbstredend die meisten der zahlreichen Inschriften an kirchlichen Bauteilen und Kirchenausstattungen über ihre Auftraggeber in den geistlichen Bereich.

An etwas mehr als 20 Wormser Inschriften waren Reichsoberhaupt und Hochadel beteiligt oder betroffen, knapp 150 weitere Inschriften gehörten dem ritterbürtigen Adel oder der Ministerialität, wovon allein 60 nur eigene Denkmäler oder separate Inschriften von Frauen waren. Mit etwa 40 Belegen überwiegt in der Frühzeit der Begriff miles, der jedoch wie die meisten anderen, armiger, domicellus, Junker, Ritter, seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zurücktrat, vor allem weil ihn die Herrnsheimer Linie der Kämmerer von Worms/Dalberg als die Hauptvertreter dieser Schicht nicht mehr benutzte; ihnen reichte offenbar der Titel camerarius/Kämmerer; das Register „Berufe, Stände, Titel” zeichnet also in dieser Hinsicht ein falsches Bild. Durch den geringen Erhaltungsgrad der Grablege im ehemaligen Martinsstift entzieht sich ein Großteil der ritterschaftlichen Denkmäler vor dem Ende des 15. Jahrhunderts jeder Beurteilung; so kommt es, daß vor der Einrichtung der Kämmerergrablege in Herrnsheim nur eine geringe Zahl von Denkmälern jener Gruppe figürliche Darstellung aufwies, weil eben die potentiell dazu am meisten beitragenden Bestände des Domklerus und der Martinskirche nur fragmentarisch überliefert sind und gelegentliche Angaben von älteren Gewährsleuten die Lücke nicht zuverlässig schließen können.362) In Hochheim war von den Laiendenkmälern nur das des Gründers Dirolf (Nr. 97) früher mit einer Darstellung versehen;363) die nächsten dieser Art waren schon die der Margareta von Bachenstein von 1449 (Nr. 236) und der Margareta Kämmerer von Worms von 1463 (Nr. 256†). Schwerpunkte der Laiendenkmäler aus ritterlich-ministerialischen Familien bestanden in Hochheim und der Martinskirche, dort zuerst die Familie Kämmerer, dann von Flersheim, später auch in Herrnsheim; im 17. Jahrhundert zog auch die Magnuskirche einige protestantische Angehörige des Adels und der hohen Beamtenschaft an, die in Worms Zuflucht gesucht hatten.

Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert finden sich in Worms Grabinschriften der städtischen Oberschichten, deren Angehörige sich auf den Platten als cives Wormatienses zu bezeichnen pflegten. Ein wirkliches ständisches Schichtenmodell läßt sich an die Begriffe miles und civis nicht anbinden, da beide Gruppen ministerialischer Herkunft waren und das Bürgerrecht der Stadt Worms besaßen, nur die milites hingegen ritterliche Lehnsbeziehungen zum Stadtherrn eingingen; sie unterschieden sich in Interessenlagen und in ihrem durch das Verhältnis zum Stadtherrn geprägten politischen Handeln.364) Eine soziale Gleichrangigkeit belegen aber nicht nur das Konnubium, man vergleiche die Familie Dirolf,365) und Klostergründungen, Hochheim durch Ritter Dirolf, Liebenau durch den Bürger Jakob Engelmann, sondern auch die Gleichwertigkeit der Memorien: Gleichgestaltete Umschriftgrabplatten meist mit Wappenschilden sind für beide Gruppierungen aus Hochheim erhalten. Die angesprochene Differenzierung der Familien in milites und cives im 13. Jahrhundert wirkte sich auf Form und Aussagen der Inschriftendenkmäler in Worms nicht aus. Das liegt natürlich auch daran, daß im Gegensatz zu stärker ritterschaftlich geprägten Beständen eine Differenzierung der Denkmäler etwa durch Mehrwappensteine nur noch in Ansätzen zum Tragen kommt, weil ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts erhebliche Überlieferungslücken auftreten und kaum noch gemeinsam genutzte Grablegen miteinander verglichen werden können. Spätestens mit der Etablierung der Dalberger in Herrnsheim wird dann die ritterliche Komponente stärker greifbar, während die ministerialische — und somit vergleichbare — der bürgerlichen Oberschicht mangels Masse zurücktritt, um im 16. Jahrhundert einer neuen ratsfähigen Oberschicht Platz zu machen. Eine kleine Gruppe von leider verlorenen Denkmälern der Dominikanerkirche gehörte Personen der städtischen Oberschicht, die im ausgehenden 15. Jahrhundert, in der Phase des Niederganges der Geschlechter, in Wappen und Begriffen den Anschluß an Gepflogenheiten adliger Grablegen suchten: 1471 wird Eberhard Hildebrand (Nr. 271), der neben dem Wappen der Bonn von Wachenheim eines mit gekreuzten Wolfsangeln oder Mauerhaken führt, dominus genannt, ein Begriff der vorher ausschließlich für Ritteradlige oder geistliche Würdenträger benutzt wurde. 1504 legte sich Wilhelm Bonn (Nr. 371) aus dem Kreise der Wormser Münzerhausgenossen die Epitheta vest und fürsichtig zu, vest auch ein Verwandter(?) Hans Hartlieb gen. Warlsporn im Jahre 1507 (Nr. 378); fest/vest kommt im Bestand Worms sonst nur bei ritterbürtigen Personen ab 1492 (Nr. 298) vor, vorzugsweise bei den Dalbergern und ihren Verwandten, fürsichtig außerdem noch bei Bern-[Druckseite LXXXIII]-hard Schlatt (Nr. 554) und Johann Seidenbänder (Nr. 690), die auch das wiederum früher ritterschaftlich besetzte ehrenfest für sich in Anspruch nahmen und in Ahnenproben (Schlatt) und Beterreihen (beide) dem Repräsentationsbedürfnis adliger Grabdenkmäler kaum nachstanden.366) Mit dem Dreizehnerrat hatte sich in Worms 1522 ein aus lebenslang gewählten Mitgliedern bestehendes oligarchisches Gremium gebildet, das naturgemäß zu einer gewissen Abschließung und einem elitären Bewußtsein neigte.367) Ein Vergleich der Berufsbezeichnungen in der Liste des Gemeinen Rates mit den Angaben der Wahlen zum Dreizehnerrat ergibt, daß die meisten aus der Krämerzunft kamen, also mit Tuch, Wolle, Eisen und Holz Handel trieben, dazu mehrere Goldschmiede. Nicht wenige waren von Tuch oder Pelze verarbeitenden Berufen in den Handel und damit die prestigeträchtige Kaufmannschaft aufgestiegen. Die Differenzierung der Denkmäler lutherischer Standorte nach Angehörigen des Dreizehner und des Gemeinen Rates durch Besonderheiten der Größe und der Darstellung ergab keine eindeutigen Kriterien für die beiden möglichen Gruppen; nur so viel steht fest: Die drei übergroßen Denkmäler (Nr. 534 Meiel, 667 Mantz, 690 Seidenbänder), jeweils mit Beterreihen, waren für Mitglieder des Dreizehner Rates oder Angehörige geschaffen worden; drei der vier übrigen Beterdarstellungen auf Steinen der Ratsverwandtschaft auf dem lutherischen Friedhof gehörten der gleichfalls einflußreichen Familie Schlatt, die mehrere Familienmitglieder in beide Räte entsandte, oder Verwandten (Nr. 506, 535, 554). Andere wie Christoph Reinfart (Nr. 567) und Stephan Birling (Nr. 595) hatten mehr Augenmerk auf die sprachliche Gestaltung gelegt. Erkennbar ist aber keinesfalls eine Tendenz, sich an die Gepflogenheiten adliger Denkmäler eng anzulehnen, wie das für viele Denkmäler etwa der Ehrbarkeit in württembergischen Amts- und Landstädten gilt.368) Für Angehörige des Gemeinen Rates existieren aber auch Denkmäler, die mit den weniger aufwendigen der anderen Personengruppe konkurrieren können. Auffälliger ist da schon, daß nicht sehr viele einheimische Personen auf dem lutherischen Friedhof mit Inschriftendenkmal begraben lagen, die nicht selbst „den Rat besaßen” oder entsprechend ausgewiesenen Familien oder Sippen angehörten. Insgesamt sind es wohl 150 Verstorbene aus den Kreisen des Rates, des Stadtbürgertums und gleichrangiger Auswärtiger, die seit Ende des 13. Jahrhunderts in Worms Grabinschriften erhielten, mit deutlichem Schwerpunkt im 16. Jahrhundert.369)

Fragt man nach der Herkunft von in Worms inschriftlich verewigten Personen, sei es durch Grabmäler oder andere beliebige Inschriftenträger, ergibt sich die erstaunliche Tatsache, daß eine unverhältnismäßig große Zahl von Inschriften Ortsfremden gewidmet war, also solchen, die entweder in Worms seit mehr oder weniger langer Zeit den Mittelpunkt ihres Lebens gefunden hatten, oder solchen, die sich zufällig in Worms zum Zeitpunkt ihres Todes aufhielten. In die erste Gruppe zählen die weitaus meisten Geistlichen des Domstiftes, da in und um Worms das Reservoir Ritterbürtiger für die im 16. Jahrhundert geforderte achtteilige Ahnenprobe zu klein geworden war. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatte das hauptsächliche Herkunftsgebiet in den Diözesen Mainz, Worms und Speyer und allgemein im Rhein-Main-Neckar-Raum gelegen;370) nach der Reformation dehnte sich der Nachwuchsmangel, so sieht es nach den Inschriftendenkmälern und Personallisten aus, auch auf die übrigen Stifte aus, die einen erheblichen Anteil ihrer Pfründen mit Personen aus dem Moselgebiet und aus dem niederrheinisch-westfälischen Raum besetzten.371) Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges hatten viele Leute von rechts des Rheines Zuflucht im befestigten Worms suchen lassen;372) drei [Druckseite LXXXIV] Soldaten (Nr. 652, 661, 692) fanden in Worms ihr Grab mit Denkmal. Auch die lutherische Geistlichkeit (Nr. 621, (623), 682, 696, 697) stammte nur zum geringsten Teil aus der Umgebung.373) In den Rat gelangten trotz der oben angedeuteten Konzentration auf einige Familien auch Personen, die sich auf ihren Grabdenkmälern immer noch als ehedem Auswärtige zu erkennen gaben.374)

6. 4. Konfession375)

Reformatorische Ideen hatten schon früh Einzug in die Stadt Worms gehalten, deren Bevölkerung in den Turbulenzen des Reichstages eindeutig für Martin Luther Partei genommen hatte. Nach 1521 tat sich Worms als Druckort lutherischer Schriften und reformatorischer Pamphlete hervor,376) nicht wenige Einwohner bekannten sich früh zur neuen Lehre, und auch ein Teil der Geistlichkeit, namentlich der vom Andreasstift für die Magnuskirche abgestellte Pfarrer Ulrich Preu gen. Schlaginhausen, sein Kaplan Johannes Freiherr gen. Rom(anus), Stiftskanoniker Ulrich Sitzinger und der Stiftskantor Nikolaus Maurus, hatte sich von den Vorschriften der alten Kirche abgewandt.377) Da sie ihre Pfründen dem Stift entfremdeten und ab 1527 der Rat in der Magnuskirche durch von ihm bestellte Prediger Gottesdienst halten ließ, kam es zu einem beständigen Streit zwischen Klerus und Stadtgemeinde. Offenbar blieb die ganze Angelegenheit nicht ohne Rückwirkungen auf das Andreasstift selbst, da bei keinem anderen Stift soviele Geistliche ihre Begräbnisse in einer anderen Institution suchten: Bei Philipp M? (†1536), Arnold von Raesfeld (†1573) und Bartholomäus Otto (†1575) (Nr. 426, 502, 510) kann man dieses Verhalten verstehen, weil sie nachweislich noch an Liebfrauen und am Dom bepfründet waren; bei Nikolaus Vorwort (†1552, Nr. 453) liegt die Verbindung zum Liebfrauenstift im Dunkeln, weil die Inschrift gar nichts zu seinen Würden sagt, er betonte aber ausdrücklich seine Orthodoxie als ECCLESIASTES FIDELIS; weder für Gregor Gutmeyer (†1611/1621 o. 1622, Nr. 656a) noch für Gottfried Dünnwald (†1666, Nr. 716) sind die genauen Gründe bekannt, warum sie sich im Karmeliterkloster respektive Liebfrauenstift bestatten ließen.

Bemerkungen in Inschriften, die sich so nur vor dem Hintergrund der konfessionellen Spannungen in einer Stadt verstehen lassen, sind naturgemäß recht selten: So klagte etwa die Oppenheimer Grabinschrift des Lehrers Johannes Fabritius aus Bolland in der Diözese Lüttich (†1578), er sei durch die Angriffe der Feinde und Gegner des Evangeliums völlig erschöpft;378) angebliche Verwandte Reuchlins prangerten die „kimmerischen Finsternisse des Papsttums” an.379) Auf katholischer Seite betonte man in Worms mehrfach die Rechtgläubigkeit, verschlüsselt wie auf dem genannten Stein des Nikolaus Vorwort oder möglicherweise bei der Grablege der Hochheimer Nonnen (Nr. 425 von 1535) oder explizit als in vera religione persistens auf dem Stein des exilierten Schönauer Abtes Wolfgang Cartheiser von 1563 (Nr. 484), als catholica in religione beim Seiblin-Denkmal von 1591 (Nr. 546), als servabatque sui dogmata sancta Dei für Johann Melchior Staudt von 1591 (Nr. 547) oder einfach als IN GOT SELICHLICH UND CATHOLISCH VERSTORBEN wie bei Wilhelm Kling von 1630 (Nr. 672). Weit weniger kämpferisch präsentierten sich das von dem schon genannten Gregor Gutmeyer in den Vordergrund gerückte Glaubensbekenntnis (Nr. 656a) und bei Bischof Hugo Eberhard Cratz von Scharffenstein (Nr. 713 von 1663) die Betonung der sanctissima virgo Maria miraculosa als Fürsprecherin in Leben und Tod. Die protestantische Gegenseite besaß ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein eindeutiges Übergewicht, weil nun nur noch Lutheraner in den Rat gewählt wurden;380) möglicherweise trug diese Tatsache dazu bei, daß bei Grabinschriften seltener kämpferische Bekenntnisse zum Glauben für nötig gehalten wurden: So betonte das Meielsche Grabmal von 1587 (Nr. 534) zwar noch die fides luttera integra, aber Michael Wenzel (Nr. 682 von 1633) war einfach pastor Lutheranus, Ludwig Seltzer (Nr. 696 von vor 1636) reiner Prediger und pastor evangelicus, Jakob Daniel Fabritius (Nr. 697 von 1638) minister orthodoxus. In letzterer Inschrift wie auch in einer Heppenheimer [Druckseite LXXXV] Kirchenausmalung (Nr. 566) könnten sonst schlecht dokumentierte Simultaneen angezeigt sein, während Unregelmäßigkeiten in der Datierung des Sutorschen Denkmales (Nr. 681) mit konfessionsbedingten Problemen der Kalenderanwendung zusammenhängen mögen. Sehr viel stärker in den Zeitbezug zu stellen sind Anspielungen auf den ziemlich genau 100 Jahre zurückliegenden Thesenanschlag Luthers und die Klage, durch den Glauben vom Herd vertrieben worden zu sein, auf dem Denkmal der Catharina Curtz von 1635 (Nr. 693), der bekenntnishafte und herausfordernde Spruch auf dem Banner einer Straßburger Delegation von 1586 (Nr. 530), in der die Romula bulla verhöhnt wird, und schließlich die fundamentalistische Spruchsammlung der Ausmalung der Magnuskirche von 1614 (Nr. 631-633). Beim Streit um eben diese Magnuskirche prallten die Ansprüche von lutherischem Rat und Andreasstift immer wieder aufeinander, so auch in der Wiederaufbauphase zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Bei vergleichbaren Streiten nutzte man etwa im Raume Kirn Grabplattenbeschriftungen, um ältere Konfessionszugehörigkeit zu beweisen, wenn wie beim Denkmal des Pfarrers Valerius Bartholomä (†1596) in Hennweiler seine „reine unverfälschte augsburgische Konfession” hervorgehoben wurde.381)

Die lutherische Ausrichtung des Stadtwormser Protestantismus führte zwar zu nicht wenigen Beschwernissen der katholischen geistlichen Einrichtungen, doch verhinderte die Vertreibung der Wiedertäufer und die Aussperrung des reformierten Bekenntnisses bis ins 18. Jahrhundert bilderstürmerische Exzesse, wie sie Oppenheim und andere pfälzische Orte zu erleiden hatten. Im Schutze der reichsstädtischen Mauern blieben zahlreiche Kirchen und Klöster bis zur Säkularisierung intakt, wenngleich im Streit über die Magnuskirche und das Dominikanerkloster erhebliche Veränderungen eintraten, Augustiner- und Barfüßerkloster nach ihrer Räumung durch die Konventualen vom Rat aufgekauft, Kirschgarten schon 1525 im Aufruhr von Bauern und Bürgern zerstört worden waren; die Schwächung des Katholizismus in der Stadt machte sich vor allem dort bemerkbar, wo nach Niedergang oder Brandschäden des 16. Jahrhunderts ein Wiederaufbau mangels ausreichender Unterstützung unterblieb.382) Ein schweres Schicksal erlitten hingegen die Konvente vor den Mauern der Stadt, deren Öffnung und Profanierung die pfalzgräfliche Verwaltung in Heidelberg erzwang: Das ehrwürdige Stift Neuhausen, die Dominikanerinnenklöster Liebenau und Maria Himmelskron in Hochheim wurden nach vergeblichen Konvertierungsversuchen in eine Fürstenschule und Schaffnereien der pfälzischen Geistlichen Administration umgewandelt, in Neuhausen, nachdem in den Worten Friedrich Zorns „alle Bilder der Kirchen zerschmissen, verbrannt und Altar eingerissen”.383)

Die konfessionelle Entwicklung im weiteren Raum um Worms, insbesondere am Mittelrhein, in pfälzischen, badischen und württembergischen Gebieten sowie am Oberrhein insgesamt hatte zur Folge, daß weite Teile des traditionellen Rekrutierungsgebietes für den adligen wie gelehrten Stiftsklerus verloren gingen. Einen gewissen Ausgleich fand man im Zuzug lothringischer, niederrheinischer und westfälischer Geistlicher, die nur teilweise durch ihre Herkunftsnamen bezeichnet wurden, wie überhaupt die Herkunftsgebiete nur unvollständig aufgearbeitet sind, weil ausführliche Studien zum Wormser Stiftsklerus fehlen. Inschriften von betreffenden Personen sind ab dem Ende des 16. Jahrhunderts in relativer Dichte vorhanden: Pallas Adrian Thomas aus Lüttich (Nr. 471) (bedingt, da Vater in pfälzischen Diensten); Arnold von Raesfeld (Nr. 502); Karl von Wiltberg (Nr. 522); Asuer / Ahasver(?) Munzer? (Nr. 538); Gottfried von Welfeld (Nr. 562); Conrad Schilling von Lahnstein (Nr. 564); Baureste Arnold von Welfeld (Nr. 583) und Raesfeld (Nr. 606); Thomas Print von Horchheim (Nr. 615f.); Wilhelm von Braunsberg (Nr. 638); Bischof Wilhelm von Effern (Nr. 642); Äbtissin Margaretha Lothringhausen aus Köln (Nr. 679); Hermann Heinrich Spieß von Büllesheim zu Motzenborn (Nr. 708); Natalis Thomas aus Malmedy (Nr. 715); Gottfried Dünnwald aus Köln (Nr. 716); Johannes Peter Engels aus Köln (Nr. 729); Heinrich Spormacher aus Köln (Nr. 1684); Johannes Dome aus Lim-[Druckseite LXXXVI]-burg (Nr. 734).384) Hohe Anzahl und zeitweises Überwiegen gegenüber benachbarten Adelsfamilien und Herkunftsorten zeigen zusammen mit der auffälligen Konzentration des erweiterten Rekrutierungsgebietes, daß das Eindringen von ortsfernen Personen in den Klerus der Stadt Worms nicht der üblichen Freizügigkeit des Weltklerus entsprang, wenngleich in der konfessionellen Entwicklung von Stadt und Umgebung nicht die alleinige Ursache dafür zu suchen ist.

Die ersten Bibelzitate auf individuellen Grabmälern stehen zwar als lateinisches auf dem der Domkleriker Pommersfelden und Schaumberg (Nr. 451) von 1550/1551 und in Anklängen an deutschsprachige Bibeltexte auf den Denkmälern Heppenheim (Nr. 470) und Dalberg (Nr. 477), doch die überwiegende Zahl der Zitate findet sich auf lutherischen Denkmälern nach 1565. Die deutsche Sprache dominiert im Verhältnis 19:3; auch schälten sich mit Einschränkungen aussagefähig als beliebteste Sprüche die auch sonst in protestantisch geprägten Beständen häufigen Hiob 19,25385) und Phil. 1,21 heraus.386) Auch in der Wahl der Sterbe- und Segensformeln zeichnen sich ansatzweise und für einen Teil von Inschriftenträgern konfessionell bedingte Vorlieben ab, die im Zusammenhang mit sprachlichen Phänomenen diskutiert werden müssen.387)

In dieselbe Richtung einer Unterscheidbarkeit von Denkmälern nach Konfession der verstorbenen Person weist die Frage, ob und wie sie sich auf die äußere Gestaltung des Inschriftenträgers auswirkte. Es kann vorausgeschickt werden, daß die Besetzung der Stadt durch Truppen der katholischen Liga von 1620 bis 1632 und 1635 bis 1644 nicht zu einer Rekatholisierung geführt hatte; den Aufschwung der katholischen Institutionen begleiteten weder eine Unterdrückung des lutherischen Bekenntnisses noch Veränderungen der Denkmalgestaltung in dem Sinne, daß nun auf dem lutherischen Friedhof Denkmäler standen, die in irgendeiner Weise Präferenzen katholischer Bestände widerspiegeln würden, falls es denn so etwas überhaupt gibt; Andachtsbilder blieben jedenfalls auf Christus beschränkt. Wichtigstes Faktum ist hier, daß es nur einmal einen schleichenden Konfessionswechsel gab, nämlich nach dem Augsburger Religionsfrieden, als sich in den Zuwahlen zum Rat langsam ein rein lutherisches Gremium herauskristallisierte; die führenden städtischen Familien und die Zunftgenossen hatten sich bis auf wenige Ausnahmen dem neuen Glauben zugewandt. Die katholische Machtübernahme in Worms ab 1620 war eine militärische, keine politische unter Ausschaltung des Stadtregimentes; als Reichsstadt blieb Worms von dem in Augsburg festgeschriebenen Konfessionszwang des Landesherrn und daraus resultierender Wechsel verschont. Die lutherische Kontinuität zeigt sich vornehmlich dadurch, daß nach etwa 1570 nur noch wenige Denkmäler aus dem Kreise der katholischen Bevölkerung überliefert sind, die nicht Geistliche, mit bestimmten Kirchen affilierte Adlige oder Amtsträger betrafen. Konfessionelle Wechsel machten sich nur in den Profanierungen der Konvente und den Pfarrkirchen außerhalb der Stadt bemerkbar, ganz augenfällig in Herrnsheim, wo mit dem Aussterben der Philippschen lutherischen Linie 1614 (Nr. 634) auch eine Veränderung in der Gestaltung der Denkmäler eintrat: Ausnahmslos alle Dalberg-Steine der Wolffschen katholischen Linie wurden danach als körpergroße hochrechteckige Umschriftplatten mit Ahnenproben gebildet, während die engere Familie Philipps (†1590, Nr. 541) Platten mit figürlicher Darstellung und bei den Männern Integration der Grabinschriften ihrer Ehefrauen bevorzugt hatte (Nr. 521, 536, 557, 629, 634). Dieses Verteilungsmuster könnte natürlich auch aus Traditionsbildung und Imitation innerhalb der Linien entstanden sein, da die konfessionelle Spaltung zwischen den Ortsherren, die immer wieder von Kurpfalz beeinflußte Pfarrerberufung sowie die auch unter lutherischem Pfarregiment weitergeführte Ursula-Messe kaum ein einheitliches konfessionelles Bild bieten. Die auffällige Zäsur in der äußeren [Druckseite LXXXVII] Form wird freilich auch unterstützt durch die sprachlich sehr einheitlichen bis einfallslosen und bei Grabplatten üblichen Anno domini-Formeln. Da auch aus anderen Zeugnissen bekannt ist, daß die Wolffsche Linie katholisch blieb, liegt nichts näher, als den Wandel zu einer lange stabilen Denkmalform eben mit den konfessionellen Zuordnungen der Verstorbenen zu begründen, obwohl durch den pfälzischen Zugriff über das ehemalige Stift Neuhausen lutherische und katholische Pfarrer wechselten.388)

Man möchte so etwas wie konfessionell bedingte Vorlieben für Denkmalformen feststellen, doch waren diese in erster Linie verursacht durch die Wahl von Grabplätzen; von den meisten Platten katholischer Verstorbener in Herrnsheim weiß man, daß sie ursprünglich vor Altären oder im Boden der Grabkapelle lagen, während man die lutherischen im Boden des Chores, nicht unbedingt die originale Lage, gefunden hatte. Begräbnis vor einem Altar wiederum ist eindeutig katholisch besetzt, so daß zwei Faktoren für die Denkmalgestaltung in Rechnung gezogen werden müssen: Vorliebe für Grabplatten bei katholischen Bestattungen in Kirchenräumen, wenn auf die Nähe zu Altären Wert gelegt wurde; bedingte Verwendung dieser Form auch bei lutherischen Denkmälern, wenn sie wie bei den zahlreichen lutherischen Umschriftplatten der Magnuskirche nicht für den Friedhof, sondern ebenfalls für das Kircheninnere gedacht waren. Äußere Form isoliert für sich betrachtet kann also trotz der gefundenen scheinbaren Gesetzmäßigkeiten in die Irre führen; sie besitzen nur eingeschränkte statistische Aussagekraft, wenngleich zu beobachten war, daß sich die Denkmäler des lutherischen Friedhofes ausnahmslos als aufrecht stehende eigneten und keine einzige Umschriftplatte darunter zu finden ist.

6. 5. Sprache und Formular

Hinsichtlich der sprachlichen Gestaltung der Inschriften sind mehrere Faktoren zu beachten: die allgemeine sprachliche Gestaltung, die Wahl zwischen Latein und Volkssprache, die Abhängigkeit von Sprache und Schriftformen, Sprachniveau und dialektale Formen, Vorlagenermittlung, Zitate und Bildersprache, außerdem die Verteilung und gruppenspezifische Dichte von häufigen Formeln.

Eine umfangreiche sprachliche Analyse der Wormser Inschriften kann hier nicht gegeben werden, zumal sie auch auf andere Textgattungen ausgedehnt werden müßte und zu frühen Zeiten höchst unterschiedliche Anwendungen umfassen würde. So steht dort hexametrische Spruchdichtung neben Urkundenformular, Bibelzitaten und kurzen Texten mit unklassischem mittelalterlichem Satzbau, wenn es heißt RVDEWIN ET VXOR SVA MASVILIA (Nr. 35) oder die konjugierten Verbformen durchweg mitten im Satz plaziert sind.

Von einer Ablösung der gelehrten und bis weit ins Spätmittelalter dominanten Sprache Latein durch das Deutsche kann man in Worms nicht sprechen, da zumindest Grabdenkmäler der hohen und niederen Geistlichkeit, auch der lutherischen, fast ausnahmslos in Latein, ggf. mit griechischen und hebräischen Zusätzen, beschrieben waren; nur in nicht nennenswerten Fällen drang die deutsche Sprache in beigegebene Ausstattungsinschriften wie beim Bettendorff-Denkmal (Nr. 514/I) und in normale Grabinschriften beim verlorenen Denkmal der Priorin Catharina Bornhofer im Bergkloster von 1614 (Nr. 635) ein.388) Tendenziell mit anderen Beständen übereinstimmend verstärkte sich ab dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts die Verwendung der deutschen Sprache, während in eben diesem Zeitraum das Lateinische bei Grabinschriften von Laien langsam ausklingt, um nach 1495 (Nr. 341) für zwei Generationen zu verschwinden,389) bis mit dem Eindringen humanistischer Grabformulare die lateinische Sprache auch auf Denkmälern des lutherischen Friedhofes benutzt wurde (Nr. 494, 503, 505). Beachtenswert, daß auf Seiten der Laien nur noch 1602/1610 ein verlorenes Denkmal der Familie von Oberstein (Nr. 599) und 1616 die gemalte Grabinschrift der Apolonia Brein (Nr. 639) die rein sachliche Sterbeinformation in die lateinische Sprache kleideten.

Abhängigkeiten zwischen Sprache und Schriftgestaltung ließen sich nur unvollkommen in Gesetzmäßigkeiten einordnen. Insbesondere verband man nach 1500 Kapitalis mit lateinischen, Fraktur mit deutschen Texten; dem ist entgegenzuhalten, daß ein früher Kapitalis-Beleg von 1514 (Nr. 385) in [Druckseite LXXXVIII] deutscher Sprache geschrieben ist und die beiden frühen Frakturverwendungen eben in lateinischer, wenngleich die Fraktur später in Worms ausnahmslos für deutsche Inschriften oder wenigstens in deutsch verfaßte Teile verwendet wurde. Kapitalis hielt nach der Mitte des 16. Jahrhunderts verstärkt Einzug auch in deutschsprachige Inschriften von Laien. Eine gewisse Regelhaftigkeit wurde nur dort beachtet, wo zwei Sprachen auf einem Denkmal, entweder für zwei Personen oder für zwei Textteile, vorkamen. Den in Kapitel 5.4. genannten Beispielen der Denkmäler Meiel, Reinfart, Oswald seien noch die aus zwei verschiedenen Textteilen bestehenden Denkmäler Engelmann (Nr. 593) von 1600 und Wambolt von Umstadt (Nr. 727) von 1677 angefügt: Den lateinischen Teil schrieb man in Kapitalis oder humanistischer Minuskel, den deutschen Teil jeweils in Fraktur.

Vom Standard entfernte deutschsprachige Inschriftentexte zeigen oftmals eher eine eigenwillige Rechtschreibung (Nr. 328, 444, 508, 548, 691) als wirklich konsistente dialektale Formen, wie sie vereinzelt in der rheinfränkischen Entrundung von u/ü zu i zu fassen sind (Nr. 444, 685). Das Material wiegt jedoch statistisch gesehen nicht genügend schwer, um Generalisierungen insbesondere hinsichtlich des Sprachstandards vornehmen zu können, wie das jüngst für deutsche Inschriften in Regensburg erfolgreich unternommen wurde. Deutlich weniger lokal gefärbte Sprache stellte die Untersuchung in quasi offiziellen, für Fremde bestimmten Inschriften fest.390) Weder genügt in Worms die Dichte der älteren Inschriften, noch lassen sich außerhalb der Grabinschriften genügend deutschsprachige finden; Inschriften mit einem gewissen Repräsentationsbedürfnis bedienten sich fast ausnahmslos der lateinischen Sprache. Um grammatischen Besonderheiten der spätmittelalterlichen deutschsprachigen Inschriften auf die Spur zu kommen, reichen die weniger als 25 Verwendungen und ihre geringere inhaltliche Abwechslung vor 1500 kaum aus; betrachtet man die Phänomene Präteritumsverlust und Klammerbildung der Perfektkonstruktion, so läßt sich etwa gegenüber Regensburg feststellen, daß in Worms bei insgesamt weniger reichhaltigem Material das Perfekt sogar vor dem Präteritum einsetzt und die frühesten Belege längerer und grammatisch in Deutsch durchgebildeter Inschriften (Nr. 259, 264, 293) schon die Klammer aufweisen etwa in ist NN. Gestorben; die Materialgrundlage reicht aber wohl statistisch nicht für eine solide Bewertung der Beobachtung aus.

Eine Wertung des lateinischen Sprachstandards vorzunehmen, stößt ebenfalls schnell an methodische Grenzen, da über längere Zeiträume eben nur verhältnismäßig kurze Texte miteinander verglichen werden können. Die Anzahl der mittelalterlichen Inschriften mit dem Anspruch künstlerischer Sprachgestaltung ist verhältnismäßig gering, da insbesondere entsprechende Denkmäler aus der Bischofsgrablege nie vorhanden waren. Wegen der oft sehr einförmigen Grabinschriften bleibt sogar die zu Anfang des Kapitels mitgeteilte Beobachtung zur Wortstellung unter signifikanten Mengen.

Um lokale Besonderheiten herauszufinden, wären außerdem alle möglicherweise von Ortsfremden gestalteten Inschriftentexte herauszufiltern und gegen genuin Wormsisches abzusetzen: Weichen die Texte in Sprache und Formular ab oder paßte man sich den lokalen Gegebenheiten an? Da Grabinschriften in der Regel jedoch nur die Person des Verstorbenen und gegebenfalls der Stifter nennen, ist nur selten der Autor des Textes zu ermitteln, am ehesten noch bei den Denkmälern der protestantischen Pfarrer, keinesfalls aber bei den mittelalterlichen Texten. Zweifellos fremden Einfluß verraten die in Formular und Aussage stark vom in Worms Zeitüblichen abweichenden Grabinschriften für drei 1521 verstorbene Höflinge Kaiser Karls V. (Nr. 403-405). Importiert erscheint auch der Spruch OMNIS IN HOC ... auf dem Denkmal Truchseß von Pommersfelden/von Schaumberg (Nr. 451) vom Würzburger Denkmal des Kilian von Bibra (†1494), weil Lorenz Truchseß wie auch andere Schaumberger dort ebenfalls im Kapitel saßen.391)

Der Anteil und die Qualität gebundener Sprache in Inschriften schwankt naturgemäß mit der sozialen Zusammensetzung des inschriftlich sich verewigenden Personenkreises und mit der traditionsbildenden Kraft von Grablegen. Betrachtet man die Anzahl der Wormser Inschriften aus oder mit gebundener Sprache, also die Verwendung von Distichen, Hexametern, Trimetern und anderen Versmaßen der Gebrauchsdichtung ohne Ansehen der jeweiligen Gattungen, ist festzustellen, daß Worms zwar als geistiges Nebenzentrum seinen Platz behauptet, jedoch gegenüber den nur halb so starken Beständen [Druckseite LXXXIX] etwa von Oppenheim wenig und Osnabrück und Hameln stark abfällt, weil sich dort Grablegen mit intensiv gepflegter Grabdichtung ausbildeten und dort die Überlieferungsdichte eben jeweils nach 1550 in einer Zeit ohnehin vermehrter Grabdichtung liegt. Korrigiert wird dieses Bild nicht nur durch die Ansammlung von Väter- und Bibelsprüchen des Schmuckprogrammes in der Magnuskirche; außer den programmatischen Inschriften an Bischofshof und Münze präsentieren sich auch weniger opulente Inschriftendenkmäler der Stadt Worms weniger zitier- als anspielungsfreudig:392) Außer biblischen Sprüchen bemühen Grabinschriften Ovid’s pylische Jahre (Nr. 547) und die Gesta Romanorum (Nr. 514); auf den großen Reliefs des Domkreuzganges befleißigte man sich, vielleicht auch erst in späterer Zutat des 16. Jahrhunderts, gelehrter Zitate zu den jeweiligen Themen; im konfessionellen Spannungsfeld klingen Wort (Nr. 453) und Taten (Nr. 693) Martin Luthers an; Vergleiche zu Judas Maccabaeus (Nr. 97) und Pythagoras (Nr. 616), Anklänge an den Spruch der Toten (Nr. 582, 630) zeigen weitgespannte Lektüre an. In der Anrede des Lesers (Nr. 380, 399, 534, 623, 630, 665, 713, 719, 722, 725, 734), verbunden oft mit der Mahnung, seiner Sterblichkeit zu gedenken, wird die Redesituation antiker Vorbilder aufgenommen.393) Eine ganze Reihe von Denkmälern verewigt in langatmiger und blumenreicher Sprache das Lob des Verstorbenen, nicht ohne es quasi in einem christlichen Humanismus mit Bildern der Auferstehungshoffnung zu verbinden.

Die Diktion und künstlerische Qualität einer Vielzahl deutscher gereimter Grabinschriften ist dem heutigen Zeitgeschmack keine Freude mehr; trotzdem bezeugen die Bilder vom „Hier lieg ich, ein alter Mann”, vom Glaubensöl, vom Ruhebettlein, bei lateinischen vom „Denkmal der Liebe”, von der verwelkenden Blume oder der mahnenden Totenbahre eine oft schlichte und ergreifende Frömmigkeit. Dahinter stehen aber nicht nur Bilder, Stilmittel, die DIRA MORS erträglicher zu gestalten; man erwartet sie nach den Mühen des Lebens, POST INGENTES CVRAS SVAEQUE REPUBLICAE VIGILIAS, SENIO ET VENERABILI ANNORUM SERIE EMCERATUS (Nr. 514) oder laboribus senioque exhaustus (Nr. 546), als Heilsbringer und Erlöser; zur vielbemühten Ruhe bettet sich, wer den Tod sanft, placide in Christo, erfuhr.394) Einerseits erstaunt die Vielfalt der Darstellungen; andererseits verhindert die Begrenztheit des Bestandes, der eben mit umliegenden noch stärker zu vergleichen wäre, eine sichere statistische Grundlage, die auch in den nachfolgend diskutierten Verteilungsmustern von Formeln kaum für alle ausreicht.

Für die Erstellung eines Inschriftenkataloges kann es hilfreich sein, Formulargewohnheiten in einem Bestand zu ermitteln, wenn nicht oder schlecht datierte oder lokalisierbare Inschriften einzuordnen sind. Auch stellt sich generell die Frage, ob Vorlieben für bestimmte Formulargewohnheiten zeitlich, regional, konfessionell oder nach sozialen Gruppierungen etwa in der Unterscheidung Geistlicher von Laien oder innerhalb von Hierarchien anhand eines abgeschlossenen Bestandes nachzuweisen sind. Vor Verallgemeinerungen hüte man sich insbesondere in jenen Fällen, in denen man sehr unterschiedlich strukturierte Bestände vergleichen würde, wie sich sehr deutlich etwa an der Verwendung der Segensformel cuius anima requiescat in pace und ihrer Zusätze beweisen läßt:395) Obwohl in Worms für das 14. Jahrhundert ein relativ dichter Bestand an Grabinschriften vorhanden war, setzt besagte Formel, von zwei nicht überprüfbaren Verwendungen 1332 im Dom abgesehen, in nennenswerter Dichte erst nach 1400 ein;396) ab ungefähr der folgenden Jahrhundertmitte begegnen auffallend häufig Verstümmelungen, bei denen die Verkürzungen auf die Anfangsbuchstaben der Formel offenbar nicht aus-[Druckseite XC]-reichte, um den Platzmangel aufzufangen.397) Auch äquivalente Formeln kommen auf den verbreiteten Umschriftplatten sonst nicht vor. Demgegenüber weisen andere Bestände wesentlich höhere Anteile von Umschriftplatten mit dieser oder sehr ähnlichen Formeln auf: Oppenheim sechs im 14. Jahrhundert ab 1324, im Landkreis Bad Kreuznach verstärkt erst ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in Mainz regelmäßig bis überwiegend schon ab 1266, ähnlich im Rheingau ab 1269. Bei Geistlichen wurde die Formel mindestens bis zum Ende des 17. Jahrhunderts angewendet.

Deutschsprachige Segensformeln nach der Mitte des 16. Jahrhunderts müssen nach konfessionellen Polarisierungen befragt werden. Nur so etwas wie Bevorzugung bestimmter Themenbereiche schälte sich aus den Zusammenstellungen heraus, nach denen die Thematisierung der Auferstehungshoffnung oder -gewißheit bis auf wenige Ausnahmen nur auf lutherischen Denkmälern vorkommt,398) während die in beiden Lagern verbreitete Formelfamilie d(..) (Seel..) Gott gnad(.) (und barmherzig sei) von etwa 1590 bis 1634 fast ausschließlich auf Denkmälern katholischer Verstorbener und nur zweimal auf einem einzigen wirklich einigermaßen gesichert lutherischen (Nr. 640) begegnet. Allerdings gehörte die resurrectio communis zu öfter erwähnten Antrieben von Stiftern, ein Denkmal erstellen zu lassen.

Bei den Sterbeformel wurde im betreffenden Register eine Unterscheidung zwischen „sterben” und seinen Umschreibungen sowie dem Wortfeld “begraben” getroffen; Vertreter beider Gattungen konnten bei entsprechend ausführlichen Inschriftentexten zusammen vorkommen. Die sprachliche Verteilung insgesamt bewirkte natürlich, daß Denkmäler von Geistlichen und damit auch Katholiken einen erhöhten Anteil von lateinischen Formeln aufweisen. Nicht nur äußerlich waren zahlreiche katholische Denkmäler traditionellen äußeren Formen verhaftet; damit gingen auch einförmigere Grabformulare einher, was sich darin äußert, daß meist isolierte oder nur wenig erweiterte Formeln mit obiit oder obdormivit für Umschriftplatten benutzt wurden.

Gerne würde man der Frage nachgehen, inwieweit sich in der Anwendung der Begriffe für Sterben und der Vota Entwicklungslinien im Verständnis von Sterben, Tod, Jenseits und Zustand der „qui dormient in Christo” (I. Cor. 15,18) verfolgen lassen, welche Überlegungen überhaupt neben der Sterbemitteilung und den notwendigen Daten in den Vordergrund geschoben werden. Dazu reichen die mittelalterlichen Grabinschriften der Stadt Worms weder von ihren Texten noch durch deren bildliche Unterstützung aus. Nur gelegentlich weichen sie nämlich von den kargen Anno Domini-Formeln ab und gehen über die Sachinformationen hinaus. Den eigentlich erst im Hochmittelalter zur Blüte gelangenden Dualismus zwischen Körper und Seele, faßbar sonst in kombinierten Formeln wie hic iacet NN., cuius anima requiescat in pace,399) thematisiert sehr anschaulich der Stein des Aldualuhus/Aldualahus (Nr. 4) mit dem Gegensatzpaar PAVSAT CORPUS - GAUDET ANIMA. Es dauerte aber noch bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, bis Grabinschriften in Worms Heilserlangung (Nr. 380) und Auferstehung (Nr. 386) räsonnierend oder als Stiftermotiv thematisieren; die inständige Bitte des Johannes von Weinheim, O rex glorie, fac me tecum resurgere (Nr. 317), hängt wohl im wesentlichen ab von der Darstellung eben des Auferstehungsreliefs und gilt ohnehin nicht mehr als seine Grabinschrift. In den Vordergrund war eher der Status der verstorbenen Person getreten, seit der Mitte des 15. Jahrhunderts etwa bei Grabplatten der Äbtissinnen von Mariamünster ergänzt durch Angabe der Amtsdauer, vorher nur selten durch besondere Leistungen wie Legat (Nr. 59) und Altarstiftung (Nr. 99) oder gar Klostergründung (Nr. 97). Das Lob des Verstorbenen beginnt mit religiösen Tugenden, er/sie war devotus/-a, pius/-a, honestus/-a oder amicus ecclesiae, pater bonus, als Geistliche/r auch venerabilis, honorabilis, reverendus/-a; man versah Grabinschriften mit weltlichen Standesepitetha wie strenuus, gestreng, fest. Doch erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts läßt sich individuelles Charakter- und Tatenlob in weltlichem wie geistlichem Bereich erkennen. In teils komplizierten Wendungen werden die besonderen Fähigkeiten des Verstorbenen gepriesen.400)

Innerhalb des Wortfeldes “bauen, errichten, stiften” müßte man ebenso eine Unterscheidung treffen, da es zwischen dem Hersteller eines Inschriftenobjektes und dem Auftraggeber zu trennen gilt. Im Falle von Verben des Veranlassens ist das in beiden Sprachen eine leichte Übung. Angeblich weniger eindeutig bezeichnet die Formel NN. Fecit den Künstler und nicht den Besitzer, Stifter oder Auftragge-[Druckseite XCI]-ber.401) Die für den nordalpinen Raum so oft bemühte mittelalterliche Demut des Künstlers, sein Zurücktreten hinter das Werk, ist eine aus dem Gegensatz zur Individualität der Neuzeit und einer geringen Überlieferungsdichte heraus geborene Anschauung, die durchaus der verbreiteten Geisteshaltung entspricht, jedoch mit vielen Belegen relativiert werden kann.402) Bei den Wormser Belegen, qui fecit (Nr. 9), OTTO ME FECIT (Nr. 18), HOC OPVS FECIT (Nr. 29), ECKEHARDVS ME FECIT (Nr. 49), steht die Nennung des Herstellers nicht in Zweifel, da jeweils parallel Bauherr, Auftraggeber oder Umstände der Inschriftentstehung angeben sind. Außer einigen Glocken mit Gießerformeln sind in Worms der für Künstlersignaturen geeigneten Objekte nur wenige erhalten geblieben (Nr. 331, 409, 662) oder wenigstens in eine Zeit mit entsprechenden Interessen für Abschriften gelangt. Ein erheblicher Anteil, knapp 80% aller Stiftervermerke auf Grabmälern, bediente sich der lateinischen Sprache, wiewohl auch die meisten klassische Wendungen wenigstens nachahmten.

Es ist allgemein der Frage nachzugehen, inwieweit sich in der Wahl einzelner Formurlarteile gruppenspezifische Verhaltensweisen bemerkbar machten, wenn man davon ausgeht, daß die edierten Inschriften der Stadt Worms doch so etwas wie eine repräsentative Auswahl darstellen. Für Sterbe- und Segensformeln wurden Ergebnisse angedeutet, die Anbringung von Bibelzitaten auf dem Hintergrund konfessioneller Zuschreibungen diskutiert; mehr Aufschlüsse versprechen lobende Epitheta in Grabinschriften. Sie nicht nur geschlechts- sondern auch standesspezifisch aufzuschlüsseln, gar innerhalb der Hierarchien Differenzierungen festzustellen zu können, gibt es berechtigte Hoffnungen. Sieht man von dem Sonderfall eines NOBILE SEPULCRVM (Nr. 12) einmal ab, ist die Verwendung eines Epitheton in Worms eine spätmittelalterliche Erscheinung, die zweifelsfrei belegt und datiert erst mit dem Denkmal des Klostergründers Dirolf als VIR GNARVS, OPERVM FVLGEDINE CLARVS / FORCIOR / MILES INSIGNIS 1318 begegnet. Dieses Datum liegt recht früh und dürfte durch die besondere Stellung des Denkmales hinreichend erklärt sein.403) Anderwärtige frühe Belege etwa für venerabilis in Würzburg stammen nicht von Gedächtnismälern.404) Eine für Datierungsfragen und die Überprüfung zeitgenössischer Textfassung höchst auffällige Erscheinung ist die jedenfalls für Worms auf Denkmäler von Bischöfen und Weihbischöfen im 15. Jahrhundert beschränkte Verwendung des Epithetons reverendus in Christo pater (et dominus) (vgl. bei Nr. 207), einmal (Nr. 211) variiert in venerabilis pater dominus. Es wäre sicher gut zu wissen, daß für Geistliche vor dem sprachlichen Überschwang in Humanismus und Barock eine offenbar restriktiv gehandhabte Formulargestaltung zu einem recht gut eingrenzbaren Wortschatz der für geistliche Personen als adäquat erachteten Epitheta geführt hatte. Sieht man von den hochadeligen Nonnen des Klosters Liebenau ab, beschränkt sich die Auswahl auf wenige, nämlich auf honorabilis, reverendus, venerabilis. Die Anwendung dieser Begriffe ist in sich so konsistent, die von nobilis andererseits wiederum auf Angehörige mindestens edelfreier und bedeutender, nicht bischöflich-wormsischer ministerialischen Geschlechter zunächst beschränkt, daß Leseschwierigkeiten bei ho’bilis oder no’bilis ähnlichem Buchstabenbestand aus Paläographie und Differenzierung der Epitetha leicht und zweifelsfrei bei einer Äbtissin und einem Vikar (Nr. 250, 344) zu entscheiden waren, und zwar jeweils für honorabilis. In der Renaissance erweitert sich der Kreis der Personen, die für sich das Epitheton nobilis beanspruchen, in Worms nur durch zwei Einzelfälle eines bischöflichen Amtsträgers und eines Ratsherrn (Nr. 546, 646); im übrigen benutzen es häufig die Denkmäler der adligen Domherren. Diese Überlegungen mögen zunächst nur als unbedeutende Hilfsmittel für Datierungen und Identifizierungen angesehen werden; ihre Bedeutung steigt, wenn Bestände wie Worms mit zahlreichen Fragmenten und beschädigten Denkmälern oder wie Würzburg mit vielen später entstandenen Textfassungen aufzuarbeiten sind.

In nennenswerter Dichte setzt der Gebrauch von Epitheta bei Laiendenkmälern erst ab dem Ende des 15. Jahrhunderts ein; vorher wurde nur für Angehörige der Kämmerer-Familie amicus huius ecclesiae (Nr. 138, 147, 150, 155), für andere selten auch nobilis und strenuus benutzt. Später ergibt sich eine nur selten durchbrochene405) Polarisierung in eine adlige edel und ehrenfest-Gruppe mit all ihren [Druckseite XCII] Varianten und eine bürgerliche Epitheta-Familie von ehrbar/sam und tugendreich/sam im deutschsprachigen Bereich. Neben weltlichem Charakterlob und späterem Tatenlob stand das Bekenntis zu vorbildlicher christlicher Lebensführung und Frömmigkeit und zwar bei der Weltgeistlichkeit ebenso wie bei der lutherischen Ratsverwandtschaft in meist wortreichen Wendungen und keinesfalls an adjektivische Konstruktion gebunden, so daß etwa eine dexteritas mirabilis in rebus agendis (Nr. 430) ebenso zu Epitheta gezählt wird wie clarissimus et consultissimus (Nr. 656).

6. 6. Künstlerische Gestaltung, Werkstätten

Im Einleitungskapitel zu Inschriftenträgern und Gattungen (Kap. 4.) wurden die Bezeichnungen für Formen und Funktionen von Denkmälern erörtert; Beobachtungen zur gegenseitigen Wechselwirkung und Angaben zu standort- und konfessionsabhängigen Vorlieben für Typen und Gestaltungsweisen liegen ebenfalls vor (Kap. 6.1, 6.3, 6.4). Im folgenden soll nun versucht werden, herauszuarbeiten, warum und in welchen Bereichen der Bestand der Wormser Inschriftendenkmäler Besonderheiten der Gestaltung aufweist, inwieweit er sich von anderen unterscheidet, schließlich ob und auf welche Weise sich Denkmäler Werkstätten oder gar einzelnen Meistern zuordnen lassen.

Eine der schon angedeuteten Besonderheiten der Wormser Grablege besteht darin, daß die kärglichen Reste und Informationen über die Grablege der Bischöfe zwar einen erheblichen Verlust signalisieren, wenn man vergleichbare Bestände betrachtet; der Mangel betrifft jedoch nicht so sehr einen fühlbaren Schwund, sondern auch eine offenbar erheblich in ihrer künstlerischen Ausgestaltung reduzierte Memorie, deren Lage und Zuschreibungen bei heute verlorenen Platten noch Helwich 1611 wohl nur über Inschriften bekannt geworden waren.406) Durch den Neubau des 12. Jahrhunderts war mit der Existenz von älteren Gräbern ohnehin nicht mehr zu rechnen, doch bleibt auch die spätere Bischofsmemorie durch karge Namensaufschriften des 13. und für ihre Zeit ebenso bescheidene Umschriftplatten des 14. Jahrhunderts hinter den in anderen Bischofsgrablegen realisierten Möglichkeiten zurück; die Mainzer, Trierer und Würzburger übertreffen die Wormser in Textaussagen und Darstellungsweisen um Längen. Ein wirklich repräsentatives Denkmal erhielt sicher nur Bischof Theoderich von Bettendorff (†1580, Nr. 514), und bei Philipp von Rodenstein (†1604) und Wilhelm von Effern (†1616) darf man auf die von ihnen vielleicht als Epitaphaltäre gedachten Denkmäler verweisen. Wenn man sich den aufwendigen Kreuzgangneubau nach 1484 und die dazu gestifteten persönlichen Denkmäler in Erinnerung ruft, kann man jene relative Bescheidenheit, die schließlich für lange Zeit nicht durchbrochen wurde, nicht allein aus der immer wieder zitierten, fast sprichwörtlichen Armut des Wormser Hochstifts erklären; die nur von wenigen Denkmälern, figürlichen Platten des Emerich von Schöneck (†1318, Nr. 98) und des Reinhard von Sickingen (†1482, Nr. 290), aufgelockerte Gleichförmigkeit scheint von noch weiteren äußeren Gegebenheiten verursacht worden zu sein. Man wird der Frage nachgehen müssen, ob und inwieweit die Planung einer Bischofsgrablege im Ostchor die Gestaltung der dortigen Gräber präjudizierte und bei ihrem Einsetzen am Ende des 12. Jahrhunderts eine weitere Vorgehensweise festlegte, die in Zeiten opulenterer Denkmäler nicht mehr geändert werden konnte, bis am Ende des Mittelalters der Platz ausgeschöpft war. Die größere Flexibilität der anschließenden Jahrhunderte kam nicht mehr so richtig zum Tragen, weil sich die Bindung der Bischöfe zu ihrer Kathedrale gelockert hatte und einige Denkmäler teils restlos verschwanden.

Der schon angesprochene Neubau des spätgotischen Kreuzganges unter Bischof Johann III. aus dem Hause Dalberg schuf den äußeren Rahmen für eine reichhaltige Inschriftenüberlieferung auf Schlußsteinen und programmatischen Großreliefs mit lebensgroßen szenischen Darstellungen aus dem Leben Christi. Von den ursprünglich sechs Denkmälern in drei soteriologischen Gruppen fehlt heute nur die Kreuzigung.407) Im Typ sind sich alle ähnlich in zentraler Szene unter einem Bogen, Seitenfiguren und knienden Stiftern, die von einem Heiligen empfohlen werden; die inhaltliche und typologische Zusammengehörigkeit wird dadurch unterstrichen, daß soweit bekannt die Stiftungen ausschließlich aus dem Kreis gelehrter Domherren stammen.408) Die Großplastiken und die in Worms (Dom, Stadtmuseum), Ziegelhausen bei Heidelberg (Abtei Neuburg), Karlsruhe (Badisches Landesmuseum) und ehedem Herrnsheim (Schillerturm) verstreuten Schlußsteine werden heute einhellig oberrheinischen Schulen zugeschrieben und standen in enger Verwandtschaft zu der heute fast völlig verlorenen spätgotischen [Druckseite XCIII] Plastik in Heidelberg und Speyer.409) Genannt werden die Seyfer/Syfer, Konrad Meit, mit Gewißheit die Schule des Nikolaus Gerhaert, mit geringerer Wahrscheinlichkeit Hans Backoffen, Hans Bilger, Hans von Heilbronn.410) Die bis auf wenige Ausnahmen gut datierbaren Denkmäler illustrieren nicht nur den großen künstlerischen Aufwand und den Ehrgeiz der Stifter; sie belegen auch deutliche Zäsuren im Baufortschritt durch eine Lücke von 1494 bis 1513 während der erbitterten Streitigkeiten zwischen Bischof und Klerus einerseits und Stadt andererseits, die unter anderem auch zum Auszug des Klerus (1499-1509) geführt hatten. Nur in wesentlich kleinerem Umfang ließen sich mit Inschriften verbundene Skulpturen und Bauornamentik aus dem romanischen Dombau untereinander vergleichen.

Von den umgebenden Beständen des oberen Mittelrheins unterscheidet sich der Wormser, soweit er erhalten ist, im wesentlichen durch seine soziale Zusammensetzung, die wiederum entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Denkmäler ausübte. Wie schon ausgeführt, machte sie sich vor allem im Fehlen einer entsprechenden Dichte figürlicher Grabmäler der Geistlichkeit und des ministerialischen Adels bemerkbar, die die Klöster und Kirchen der weiteren Umgebung bis weit ins 15. Jahrhundert füllten. Die Wormser Inschriften werden im Mittelalter nicht wie der alte Wonnegau, der Kraichgau, der Rheingau und das untere Nahegebiet von Ritterdenkmälern geprägt, sondern von den unerwartet wenigen der Geistlichen und der heterogenen städtischen Oberschichten; es dominiert daher die einfache Wappengrabplatte. Einen verhältnismäßig großen Raum nehmen auch Inschriften ein, die als einfache Anbringung von Namen mit seltenen Zusätzen Begräbnis der betreffenden Person nahebei oder Stiftung zum jeweiligen Bauteil anzeigen.

Im 16. Jahrhundert nähert sich der Bestand der Wormser Inschriftendenkmäler in sprachlicher und künstlerischer Gestaltung dem zeitüblichen Durchschnitt, ohne jedoch in mehr als wenigen Ausnahmen ein provinzielles Niveau zu übertreffen; die Namen der Künstler, die im weiteren mit Wormser Denkmälern sicher oder auch nur hypothetisch in Verbindung gebracht werden, belegen das. Außerdem muß man aus den Beschreibungen des Domkreuzganges vermuten, daß die Mehrzahl der sprachlich und ikonographisch aussagefähigen Denkmäler von Hochstiftsgeistlichen meist aus kleinen bemalten Tafeln bestand oder gar durch an die Wand aufgemalte Darstellungen ergänzt wurde. Diese reduzierte Gestaltung der Memorie mochte auch durch eine Überfüllung des Kreuzganges verursacht worden sein, die das Domkapitel 1625 nötigte, strengere Maßstäbe für die Zulassung von Begräbnis und Denkmal im Kreuzgang anzulegen.411) Sieht man von der Herrnsheimer Dalberg-Grablege ab, besticht Worms keineswegs durch die besonders hervortretende Ausgestaltung von Grabdenkmälern, eher schon dadurch, daß in der besonderen Überlieferungssituation eine verhältnismäßig große Zahl von Denkmälern sonst unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen erhalten blieben; das trifft sowohl auf die Grabplatten der städtischen Oberschichten ab dem 13. Jahrhundert wie auf die Denkmäler des lutherischen Friedhofes zu, deren früher Ansatz, Dichte und Darstellungsweisen eine teils zünftige Ratsverwandtschaft erschließen helfen, wie das anderweitig kaum der Fall ist. Hinsichtlich der kirchlichen Gebrauchsgegenstände, der vasa sacra et non sacra, teilt Worms das Schicksal der mittelrheinischen Landschaft, wo konfessionelle und politische Entwicklungen einer Erhaltung abträglich waren und anders als etwa in Trier Abschriften vor den verlustträchtigen Zeiten nicht in größerem Maße angefertigt wurden. Die Besonderheiten des Wormser Bestandes liegen bei Grabmälern aller Art in der frühen dichten Folge schon ab dem Ende des 13. Jahrhunderts, was für die Schriftgeschichte von erheblicher Bedeutung ist, und in außergewöhnlichen Erscheinungsformen von Einzeldenkmälern oder Teilcorpora, die nur wenig mit ihrer künstlerischen Gestaltung, um so mehr aber mit quellenkundlichen Problemen und Fragen nach den Motiven und Gründen für die Entstehung und die Realisierung von Inschriftenträgern in der betreffenden Form zu tun haben.412)

Im Bestand Worms gibt es außer den Skulpturen der Dombauprogramme noch weitere Denkmalgruppen, die auf gemeinsame Merkmale hin untersucht werden müssen; dabei handelt es sich um spätgotische Glocken meist bekannter Meister und Produkte der Goldschmiede- und Holzschnitzkunst sowie auch um regelmäßig nicht signierte Grabplatten oder Denkmäler mit gleicher Schrift und Arrangement, auch um höchst ähnliche Grabsteine der lutherischen Ratsverwandtschaft. Ein Wormser Meister Eckhard, der auch für den Würzburger Dom eine Taufe goß,413) fertigte zwei Hohlmaße für die Finanzverwaltung der Stadt Worms (Nr. 49f.). Die Glocken nach 1482 stammen aus den Speyerer [Druckseite XCIV] Werkstätten des Georg (von Guntheim) zu Speyer (Nr. 291) und des Peter zur Glocken zu Speyer (Nr. 332, 365, 374†).414) Festzustellen sind Ähnlichkeit des Arrangements, der Zierformen, der Ikonographie und der Texte, bei Peter etwa auch 1493 und 1500 die Verwendung des Buchstabentyps des spitzen versalen A in Anno mit schrägem Mittelbalken und Anstrich links unten. Die vier Glocken lassen sich gut in das Gesamtwerk der Gießer einordnen. Von den Werken der Goldschmiedekunst, für die in Worms wie bei den Glocken ein vergleichsweise hoher Verlust angesetzt werden muß, stammen nur die meisten neuzeitlichen aus der Stadt selbst. Votivstatuetten des 12. Jahrhunderts (Nr. 29) wurden laut Meisterbeischrift von Nikolaus von Verdun geschaffen, das Liebenauer Kreuzreliquiar von 1342 (Nr. 119) fertigte eine Werkstatt nahe des habsburgischen Hofes in Wien ausdrücklich für das Wormser Kloster; kleinere Kelche und Ringe ließen sich nicht zuordnen. Die Turmmonstranz von Großostheim (Nr. 409) stammt laut Inschrift von der Hand des Wormser Goldschmiedes Caspar Naysar, während die Monstranzstiftung des Lorenz Truchseß von Pommersfelden (Nr. 417) für das Wormser Domstift von auswärtigen Kräften ausgeführt wurde. Der Münzpokal von 1571 (Nr. 497) wurde in Worms begutachtet. Die erhaltenen liturgischen und privaten Gebrauchsgegenstände des 17. Jahrhunderts stammen aus Wormser Werkstätten, für die allesamt nur wenige Objekte bekannt geworden sind;415) allein vier oder gar fünf waren von der Familie der Grafen von Leiningen in Auftrag gegeben worden (Nr. 602, 675, 578, 709, 710). Ein Taufgeschirr des Augsburger Meisters Heinrich Mannlich (Nr. 717) stiftete Johannes Rühle der lutherischen Gemeinde. Wie bei den Metallobjekten überlebten nur wenige Holzschnitzarbeiten die Zerstörungen, ein schlichtes Zweiergestühl des Flachschnitzers Erhart Falckener aus Abensberg in Herrnsheim (Nr. 308 von 1486) und das Chorgestühl der Liebfrauenkirche von 1625 durch den Speyerer Meister Christoph Franck (Nr. 662); zwei erhaltene Altarpredellen (Nr. 347, 679) und eine lange Reihe verlorener hölzerner Epitaphien lassen sich Werkstätten nicht mehr zuordnen.

Im Bereich der Steinbildwerke sind nur zwei frühe Signaturen bekannt, die der Meister Benzo (Nr. 9) und Otto (Nr. 18), und auch späterhin blieben die weitaus meisten Inschriftenträger unsigniert mit Ausnahme des Friedhofskreuzes vom sonst nicht bekannten Meister Thomas (Nr. 331), des Dalberg-Denkmales von Joseph Schmid von Urach (Nr. 443) und des Bettendorff-Epitaphs von Hans Ruprecht Hoffmann (Nr. 514). Die Meisterdiskussion der spätgotischen Kreuzgangwerke lebt wie oben erwähnt vom Stilvergleich der oberrheinischen Plastik; weitere stilistische Zuschreibungen betrafen den Meister des Domsüdportales (Nr. 100), zwei sehr ähnliche Epitaphien Heppenheim und Dalberg (Nr. 470, 477) wohl durch Endres Wolff, das Rodenstein-Epitaph (Nr. 504) vielleicht aus dem Kreis des Peter Osten aus Mainz. Vorlagen des Hausbuchmeisters sah man zurecht wohl nur bei den Herrnsheimer Stifterscheiben (Nr. 306). Malereien an der Münze (Nr. 333) schuf der in Worms tätige Meister Nikolaus Nivergalt, Johannes Juncker bringt man in Verbindung mit dem Hochaltar Bischof Philipps von Rodenstein (Nr. 608).

Wenn man die Liste der Wormser Meisterzuschreibungen um die der unsicheren verminderte, bliebe nur ein geringer Rest als verwandt erkannter Denkmäler übrig; noch schwieriger gestaltet sich der Vergleich mit Denkmälern des weiteren Umkreises, der nur bei den prominenten Künstlern gelingen kann. Es zeigte sich aber schon bei der Beschreibung der schriftgeschichtlichen Entwicklungen in Worms, daß es so etwas wie Werkstatttraditionen oder -zusammenhänge gegeben haben muß, wie aus unter die Zeile geführten Cauden der gotischen Majuskel in Hochheim, aus der bei hoher Dichte sehr späten Majuskel und einigen verwandten Grabplatten kurz vor der Mitte des 15. Jahrhunderts,416) aus merkwürdig gebildeten Minuskel-a nach 1483, aus schreibschriftlich gestalteter R-Versalie nach 1492 zu entnehmen ist. Das sicherlich oft berechtigte Argument, gleiche Formen resultierten aus der Verwendung gleicher Vorlagen in der Art von Schreibmeisterbüchern oder aus der Imitation an anderem Ort gesehener Formen, mag für das R zutreffen, nicht jedoch für die anderen Beispiele, bei denen durch Institutionen und Familienbande die Voraussetzungen für die Verpflichtung einer Werkstatt gegeben waren. In welch starkem Maße Wormser Besonderheiten der gotischen Majuskel weiterwirken konnten, quasi exportiert oder wie im zweiten Fall während des Exils mitgenommen wurden, zeigt das in Wimpfen417) und Ladenburg418) belegbare und für die Wormser Ausprägung sehr später Majuskeln typische Merkmal sackartiger Bogenschwellungen. Das Stift St. Peter zu Wimpfen lag in der [Druckseite XCV] Diözese Worms und nach dem nahen Ladenburg waren Dom- und Andreasstift während des Exils ausgewichen; beide isolierten Anwendungen empfingen ihre Anregung und Vorlage aus Worms.419) Schriftähnlichkeiten genügen ohne aussagefähige Leitformen nicht allein, um Werkstatt- oder gar Meisteridentität festzustellen; ab dem Ende des 15. Jahrhunderts können schriftgeschichtliche Kriterien durch stilistische, typologische und später gelegentlich durch Steinmetzzeichen und Monogramme ergänzt werden. Zweifelsfrei identische Schriftformen besitzen in Herrnsheim die Denkmäler des Johannes Koler von Andernach (Nr. 287 von 1481), das große Dalberg-Denkmal Philipps und der Barbara (Nr. 297 von 1483) und trotz schlechter Schrifterhaltung das ihres Sohnes Philipp (Nr. 298 von um 1483); unterstützt wird diese Aussage durch die kräftigen, strengen Parallelfalten bei allen dreien und die damit kombinierten dreieckig parallel fallenden Gewandteile der beiden ersten Denkmäler.420) Um die weitere Verwandtschaft dieser Denkmäler kennenzulernen, sollte man nach Oppenheim blicken, wo das Denkmal von Philipps Bruder(!) Wolff Kämmerer von Dalberg (†1476)421) mit exakt derselben Zierminuskel versehen ist, die neben ausgeprägter Sporenbildung der Quadrangeln und verspielten Cauden als selten geltende Schaftspaltung der Oberlängen aufweist, wie eben die drei genannten Herrnsheimer Denkmäler. Obwohl Unterschiede in Ornamentreichtum, Gewanddrapierung der Edelfrau und Bogengestaltung nicht zu übersehen sind, sollten bei weiteren Meisterdiskussionen die identische Schriftform, die Beinahekopie der Ritterfiguren und die statuarische Ruhe der Figuren im Gegensatz zu Lockerheit und Spielbeinen nur wenig späterer Doppelgrabmäler in Oppenheim, Gau-Odernheim, St. Martin, Kronberg, Simmern und Heidelberg-Handschuhsheim422) berücksichtigt werden. Mit denselben Mitteln, Schrifteigentümlichkeiten, Typ und Ornamentformen, ist es möglich, in der einzigen bedeutenden Wormser Familiengrablege weitere Denkmäler zusammenzusehen: Eine solche Gruppe bilden die Denkmäler Dalberg-Rechberg von 1547 (Nr. 435) und Breidbach von 1555 (Nr. 462) sowie die Dalberger Bauinschrift in Abenheim von 1556 (Nr. 464); eine identische Hand verraten neben anderem die absolut gleichgestalteten und mit gleichlautender Inschrift versehenen Giebel der Denkmäler Dalberg von 1561 (Nr. 477) und Heppenheim im Dom von 1559 (Nr. 470); trotz der Beschädigungen lassen sich die erstgenannten Kriterien auch auf die Denkmäler des Philipp Kämmerer (Nr. 541 von 1590) und seiner Tochter Barbara (Nr. 521 von 1583) anwenden. Auch die beiden Holzepitaphien von 1591 (Nr. 551f.) stammen aus einer einzigen Werkstatt und bei den beiden Platten für Wolff (Nr. 644 von 1616) und Wolff Friedrich (Nr. 653 von 1621) liegt das ebenfalls nahe wegen Aufhängung und Arrangement der Wappen und flatternden Beischriftbändern. Gemeinsame Schrift- und Stilmerkmale weisen auf auch die Grabplatten Heimbach, Frankfurt, Jungler (Nr. 232, 234f. von 1448) und Enslingen-Bachenstein (Nr. 236 von 1449) in St. Martin und Magnuskirche, jeweils die Grabplatten Finck und Jungler (Nr. 293f. von 1483) ebenfalls in der Magnuskirche, jeweils die Grabmäler Rühle (Nr. 718 von 1667) und Oswald (Nr. 722 von 1671) sowie die Denkmäler Bemberg (Nr. 726 von 1676) und Lützow (Nr. 731 von 1679) vom lutherischen Friedhof; nur in Arrangement und wenigen Stilmerkmalen sind verwandt die Grabplatten Thomas (Nr. 714) und Dünnwald (Nr. 716) von 1666 in der Liebfrauenkirche. Unter den Schlußsteinen des Domkreuzganges gleichen sich hinsichtlich der Schriftformen besonders die Steine Sander (Nr. 329 von 1492), Pfalz-Simmern-Regensburg (Nr. 335 von 1494) und Mönch von Rosenberg (Nr. 337 von 1492-1494); überhaupt zeichnen sich Schlußsteine nach 1488 durch die Aufnahme neuer Versalien aus. Um Inschriftenträger einem Meister oder einer Werkstatt zuschreiben zu können genügt nicht die allgemeine Ähnlichkeit von Schriftformen; Leitmerkmale und andere Stilkriterien wurden regelmäßig ergänzt durch äußere Umstände wie Familienbande oder gemeinsamer Standort, die die Verpflichtung derselben Werkstatt wahrscheinlich machen und eben die Erklärung der Gemeinsamkeiten aus nur voneinander abhängigen Vorlagen entkräften können. Daß Werkstätten in vielen Bereichen tätig wurden und mit den genannten Kriterien beileibe nicht alle Verwandtschaften kontrolliert werden können, geht aus dem einem Herrnsheimer und einem Denkmal vom lutherischen Friedhof gemeinsamen Meistermonogramm mit Steinmetzzeichen hervor.423) Im Bereich der Denkmäler des lutherischen Friedhofes wurden zusätzlich zu Signaturen weitere vage Ähnlichkeiten in Aufbau und Helmgestaltung festgestellt, die gemeinsame Merkmale bei Schrifteigentümlichkeiten stützen können.424) In einen gewissen Stilzusammenhang paßt auch die Beobachtung ähnlich gestalteter Randprofilierung; um geglättete Inschriftenfelder, Ornamentik und [Druckseite XCVI] Architektur in flachem Relief herauszuarbeiten, spitzte man den bis zur meist rechteckigen Steinform freibleibenden Raum nur grob ab und erreichte damit eine geringe plastische Wirkung bei den Denkmälern Bechtolsheim (Nr. 497a), Schlatt (Nr. 506), Steinberger (Nr. 519) und Grun-Demerten (Nr. 525).

Nach Einsetzen und Dauer stilhistorischer Epochen befragt, gestatten Inschriften und ihre Träger für das Gebiet der heutigen Stadt Worms keinesfalls verläßliche und repräsentative Aussagen. Die gebräuchlichen und praktikablen Bezeichnungen Romanik, Gotik, Humanismus-Renaissance sind nicht in jedem Falle undifferenziert anwendbar und geben schon gar nicht feste, an Jahreszahlen knüpfbare Epochengrenzen an. Um so mehr gilt das, als aus der Sicht der Inschriften erhebliche Interferenzen auftreten können: So wurde dem romanischen Christophorus-Bild (Nr. 30) eine gotische Majuskel beigegeben, wenngleich man den heutigen Schriftbefund nicht als den wirklich ursprünglichen ansehen darf; im noch älteren Nikolaus-Tympanon (Nr. 39) wurde das Buch, das der Heilige in der Hand hält, wohl erst im 13. Jahrhundert mit einer zweifellos stärker gotisierenden Schrift stilisiert, als die stilistische Datierung der Skulptur in das Dombauprogramm nach 1160 erwarten ließ. Das spätromanische Südportal der Martinskirche erhielt einen Stifternamen Heinrich (Nr. 31), dessen mit Abschlußstrich versehenes E zusammen mit beginnenden Bogenschwellungen eben auch schon für gotische Buchstabenformen in Anspruch genommen werden kann. Wie im Nebeneinander gotischer Buchstabenformen und neuer fast reiner Renaissancekapitalis, einer Erscheinung, die in manchen Beständen viel länger als die eineinhalb Generationen in Worms anhält, kommen auch in Ornament und Architekturgliederung der Denkmäler vorhandene Überlappungen von Stilepochen zum Ausdruck. Für Worms konnte nicht nur das Nebeneinander sondern auch die gegenseitige Durchdringung anhand der Schriftentwicklung gezeigt werden, was sich indirekt durch vergleichbare Erscheinungen in der Skulptur bestätigen läßt. Von den großen Kreuzgang-Denkmälern nähern die drei mittleren, nämlich Stammbaum, Auferstehung und Grablegung, ihren Architekturschildbogen einem runden Abschluß beträchtlich an; die Verkündigung besitzt noch einen Eselrückenbogen, die spätere Geburt schon einen vollkommenen Rundbogen. Die drei von um 1488 sind mit gotischem Astwerk verziert, das auch in den meisten Schlußsteinen bis zum letzen von 1516 benutzt wurde, zweimal, beim Stammbaum und beim Gemmingen-Schlußstein von 1515 (Nr. 390) mit Kapitalis kombiniert. Ebensowenig scheint man es als Widerspruch aufgefaßt zu haben, daß die beiden Schlußsteine Dalberg und Meintzer (Nr. 321, 388) mit gotischer Minuskel beschrieben wurden, während die großen Reliefs der beiden Stifter eine Kapitalis erhielten. Die Denkmäler erweisen sich dadurch als wahre Produkte einer Umbruchszeit, deren Denken und Sehen auf diesem Niveau noch keine klare neue Gestalt angenommen hatte. Eine postume gotische Formensprache hielt sich im ländlichen Bereich ohnehin bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts, da Türbögen in Abenheim (Nr. 501 zu 1572 und 1602) und Hochheim (Nr. 622) noch gänzlich dem gotischen Schildbogen verpflichtet waren.

Es gab offenbar späterhin auch keinen Hinderungsgrund, nicht mehrere Schriften, also etwa Kapitalis oder humanistische Minuskel einerseits und Fraktur andererseits in voller Absicht auf einem Denkmal zu kombinieren und abtrennbare Textteile in verschiedenen Sprache und den ihnen als angemessen angesehenen Schriften zu gestalten. Ein Verfahren, das auch als hierarchische Abstufung425) bezeichnet wurde und Bibelspruch in Kapitalis von Sterbevermerke in Fraktur absetzt, wurde trotz reichlicher Schriftvariationen nur einmal (Nr. 515) angewendet, einmal (Nr. 593) wird die Frakturgrabschrift durch einen lateinischen Spruch in Kapitalis ergänzt, und auch der umgekehrte Fall kommt vor, daß der Grabinschrift in Kapitalis ein Spruch in Fraktur beigefügt ist (Nr. 548).

7. Miscellanea — Besonderheiten des Wormser Inschriftenbestandes

Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, soll das folgende Kapitel Randthemen von Inschriftentexten und solche Phänomene behandeln, die zunächst als Spezialfälle des Wormser Bestandes gelten müssen und auch später bei größerer Materialbasis möglicherweise nur mit wenigen ausgewählten Beständen Vergleiche erlauben werden.

[Druckseite XCVII] Eine der augenfälligen Besonderheiten stellt die Markierung von Grabplatten durch monumentale Namen oder Buchstaben oder beides zusammen dar. Zwei große Grabplatten (Nr. 99, 225), die durch die Identifizierung der Verstorbenen sicher dem Andreasstift zugeschrieben werden können, tragen in Längsrichtung jeweils den Namen der verstorbenen Person in übergroßer Schrift, also zwei- bis dreimal größer als die Grundschrift. Auf eine weitere Platte im Stadtmuseum (Nr. 105) trifft dieselbe Beobachtung zu; aufgrund dessen muß man sie ebenfalls dem Bestand des Andreasstiftes zurechnen. Lediglich mittels monumentaler Buchstaben wurden Kennzeichnungen von Inschriftträgern des Domstiftes vorgenommen, zunächst mit einem einzelnen Buchstaben (Nr. 71), im 15. Jahrhundert mit zweien (Nr. 231). In dem Sonderfall einer Wiederverwendung wurde der Monumentalname der letzten Inhabers (Nr. 230) in ebenfalls übergroßer Schrift hinzugesetzt. An der südlichen Außenwand des Domes befinden sich mehrere Namen mit der Funktion von Grabinschriften, davon im Bereich des romanischen Kreuzganges drei in großen Schriften in der Nachbarschaft von Gruppen von zwei Buchstaben (Nr. 66, 108, 118), zudem eine Säulenbasis (Nr. 109) mit Sterbevermerk und zwei Doppelbuchstaben. Erleichterte im Andreasstift der großgeschriebene Name das Wiederfinden eines Grabplatzes, so mußte am Domstift teils ein Zwischenschritt eingelegt werden: Die Namen ohne weitere Ergänzungen im alten Kreuzgangbereich bezeichneten den Grabplatz des jeweiligen Verstorbenen, die Buchstabengruppen markierten ebenfalls einen solchen Platz; wem er gehörte und welche Bewandnis es damit hatte, ließ sich dann nur anhand einer Art Konkordanz in den Stiftsunterlagen feststellen.426) Bisher wurden diese nicht gefunden; im Salbuch des Domstiftes steht bei den vergleichsweise wenigen Anniversarien kein entsprechender Vermerk.

Wie man sich das Verfahren vorzustellen hat, geht ansatzweise aus dem besser dokumentierten Bestand des Martinsstiftes hervor. Dort tragen die meisten der im Aussehen überlieferten Platten monumentale Namen und ein oder zwei Buchstaben; einige wenige Bemerkungen in den Stiftsunterlagen erhellen die Gründe für diese Vorgehensweise. Nur bei einer einzigen Platte gelang freilich ein Brückenschlag zum Seelbuch: Für den am 21. Oktober 1475 verstorbenen Kanoniker Nikolaus Wolff verzeichnet das Seelbuch unter dem 27. Oktober ein Anniversar, dem marginal die auch auf der Grabplatte zu findende Buchstabenkombination HT — in unzialen Majuskeln — beigegeben ist; außerdem hatte derselbe, bezeichnet als „Nico lupi”, unter dem 20. Oktober eine Totenmesse gestiftet (Nr. 275). Kurz nach 1497 vermerkte man im Seelbuch, auf welchen Gräbern zu Allerseelen und an den Quatembertagen Kerzen aufgestellt werden mußten.427) Für Johannes Zeßler und Margaretha Rußen, die beide vor dem Kirchenportal begraben lagen, wird das näher ausgeführt:428) „... quatuor candele ponantur super sepulchro ipsius In paradiso ecclesie nostre constituto tali signo JD. Similiter ... ipsius margarethe rußen ibidem signato tali signo HS.” Für die Familie der Kämmerer von Worms bestand eine umfangreiche Grablege im Martinsstift. Um sich für eine Pfründenbesetzung zu empfehlen, stellte der Altarist und Kaplan Peter Ruep 1662 ihre Anniversarien zusammen; er ging dabei nach einem Kalender, aber nicht nach dem erhaltenen Seelbuch vor,429) ohne freilich regelmäßig den Anniversartag zu nennen. Alternatives Bezugssystem war eine noch nicht identifizierte Vorlage aus den Stiftsakten, mit der man nach vier “summae” und darin nach Unternummern Einkünfte des Stiftes aus den jeweiligen Anniversarien für die Verteilung vornehmlich an die Präsenz des Stiftes bilanzierte. Bei manchen, nicht bei allen Verstorbenen, ist der Grabplatz angegeben, bei den meisten zudem eine Zahlen-Buchstabenkombination, zu der der Text regelmäßig in ähnlicher Weise vermerkt „jacet sub lapide literis ut in margine”, bezogen auf die Marginalie aus zwei Buchstaben; die Bedeutung der arabischen Zahlen davor ist noch nicht ganz geklärt. Wahrscheinlich stellen sie künstliche Referenzen zu einem Stammbaum oder einer Abstammungsliste dar, da Paare in der Regel benachbarte Zahlen erhalten hatten und durch die arabischen Zahlen wenigstens teilweise eine grobe zeitliche Abfolge eingehalten ist; außerdem ist zur aufsteigenden Anordnung der Zahlen die alphabetische Reihung der Buchstabenkombinationen parallel. Es liegt auf der Hand, daß die Kennzeichnung der Grabplatten — und nur um solche handelt sich — das Auffinden erleichtern sollte, da die Kennzeichnungen mit unbekannten Aufzeichnungen zu verbinden waren, die Angaben über Stiftungen und möglicherweise auch zur Liturgie am [Druckseite XCVIII] Grab enthielten, wie sie nur gelegentlich in die Ruepschen Aufzeichnungen übernommen sind.430) Hinter Zahlen Rueps und Buchstaben der Platten verbirgt sich also ein noch nicht entschlüsseltes Ordnungssystem, das nach der vorgenannten Hypothese wie folgt funktioniert haben müßte: Aus Unterlagen des Stiftes ersah man für jeden Tag die Pflichten und Auflagen der Totenliturgie sowie die daraus fälligen Einkünfte; anhand von Verweisen durch die besagten Buchstabenkombinationen ließ sich der Grabplatz des betreffenden Verstorbenen schnell wiederfinden — und das war schließlich notwendig, da die Grabliturgie an oben bezeichneten Feiertagen eine unterschiedliche, aber jeweils genau festgelegte Zahl von Kerzen am Grab aufzustellen verlangte und auch die individuellen Anniversarfeiern in ihrer Ausgestaltung erheblich voneinander abweichen konnten. Zu den regelmäßig geforderten Aktivitäten gehörte aber die feierliche Prozession zum Grabe, die gemeinschaftliche „visitatio sepulchri”, wie sie auch für die Domstifte in Worms und Speyer reichlich belegt sind.431) In allen Fällen war es nötig, den betreffenden Grabplatz zu kennen und in den verstreuten Grablegen, nämlich Kreuzgang, Länghäuser, Kapellen, Paradies, wiederzufinden. Es wäre also denkbar, daß möglicherweise der erste Buchstabe eine Lokalität im Stiftsbereich bezeichnete und so die Suche nach dem Grab während der Vorbereitung der liturgischen Feiern erleichterte.432) Dem widerspricht nicht die Beobachtung, daß einige nahe verwandte Familienmitglieder, Ehemann und Ehefrau, ggf. ein Kind, dieselbe Buchstabenkombination erhielten (Nr. 122, 123, 167 / 249, 256, 257) und im Alphabet nahe beieinanderliegende Buchstabenkombinationen oft eng verwandten Kämmererabkömmlingen gegeben wurden; zum Beispiel überwiegt unter den Nachkommen Gerhards (†1345) die Kombination mit E und einem Buchstaben nach O, während unter den frühen Kämmerern im Martinsstift und unter den Kellenbachern sowie in der Dieterischen Seitenlinie der erste Buchstabe F dominiert.433) Erklärt werden kann das durch die Nähe von Begräbnisplätzen eng verwandter Personen bei von ihnen geförderten Altären. Wenn E und F Teile des Kreuzganges und des Kircheninneren anzeigen würden, ließe sich auch die Verwendung der Buchstaben EL auf der Platte des Hertwich von Wolfskehlen (Nr. 135) leicht erklären, der nicht zur Kämmererfamilie gehörte: Er fand seinen Platz in demselben Bereich, aber nicht mit Kämmererersteinen vermischt, da Kombinationen mit E bei den Kämmerern bei EM beginnen. In ähnlicher Weise gilt das für den Stein des Kanonikers Conrad (Kornmarkt) (†1287?, Nr. 53), dessen Buchstabenkombination ES von Peter Ruep auf der Platte eines Heinrich Kämmerer gesehen wurde (Nr. 174). Aus der geforderten Eindeutigkeit des Systems und der Tatsache, daß bis auf eine Ausnahme die frühen Platten nur mit einem Buchstaben versehen sind,434) kann man vermuten, die Monumentalbuchstaben auf der Kanonikerplatte müßten anders gelautet haben. Für eine topographische Ordnung spricht auch die Tatsache, daß die beiden oben erwähnten Platten des Johannes Zeßler und der Margarethe Rußen mit den Buchstaben JD und HS im Bereich der Vorhalle lagen, wo auch andere Steine mit H und J (Nr. 232, 275, 361) gefunden wurden. Zwei Platten mit F waren von Ruep dem Kreuz- respektive dem Hochaltar zugeordnet worden. An dieser Stelle vermißt man schmerzlich die aus Helwich durch Ockhart nicht überlieferten, sonst bei ihm aber regelmäßig vorhandenen Ortsangaben für Grabmäler. Daß die Monumentalbuchstaben auch Initialen der verstorbenen Person darstellen können, läßt sich anhand der wenigen Übereinstimmungen nicht erweisen: ein P auf der Platte für den Klosterverwalter Peter in Hochheim (Nr. 175) muß nicht zeitgenössisch sein; HF auf der Platte des Franco von Heimbach (Nr. 232) wäre eine überraschende Umstellung. Lediglich die Initialen IG bei Johannes Groß (Nr. 520) entsprechen auch von der Zeitstellung (1583) zeitgenössischen Gepflogenheiten.

Soweit das anhand der geringen erhaltenen Überlieferung zu beurteilen ist, dürften alle Kennzeichnungen mit den zugehörigen Umschriften zeitgleich vorgenommen worden sein. Ebenfalls gleichzeitige Kennzeichnung stellt ein Numerierungssystem mit drei Exemplaren, bestehend aus den doppelten gotischen Majuskeln AA, BB, CC in der Dominikanerkirche zu Wimpfen dar;435) von zwei mit den Minuskeln h und i gekennzeichneten Platten in Bebenhausen wurde sicher die frühere nachträglich beschriftet,436) mehrere Platten mit römischen Ziffern in gotischer Minuskel im Straßburger Hochstift [Druckseite XCIX] ließen sich noch nicht mit einem System zur Deckung bringen.437) Am Lettner der Baseler Kartause hing eine Votivtafel mit dem Versprechen des Konventes, die in einer Stiftungsurkunde der Herzogin Isabella von Burgund, Gemahlin Philipps des Guten, 1438 festgeschriebenen Seelgerätefeiern weisungsgemäß durchzuführen; unter den Stiftungen befanden sich die Zellen am Kreuzgang, bezeichnet E und F, denen gegenüber außerdem die Stifterin in einem Fenster dargestellt ist.438) Eine Vielfalt der Kennzeichnungssysteme muß auch aus leider kaum noch rekonstruierbaren ursprünglichen Lagen erschlossen werden, wenn ehedem liegende Platten in Hirschhorn, Michelstadt, Disibodenberg und Mainz nicht die geringsten Abtretungsspuren aufweisen, also wohl abgedeckt waren; außer der Markierung vermutbarer Holzabdeckungen könnte dazu auch ein mit Kreuzchen an den Wänden fixierbares Raster gedient haben.

Aus gegebenem Anlaß ist zur zeitlichen Relation von inschriftlich bezeugtem Todestag und Anniversarstiftungen Stellung zu nehmen. Wie ernst das Spätmittelalter Seelgerätefeiern nahm, zeigen in Worms die nicht an Personen oder Stiftungen gebundenen Vorkehrungen, die man 1326 pietätvoll für die in ihrer Ruhe gestörten Verstorbenen des Sarkophagfundes nördlich der Andreaskirche traf, indem man nahe des Fundzeitraumes nach Johannes Baptist am Vorabend seines Festtages ein Anniversar einrichtete (Nr. 114). In Worms ist die unmittelbare Anniversarüberlieferung, die sich auch mit inschriftlichen Daten vergleichen läßt, im wesentlichen auf Dom- und Martinsstift beschränkt und zeigt eine Reihe von zeitlichen Diskrepanzen,439) die generell vor der ungeprüften Benutzung von Seelbucheinträgen ohne obiit als Sterberegister warnen. Eine der Ursachen mag die Einrichtung von schon genauer fixierten Gedächtnisstiftungen zu Lebzeiten gewesen sein, die dann auf individuell besonders geschätzte Tage, Festtage, persönliche Erinnerungstage, Anniversarien schon verstorbener Ehepartner o.ä. gelegt wurden (u.a. Nr. 440). Gelegentlich eignete sich der Todestag wegen hoher Kirchenfeste auch nicht und man war gezwungen auf die Vigil auszuweichen; ohnehin läßt sich mehrfach die Fixierung des Anniversars auf den Vorabend des Todestages oder ganz in der Nähe beobachten (Nr. 101, 104, 256 u.a.m., siehe ante). In solchen Fällen leisteten Grabsteinmarkierungen und begleitende Unterlagen natürlich große Hilfe in der Organisation der Seelgerätefeiern. Insbesondere wenn Nekrologinformationen aus zweiter Hand benutzt werden müssen, ist Vorsicht geboten: Von neun bekannten Grabinschriften der Äbtissinnen des Klosters Mariamünster sind fünf noch erhalten, eine zuverlässig abgeschrieben; in seiner entsprechenden Liste zitiert S.A. Würdtwein nur eine davon mit richtiger Umrechung des Tagesdatums (Nr. 250), gibt jedoch für acht weitere nicht mit den Inschriften übereinstimmende Todesdaten an. Drei davon können mit Verwechslungen aus dem römischen Kalender eines Seelbuches erklärt werden, fünf weichen erheblich, sogar bis zu drei Jahren bei einer nicht erhaltenen, vom Todestag der Grabinschrift ab.

Mitteilungen zu Umständen des Todes sind selten auf Grabdenkmälern vor dem 16. Jahrhundert und betreffen meist nur „unnatürliche” Todesarten, Unfälle, die zu einem unverhofften, unvorbereiteten Tod führten,440) in einem der höchst seltenen Ausnahmefälle sogar eine Hinrichtung.441) Für den Verstorbenen konnte der unverhoffte und nicht den religiösen Normen entsprechende Tod eine Rufschädigung und in den Augen der Nachwelt Heilsverlust bedeuten, da er als Indiz für verborgenes sündiges Leben und Höllenverdammnis angesehen wurde; die Angabe von allen leicht einsehbaren Todesumständen und ihre Erklärung sollte Mutmaßungen einer „ultio divina” vorbeugen.442) Anders [Druckseite C] als Leichenpredigten bot ein Grabdenkmal dafür nur wenig Raum und begnügte sich mit einer knappen Mitteilung, die vielleicht auch um besondere heilsfördernde Anstrengungen anhielt. Gewöhnlich versicherte aber die Grabinschrift dem Betrachter in vielen Formeln, daß die betreffende Person eines „sanftes Todes” verstorben war, in Gott selig oder pie in Christo, nach Tröstung durch die Heilige Schrift (Nr. 693). Lobende Epitetha und der Ruhm persönlicher Leistungen in Geist und Welt unterstützen diese Versicherung, weil ja im augustinischen Sinne einem gutem Leben kein böser Tod mit all seinen Schrecken folgen konnte. Dem entspricht, daß überall feststellbar der Anspruch und die Häufung jener Epitheta ab dem 16. Jahrhundert zunimmt. Die Masse der mittelalterlichen Grabinschriften in Worms (und überhaupt) blieb dagegen in rudimentären Sachinformationen verhaftet, was sich in einem Überwiegen sehr gleichförmiger Anno Domini-Umschriftplatten mit nur gelegentlichen Wertungen der Verstorbenen äußerte, wenn man von Standesprädikaten absieht. Abweichend davon wurde in Worms Tod durch Ertrinken auf dem Neuhausener Steinkreuz für einen Unbekannten festgehalten (Nr. 579); das Erinnerungskreuz für den 1531 im Duell getöteten Christoph Lerch von Dirmstein (Nr. 418) verschweigt hingegen die Todesumstände. Häufiger sind anderswo auch Angaben zu Tod im Kindbett (Nr. 727) oder kurz nach der Geburt (Nr. 711), zu Krankheiten als Todesursachen überhaupt (Vgl. Nr. 630 peste correpta zu 1613, Nr. 693 morbo epidemico festinata zu 1635, Nr. 719 vi contagiosa luis ablatum zu 1666/1668, Nr. 722 correptus scyro zu 1671).443) Mehrfach wird auch ganz allgemein aufopferungsvolle Tätigkeit zum Wohle des Gemeinwesens angeführt (Nr. 514 POST INGENTES CVRAS SVAEQUE REIPVBLICAE VIGILIAS zu 1580, Nr. 546 assiduis pro republica exantlatis laboribus senioque exhaustus zu 1591). Hinter der Häufung von Todesfällen mochten sich Epidemien verbergen, obwohl diese nur ausnahmsweise in den Grabinschriften genannt sind: Eine solche Vermutung ruft der Umstand hervor, daß im September 1568 Helena Drach (Nr. 494) mit fünfen ihrer Kinder verstarb; vier Todesfälle von 1572 (Nr. 498-500) verursachte möglicherweise die „febris Ungarica”,444) und die Pestepidemie von 1666, die sich in mehreren Denkmälern niederschlug, ist anderwärts besser belegt.445) Grabinschriften für drei während der Epidemie des Reichstagdes von 1521 verstorbene Höflinge (Nr. 403, 404, 405, zeitnah auch 406) schweigen über die Todesursache. Im großen und ganzen gewinnt man den Eindruck, als seien die Wormser Inschriften in dieser Hinsicht nicht sehr mitteilsam; das mag mit dem verhältnismäßig hohen Anteil sehr konventioneller Klerikergrabplatten zusammenhängen. Jedenfalls darf man in Beständen mit zahlreichen Flurdenkmälern mehr zu Todesfällen infolge von Gewalttaten erwarten,446) ebenso wie in einem Bestand mit redseligen Grabinschriften und Hausinschriften Seuchenzüge von 1566/67 und 1597 eindringlicher thematisiert sind.447)

Peinlich genaue Datierung des Todes mit Tag und Uhrzeit, die Spannung zwischen Diesseits und Jenseits, die Trennung von Körper und Seele, in Formeln wie resignavit animam Deo, corporis vero reliquiae terrae (Nr. 546), den Bildern von der Speise der Würmer (Nr. 713) oder den Abwandlungen des alten mittelalterlichen quod tu es, ego fui, dem barocken hodie mihi cras tibi thematisieren den Tod in neuzeitlicher, sehr persönlicher Weise. Obwohl der Tod nach Philipper 1,21 oft als Gewinn bezeichnet wird, tritt die Dimension der persönlichen Erfahrung, der Augenblick des Todes mit all ihrem Schrecken stärker hervor als dies die mittelalterlichen Zeitgenossen spüren ließen; es bleibt auch Raum, den Tod nicht nur als Erlösung zu verstehen, er ist grauenvoll, dira (Nr. 494, 682), unzeitig, importuna (Nr. 430) oder immatura (Nr. 611), die Schicksalsgöttinnen grausam, immites (Nr. 697). In Darstellungen und noch mehr in Texten gewinnt die emotionale Auseinandersetzung mit dem Tod geliebter Menschen an Boden; dies zeigt sich im Aufkommen entsprechender Epitheta, in der Verbalisierung des Schmerzes. Nicht in jedem Fall wird trotz der Bekenntnisse zu Glaubensfestigkeit und Heilsgewißheit der Satz quem amat Deus, moritur neos448) ohne Hader mit dem Schicksal akzeptiert. Wenn man sich die These zu eigen macht, die Denkmäler der Neuzeit seien nach den Wünschen der Verstorbenen, bei Anfertigung zu Lebzeiten,449) oder ihrer Nachkommen gestaltet worden, bieten sie in einem Raum, für den es kaum Leichenpredigten gibt, Einblick in Denken und Frömmigkeit von Bevölkerungskreisen, die sonst weitgehend verschlossen bleiben.

[Druckseite CI] Die in Worms so häufigen Mehrfachverwendungen aller Art wurden im Einleitungskapitel 6.2. hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Inschriftenstatistik kurz besprochen; wiederzufinden sind sie anhand des Registers unter dem Lemma “Grabinschrift”. Die Konstellationen können recht vielseitig sein: Bei Grabplatten ist die häufigste Form die ebenfalls als Umschrift nachgetragene Zweit- und Drittverwendung, zumeist für Verwandte; von einer Ausnahme im 14. Jahrhundert (Nr. 99) abgesehen, tritt an ihre Stelle erst ab dem 16. Jahrhundert die zeilenweise angeordnete Inschrift einer Nachbestattung. Einen Sonderfall geplanter Mehrfachverwendung von Grabplatten stellt die fortlaufende oder in zwei Teilen abgesetzte Umschrift dar, die in Worms mit zwei halb zerstörten Belegen vertreten (Nr. 70, 84) ist, aber etwa auf der Platte Rennwart auf dem Disibodenberg450) und ohne Anno Domini-Formel auf der Platte Zweibrücken auf dem Klosterberg Wörschweiler451) fortlaufend und schließlich gegeneinander abgesetzt bei der verworfenen Fassung des Denkmales Zum Jungen-Weikersheim452) in Oppenheim vorkommt. Einen weiteren Sonderfall stellt die figürliche Doppelgrabplatte des Rudolf und der Irmgard von Rüdesheim in Gabsheim/Rheinhessen dar;453) auf einer überbreiten Platte wurden dort zwei voneinander getrennte Bilder mit Umschriften angebracht. Die vier konzentrischen Umschriften der Nordenberg-Grabplatte von 1343 im Dominikanerinnenkloster zu Rothenburg454) entstanden gleichzeitig anläßlich des letzten Todesfalles; die Vorgehensweise ist also genau entgegengesetzt den in Worms verbreiteten Nachbestattungen. Geplante Mehrfachverwendungen begegnen allenthalben seit den spätgotischen Wanddenkmälern und Epitaphien für Ehepaare sowie in zahlreichen Familiendenkmälern oft mit kleinfigurigen Darstellungen von Eltern und Kindern. Auf die Problematik von Datierungen sozusagen der Erstbeschriftung, wurde schon mehrfach hingewiesen. In fast allen Fällen geplanter Mehrfachverwendungen stellte sich die Frage nach der Datierung und damit Einordnung in den Katalog (Kap. 1.). Wenn eine solche etwa durch eine entsprechende Jahreszahl nicht zusätzlich gegeben ist, muß man anhand von Sachinformationen (Nr. 508), Schriftwechseln (Nr. 297), signifikanten Störungen der räumlichen Verteilung (Nr. 640) oder kombinierten Merkmalen (Nr. 515) Kriterien für eine Entscheidung zwischen oft weit auseinanderliegenden Todesdaten ermitteln, da jene im Wissen um zeitliche Verzögerung der Herstellung doch als Richtpunkt für die Katalogordnung gelten müssen.

Eines besonderen Hinweises bedürfen die rückseitigen Wiederverwendungen, von denen in Worms zwei sicher im Bearbeitungszeitraum nachgewiesen sind (Nr. 93/687, Nr. 503/731) und eine als rückseitig beschriebene Zusammenfügung zweier alter Platten (Nr. 99, 225) im 18. Jahrhundert für eine Gedächtnisinschrift an Bischof Burchard I. benutzt wurde. Aus den Diskrepanzen der Überlieferung der Inschriftenträger des lutherischen Friedhofes und einem nachweisbaren Fall (Nr. 503/731) muß man vermuten, daß noch eine Reihe weiterer Denkmäler jenes Standortes rückseitig benutzt wurde (Kap. 3.). Als Ausnahmefall gilt die rückseitige Erneuerung einer offenbar verworfenen Fassung der Grabplatte Zum Jungen-Weikersheim (†1437/1444?) in der Oppenheimer Katharinenkirche in Form eines Wanddenkmales für dieselben Verstorbenen,455) wofür man erhebliche Veränderungen in künstlerischer Qualität, Arrangement und Denkmaltyp vornahm.

Man hat sich bisher zur sehr zögernd der Frage nach dem Produktionsablauf für Inschriftenträger gestellt. Weder alte Darstellungen, hier Miniaturen des 14. Jahrhunderts,456) noch einschlägige Überlieferungen zur Handwerkskunst des Mittelalters gehen ausführlich genug darauf ein. Wer verfaßte den Text? Wer engagierte den Handwerker oder Künstler und war damit verantwortlich für die Umsetzung? Wie wurde der Text auf das neue Medium übertragen? Die Wormser Inschriften mögen durch besondere Umstände wenigstens auf einige Indizien aufmerksam machen, die möglicherweise als Fragen auch an andere Bestände herangetragen werden können. In keiner Weise werden davon die ab dem 16. Jahrhundert reichlich nachweisbaren Vereinbarungen zwischen Auftraggebern und Künstlern berührt, wie sie zwischen den Pfalzgrafen und Herzögen von Zweibrücken mit Hans von Trarbach für die Meisenheimer Grablege oder zwischen den Wild- und Rheingrafen mit demselben Künstler und [Druckseite CII] seinem Schüler Hans Trapp für die Kirche von Johannisberg getroffen wurden.457) Die nachfolgenden Beobachtungen aus Worms beziehen sich ausschließlich auf Werke unbekannter Künstler und auf Denkmäler, für die angesichts der Zeitstellung ohnehin keine schriftliche Überlieferung zu erwarten ist. Eine Reihe von mittelfrühen Umschriften läßt durch vom üblichen Formular abweichende Aussagen mehr oder weniger sicher erkennen, mit wessen Stimme die Inschrift spricht. In den üblichen Künstlersignaturen mit me fecit oder etwa der Rätselinschrift bei der Martinskirche (Nr. 359) ist es das unpersönliche Objekt, das sich an den Betrachter wendet. Ganz anders verhält es sich mit Grabinschriften, deren Text quasi aus dem Mund der Institution spricht, wenn es heißt, daß die verstorbene Adelheid(?) LEGAUIT NObIS, nämlich wohl dem Kloster Mariamünster, ANVATIM IIIIOR MALDRA SILIGINIS ET FILA Et LIBRAS (Nr. 59) oder der Augustinerpropst Heinrich von Siegen prepositus ordinis nostri et noster specialis benefactor für das Andreasbergkloster war (Nr. 103). Die CORONA COELI, Himmelskron selbst, schmückte mit würdigem Lob den Gründer und gerühmten Ritter Dirolf (Nr. 97). Vier Angehörige der Kämmerer-Familie wurden auf ihren Grabplatten als amicus [fidelis] huius ecclesie des Martinsstiftes bezeichnet (Nr. 138, 147, 150, 155). Nicht immer ist die Perspektive eines Textes eindeutig zuzuordnen: Die Inschrift auf dem Dorn des Liebenauer Kreuzes (Nr. 119) verhält sich in dieser Hinsicht neutral, wie von einem Beobachterstandort beschreibend; der Text gibt keinen Anhaltspunkt für den Entstehungsort der Inschrift, ob sie dem in Wien gefertigten Kreuz etwa in Liebenau nachgetragen sein könnte.458) Unterstützt werden oben angeführte explizite Aussagen für den Bestand des Nonnenklosters in Hochheim auch durch äußere Merkmale: Schrifteigentümlichkeiten der Majuskel mit auffälligen Cauden und Formenreichtum des A sind fast ausschließlich auf jene Denkmalgruppe beschränkt,459) und auch die durchgängige Verwendung gelben Sandsteines außer für die drei Platten der Kämmerer (Nr. 127, 159, 206) machen es sehr wahrscheinlich, daß die Herstellung der Grabplatten überwiegend in den Händen des Konventes lag, der außer für den gelehrten Text in der Widmung an Dirolf auch für die handwerkliche Umsetzung überhaupt verantwortlich zeichnete; nur so lassen sich die Beobachtungen aus Schrifteigentümlichkeiten und Material erklären. Die Rolle der den Grabplatz hütenden Institution wird auch dort deutlich, wo wie im Zisterzienserkloster Disibodenberg durchaus eigenständige Handwerkskunst in Schrift und Dekor mit nicht zeitüblicher Zurückhaltung in puncto figürlicher Darstellung oder wenigstens deren verspätetem Einsetzen zusammentreffen.460) Immer dann, wenn sich in Text und Gestaltungsweise standortspezifische Sonderformen über längere Zeiträume und unabhängig von Familienzugehörigkeiten nachweisen lassen, muß der Institution oder einer von ihr beauftragten Person ein wesentlicher Entscheidungsspielraum zugedacht werden; möglicherweise ist sogar an die Ausbildung von Konventionen oder Traditionen des Konvents zu denken, die berechtigte Interessen der eigentlichen Auftraggeber als Stifter und Gönner in den Hintergrund drängten. Länger anhaltende Eigentümlichkeiten gingen dann sowohl auf derartige Konventionen wie auch auf die Verpflichtung derselben Werkstatt zurück, wenn nicht sogar wie im Falle des Klosters Disibodenberg auf die Unterhaltung einer eigenen.

Zwei unfertige Inschriften zeigen zwei Stufen des Herstellungsprozesses von Inschriften; entgegen möglichen Bedenken gegen Vorzeichnung oder Vorritzung aus oben angesprochenen Bildern und Unregelmäßigkeiten des Textes, wie es früher für die berühmte Mainzer Domtür in Anspruch genommen wurde,461) lassen Nr. 222 und 238 deutlich exakt vorgeritzte Buchstaben in Minuskeln erkennen, die nur für einen Teil des Textes auch ausgehauen wurden, im zweiten Fall sogar in erheblich geringerer Qualität, was die Regelmäßigkeit und Gradlinigkeit betrifft. Weniger eindeutig ist derselbe Sachverhalt beim Epitaph des Domdekans Thomas Print (Nr. 616) zu erkennen. Geht man davon aus, daß Vorritzung dieser Art regelmäßig im Produktionsablauf einer Inschrift angewandt wurde, könnte man anhand von Fehlern weitere Schlüsse ziehen, denn sie stellt zugleich den entscheidenden Schritt in der Übertragung eines Textes in ein neues Medium dar. Außer Übertragungsfehlern im Wortlaut des Textes bestehen die dem Hersteller einer Inschrift anzulastenden Mängel in falscher Raumaufteilung und unbeabsichtigten Spiegelschriften. Es bietet sich an zu behaupten, daß fehlerhafte Raumaufteilung, die zu gedrängter Schrift oder Verstümmelung etwa der Fürbitteformeln führte, gerade gegen eine Vor-[Druckseite CIII]-zeichnung spräche; dem ist nicht so, wenn es sich dabei in erster Linie um eine Vorritzung handelte, die, wie der Bearbeiter aus eigener Erfahrung weiß, einen aufwendigen Arbeitsprozeß darstellt und daher wohl nicht ohne Not gelöscht und neu begonnen wurde. Wenn die Vorritzung außerdem mit irgendwelchen Schablonen ausgeführt wurde, ist in ihrer Handhabung durch Drehfehler auch die Spiegelschrift angelegt, insbesondere dann, wenn bei einem Denkmal die Perspektive einzelner Inschriftteile wechselt wie beim Denkmal des Melchior von Hirschhorn (†1491) und der Kunigunde von Oberstein (†1457) im Hirschhorner Karmeliterkloster,462) bei zwei Wormser Wappenbeischriften (Nr. 554, 557) und einer Jahreszahl eines Schlußsteines (Nr. 390). Eine kompliziertere Sachlage bieten die Spiegelschriften des Friedhofskreuzes (Nr. 331), die wohl durch den von rechts nach links laufenden Text des hebräischen Titulus beeinflußt sind, wegen der auffälligen Kürzung mindestens von rechts konzipiert wurden.

Es versteht sich von selbst, daß die Einflußmöglichkeiten der Auftraggeber auf die Gestaltung wuchsen. Dem zunehmenden Bewußtsein der Individualität eröffnete allenthalben die Lockerung irgendwelcher Beschränkungen größeren Spielraum. Im 16. Jahrhundert setzte sich daher ein Formenreichtum in Aussage und äußerer Gestalt durch, der gerade in den Texten sehr persönliche Züge erlaubte. Stifter geben sich vermehrt — etwa auch als die ein Versprechen einlösenden Nachkommen oder Erben — zu erkennen, und in vielen Fällen muß man bei gebildeten Geistlichen des 17. Jahrhunderts vermuten, daß sie selbst das pathetikos epitaphios verfaßten. Auch die repräsentativen Denkmäler des Kreuzgangneubaues werden kaum ohne Mitwirkung der Stifter entstanden sein; sollte man programmatische Beischriften auch erst im 16. Jahrhundert nachgetragen haben, in ihnen spiegelt sich wie in vergleichbaren Texten überhaupt in höchstem Maße Absicht und Eingriff der Auftraggeber.463)

Für die in Worms prominenten Linien der Familie der Kämmerer von Worms und später der Kämmerer von Worms gen. von Dalberg können Inschriftentexte neue Erkenntnisse zu Abstammungslinien und Verwandtschaftsverhältnissen sowie zur allgemeinen Familiengeschichte beitragen.464) Da man sich der unreflektierten Benutzung des Leitnamens Dalberg aus der vielzitierten Frage des Kaisers auf der Tiberbrücke „Ist kein Dalberg da?”465) kaum entziehen kann, auch Bischof Johann III. meist nur Johann von Dalberg genannt wird, kann ein kleiner Exkurs zur Handhabung des Namens auf den Familiendenkmälern nicht schaden. Eine Differenzierung zwischen nachprüfbaren, also erhaltenen oder fotografisch überlieferten Denkmälern, und insbesondere in der Martinskirche abgeschriebenen ist dafür unumgänglich; leider haben sich in letzterem Bestand kaum frühe erhalten. Die erste Grabinschrift der Familie, die verlorene für Gerhard II. (Nr. 61), nennt jenen Gerhardus Cammerarius miles, bei Heinrich I. (Nr. 75) trat angeblich Wormatiensis hinzu, bei seiner Ehefrau Hedwig (Nr. 86) fehlt es wieder. Cam(m)erarius Wormatiensies, teils auch zusammen mit miles, wird dann angeblich ab 1319 zur gängig durchgehaltenen Bezeichnung, obwohl in keinem Fall eine Nachprüfung möglich ist; bezeichnenderweise fehlt Wormatiensis bei der ersten gut erhaltenen Platte von 1346 (Nr. 127), ebenso bei den folgenden nicht prüfbaren Belegen (Nr. 134, 138, 144, 147, 148, 149, 150), um 1371 in der Inschrift für einen Dieter Kämmerer (Nr. 152) wieder angefügt zu werden. Dann fehlt es oder wird unterschlagen (Nr. 155, 159, 160, 167, 168, 169, 174); bei Dieter II. (Nr. 179, 181) heißt es dann Camerarius armiger de Wormatia. Nur mit kemerer begnügt sich die Platte der Guda geb. Landschadin (Nr. 206). Bis zum Aussterben der Linie Kämmerer von Worms im Martinsstift bleibt der Zusatz Wormatiensis (Nr. 209) in der Unterzahl (Nr. 212, 213, 215, 220, 224, 233, 249, 256, 257) und ist in keinem Fall sicher zu belegen. Von der Oppenheimer Linie stammt die Herrnsheimer Linie Philipps (†1492) ab und brachte auch deren im 15. Jahrhundert gebräuchliche Bezeichnung als „Kämmerer von Dalberg” mit (Nr. 264, 296, 297, 298, 321, 328, 400, 512, 649, 653, 695, 699, 702). Zwischen 1383 und 1415 hatte man in Oppenheim den jener Linie zugefallenen Beinamen Dalberg noch mittels ALIAS oder dictus kenntlich gemacht.466) An beiden Standorten trat aber nach 1500 die alte Familienbezeichnung der Kämmerer von Worms hinzu zu jenem geläufigen und vielbenutzten Namen der Kämmerer von Worms gen. von Dalberg.467) Demgegenüber blieben Wendungen wie CAMERARIVS DALBERG und [Druckseite CIV] à Dalburg (Nr. 316, 370) auf sprachlich bedingte Sonderfälle im Umkreis des Bischofs Johann von Dalberg begrenzt. Aber auch die einfache Formel von/à Dalberg blieb noch in Gebrauch, oft jedoch quasi als Kurzform, wenn der lange Name* schon dastand (Nr. 463, 464*, 481, 521*, 569, 664*). Die singuläre Wendung Cämmerin von Worms kann 1578 (Nr. 512) durch einen Abschreibefehler zustandegekommen sein, während CAMERARII VANGIONES A DALBERG 1618 in gelehrter Umsetzung zu dem CAMERARIO A DALBERG des 1559 verstorbenen Eberhard (Nr. 649) hinzugesetzt wurde, das selbst wiederum den Gepflogenheit der alten Philippschen Linie entsprach. Mit Wolff Friedrich aus der Krobsburger Linie setzt wieder die Betonung des Dalbergnamens ein; er ist nur CAMRER HERR VON DALBVRG (Nr. 653). Nach der Standeserhöhung von 1653 tritt der Freiherrentitel zum Zusatz Dalberg (Nr. 706, 711), als LIBER BARO in der im 18. Jahrhundert erneuerten Stifterinschrift des Ursula-Epitaphaltares (Nr. 655). Diese Tendenz zur Hervorhebung des dalbergischen Namenselementes setzt wohl aus praktischen Gründen bei den Wappenbeischriften viel früher ein, nämlich auf dem Denkmal Dalberg-Rechberg von 1547 (Nr. 435) und hält an bis ins 17. Jahrhundert (Nr. 462, 521, 536, 541, 551, 552, 557, 629, 634, 644, 683) über die Erneuerung des Familienwappens hinaus, als 1621 bei Wolff Friedrich (Nr. 653, 655) erstmals das aus dem Kämmererwappen und dem alten dalbergischen Ankerkreuz viergeteilte Wappen zur Anwendung kommt, ohne freilich konsequent weitergeführt zu werden.

Ein vollkommen anderes Thema berühren einige merkwürdige, bezüglich ihrer Datierung verdächtige Inschriften. Nun ist reichlich bekannt, daß geistliche Institutionen ihren Gründern und besonderen Förderern Gedenkmäler aufstellen ließen, die in einigen Fällen sogar heiligmäßige Verehrung unterstützten,468) von den Städten nicht nur Rom seinen Romulus, die Griechenstädte ihre eponymen Heroen, Trier seinen Trebeta verehrten, Reims auf eine Gründung durch Remus zurückblickte; in vielen Fällen benutzte man dazu inschriftliche Denkmäler wenigstens zur Untermauerung. Heute gilt es ihre Zeitstellung und die möglichen Umstände ihrer Schaffung aufzuhellen und eine mehrfache Unterscheidung vorzunehmen: Zu trennen sein wird zwischen programmatischen Denkmälern, deren Informationsgehalt aber nachprüfbar war, die also Monumentalisierungen vorhandener Legenden darstellten, und solchen Denkmälern, die selbst — nun nicht mehr unbedingt als pia fraus — für die Ausbildung einer Tradition den dinglichen Ausgangspunkt bildeten, im eigentlichen Sinne eine Fälschung darstellten und gegebenenfalls mit anderen schriftlichen Dokumenten zusammenwirken sollten. Inwieweit sich solche Unterscheidungen wirklich treffen lassen, hängt vom Umfang und auch von der Aussagekraft begleitender Zeugnisse ab.

Die Frühgeschichte des jeweiligen Klosters aufgreifende Inschriften in Maulbronn469) und Schulpforta470) vermischen belegbare Informationen mit legendarischen und aus verbreiteten, aber nicht zweifelsfreien Traditionen übernommenen Angaben. Durch ihre Ausführlichkeit sind sie in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Teil der Tendenz zur Rückbesinnung auf die Anfänge des Konventes.471) In die Reihe vergleichbarer Bemühungen gehören dann wohl auch Erneuerungen von Grabdenkmälern, zumeist Grabplatten, von Äbten in Herrenalb und von Bischof Conrad von Hildesheim in Schönau;472) selbstredend handelte es sich um besonders würdige Bestattete oder um hervorragende Mitglieder der Konventshierarchie. In ähnlicher Weise und mit dem Ziele der Repräsentation ließ Abt Trithemius im Kloster Sponheim das Refektorium mit Bildern und Inschriften seiner Vorgänger schmücken.473) Einen narrativen Rückbezug von Inschriften auf die Geschichte des Konventes findet man in Worms nur in Ansätzen bei der Portalausgestaltung des Paulusstiftes von 1601 (Nr. 594) und auf einer „tabula membranea” im ehemaligen Dominikanerkloster, auf deren 1602 erneuerter Fassung der Konventsgründung im Jahre 1226 gedacht wurde und durchaus ein als Inschrift denkbares älteres Formular zur Anwendung kam.474) Das Gedenken an den Gründerbischof Burchard I. wurde auch im Andreasstift 1761 mittels einer langen Inschrift gefeiert (Vgl. bei Nr. 99). Die historischen Anklänge [Druckseite CV] treten in diesen Beispielen ebenso wie in den Reminiszenzen der Neuhausener Verse (Nr. 282-285) gegenüber oben genannten weit zurück. Historische Fiktion oder Rückbezüge äußerten sich in Worms nicht durch erschöpfende und weitschweifige Inschriftentexte. Es handelt sich im wesentlichen um Grabmälern ähnliche oder als solche selbst ausgebildete Denkmäler, in deren Texten nicht in jedem Falle konkrete Aussagen zum eigentlichen Hintergrund für die Schaffung des Denkmales gemacht sind. Verständlich sind sie oft nur über die Kenntnis eines weiten Kontextes.

Eindeutig als Replik zu erkennen gibt sich die Grabplatte für Johannes Kämmerer von Worms (†1369), Sohn des Friedrich, mit dem Vermerk RENOVATVS 1669 (Nr. 149); anhand der Schriftformen und des mit dem Eintrag in Peter Rueps Anniversaraufstellung identischen Text der Umschrift läßt sich die Herstellung der Platte im 17. Jahrhundert nachweisen. Fehlen des Datums auch bei der Platte für Adelheid Kämmerer von Worms (†1343), Frau des Giselbert Phus (Nr. 122), könnte ebenfalls auf denselben Sachverhalt hinweisen, wobei in beiden Fällen nicht zweifelsfrei entschieden werden kann, ob es sich nicht doch wenigstens um die Wiederholung der alten Texte gehandelt hat. Daß man im 14. Jahrhundert keinen Todestag angegeben hätte, ist jedoch unwahrscheinlich, und außerdem stimmt der Inschriftentext für Johannes von 1669 mit dem des Peter Ruep von 1662 in so auffälliger Weise überein, daß man die Benutzung von Rueps Aufzeichnungen für die Inschrift nicht ausschließen kann. Hinter der Erneuerung stand die Absicht, die Kämmerergrablege wieder zu vervollständigen, denn gemäß Rueps Aufzeichnungen muß für beide erwähnte Personen ein altes Denkmal des 14. Jahrhunderts existiert haben; die Schriftformen der Grabplatte des Johannes ahmen denn auch gotische Majuskeln nach.

Auch in Herrnsheim befand sich eine wohl erst verhältnismäßig spät, frühestens am Ende des 15. Jahrhunderts geschaffene Inschriftenplatte, die aber wahrscheinlich doch erst im 17. Jahrhundert mit ungenauen Angaben für die präsumtive Ahnherrin des Dalbergergeschlechtes Gertrud, Tochter eines Johannes von Dalberg (Nr. 363), hergestellt worden war. Eine 1204 verstorbene Gertrud kann in Herrnsheim nicht begraben sein, da die betreffende Linie erst ab 1467 in der dortigen Pfarrkirche eine Grablege schuf; das Denkmal knüpft auch nicht später an eine entsprechende Tradition an, sondern unterstreicht vielmehr im Rahmen des Familienkultes die Rückbesinnung auf die Wurzeln der ritterschaftlichen Karriere der Familie. Gelegenheit bestand insbesondere, als sich die Krobsburger Linie, die auch die namengebende Dalburg besaß, in Herrnsheim mit Wolff Friedrich (†1621) niederließ (Nr. 653, 655); er war es schließlich auch, der den Namensteil Dalberg mit neuem Gewicht füllte.475)

Einer nach aller Wahrscheinlichkeit fiktiven Inschrift (Nr. 342) als literarischem Stilmittel bedient sich ein Kompilator der Lateinischen Bistums- bzw. Bischofschronik, vielleicht auch um rückschauend den Auszug des Klerus im Jahre 1499 als unvermeidlich darzustellen. In demselben Umfeld der Bischofschronistik und durch ihre fleißigen Benutzer sind zahlreiche fiktive Bischofsepitaphien überliefert, die offenbar dazu dienen sollten, die besonderen Verdienste des nominellen Stadtherrn und einer langen Reihe von Vorgängern aufzulisten. Es gibt freilich keinen zuverlässigen Hinweis auf zeitgenössische Herstellung entsprechender Inschriften noch auf eine spätmittelalterliche monumentale Realisierung.476) Die Ausführung als Inschrift wurde nur mit großen Bedenken auf dem Denkmal des Bischofs Emerich von Schöneck (†1318) (Nr. 97) vermutet; eine solche muß als wahrscheinliche Fälschung auf dem angeblichen Grabstein des Bischofs Adelbert (Nr. 17) vorgenommen worden sein oder Schannat selbst hat den Inschrifttext für seine Nachzeichnung der Chronistik entnommen.477) Von gleichfalls fraglicher Authentizität und Zeitstellung sind die verlorenen Inschriften zu Kaiser Ludwig d.Fr. (Nr. 65) als Gründer des Klosters Mariamünster, zu Kaiser Otto III. (Nr. 67) als Gründer des Martinsstiftes und der Grabplatte des Bischof Bernharius (†825) im Andreasbergkloster (Nr. 69), die allesamt mit großer Unsicherheit in das ausgehende 13. Jahrhundert datiert wurden. Zu jener Zeit trat Stiftervereh- rung allgemein in Denkmälern hervor; für das Martinsstift ließ sich außerdem eine Verbindung zur zeitgleichen Siegelabbildung und bei Bernharius zu äußeren Merkmalen der Nachzeichnung, die schon im 18. Jahrhundert dementsprechend angesetzt worden waren, ziehen. Eine Absicherung durch [Druckseite CVI] konventseigene Materialien oder in besonderen Umständen der Konventsgeschichte fehlt bislang. Zu deuten sind diese Inschriftendenkmäler höchstwahrscheinlich als monumentale Fassungen konventseigener Traditionen. In den beiden erstgenannten Fällen sollte des speziellen Gründers oder Gönners gedacht werden, beim dritten handelte es sich möglicherweise um ein neues Denkmal am bekannten Platz, obwohl man sich des Verdachtes der fiktiven Inanspruchnahme des Bernharius als illustren Toten nicht erwehren kann. Zwei große Fragenkomplexe sind damit angesprochen: Denkmäler rufen den Gründer oder besonderen Gönner einer Institution in Erinnerung; außer dem Prestige besonders alter oder ehrwürdiger Herkunft ließen sich dadurch Argumentationshilfen für die Untermauerung des eigenen, als besonders würdig angesehenen Status gewinnen.478) Nicht nur die Gründungslegende oder ihre monumentalen Relikte konnten einem Nachweis dienen; ersatzweise ließen sich zur Beförderung und Hebung des Alters und damit des Ansehens und der herausgehobenen Rechtsposition illustre Gönner eines Konventes anführen, insbesondere wenn man auf ihre Grablege zurückgreifen konnte. Hinsichtlich inschriftlicher Denkmäler ergaben sich daraus zwei Arten von Denkmälern, erstens explizite Nennungen und gegebenenfalls Abbildungen der Gründer, wie oben im Falle der Kaiser Ludwig und Otto, zweitens fiktive Grabmäler ehrfurchtgebietender Persönlichkeiten, deren Begräbnis aber nicht anderweitig und unabhängig nachgewiesen werden kann. Zur ersten Gruppe zählt eine Inschrift unbekannter Zeitstellung auf einer vergoldeten Krone am Eingang der Kastorkirche in Koblenz, die ebenfalls Ludwig den Frommen als Gründer feierte; zusammen mit dem Bauherrn Erzbischof Hetti von Trier wurde er als „fundator” auch im alten Memorienbuch bedacht.479) Deutlich werden können die Gründe für ein solches Verhalten am Beispiel des Klosters Neustadt (Lkrs. Lohr a.M.), das seine karolingische Gründung als Reichsabtei durch Abbildungen auf Chorschrankenplatten unterstrich, um 1150 durch eine Figur des hl. Martin als fränkischem Reichsheiligen und um 1400 durch die Herrscherfigur Karls d. Gr., deren Umschrift ihn ausdrücklich als fundator hui(us) monastery nennt. Die Denkmäler sollten den seit dem 12. Jahrhundert auch mit gefälschten Privilegien geführten Kampf um die Unabhängigkeit des Klosters vom Hochstift Würzburg unterstützen.480)

Viele Fälschungen und Fiktionen stehen im Zusammenhang mit Maßnahmen kirchlicher Institutionen, die damit ihre besondere Rechtsstellung zu behaupten, zurückzuerlangen oder zu erwerben suchten. Gelegentlich werden dabei literarische Schöpfungen durch dingliche Zeugnisse untermauert wie etwa bei den Regensburger Dionysius-Fälschungen.481) oder bei der Bleitafel zum Fund der Märtyrergebeine von St. Paulinus (zu 1072) in Trier.482) Es kann auch vorkommen, daß dingliche Zeugnisse wie in den Wormser Klöstern Mariamünster und Andreasberg isoliert überliefert sind und wie im zweiten Fall dann kaum einer schlüssigen oder gar beweisbaren Interpretation zugeführt werden können, weil auch ihre eigene Textaussage dazu nicht ausreicht. In solchen Fällen ist man auf Vergleiche mit anderen eben besser dokumentierten Situationen angewiesen. Demnach dürfte auch die Denkmalgruppe des Dreijungfrauensteines (Nr. 222f.) das dingliche Substrat einer breiter angelegten Fiktion besonderen Alters und damit besonderer Ehrwürdigkeit des Andreasbergklosters gewesen sein. Blieb man beim Mariamünsterkloster und beim Martinsstift noch im Bereich des Glaubwürdigen, so verlegt die Scheingrablege des Bergklosters dessen Anfänge in eine nebulöse Vergangenheit des ausgehenden Römerreiches,483) über deren Bewahrung es keine weitere Auskunft gibt und — besieht man sich die Wormser Überlieferungslage recht — auch keine gegeben haben kann. Die beiden Denkmäler scheinen also unmittelbarer zur Aufrichtung einer fiktiven Tradition zu gehören als die Inschriften für Lud-[Druckseite CVII]-wig den Frommen (Nr. 65) und Otto III. (Nr. 67). Im übrigen müßte man bei der Komplexität des Sachverhaltes und der zeitlichen Ferne der Bezugspersonen einen literarischen Niederschlag vermuten, der dann als verloren zu gelten hat. Dieser Tatbestand reichlich unzusammenhängender Überlieferungen verhindert eine verläßliche Beurteilung der Wormser Denkmäler hinsichtlich ihrer inhaltlichen Echtheit, wenn man schon von ihrer zeitlichen Unechtheit auszugehen hat. So läßt sich auch kaum die Frage entscheiden, in welchem Maße die erwähnten Denkmäler zu Dokumentationszwecken herangezogen wurden; eine fehlende Archaisierung etwa beim Dreijungfrauenstein kann nicht zwangsläufig so verstanden werden, daß das Denkmal nicht zum Nachweis einer bestimmten Sachlage herangezogen und zu eben diesem Zweck hergestellt wurde.

Außer zur Fixierung von wirklichen oder vorgeblichen Sachverhalten eigneten sich Inschriften hervorragend zur expliziten Mitteilung programmatischer Aussagen, weil sie sich mit entsprechenden Objekten verbinden ließen. Vor der Verbreitung des Buchdruckes sprachen sie ständig einen sonst kaum erreichbaren Adressatenkreis an. Meinungsäußerungen grundsätzlicher Art und persönliche, bekennerhafte Aussagen konnte man unauffällig etwa innerhalb von Grabinschriften unterbringen; darunter fällt in Worms vor allem das Bekenntnis zu einer Konfession (u.a. Nr. 453). Andererseits eigneten sich Bauwerke allgemein und insbesondere Fassaden oder Portale zur Anbringung von Inschriften mit programmatischem Charakter; geschehen konnte das auffällig und in bewußter Konkurrenz bei den einander gegenüberliegenden Bauten des Bischofshofes (Nr. 603) und der städtischen Rathauskomplexes (Nr. 333, 518), an denen mittels Inschriften und Bilderschmuck die dem jeweiligen Inhaber wichtigen Werte, nämlich Glaubenswahrheiten und Reichsfreiheit, in komplizierten Anspielungen verkörpert wurden. Die Verbundenheit mit dem Reichsoberhaupt konnte die Bürgerschaft durch die Widmung an König Heinrich IV. (Nr. 334) an einem Stadttor zum Ausdruck bringen lassen, während die Kleriker am Martinsstift Lebensweisheit (Nr. 32) und Rätselhaftes (Nr. 359) verkündeten. Kämpferisch, geradezu provozierend wirkt demgegenüber die Losung von vier Straßburger Klerikern (Nr. 530), die 1586 in Worms ihren neuen Glauben zu verteidigen suchten. Als Demonstration der städtisch-protestantischen Verfügungsgewalt über die Magnuskirche und Glaubensbekenntnis gleichermaßen ist die Sprüchesammlung zu verstehen, die unter dem Pfarrer Andreas Wilck 1614 dort angebracht worden war (Nr. 631-633). Bedauerlicherweise sind alle derartigen Inschriften verloren, weil sie oft gemalt waren und mit dem Bilderschmuck und der Bausubstanz 1689 verloren gingen; einige davon, wie etwa die Sprüche an der Stiftskirche St. Cyriakus in Neuhausen (Nr. 282-285) oder die angebliche Inschrift zum Auszug des Klerus (Nr. 342) sind reichlich unsicher überliefert. Die Polarisierung zwischen bischöflichem Stadtherrn und Klerus einerseits und nach Emanzipation strebender Gemeinde andererseits wurde durch die konfessionelle Spaltung teilweise noch verschärft, verlagerte sich auch ein wenig in jenen Bereich; jedenfalls schuf sie ein für die Herstellung programmatischer Inschriften günstiges Umfeld.

8. Liste von Inschriften, die nicht unter ihrem expliziten Datum eingeordnet sind oder die neu datiert wurden

Beabsichtigt ist ein Überblick über solche Inschriften, deren explizite oder nach offensichtlichen Merkmalen erschließbare Datierung nicht mit den hier im Katalog vorgelegten übereinstimmt, sei es, daß sie hier (erstmals) neu datiert wurden, schon vorher eine besondere Einordnung erfahren hatten oder mit älteren Inschriften zusammengefaßt wurden. Ein zweiter Teil listet Namen und Sterbedaten von Personen auf, deren Inschrift als bewußte Zweitverwendung auf einem älteren Inschriftenträger angebracht wurde, ohne daß jener dafür konzipiert war, oder deren Sterbedaten von der Herstellungszeit des Inschriftträgers abweichen.

Undatierte Inschriften

Specula Vangionum (röm.) Nr. 362 zu E.15.-A.16.Jh.? oder später
Dreijungfrauenstein (frühchristlich) Nr. 222 zu um 1430
Vitalis und Placidia (frühchristlich) Nr. 223 zu um 1430
Bilidruda-Stein (5. o. 15.Jh.) Nr. 12 zu 11.Jh.?
Bischof Bernharius (†825) Nr. 69 zu 13.Jh.
[Druckseite CVIII]
Cyriakusinschriften (M. 9.Jh.) Nr. 282-285 zu 1479
Bischof Samuel (†856) Nr. 48 zu 1273
Kaiser Ludwig d.Fr. (ca. 838/9) Nr. 65 zu 4.V.13.Jh.
Kaiser Otto III. (991) Nr. 67 zu 2.H.13.Jh. o. später
Bischof Burchard/Buggo I. (†1025) Nr. 25 zu vor/um 1181?
König/Kaiser Heinrich IV. (1074) Nr. 334 zu um 1493?/(1559)
Nikolaus-Tympanon (ca. 1165) Nr. 39 zu 1.H.13.Jh.
Sum quod eram (?) Nr. 359 zu 15.-16.Jh.?

In der Überlieferung falsch datierte Inschriften oder mit späteren Zusätzen versehene Katalognummern

Gertrud von Dalberg (†1204) Nr. 363 zu E.15.-A.16.Jh.?
Sarkophaginschrift Andreas (1236) Nr. 114 zu 1326
NN. von Schönberg (†1354) Nr. 71 zu A.14.Jh.
Jodoc Assonius/Allonius (†1403) Nr. 246 zu 1452
Peter von Ladenburg (†1483) Nr. 330 zu 1493
Pfeddersheim, Bauinschrift (1511) Nr. 626 zu 1611
Johann Melchior Staudt (†1541) Nr. 547 zu 1591
Johann Wolff von Umstadt (†1418/1548) Nr. 452 zu 1552
Eberhard Kämmerer von Worms (†1559/1561) Nr. 649 zu 1618
Äbtissin Margaretha Kissel (†1597) Nr. 539 zu 1590
Großkarlbach/Mariamünster Kanzel (1596) Nr. 524 unter 1583
Klausenbergkapelle Abenheim (1602) Nr. 501 unter 1572
Wambolter Hof (1670) Nr. 495 unter 1570

Wegen weiterer Bauzahlen einzelner Standorte siehe im Register; sie wurden jeweils unter der ältesten zusammengefaßt.

Inschriftenträger mit mehrfachen Grabinschriften, nicht so konzipiert

Hedwig von Heuchelheim (†1300) Nr. 51 unter 1280?
Jakob Wackerphyl (†1303/4, von 1349) Nr. 99 unter 1319
Elisabeth Dirolf (†1325) Nr. 59 unter 1295?
Hippela Schmutzel (†1338) Nr. 58 unter 1295
Wilhelm von Wattenheim (†1344) Nr. 61 unter 1299
Liebmudis ⚭ Johannes gen. Drukint (†1348) Nr. 79 unter 1303
Jakob Wackerphyl (†1349) Nr. 99 unter 1319
Druschel von Wachenheim (†1353) Nr. 87 unter 1308
Gerhard Schmutzel (†1356) Nr. 94 unter 1313
Christina von Wattenheim (†1365) Nr. 132 unter 1.H.14.Jh.
NN. Gutelmann (†1378) Nr. 125 unter 1345
Katherina Karlebecher (†1380?) Nr. 161 unter 1379 o. kurz davor
Elsa Gutelmann (†1384) Nr. 125 unter 1345
Agnes ⚭ Heinrich Winter (†1384) Nr. 127 unter 1346
Elisabeth von Rodenstein ⚭ Johannes Kämmerer von Worms (†1387?) Nr. 144 unter 1363
Friedrich Kämmerer von Worms (†1388) Nr. 159 unter 1376
Anselm, Kanoniker (†4.V.14.Jh.) Nr. 133 unter M.14.Jh.
Eberzo/Eberhard Karlebecher (†1401) Nr. 161 unter 1379 o. kurz davor
Katherina Jungler (†1479) Nr. 235 unter 1448
Johann Wolf gen. Kobel (†1481) Nr. 251 unter 1458
Wilhelm Gunther (†1491) Nr. 272 unter 1472
Philipp Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (†1492) Nr. 297 unter 1483

Inschriftenträger mit als mehrfachen konzipierten Grabinschriften und späteren Herstellungsjahren

Johannes Herden (†1479) Nr. 399 unter 1519
Albert Gerstner (†1501) Nr. 380 unter 1509
[Druckseite CIX]
Catharina ⚭ Bartholomäus Glaser (†1514) Nr. 533 unter 1587
Elisabeth ⚭ Wolff Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (†1534) Nr. 442/443 unter 1549
Lorenz Truchseß von Pommersfelden (†1543) Nr. 451 unter 1550
Bartholomäus Glaser (†1544) Nr. 533 unter 1587
Ursula ⚭ Georg Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (†1553) Nr. 477 unter 1561
Magdalena ⚭ Heinrich von Zeiskam (†1556) Nr. 481 unter 1562
Eberhard Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (†1559) Nr. 461 unter 1555
Dorothea ⚭ Peter Kautz (†1567) Nr. 498 unter 1572
Engelhard von Rodenstein (†1568) Nr. 504 unter 1573
Matthias Schlatt (†1570) Nr. 506 unter 1574
Wilhelm von Schönenburg (†1571) Nr. 542 unter 1590
Bartholomäus Otto (†1575) Nr. 510 unter 1576
Otilia Demerten geb. Grun (†1578) Nr. 525 unter 1583
Margaretha ⚭ Christoph Reinfart (†1580) Nr. 567 unter 1598
Peter Offenmacher (†1581) Nr. 508 unter 1575
Christoph Ayermann und Angehörige (†?) Nr. 527 unter 1584
Anna Maria Müller (†1585) Nr. 550 unter 1591
Rachel ⚭ Urban Neumeyer (†1586) Nr. 515 unter 1580
Kinder (6) des Bernhard Keberer (†1588) Nr. 535 unter 1588
Anna Maria Müller (†1590) Nr. 550 unter 1591
Angehörige (7) des Wolff(gang) Kämmerer von Worms gen. von Dalberg Nr. 551 unter 1591
Angehörige (10) des Philipp Kämmerer von Worms gen. von Dalberg Nr. 552 unter 1591
Kinder (7) des Bernhard Schlatt Nr. 554 unter 1592
Clara ⚭ Johann Jakob aus Hofheim (†1593) Nr. 548 unter 1591
Veronika ⚭ Bernhard Schlatt (†1596) Nr. 554 unter 1592
Maria ⚭ Stephan Birling (†1596) Nr. 595 unter 1601
Johann Caspar Meiel (†1601) Nr. 534 unter 1587
Anna ⚭ Stephan Birling (†1605) Nr. 595 unter 1601
Rudolf von Oberstein (†1610) Nr. 599 unter 1602
Hermann Wacker (†1611) Nr. 621 unter 1608
Angehörige (4) des Hermann Wacker (†1611) Nr. 621 unter 1608
Barbara ⚭ Engelhard von Rodenstein (†1613) Nr. 504 unter 1573
Anna Kunigunde geb. Mantz (†1614) Nr. 667 unter 1629
Angehörige (14) der Anna Kunigunde geb. Mantz Nr. 667 unter 1629
Stephan Birling (†1618) Nr. 595 unter 1601
Angehörige (13) des Wolff Friedrich Kämmerer von Worms gen. von Dalberg Nr. 655 unter 1621
Kinder (3) des Michael Wenzel (1630) Nr. 682 unter 1633
Kinder (14) und Ehefrau des Johann Julian Seidenbänder Nr. 690 unter 1635
Amalia ⚭ Johann Christoph von Gottfarth (†1636) Nr. 640 unter 1616
Kinder und Angehörige (8) des Johannes Rühle Nr. 718 unter 1667
Hartmann Philipp Mantz (†1666) Nr. 719 unter 1668
Kinder (7) des Hartmann Philipp Mantz (†1666) Nr. 719 unter 1668
Kinder (5) und Ehefrau des Georg Bemberg Nr. 726 unter 1676
Kinder (3) und Ehefrau des Conrad von Lützow (alle †1677) Nr. 731 unter 1679
Cornelius In.? (†1683) Nr. 669 unter 1629
Peter Dorn (†1699) Nr. 737 unter 1687

Hinweis: Die Zählung der Fußnoten in diesem Kapitel weicht von der Darstellung im Band ab. Die Nummer 534a) im Band entspricht hier der Anmerkung 535) etc.

9. Nicht aufgenommene Inschriften

Aus verschiedenen Gründen wurden nicht alle Inschriftenträger der Stadt Worms in den Katalog aufgenommen, nämlich jene nicht, die außerhalb der Zeitgrenzen liegen oder als reproduzierte Inschriftenträger wie Ofenplatten, Siegel, Münzen, Medaillen, Bucheinbände nicht unter die definitionsgemäß aufzunehmenden Inschriften fallen (9.1.). Kein Problem bereitet die Unterscheidung bei datierten Inschriften; bei anderen, die früher mit Vorbehalt in der Nähe dieser Grenzen, namentlich am Ende des 17. Jahrhunderts angesetzt wurden, soll hier, wenn schon keine ausführliche Begründungmöglich ist, wenigstens dem Benutzer angezeigt werden, daß der Bearbeiter sie bewußt ausgeschlossen hat. Diese Mitteilungen erheben keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Ebenfalls nicht aufgenommen werden konnten nur erwähnte oder potentielle Inschriftenträger, für die es keine zitierfähige Textvorlage gibt, also im wesentlichen Begräbnisnachrichten (9.2.). Nicht zum Wormser Inschriftenbestand gehören die nach dem zweiten Weltkrieg in das Stadtgebiet verbrachten Patenglocken aus den Ostgebieten des Reiches (9.3.) und andere Fremdbestände, die mehr oder weniger zufällig über Sammler und Ankäufe in den Museumsbestand gelangten und deren Bezüge zu Worms nicht zu erkennen sind (9.4.).

In den Katalog der Inschriften der Stadt Worms wurden die hebräischen nach Maßgabe des Inschriften-Unternehmens nicht aufgenommen, soweit sie nicht mit lateinischen oder griechischen zusammen jene als Ausweis gelehrter Sprach- oder Symbolbeherrschung ergänzten. Die beiden wichtigsten Standorte, die Synagoge und der Friedhof am Sand sind wenigstens teilweise schon der Öffentlichkeit zugänglich gemacht,484) wenngleich der immense Bestand des Friedhofes noch einer systematischen Edition bedarf; vollständige fotografische Unterlagen sind dafür im Archiv der Stadt Worms vorhanden. Wie die noch hochmittelalterliche Interpolation in das Zollprivileg König Heinrichs IV. zugunsten jüdischer Händler zeigt,485) spielte die jüdische Gemeinde eine erhebliche Rolle im Wirtschaftsleben der Stadt, zu deren Wohlstand und Finanzbudget sie beitrug.486) Noch nicht ins rechte Licht gerückt sind hebräische Namenskomponenten in Familiennamen von Wormser Bürgern (vgl. Nr. 40 u. 59).487)

Bis auf wenige Ausnahmen ausgeschlossen blieben Grabinschriften von Bischöfen (Nr. 17, 98) und verdächtige Inschriftenzitate, die auf Überlieferungen aus dem Komplex der jüngeren Bischofschronik zurückgehen.488)

9. 1. Inschriften außerhalb der Bearbeitungsgrenzen, zeitlich und typologisch

Aus dem Zeitrahmen fällt ein in Worms-Wiesoppenheim gefundener und im Stadtmuseum aufbewahrter Becher aus dem frühen 5. Jahrhundert mit einem wohl von einem Kästchen stammenden Blechbeschlag, auf dem trotz erheblicher Substanzverluste biblische Szenen und Beischriften zu erkennen sind.488) Durch Beigaben konnten zwei der frühchristlichen Grabsteine in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts datiert werden; nicht deutbare frühe Reste wurden ebenfalls nicht aufgenommen.489)

Eine vergleichsweise große Anzahl von Grabinschriften des 18. Jahrhunderts ist teilweise schon an anderer Stelle ediert oder wenigstens abgeschrieben worden,490) und zwar die des Domes,491) der Martinskirche,492) der Liebfrauenkirche,493) des Stadtmuseums,494) der Dreifaltigkeitskirche und früher der Magnuskirche495), in Pfeddersheim.496) Die auf der Rückseite des Grabsteins von Georg Wilhelm [Druckseite CXI]

Benedikt (†1719)497) stehenden Sterbevermerke für seine Eltern Johann (†1681) und Sidonia Margretha (†1682), wurden beide erst nachträglich angebracht. Die Postamente einer Steinbalustrade der 1709 begonnenen lutherischen Dreifaltigkeitskirche498) tragen Apostelreliefs mit monumentalen Namensbeischriften, deren Schriftformen älteren Vorbildern nur verpflichtet sind. Aus der Umgebung des Andreasstiftes sind anspruchsvoll gedichtete Inschriften des Kanonikers Peter Alexander Contzen um das Jahr 1761 bekannt; aus jenem Jahr stammt auch eine wohl ihm zuzuschreibende Huldigung an den Gründerbischof Burchard I.499) In das 18. Jahrhundert gehören auch das Grabkreuz der Maria Barbara Diel im Museumshof,500) ein Fragment mit dem Wappen des Julian Peter Böhm von Schirn (†1712)501) und ein Fragment von einem Kindergrabstein mit aus Baruch 4,23 abgewandeltem Bibelspruch an der Kreuzgangostwand. Von einst wohl zahlreichen an Brücken angebrachten Tafeln aus der Zeit des Kurfürsten Karl Theodor (†1799) findet sich ein Exemplar an der Eisbachbrücke beim Reithof Schertel.502)

Nur zum Teil mit Inschriften versehen und datiert sind Ofenplatten im Museum ab der Mitte des 16. Jahrhunderts.503) Von unbekannter Zeitstellung und denkmalkundlichem Zusammenhang ist eine für die Johanniskirche mitgeteilte griechische Inschrift504) und ebendort ein Bibelzitat aus dem 2. Korintherbrief 4,14.505) Vermeintliche Plattenreste hoch in der Wand des Kreuzgangwestflügels des Andreasstiftes sind wohl nur mit Ornamentresten versehen.

Nicht aufgenommen wurden ins ehemalige Paulusmuseum verbrachte Grenzsteine aus dem Bereich des Cyriakusstiftes und zwischen Worms und den südwestlichen Vororten, die entweder nur mit wenigen Buchstaben beschrieben waren oder wegen Verlustes zeitlich nicht mehr sicher einzuordnen sind.506)

Der Text auf dem einer Marienstatue angehefteten Zettel bezeichnet die Skulptur als einzige dem „ignis Gallicus” entgangene;507) nur funktional, nicht aber in seinem Beschreibstoff und seiner Herstellung stimmt der Text mit Inschriften überein. Dieser Sachverhalt trifft auch auf eine an die Gründung des Dominikanerklosters erinnernde „tabula membranea” zu, die Helwich in einer erneuerten Fassung von 1602 überlieferte.508)

9. 2. Erwähnungen, Begräbnisnachrichten

Für die Aufstellung im Andreaskreuzgang des Stadtmuseums war die Grabplatte (H. 180, B. 87 cm) der Barbara ⚭ Christian Klipstein von 1539 vorgesehen;508) diese Identifizierung könnte sich auf die heute verstümmelte Umschrift auf der Platte der Barbara Krafft (Nr. 428) beziehen. Nur aus Überblicksfotos bekannte Fragmente im Museumshof, die heute in einer Trockenmauer verbaut sind, konnten nicht alle gelesen und gedeutet werden.509)

Es ist nicht bekannt, ob Spruchbänder der Figuren am gotischen Südportal des Domes510) beschriftet waren. Beileibe nicht alle Grabinschriften der Bischöfe sind überliefert; vor dem Hochaltar sah Helwich noch die Grabplatte Bischof Johannes’ II. von Fleckenstein (†18. Mai 1426) mit Inschrift in Bronzeauflage, auf der er nur noch Wappen erkennen konnte.511) Zur Ausschmückung des spätgotischen [Druckseite CXII]

Kreuzganges gehörten am Ende des 15. Jahrhunderts auch Schlußsteine mit den Reliefs der vier Kirchenväter und Evangelistensymbolen; stilistisch stehen sie den Kreuzgangkonsolen von 1485, den frühen Skulpturen aus der Zeit unmittelbar nach dem Baubeginn 1484, nahe.512) Im Kreuzgang kannte Helwich lange nach seinen eigenen Abschriften ebendort die Grabinschrift des Joachim Marsilius vonGreiffenclau (†2. September 1624).513) Erhebliche Verluste muß es im Kreuzgang durch den spätgotischen Umbau gegeben haben514) und später durch den Abriß.515) Zu den wenigen bezeugten Begräbnissen auch von Laien im Dombereich zählt das des Ritters Johannes von Bachenstein († nach 1450?),516) leider ohne Inschrift und mangels zusätzlicher Informationen einer Erklärung entzogen.

Im barocken Wiederaufbau der Pauluskirche drehte man Grabplatten mit der Schauseite um und setzte sie in den Unterbau der neuen Empore ein.517) Im Andreasstift war der 1548 in Worms auf dem Rückweg nach Rom verstorbene päpstliche Referendar Petrus Vorstius begraben.518) Mitten in der Martinskirche lag nach 1456 Dekan Johannes von Rodenstein begraben.519)

An einen Pfeiler des nördlichen Seitenschiffs der Magnuskirche ist die vollkommen abgewitterte Grabplatte der Esther, Gräfin zu Leiningen, Frau zu Westerburg, Schauenburg und Forbach (†1682) gelehnt.520) Im 18. Jahrhundert waren ebendort noch identifizierbar eine Platte von 1427, die Denkmäler von Kindern der Familie von Wallbrunn (†1620, †1625) und des Städtmeisters Johann Stephan von Cronstetten (†1624).521) Aus der Johanniskirche sind zwar ein gutes Dutzend Grabinschriften abgeschrieben worden, aber beileibe nicht alle. Einer der zweiten Chronik-Version Zorns vorgeschalteten Bürgermeisterliste sind Marginalien mit persönlichen Informationen beigefügt, deren eine zu Bartholomäus Staudt unter 1560 Ehefrau Jole (1523-1598) und ihr Begräbnis mit dem Ehemann (†1577) vor dem Eingang zur Johanniskirche, vielleicht bei einem Denkmal der Familie Stephan aus Speyer, vermeldet; diese Angaben können also ebenfalls nur von einem Grabdenkmal stammen. In der Lambertuskirche sah Georg Friedrich Meixner 1776 den Grabstein des Ratsherrn Hans Jungler (†1546).522)

Daß außer den bekannten Äbtissinnen- und Laiengrabplatten im Kloster Mariamünster wohl noch weitere Inschriften vorhanden waren, ist nicht nur aus den Umständen heraus denkbar, sondern auch aus entsprechenden Nachrichten wahrscheinlich zu machen: So kennt man Namen und Todesdaten weiterer Äbtissinnen523) und identifizierte drei Fragmente im alten Paulusmuseum mit schwach erkennbarer Inschrift als vom Stein der Äbtissin Magdalena Kreus (†1620) stammend.524) Auch weiß man etwa, daß 1635 die Eberbacher Klosterbrüder Johann Brandt von Mainz, Braumeister, und Jodok Bock von Hallgarten in Mariamünster begraben lagen.525) Auf den Grundstein der Kapelle der Annenbruderschaft und auf die Mensa des zugehörigen neuen Altares ließen die Karmeliter die Namen Kaiser Maximilians I. und seiner Gemahlin Blanca Maria schreiben, ohne daß man den genauen Wortlaut kennt, sowie ihre Schilde wie auch der von Kurfürsten mit Wappen im Gewölbe als Dankesbezeigungen anbringen.526)

Funde von Grabplatten notierte man bei umfangreichen Ausschachtungs- und Kanalisierungsarbeiten am Obermarkt-Bischofskopf, am Spital/altes Amtsgericht, an der Eisbachregulierung bei der Dreifaltigkeitskirche; die Steine waren so zerstört, „daß sich das Aufbewahren nicht lohnte.”527) Eine 1764 umgegossene Glocke stammte aus dem Jahre 1405,528) was nur inschriftlich überliefert sein kann. Als [Druckseite CXIII] Baumaterial wurden christliche Grabsteine unbekannter Zeitstellung im Park an der Stelle des alten Friedhofes verwandt; in der Gerbergasse fand man eine Umschriftplatte mit Wappen und Figur (14.-15.Jh.) als Bodenplatte einer Dunggrube.529) Zum 7.-9. Dezember 1589 erwähnt Andreas Wilck in seiner Chronikfortsetzung ein schlimmes Hochwasser, “dergleichen es in 100 Jahren nit geweßen, ist weit über das Zeichen an der Rheinpforten gangen”.530) Der römische Grabstein des Leubius im Museum der Stadt Worms trägt rückseitig eine nicht entzifferte und bisher nicht datierte Inschrift einer angeblich mittelalterlichen Zweitverwendung.531)

Beim Abenheimer Brakteatenfund befand sich auch ein Ring mit ungeklärter griechischer Inschrift.532) Das Landesmuseum Darmstadt hütet ein Epitaph mit betendem Ehepaar vor dem Kruzifix (um 1600) und zwei aus dem Zusammenhang herausgelöste Beterfiguren ebenfalls von einem Denkmal (um 1580) aus Abenheim, die beide der Dalberger-Familie gehören könnten.533) Ein Prellstein an der Ecke Binger Straße und Grasweg in Hochheim war mit dem Buchstaben W oder M bezeichnet und aus einer Grabplatte hergestellt.534) So mögen schon vor den Verlusten bei der Neugestaltung der alten Klosterkirche Maria Himmelkron in Hochheim 1951 Steine verschwunden sein, etwa bei der Renovierung von 1904; tatsächlich ist eine ganze Reihe von Begräbnissen in der Kirche bekannt, sogar meist von Personen, bei denen man eine Inschrift erwarten würde, wie von Priorinnen und Verwandten der Dirolf-Sippe.535) Nach undeutlichen Aussagen befanden sich auf dem Fundament des Horchheimer Galgens Inschriften.536)

9. 3. Ostglocken

In den Erhebungen für den Glockenatlas wurden im Wormser Stadtgebiet mehrere Glocken aus den ehemaligen Reichsgebieten im Osten festgestellt, und zwar in der Lukaskirche eine 700 kg schwere Glocke von 1655 aus Zeyer bei Elbing,536), in der Lutherkirche eine 994 kg schwere Glocke von 1609 aus Groß-Kriegen in Schlesien,537), in der evangelischen Kirche von Worms-Horchheim eine 327 kg schwere Glocke von 1613 aus Schildersdorf bei Greifenhagen.538)

9. 4. Auswärtige Inschriftenträger, ungewisse Herkunft

Ein Krug mit Jahreszahl 1631 und unbekanntem Meisterzeichen war nach 1934 im Schutt des Turmgeschosses der Amanduskirche gefunden worden.538) Eine Anzahl auswärtiger Inschriftenträger war und ist teils noch heute in Privatsammlungen zu finden: In den Sammlungen der Freiherren Heyl zu Herrnsheim — heute teils in der Stiftung Heylshof — unter anderen Glasgemälde des 15.-16. Jahrhunderts aus Konstanz und Kloster Rathausen bei Luzern;539) ein Elfenbeinrelief Kaiser Karls V. von 1531, ein hölzernes Taufbecken von 1583 und eine Gobelinstickerei von 1649 in den ehemaligen Sammlungen Dörr; eine Truhe von 1598 in den ehemaligen Sammlungen Reinhart.540) Von der Grabplatte des 1265 verstorbenen Jakob aus Alzey weiß man, daß sie aus dem Zisterzienserinnenkloster Weidas bei Dautenheim/Alzey ins Museum der Stadt Worms gelangte.541) In den Sammlungen des Museums der Stadt Worms lagern oder lagerten einst ein wahrscheinlich mittelrheinischer Stuhl von [Druckseite CXIV] 1551,542) eine Truhe von 1597, ein Stockdegen von 1602,543) ein Panzerstecher(?) des 16./17. Jahrhunderts mit moralisierendem Spruch,544) ein Kölner Schrank von 1640,545) ein Bronzemörser des Johann Eberhard Renson von 1648,546) Hellebarden des 17. Jahrhunderts. Aus dem englischen Kunsthandel stammt ein Krug von 1579 mit Bibelsprüchen und Medaillons für Erasmus von Rotterdam und wohl Friedrich d. Weisen von Sachsen.547) Zwei Grabkreuze unbekannten Aussehens aus Gundersheim wurden dem Stadtmuseum 1975 von Dr. Hermann Deicke geschenkt.548) Laut Inventar gelangten zwei Marienglocken des 15. Jahrhunderts aus Darsberg/Neckarsteinach über eine Schenkung des Freiherrn Maximilian v. Heyl schon 1898 ins Paulusmuseum.549)

Im Hamburger Kunsthandel tauchte ein Eulengefäß des Wormser Bischofs Dietrich von Bettendorf von 1558 auf (vgl. Nr. 514). Ein vollständiger Ritterharnisch mit der Inschrift Wilhelm der Elter von Wormbs fecit im Metropolitan Museum in New York wurde von dem 1538 verstorbenen Meister in seiner Nürnberger Zeit hergestellt und gehört darum wie die vorgenannten Objekte nicht in den Wormser Inschriftenbestand.550)

Zitationshinweis:

DI 29, Worms, Einleitung (Rüdiger Fuchs), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di029mz02e005.

  1. An einer Begebenheit bei der Inschriftenaufnahme Georg Helwichs in Nieder-Saulheim/Lkrs. Alzey-Worms sei das Problem illustriert: Helwich schrieb dort nach eigener Angabe am 27. Oktober 1612 Inschriften ab; nur aus einer anderen Quelle, ggf. mündlich vom Pfarrer, kann er erfahren haben, was zu folgender Mitteilung führte: „In choro sepulta recens fuit Maria Elysabetha Knebelin à Katzenelnbogen, quae obiit 1612 in Septembri coniux Sifridi à Dienheim.” Gut einen Monat nach dem Todesfall sah Helwich noch keine Inschrift, die er wie üblich wenigstens dem Formular angelehnt zitiert hätte. Beleg Helwich, Syntagma 91. »
  2. Illert, Reichsbedeutung; G. Wiesenthal, Das Wormser Stadtgebiet in vor- und frühgeschichtlicher Zeit mit einer archäologischen Siedlungskarte, in: Der Wormsgau 2,4 (1939) 220-233; G.M. Illert, Das vorgeschichtliche Siedlungsbild des Wormser Rheinübergangs (Der Wormsgau, Beih. 12) Worms 1952; Illert, Worms im wechselnden Spiel der Jahrtausende 9. — Die immer noch umfassendste und weitgehend gültige Darstellung zur Geschichte der Stadt Worms bei Boos, Städtekultur, und zwar von der Frühzeit bis zum Ende des 19.Jh.s. »
  3. Zorn, Chronik bei Arnold 198. »
  4. Vgl. Reisel, Monumenta et inscriptiones; Acta Wormatiensia bei Boos, Quellen III 563, Reuter, Johann Philipp Bandel; Klein, Ludwigsbahn; schon Schannat, Hist. ep. Worm. I Taf. I u. II bildete übrigens mehrere römische Grabmäler ab. »
  5. G.M. Illert, 100 Jahre Altertumsverein Worms, in: Der Wormsgau 12 (1976/78) 13-80; F. Reuter, Altertumsverein und Paulusmuseum, in: Der Wormsgau 13 (1979/81) 20-38. »
  6. O. Böcher, Weckerling — Koehl — Bonin, in: der Wormsgau 13 (1979/81) 39-44. »
  7. G.M. Illert, Worms, in: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern 13 (1969) 34-41, 51-63. »
  8. Zorn, Chronik bei Arnold 13ff. »
  9. Zur römischen Vergangenheit und der kritischen Würdigung ihrer Erforschung vgl. Grünewald, Römer in Worms, passim. P. Wackwitz, Gab es ein Burgunderreich in Worms? (Der Wormsgau, Beih. 20/21) Worms 1964/65; M. Schulze-Dörrlamm, Archäologische Funde der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts n.Chr. aus Worms-Abenheim, in: Der Wormsgau 14 (1982/1986) 91-96. Heinemeyer, Erzbistum Mainz I 41ff. zur ungewissen Diözesangrenze zwischen Mainz und Worms. »
  10. Siehe auch Büttner, Frühes fränkisches Christentum. »
  11. Man geht davon aus, daß der angeblich reich beschenkten Wormser Kirche ein der benachbarten Pfalz würdiger Dom zur Verfügung stand; in der Tat wurden Reste eines fränkischen Baues unter dem heutigen Dom ergraben, vgl. unten zum Standort Dom. »
  12. Vgl. gegen eine Kontinuitätsannahme bei Büttner, Frühes fränkisches Christentum vorsichtig Heinemeyer, Erzbistum Mainz 42f.; dort auch zur glaubwürdigen Überlieferung der ersten Bischofsnamen von Mainz und Worms in Konzilsakten von Serdica (342/3) und Köln (346). Skeptisch Gierlich, Grabstätten 197. »
  13. Illert, Regesten 22 zu einer Notiz des Priesters Bertram, der in Worms an einer Kopie der Etymologien Isidors von Sevilla arbeitete, Codex Vindobonensis. »
  14. Fabry, Cyriakusstift; Villinger, Beiträge Neuhausen; vgl. unten zu Cyriakus-Reliquien schon 823 Kap. 2.3. »
  15. Gensicke, Stadtbeschreibung 49ff. »
  16. Ersterwähnungen nach Brilmayer, Rheinhessen. Eingemeindet 1898, vgl. Worms im 19. Jahrhundert, in: Von der Reichsstadt zur Industriestadt 34f.: Hochheim (1068), Neuhausen (847), Pfiffligheim (1068); eingemeindet 1942, vgl. Reuter, Worms 23: Herrnsheim (771), Horchheim (765), Leiselheim (1196), Weinsheim (804); eingemeindet 1969, vgl. Amtliches Gemeindeverzeichnis von Rheinland-Pfalz, hg. vom Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz. Bad Ems 1976, 19: Abenheim (774), Heppenheim (766), Ibersheim (766), Pfeddersheim (754/763-765), Rheindürkheim (812), Wiesoppenheim (1141). »
  17. Knappe Zusammenstellung bei Illert, Regesten 21ff. u. 28ff.; ders., Zeitgeschichte und Dombau. Ein Beitrag zur Datierung des Wormser Dombaues, in: Der Wormsgau 7 (1965/66) 10 zählte insgesamt „184 Kaiserbesuche und Hoftage, 45 Reichstage und 18 Reichskonzile”. »
  18. Haupt, Gräber im Dom 346ff. »
  19. Büttner, Bistum Worms, v.a. 21ff. »
  20. Vita Burchardi, bei Boos, Quellen III 114; K.J. Benz, Untersuchungen zur politischen Bedeutung der Kirchweihe unter Teilnahme der deutschen Herrscher im hohen Mittelalter. Ein Beitrag zum Studium des Verhältnisses zwischen weltlicher Macht und kirchlicher Wirklichkeit unter Otto III. und Heinrich II. (Regensburger Historische Forschungen 4) Kallmünz/Opf. 1975, 153-158. »
  21. Gensicke, Stadtbeschreibung 52. »
  22. Vgl. Wagner/Schneider II u. unten zur Beschreibung der einzelnen Standorte. »
  23. Vgl. allgemein R. Kottje, Zur Bedeutung der Bischofsstädte für Heinrich IV., in: HJb. 97/98 (1978) 131-157. »
  24. Teilweise behandelt bei Nr. 26; eine nützliche, aber nicht erschöpfende Übersicht bei Reuter, Kaiser- und Königsurkunden 79ff.; vgl. auch ders., Zollfreiheit und Pfeifergericht, in: AHG NF 33 (1975) 9-26. »
  25. Boos, UB I 116f. Nr. 154-156. »
  26. Vgl. ausführliche Darstellung bei Keilmann, Kampf um die Stadtherrschaft. »
  27. Vgl. Boos, Städtekultur II 25ff., 157f., 219 usw. »
  28. Eine beträchtliche Anzahl von Grabdenkmälern jener Ratsmitglieder ist vom lutherischen Friedhof erhalten geblieben und befindet sich heute meist in den Sammlungen des Stadtmuseums. »
  29. Vgl. Reuter, Worms um 1521, 54ff. »
  30. Zur Entwicklung der städtischen Oberschichten vgl. Schulz, Ministerialität als Problem, der mit Recht die ministerialische Herkunft auch der bürgerlichen Geschlechter und im 13.Jh. einen freilich nicht konsequenten Differenzierungsprozeß einerseits zum ritterbürtigen Niederadel, andererseits zum Stadtbürgertum feststellte. »
  31. Zur Entwicklung von Rats- und Stadtverfassung vgl. u.a. ebd.; Reuter, Worms um 1521; Keilmann, Kampf um die Stadtherrschaft; E. Voltmer, Ministerialität und Oberschichten in den Städten Speyer und Worms im 13. und 14. Jahrhundert, in: Wagner, Ministerialität im Pfälzer Raum 23-33; Zotz, Bischöfliche Herrschaft; H. Seider, Zur Wormser Ministerialität im Hochmittelalter, in: Ministerialitäten im Mittelrheinraum, hg. von A. Gerlich (Geschichtliche Landeskunde 17) Wiesbaden 1978, 1-19; Reuter, Worms und das deutsche Reich. »
  32. Allgemein Petry, Bedeutung von Worms; Städtetage in Zorn-Wilck (W) 681 u. 683 mit ausführlichen Listen. »
  33. Vgl. H. Boos, Die politische Lage der Stadt Worms am Ende des 15. Jahrhunderts, in: Westdeutsche ZS für Geschichte und Kunst 3 (1884) 109-119; ders., Städtekultur IV 3ff.; 1508 wurde Worms von Kaiser Maximilian I. als freie Reichsstadt bezeichnet und angenommen, vgl. Boos, Quellen III 535. »
  34. Schaab, Diözese Worms; Ph.A. Brück, Bistum und Hochstift Worms um das Jahr 1600, in: AHG NF 25 (1955) 165-182. »
  35. Zuletzt Fuchs, Katharinenkirche 154 zu entgegengesetzten Beobachtungen in Oppenheim. »
  36. Vgl. Nr. 655 den Epitaphaltar Wolff Friedrich Kämmerers für die hl. Ursula, Nr. 662 das ehemalige Gestühl in Liebfrauen, Nr. 663 die Portalvollendung an der Martinskirche. »
  37. Boos, Städtekultur IV 429ff. »
  38. [C.J.H. Villinger], Riedbewohner flüchten nach Worms. Bekannte Namen in einem Heppenheimer Bericht aus dem Jahre 1635, in: Wonnegauer Heimatbll. 2 (1957) Heft 6, Bericht des Mainzer Amtskellers in Heppenheim Heinrich Linnen. »
  39. Außer Nr. 714-716, 718f. vgl. auch S. Eidelberg, Das Minhagbuch von Juspa Schammes, in: Der Wormsgau 14 (1982/86) 21-30, hier 28 u. Zorn-Meixner fol. 316, der die Verluste auf 1000 Opfer schätzte, darunter fünf Angehörige des Dreizehnerrates und zwei der drei Pfarrer. »
  40. K. v. Raumer, Die Zerstörung der Pfalz von 1689 im Zusammenhang mit der französischen Rheinpolitik. Bad Neustadt a.d.S. 21982. Reiches Zeugnis für Worms geben Canstatt, Drangsale u. F. Soldan, Die Zerstörung der Stadt Worms im Jahre 1689. Worms 1889 aus Johann Friedrich Seidenbänders „Wahrhafftige aber traurige Erzehlung ...”, Lisii alias Schippels „Der Wormser Freud verkehrt in Leid ...” u. Johann Georg Meckels „Kurtze Vorstellung des Heiligen Reichs Freyen = Stadt Wormbs Anfang ...”; außerdem das Tagebuch des Dekans an St. Martin Petrus Dorn, vgl. Como, Protocollum cotidianum u. zusammenfassend sowie ergänzend O. Böcher, Worms im Schreckensjahre 1689, in: Der Wormsgau 10 (1972/73) 56-59; H.-D. Hüttmann, Untersuchungen zur Verfassungs-, Verwaltungs- und Sozialgeschichte der freien Reichsstadt Worms, 1659-1798 (Der Wormsgau, Beih. 23) Worms 1970; Reuter, Hamman, bes. 68ff. mit Zeichnungen der beiden Hamman zu Stadtansichten des zerstörten Worms; Gedenkreden in: Es geschah am 31. Mai 1689. Worms 1989. »
  41. Nach Reuter, Hamman 14 von 7000 am Anfang des 17.Jh.s auf etwa 4000 in der Mitte, nach weiteren Verlusten der Epidemie 1666 und einer Erholungsphase lebten dann nach 1689 noch knapp 1000 Menschen in den Trümmern. »
  42. Hallungius, Register fol. 4v; vgl. auch W. Müller, Die Kriegsschadenberechnung des Wormser Bistums vom Jahre 1698, in: AHG NF 13 (1922) 322-333, Reuter, Hamman 21ff. »
  43. Von Hotz, Dom 144 dem Tafelbild ehemals im südlichen Seitenschiff zugeordnet, Zitat bei Falk, Bildwerke 22 Anm. 2; Unversehrtheit des Sakramentes nach einem Brand wurde 1435 in Partenheim inschriftlich verewigt, vgl. Falk, Heiliges Mainz 264f. »
  44. Reuter, Hamman 22f. »
  45. Von der Wiederaufbauleistung zeugen Bauzahlen und Hausinschriften, vgl. Mattes, Lateinisches Worms 325ff., Reuter, Worms. »
  46. Reuter, Worms 10-12; Akten zu Zerstörung und Abriß bei Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 143ff.; E. Zotz, Aktenmäßige Zusammenstellung der in den Jahren 1803-1810 versteigerten Nationalgüter Stadtbezirk Worms ohne Vororte, in: Der Wormsgau 1,5 (1928) 143-168. »
  47. Reuter, Worms 12-14. »
  48. K.D. Hoffmann, Die Geschichte der Provinz und des Regierungsbezirkes Rheinhessen, 1816-1985. Alzey 1985 mit weiterführender Literatur. Die denkmalpflegerischen Aktivitäten von Georg Moller wurden mit der hessen-darmstädtischen Denkmalverordnung von 1818 auf eine rechtliche Grundlage gestellt, die jedoch angesichts der Menge der drängenden Aufgaben nicht überall eine Rettung von Denkmälern gewährleistete. Man vgl. für benachbarte Gebiete G. Dolff-Bonekämper, Die Entdeckung des Mittelalters. Studien zur Geschichte der Denkmalerfassung und des Denkmalschutzes in Hessen-Kassel bzw. Kurhessen im 18. und 19. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 61) Darmstadt und Marburg 1985. »
  49. Reuter, Worms 17ff.; ders., Worms im Bombenkrieg und die Zerstörung der Stadt im Frühjahr 1945, in: Der Wormsgau 14 (1982/86) 61-88. »
  50. StA Worms Neg.Nr. F 2926/1ff. »
  51. Eine gute Übersicht zu Inschriftenstandorten auf den heutigen Stadtplan übertragen findet sich bei Illert, Worms; Reuter, Hamman 26f. »
  52. Die Nikolauskapelle, erst 1930 nach der großen Domrestaurierung wieder geweiht, mußte nach 1945 erneut aufgebaut werden. »
  53. Zu den Grabungsbefunden und Vorgängerkirchen vgl. das große Domwerk, Kautzsch, Dom, Abschnitt II-IV, zur älteren verspäteten, aus elsässischen Vorgängerbauten abgeleiteten Datierung Kautzsch, Geschichte und Würdigung. Nach der neuesten naturwissenschaftlichen Absicherung erübrigt sich die Diskussion des Streites, obwohl beileibe bisher nicht alle Vorgänge, etwa Richtung und Tempo der Bauabfolge, widerspruchsfrei geklärt werden konnten. I. Spille, Neuentdeckungen zur Datierung des Wormser Domes, in: Der Wormsgau 13 (1979/81) 106-112; E. Hollstein, Neue Bauholzdaten des Wormser Domes, in: Neues Jb. f.d. Bistum Mainz 1981. Mainz 1982, 125-134; Hotz, Dom; v. Winterfeld, Dom; die beiden letztgenannten Arbeiten besprach und ergänzte Großmann, Baugeschichte. »
  54. v. Winterfeld, Worms, Speyer, Mainz. »
  55. Außer den oben zitierten Werken von Kautzsch, Hotz und v. Winterfeld auch Hotz, Bedeutung des Domes zu Worms; Kranzbühler, Domkreuzgang 94 u. C.J.H. Villinger, Der geopferte Domkreuzgang, in: Wonnegauer Heimatbll. 12, 4 (1967) 1f. mit ungenauem Holzschnitt zu Abbrucharbeiten. »
  56. Domkapitelsprotokoll mit Zitat abgedruckt bei Kranzbühler, Domkreuzgang 93. »
  57. So stellte Wickenburg II 164 im 18.Jh. fest: „In ipsa ecclesia cathedrali paucae inveniuntur inscriptiones et epitaphia,...”. »
  58. Teilweise kennzeichnen moderne Platten mit entsprechenden Daten die Grabplätze. »
  59. W.M. Becker, Wo ist das Wormser bischöfliche Archiv geblieben?, in: Der Wormsgau 1,9 (1932) 364f. vermutet seinen weitgehenden Verlust durch den Brand der Mainzer Dominikanerkirche, des Flüchtungsortes, von 1793 verursacht. »
  60. F. v. Weech, Das Wormser Synodale von 1496, in: ZGO 27 (1875) 227-326 u. 385-454; Büttner, Bistum Worms; Schaab, Diözese Worms. »
  61. Hotz, Bauschule; v. Winterfeld, Worms, Speyer, Mainz. »
  62. Hertzog, Beschreibung, passim erwähnt immer wieder solche, ohne Begräbnisse anzuzeigen. »
  63. Zu den Arbeiten M. Grünewald, Die Ausgrabungen an der Stiftskirche St. Paul in Worms, 1987-1989. Ein vorläufiger Bericht, in: Wormser Monatsspiegel Mai und Juni 1989, 8-11, 8-10. »
  64. Wickenburg II 152. »
  65. A. Tschirner, Die Pauluskirche und ihre Wiederherstellung I, in: Wormser Zeitung vom 2. Oktober 1928 u. [J.] Gerlach, Die Wiederherstellungsarbeiten, in: Festschrift zur Wiederweihe der Pauluskirche am 16. Mai 1929. Worms 1929, 11f. »
  66. 1428 Propst Heinrich Katzmann, 1438 Kanoniker Johannes Sobernheim, 1436 Ratsherr Johannes zum Kälblein, 1409 Praebendar Wigand Geylnhausen, 1416 Kustos Richer Bonne, vgl. Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 245; vgl. auch unten bei Neuhausen, beide Male mit dem Formular von Umschriftplatten vereinbare Texte, aber in Kalenderreihenfolge und hier bei den beiden Erstgenannten auffällig und für Grabinschriften unwahrscheinlich die explizite Nennung des Stiftes statt der typischen Grabplattenformel huius ecclesiae»
  67. Bauer, Baugeschichte Pauluskirche. »
  68. Vgl. Nr. 34f., 47, Bauer, Baugeschichte Pauluskirche 10ff. u. Hotz, Wormser Bauschule 205ff.; neue Ansätze für die Kirchturmbekrönungen bei H. Hofrichter, Steinerne Kirchturmbekrönungen in der ehemaligen Diözese Worms. Mit einem Nachwort von Wilhelm Weber. Eltville a.Rh. 1984. »
  69. Spille, Meerweibchenstein. »
  70. Die Eigentümlichkeit des Inschriftenbandes, undatierte Inschriften an das Ende des angegebenen Zeitraumes zu setzen, mag hier einige Verwirrung stiften, da ins zweite Drittel des 13. Jahrhunderts datierte und daher nach 1266 plazierte Inschriften theoretisch bis 1233 vorgezogen werden könnten. »
  71. Vgl. F.M. Illert, Stadtbibliothek und Stadtarchiv 1926-1928, in: Der Wormsgau 1,6 (1929) 211f. u. Eröffnung des Museums der Stadt Worms, in: Wormser Zeitung vom 25. Juni 1930 zum 1. Juli 1930. »
  72. Zu Baugeschichte und Inschrift vgl. Böcher, St.-Andreas-Stift, bes. 8f. sowie Metzler, Wiederherstellung. »
  73. Vgl. Hüther, Geschichte der Magnuskirche; Reuter, Pfarrkirche 39ff. »
  74. Vgl. Kranzbühler, St. Martin, RI II,3 1043, 1043/I, 1482; MGH DO. III. 428, unten Nr. 67. »
  75. Nachweise gesammelt bei Kranzbühler, St. Martin 11ff. »
  76. Zur Bau- und Stiftsgeschichte vgl. ebd.; Como, Kollegiatstift St. Martin; Reuter, Grabsteine; Böcher, St. Martins-Kirche u. Hotz, Wormser Bauschule 201ff.; eine Frühdatierung auf den Anfang des 13.Jh.s bei Spille, Meerweibchenstein, wie oben zum Paulusstift, ist bisher nicht ausreichend gewürdigt worden. »
  77. Vgl. Reuter, Grabsteine. »
  78. Nach der Frühdatierung von Werken der Wormser Bauschule bei Spille, Meerweibchenstein auf ca. 1200 zu setzen; siehe oben zu vergleichbaren Namen am Westwerk der Pauluskirche. »
  79. Vgl. Fuchs, Katharinenkirche 132ff. Damit soll keineswegs eine Regelhaftigkeit angedeutet werden; in erster Linie wird gar nicht die Stiftsgründung, sondern die damit verbundene Bauerweiterung für die Überlieferung von Inschriften maßgeblich sein, und zwar für Bauinschriften aus gegebenen Anlaß wie auch für Grabinschriften, weil dann oft erstmals entsprechende Räumlichkeiten vorhanden waren. »
  80. Zur Baugeschichte allgemein Bender, Liebfrauenkirche. »
  81. Zur Baugeschichte und Nachweisen vgl. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 16ff.; außerdem F. Arens/O. Böcher, Studien zur Bauplastik und Kunstgeschichte der Johanniskirche zu Worms, in: Der Wormsgau 5 (1961/62) 85-107 zu Resten v.a. im Stadtmuseum; A. Verbeek, Die architektonische Nachfolge der Aachener Pfalzkapelle, in: Karl der Große. Das Nachleben Bd. 4. Düsseldorf 1967, 113-156; mit Kranzbühler gegen Arens/Böcher bestreitet eine Baptisteriumsfunktion W. Götz, Zentralbau und Zentralbauten- denz in der gotischen Architektur. Berlin 1968, 58f.; die Unabhängigkeit von Form und Funktion als Pfarrkirche betont M. Untermann, Der Zentralbau im Mittelalter. Form — Funktion — Verbreitung. Darmstadt 1989, bes. 237f. »
  82. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 80ff. »
  83. Ebd. Abb. 32. »
  84. Eine 1602 erneuerte „inscriptio tabulae membraneae” zur Konventsgründung sah Helwich, Syntagma 21: „Anno Dominicae incarnationis M.CC.XXVI. Pontificatus Greorii (sic!) IX. anno III. ad vnius veri Trinique Dei cultum incessabilem Crucifixi, ast Domini Jesu gloriam laudemque perennem, diui nostri patris sacri praedicatorum ordinis institutoris Dominici honorem perpetem hic chorus atque conuentus fratrum studio operoso erigi coepit, consummatusque sub Beatae M. Magdalenae patrocinio commendari foeliciter. A transitu B. Dominici patris nostri anno V” — „De hoc habentur literae patentes in deposito Conuentus; renouata est haec tabula anno 1602.” Da der Text einen altertümlichen Eindruck macht, könnte es sich sogar um die Abschrift einer ursprünglich inschriftlichen Fassung jedoch unbekannter Zeitstellung gehandelt haben, der der letzte Satz 1602 angefügt wurde. Mindestens jedoch gehörte die Tafel in die Reihe von Denkmälern der historischen Rückbesinnung, vgl. Kap. 7. »
  85. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 86ff. u. Reuter, Worms um 1521, S. 45. »
  86. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 88ff. »
  87. Weckerling, Grabdenkmäler 232 Nr. 6f. »
  88. Vgl. Monsees, Entwicklung und Typologie. »
  89. Wagner/Schneider II 164ff.; Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 104ff.; F.M. Illert, Das Ende von Maria-Münster, in: Der Wormsgau 1,1 (1926) 16-21; zu Erwähnungen von Begräbnissen vgl. auch unten Kap. 9.2. »
  90. Milendonk, Chronicon Carmelitorum fol. 374ff. »
  91. Wagner/Schneider II 241ff.; Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 98ff. »
  92. Wagner/Schneider II 235ff.; Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 94ff. »
  93. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 117ff. »
  94. Ebd. 122 u. Nr. 300»
  95. Ebd. 70ff. »
  96. Ebd. 64f.; Gensicke, Kapelle St. Kilian. »
  97. H. Huth, Die franziskanischen Niederlassungen in Worms, in: Alemannia Franciscana antiqua 18 (Landshut 1973) 243-282; der Niedergang des Klosters und seine Umwandlung in eine Lateinschule nach 1527 lagen vor der Zeit weitgestreuter Inschriftenabschriften. »
  98. Zu den verlorenen Kirchenbauten immer noch unverzichtbar Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten. »
  99. Vgl. Plan bei Reuter, Hamman 26f. u. Karte von 1860 bei F. Reuter, Worms — ehemals, gestern und heute, in: Wormser Monatsspiegel vom Mai 1985, 8. »
  100. Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten 62f., 137f. »
  101. Die Abbildung der zerstörten Münze zeigt Teile der Kaiserreliefs auf den Schuttbergen, vgl. Reuter, Hamman 74f. Nr. 11. »
  102. Reuter, Silberne Lilien 42ff. »
  103. Schmitt, Heppenheim 171ff. »
  104. Fischer, Kirchenbaukunst 144ff; das oft genannte Enddatum von 1490 wird man mit der neugefundenen Jahreszahl 1498 (Nr. 280) präzisieren müssen. »
  105. Zur Ortsgeschichte Bardong, Harlesheim. »
  106. Zur Person vgl. Gensicke, Ritter Dirolf u.v.a. Nr. 58, 97, 104; Schenkungen bei Wagner/Schneider II 61ff. aufgelistet. »
  107. Böcher, Kirchen St. Peter und Maria Himmelskron. »
  108. D. Weirich, Die Bergkirche zu Worms-Hochheim und ihre Krypta. Ein Beitrag zur Baugeschichte des frühen Mittelalters, insbesondere zur Frage der Herkunft und Bedeutung vierstütziger Krypten (Der Wormsgau, Beih. 13) Worms 1953 u. Literatur bei Nr. 622.; allgemein Böcher, Kirchen St. Peter und Maria Himmelskron. »
  109. Böcher, Kirchen St. Peter und Maria Himmelskron; Johannes, Wormser Heimat. »
  110. F.M. Illert, Die Ausgrabungen im Liebenauer Klostergebiet, in: Der Wormsgau 1,9 (1932) 354-359. »
  111. Mattes, Lateinisches Worms 333 Nr. 15. »
  112. Como, Bilder aus Kloster Liebenau; Illert, Liebenau. »
  113. Falk, Bilder aus der kurpfälzischen Reformationsperiode 50-62; instruktive Zeugnisse auch bei C. Büttinghausen, Beyträge zur Pfälzischen Geschichte II. Mannheim 1782, 356-383. »
  114. So und wegen Benutzung des Markulf-Formulars für die Echtheit der Urkunde eintretend P. Classen, Bemerkungen zur Pfalzenforschung am Mittelrhein, in: Deutsche Königspfalzen I. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 11,1) Göttingen 1963, 75-96, nach J. Fleckenstein (Hg.), Ausgewählte Aufsätze von Peter Classen (Vorträge und Forschungen 28) Sigmaringen 1983, 484ff. »
  115. Villinger, Beiträge Neuhausen, bes. Regest Nr. 234; Fabry, Cyriakusstift 13-29. »
  116. Wagner/Schneider II 426ff. »
  117. Böhn, Totenbuch. »
  118. Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 247; Böhn, Totenbuch 87. »
  119. Alter, Pfeddersheimer Geschichte; ders., Studien Pfeddersheim; Spille, Worms-Pfeddersheim. »
  120. Spille, Worms-Pfeddersheim. »
  121. Wichtigste Daten bei Brilmayer, Rheinhessen; Schmitt, Geschichte von Horchheim; Villinger, Gemeinsame Geschichte; Heuser, Horchheim; Johannes, Wormser Heimat. »
  122. Auskunft von Dr. Irene Spille, Bearbeiterin der Denkmaltopographie Worms. »
  123. Weech, Synodale. »
  124. DI I (Main-Taubergrund) Nr. 5. »
  125. DI XXV (Ludwigsburg) Nr. 102»
  126. Folgerichtig wurden zwei Typen von Grabschriften, nämlich Totengedenkinschriften und Grabbezeugungen, im Bestand DI XXVIII (Hameln) XXIII unterschieden. »
  127. H. Steitz, Die Epoche der Reformation, in: St. Katharinen zu Oppenheim. Lebendige Steine — Spiegel der Geschichte, hg. von C. Servatius, H. Steitz und F. Weber. Alzey 1989, 205-253, hier 232ff. »
  128. Vgl. im entsprechenden Register unter „Name als Grabinschrift”. »
  129. Stellvertretend für die reiche Literatur seien genannt Angenendt, Theologie und Liturgie; Kroos, Grabbräuche; ggf. Fuchs, Katharinenkirche; vgl. auch Kap. 7. »
  130. Essai sur l’histoire de la mort en Occident du moyen âge à nos jours. Paris 1975, aus dem Französischen von H.-H. Henschen unter dem Titel Studien zur Geschichte des Todes im Abendland. München 1976 u.ö.; L’homme devant la mort. Paris 1978, aus dem Französischen von H.-H. Henschen und U. Pfau unter dem Titel Geschichte des Todes. München 1980 u.ö. »
  131. Außer den Arbeiten zu Nekrologien und frühmittelalterlicher Prosopographie hier besonders zu beachten der den Zusammenhang zwischen schriftlichen und dinglichen Zeugnissen herstellende und ältere Arbeiten resümierende Sammelband Memoria. »
  132. Vgl. A. Fink, Die figürliche Grabplastik in Sachsen von den Anfängen bis zur zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts. Phil. Diss. Berlin 1915, 1-7; F.K. Azzola, Zur Ikonographie des Kreuzes auf Kleindenkmälern des Hoch- und Spätmittelalters im deutschen Sprachraum, in: Deutsche Inschriften. Fachtagung 1986, 9; zum Kennzeichnungsverbot skeptisch Fuchs, Katharinenkirche 136f. — das Problem der geringen Materialdichte und ihre Abhängigkeit von den Regulierungen zu Bestattungs- und Kennzeichnungsverboten ist noch ungeklärt. »
  133. Man vgl. u.a. die Arbeiten von Bauch, Grabbild und E. Borgwardt, Die Typen des mittelalterlichen Grabmals in Deutschland. Phil. Diss. Freiburg i.Br. 1939, Schramberg 1939. »
  134. So schon kritisch Kroos, Grabbräuche 285ff. zur Verklammerung von liturgischen Handlungen, Ort und Denkmälern. Der funktionale Aspekt für die Terminologie hervorgehoben von E. Schubert in der Rezension zu DI XX (Karlsruhe), in: Deutsche Literaturzeitung 105 (1984) Sp. 198 und in der Diskussion der Fachtagung Epigraphik 1988. »
  135. Allgemein v.a. Bauch, Grabbild, dort auch 355ff. ältere Literatur, bes. die Veröffentlichungen von Borgwardt, Bräutigam, Buchner, Burckard-Meier, Fink, Franzius, Gündel, Keller, Mannhart, Schweitzer, und Ph. Ariès, Bilder zur Geschichte des Todes. Aus dem Französischen von H.-H. Henschen. München 1984. »
  136. Wischermann, Grabmal, passim. »
  137. Zur Begriffsdefinition immer noch grundlegend P. Schoenen, Art. Epitaph, in: RDK 5 (1967) Sp. 872-921; älterer Forschungsüberblick und zur Ablehnung der Interpretation des Epitaphs als aus aufgestellten Grabplatten resultierenden Denkmälern A. Weckwerth, Der Ursprung des Bildepitaphs, in: ZS für Kunstgeschichte 20 (1957) 147-185; Bauch, Grabbild 198ff. »
  138. Weckwerth, ante. »
  139. Zum Spezialfall von zum Altar oder Sakramentshaus sich hinwendenden Betern vgl. F. Arens, Gotische Grabmäler mit der Darstellung der „Ewigen Anbetung” in Deutschland, in: Das Münster 25 (1972) 333-340. »
  140. Vgl. DI XXII (Enzkreis), XXIII (Oppenheim) XXXVI, wo als früheste Form des Grabsteins die „Grabplatte” genannt ist, die dann in Katalog und Register durchweg wieder als „Grabstein” firmiert. »
  141. A. Seeliger-Zeiss in DI XXV (Ludwigsburg) XXXIf. »
  142. C.M. Kaufmann, Handbuch der Altchristlichen Epigraphik. Freiburg i.Br. 1917; Gose, Katalog der frühchristlichen Inschriften; Krämer, Frühchristliche Grabinschriften Triers 2; Boppert, Frühchristliche Inschriften; Recueil des inscriptions chrétiennes de la Gaule antérieures à la renaissance carolingienne, publié sous la direction de H.I. Marrou. I Première Belgique par N. Gauthier. Paris 1975. »
  143. Gegen die ältere und auch jüngere Literatur, insbesondere seit Conrad, Niederrheinische Epigraphik 45ff., und die Forschungen von G. Binding mit der Subsumierung unter Grabstein oder Grabplatte Nisters-Weisbekker, Grabsteine 177f. »
  144. Isolierte Namen von Laien an Wänden und anderen Bauteilen von Kirchen im Sinne von Stifterinschriften sind nicht sehr häufig, vgl. Kraus, Christliche Inschriften II 7 Nr. 12, 52 Nr. 106 zu Beispielen aus Colmar und Mutzig. »
  145. Die Perspektive des Inschriftenlesens kehrt bei den Wanddenkmälern des 15.Jh.s teilweise wieder zu den von außen lesbaren Inschriften von Hochgräbern zurück. In der ersten Hälfte des 15.Jh.s vollzieht sich ein solcher Wandel v.a. im Bereich ritterschaftlicher Grablegen eben zu den repräsentativeren figürlichen Standdenkmälern hin, nicht ohne gewisse Unsicherheiten einzuschließen: Ein Oppenheimer Neufund im vom Verfasser vorbereiteten Nachtrag zu DI XXIII (Oppenheim) zu Nr. 73; Grabplatten mit flachreliefierten Wappen und von außen(?) lesbaren Umschriften u.a. in Hirschhorn a.N., DI Bergstraße, bearb. von S. Scholz. Diese Inkonsequenzen von Typenmerkmalen bedürfen noch eingehender Diskussion. »
  146. Die frühesten Belege zu 1318 Ritter Dirolf und Bischof Emerich von Schöneck, Nr. 97f., relativ häufig dann kleinere Platten oder Scheiben in der Johanniskirche, bei Bischöfen des 15.Jh.s und im 16.Jh. bei Klerikern im Domkreuzgang; auf die nord- und nordwesteuropäischen Bestände kann hier nicht eingegangen werden. »
  147. Die Kunstdenkmäler der Pfalz. Bezirksamt Kirchheimbolanden, bearb. von B.H. Röttger, K. Busch u. M. Goering (Die Kunstdenkmäler von Bayern, Regierungsbezirk Pfalz 7) München 1938, 274f. mit Abb. »
  148. Der Beleg zu 1348(?), DI XXIII (Oppenheim) Nr. 25, kann in seiner Datierung so nicht bestehen bleiben. »
  149. DI II (Mainz) Nr. 673»
  150. Bürgerliche Vierwappensteine in Worms und Oppenheim sind jeweils mit Elternwappen von Eheleuten bestückt. »
  151. Vgl. unten Kap. 4. mit Abbildung. »
  152. A. Seeliger-Zeiss, DI XXV (Ludwigsburg) XXXIf., nannte Epitaphien mit architektonischem Aufbau Grabdenkmäler. Die Diskussion während der Fachtagung für Epigraphik in Graz 1988 führte noch nicht zur Etablierung einer eingängigen Terminologie für die Bände des Inschriftenwerkes; die nach F. Rädle, Epigraphik 1988, philologisch mögliche Ausdehnung des Begriffes „Epitaphium” auf alle Texte des Totengedächtnisses würde alle formalen und funktionalen Differenzierungsversuche beschneiden. »
  153. ist zwischen 1575 und 1617 nur jenes Haselsche Denkmal erhalten. »
  154. Lutherisch waren auch qua Amt der Württemberger Andreas Lemble (Nr. 688) sowie ausweislich ihres Leichtextes Eva Susanna von Adelsheim (Nr. 689). »
  155. So Bauch, Grabbild 263ff. »
  156. Schon vor der Umgestaltung des 18. Jhs. Nr. 543 u. 655»
  157. Dreifachverwendungen Nr. 99, 125, 132, 161; Drittverwendung durch Fremde Nr. 84 u. 340, 94 u. 219; zur Verfahrensweise vgl. oben 1. Vorbemerkungen. »
  158. Beschreibungen von Augenzeugen um 1600 sind nicht immer so eindeutig, daß etwa zwischen Bronzegußplatten oder Bronzeauflagen unterschieden werden könnte, vgl. bei Nr. 98, 211, 228, 229, 290 u.a.m. »
  159. Belege im Kapitel 2.-2.3. zur allgemeinen Stadtgeschichte und der einzelnen Institutionen. »
  160. Vgl. Schmitt, Bildwerke 278ff. »
  161. Wörner, Mittelaltrige Grabmäler 94ff.; Weckerling, Grabdenkmäler 230ff. u. 268ff. »
  162. A. Weckerling, in: QHV NF 1,5 (1892) 123. »
  163. Vor allem zur Vorhalle der Martinskirche und in der Magnuskirche, vgl. oben Kap. 2.2. »
  164. Reuter, Grabsteine. »
  165. Von den bekannten Inschriften bietet der Inschriftenband Worms außerdem 29 erstmalige oder substantielle Lesungen von Original oder Foto, in 70 Fällen wichtige Deutungen, Identifizierungen, neue Ergebnisse sowie 40 neue Datierungen und Einordnungen zuzüglich zur Trennung mehrfach verwendeter Inschriftenträger. »
  166. Boos, Quellen III XXIIff.: Im Literaturverzeichnis unter Chronicon Wormatiense saeculi XV = Kirschgartener Chronist; Chronicon Wormatiense saeculi XIII = ältere Bischofschronik; Jüngere Bischofschronik; Catalogus episcoporum Wormatiensium (M), (W); Chronicus liber antistitum Wormatiensium; Wormser Bischofschronik des Wilhelm Werner Graf von Zimmern (1485-1575); Lateinische Bistumschronik; Brusch; Hertzog; Zorn-Handschriften. »
  167. Annales Wormatienses 1221-1298, hg. von J.F. Böhmer, in: Fontes rerum Germanicarum II. Stuttgart 1845, 158-215; Annales Wormatienses 823-1366, hg. von K. Pertz, in: MGH SS 17. Hannover 1861, 34-73; Boos, Quellen III XXVIIIff. u. 143-162 als „Annales Wormatienses”; 163-199 als “Chronicon Wormatiense saeculi XIII”; Köster, Wormser Annalen. »
  168. Boos, Quellen III 1-95, Einleitung XIXff.; für die in schlechter humanistischer Abschrift eines Friedrich Dien und weiteren auf eine von 1716 zurückgehenden Abschriften vorliegende Chronik benutzte der Autor wenigstens auszugsweise die Jüngere Bischofschronik, von der nur noch Bruchstücke zu rekonstruieren sind, zusätzlich zu eigenen Recherchen. 1472 war er nach Worms gekommen und arbeitete bis zum letzten berichteten Ereignis, dem Provinzialkapitel der Minoriten in Worms am 15. Juni 1501. Identifiziert wird der Autor mit dem noch 1516 bezeugten Prior des nunmehrigen Augustiner-Chorherrenstifts Johannes Heydekin von Sonsbeck (bei Moers). Mit ausführlich begründeter Hypothese H. Gensicke, Johannes Heydekyn von Sonsbeck, der Verfasser der Kirschgartener Chronik, in: Der Wormsgau 3,2 (1952) 79-83. »
  169. Im übrigen ließ sich die Konsultation aller bekannten Handschriften nicht bewerkstelligen. »
  170. Hs. München, Bayer. Staatsbibliothek, clm 24163, fol. 6 - 50, beschrieben in Chronicon Moguntinum, hg. von C. Hegel (MGH SS.rer.Germ. 20) Hannover 1885, Vf. Diese Version benutzte nach eigener Aussage Drucke und Handschriften, nach fol. 9r-v den Kirschgartener Chronisten, siehe hier unter Chronicon Wormatiense saeculi XV; sie enthält nur wenige der Epigramme und besteht teils aus gedankenloser Kopierarbeit, wenn mehrfach Jahreszahlen um 500 zu hoch angegeben werden, bei Bischof Samuel 1355 statt 855. »
  171. Hs. Universitätsbibliothek Würzburg, Hs. 187, Kopie in StA Worms; hier fehlen etwa bei Brusch und Zorn bekannte „Inschriften” für die Bischöfe Heinrich I., Lupold und Heinrich II, so daß diese Version mit Sicherheit nicht eine Vorlage bildete, sondern nur eine Verwandtschaft der Vorlagen erschlossen werden kann. »
  172. Hs. München, Bayer. Staatsbibliothek, clm 1317; andere Versionen in Darmstadt und Worms. »
  173. Vgl. oben Kap. 2.1. Anm. 12. »
  174. Sicher belegt ist nur bezeichnenderweise der darin fehlende(?) Berthulf in der Pariser Synode Clothars, vgl. Heinemeyer, Erzbistum Mainz I 12. »
  175. Brusch, Epitomes I fol. 103v; dagegen aber Catalogus episcoporum Wormatiensium (M) fol. 34v: „de quo habetur tetrastichon:...” u. Zorn, Chronik bei Arnold 21: „von ihme ist noch die Überschrifft vorhanden: ...”. »
  176. Chronicon Wormatiense saeculi XV 15f. »
  177. Catalogus episcoporum Wormatiensium (M) fol. 35r-v; Brusch, Epitomes I fol. 107; Zorn, Chronik bei Arnold 23. »
  178. Catalogus episcoporum Wormatiensium (M) fol. 36v; Brusch, Epitomes I fol. 109; Zorn, Chronik bei Arnold 30. »
  179. Zorn, Chronik bei Arnold 31. »
  180. Helwich, Prodromus 18. »
  181. Gensicke, Kapelle St. Kilian 134 Anm. 13, wie K. Strecker in MGH Poetae V 2. Berlin 1939, 322 generell skeptisch, während Kraus, Christliche Inschriften II 77ff. die Texte für Bernharius, Anno u. Adelbert anders als Strecker 324f. unbeanstandet übernimmt. »
  182. Strecker (wie vorangehende Anm.) 322 mit formaler Bestimmung für das 10.Jh. »
  183. Mindestens bei Geroldus, Burchard I., Arnold, Conrad I., Lupold, Heinrich II.; vgl. Zorn, Chronik bei Arnold 22, 40, 43, 55, 61, 74. »
  184. Mindestens bei Samuel, Franco und Erpho in Rom, Razo in Chur; vgl. ebd. 29, 36f. »
  185. Lateinische Bistumschronik fol. 12v u. 13v; ebenso Schannat, Hist. ep. Worm. I 317. »
  186. Chronicon Wormatiense saeculi XV 24; Wormser Bischofschronik fol. 26v-27; Brusch, Epitomes I fol. 108v; Zorn, Chronik bei Arnold 29. »
  187. Zorn, Chronik bei Arnold 28 u. ders., Wormatiensia fol. 128, aber ders., [Materialsammlung] fol. 49 nahm eine Transferierung der Inschrift von Lorsch nach Neuhausen an. Eine solche fehlerhafte Plazierung kann aus einer unklaren Abfolge in Vorlagen resultieren, wie etwa die Jüngere Bischofschronik fol. 12v schon nach der Begräbnisnachricht für Lorsch die Verse zur Gründung von Neuhausen und dann erst die Translation anführt. »
  188. Helwich, Prodromus 17; Brusch, Epitomes I fol. 108r-v; Zorn, Chronik bei Arnold 28; Chronicon Wormatiense saeculi XV 24. »
  189. Die Münchner Hs. des Catalogus episcoporum Wormatiensium hat fol. 46v zum Schöneckschen Stein die sich von ihren sonstigen stereotypen „De quo versus”-Formeln abhebende Beschreibung: „cum tali epitaphio tumulatus ante summum altare, in scamno sculptum”, folgt Inschrift Nr. 98»
  190. Vgl. unten zu Zorn, [Materialsammlung] u. ders., Wormatiensia u. bei Nr. 91 zu Andreas Wilck als Zorns Gewährsmann. »
  191. A.H. Horawitz, Art. Brusch(ius), in: ADB 3 (1876) 454-455. »
  192. DI XXVII (Würzburg) XIX; Brusch hatte Zugang zum Manuskript wohl über Johann Herold, Mitarbeiter von Zimmerns und Rückübersetzer von Bruschs Bistumsgeschichten 1551, eine leicht veränderte deutsche Fas sung in: Chronick oder kurtz Geschichtbuch ... Frankfurt 1551. Brusch muß noch anderes Material vorgelegen haben, da er Nr. 9 nicht der von Zimmernschen Chronik entnommen haben kann. »
  193. W. Engel, Johann Friedrich Schannat (1683-1739). Leben — Werk — Nachlaß, in: Archivalische ZS 3.F. 11 (1936) 24-103. »
  194. Ph.W. Gercken, Reisen durch Baiern, Schwaben ... III. Stendal 1786, 143. »
  195. Es gibt keinen Grund, an der Existenz von Wappen bei der Grabinschrift des Domkanonikers und Propstes an St. Andreas Johannes Wilch von Alzey zu zweifeln, vgl. Nr. 269»
  196. Biographische Nachrichten bei Becker, Beiträge 78 nach Andreas Wilck in Zorn-8, zusammengefaßt bei Gensicke, Ratsherren-Verzeichnisse 196 Anm. 27: *28. Februar 1538, immatrikuliert 1552 in Heidelberg als Pädagogschüler, 1560-1561 Rektor der Lateinschule in Heidelberg, 1561-1565 Rektor in Oppenheim, 1565 bis zum seinem Tod am 7. Oktober 1610 Rektor der Lateinschule in Worms. »
  197. In Zorn-3 ist die Jahreszahl 1604 genannt, die Hs. Frankfurt, Stadt- und Universitätsbibliothek, Ms. germ. quart. 45 nennt das Jahr 1599; aus Zorn-8 fol. 426 läßt sich das Jahr Jahr 1588 für die zweite Fassung errechnen. »
  198. Wie sich die zweite Fassung nach der Frankfurter Handschrift von der ersten unterscheidet, ist nur mit Mühe aus dem alten Druck bei Arnold herauszufinden; für umfangreiche Textvergleiche genügt die Edition, die nur bis 1526 reicht, nicht. »
  199. Boos, Quellen III S. XIV gegen Zorn, Chronik bei Arnold 6f., Köster, Wormser Annalen 22, Becker, Beiträge 62f. »
  200. Gensicke, Ratsherrenverzeichnisse 196f. Anm. 29. »
  201. Dazu Kraus, Quellen. »
  202. Außer auf paläographische Übereinstimmungen der in jener Zeit freilich sehr variablen Gebrauchshandschriften ist darauf hinzuweisen, daß sich die Schrift nachteilig für die Lesbarkeit verändert und im Jahre 1609, also kurz vor dem Tode des Chronisten, in einer stark verwilderten Form abbricht. »
  203. Zorn, [Materialsammlung] u. ders., Wormatiensia, StA Worms Abt. 200 Nr. 3 und 4. »
  204. Köster, Wormser Annalen 26. »
  205. Gegen Gensicke, Ratsherren-Verzeichnisse 197 Anm. 37, der das Münchner Exemplar als Autograph ansah, u. Fritz Reuter, Vorbemerkung in Handschrift Zorn-Wilck (W). Nach Zorn-Meixner fol. 418v war Wilck Zorns „Gevattermann”. »
  206. So Wörner, Mittelaltrige Grabmäler; auch ein jüngst aufgefundener Stein (Nr. 497a) war Meixner wohl nicht zugänglich gewesen. »
  207. Im Falle von Denkmalbewegungen sollte man die genannten vorrangig auf diese Hypothese hin untersuchen. »
  208. Zorn-Meixner fol. 394v-395 zu 1722. »
  209. Hahn, Handschriftlicher Nachlaß Bernhard Hertzogs. »
  210. Neben zahlreichen Grabinschriften von Klerikern weiß man ausschließlich aus Hertzog von der Montforter Grablege im Dom, Nr. 156, 204, kennt man die Texte auf dem Bild der Hostienmühle im Martinsstift, Nr. 213, auf den Kreuzgangreliefs von Auferstehung und Grablegung, Nr. 317f., und auf einem möglichen kollektiven Totenmal von 1517, Nr. 396»
  211. Zu Neuhausen vgl. Böhn, Totenbuch. »
  212. Eine ganze Reihe von Informationen entnahm er ihm zugänglichen Schriften, auf fol. 14 in Teil I 1 gibt er eine Liste von benutzten „Autoren”, darunter Seelbücher, Bischofskataloge, Brusch, Eisengrein, Münster, Pantaleon. »
  213. Hertzog, Beschreibung I 1 fol. 47, Böhn, Totenbuch 87. »
  214. J. Fuchs, Art. Bernhard Hertzog, in: NDB 8 (1969) 719 u. Hahn, Handschriftlicher Nachlaß Bernhard Hertzogs 12ff. »
  215. Kolophon von 1596. Letzte Wormser Nachricht: Domherren 1596 unter Bischof Philipp von Rodenstein. »
  216. Wegele, Art. Bernhard Hertzog, in: ADB 12 (1880) 251. »
  217. Ausführliche Besprechung von Aussehen, Entstehung und Zweck der Handschrift bei Fuchs, Helwich, passim. Eine auszugsweise Abschrift von 1645, Helwich-Frankenstein, und der Druck bei Scriba wurden nur für Nachträge und beschädigte Stellen des Autographs herangezogen. »
  218. Antiquitates Laurishamenses. »
  219. Wormatiensium annalium prodromus. »
  220. Vgl. Fuchs, Helwich 89. »
  221. Vgl. A. Friese, Ein Beitrag zur Geschichte des Dalbergarchivs, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 2 (1955) 277-282. »
  222. Bd. I fol. 127. »
  223. Fol. 4v-5v zu Quellen: Schannat, Helwich, Bickart, Zorn, Riehel. »
  224. Eine weitere Ausnahme, hier die Inschrift Nr. 138, ließ sich nicht so oder anders erklären. »
  225. Ockhart fol. 108; vgl. künftig DI Bad Kreuznach zu 1388. »
  226. Es handelt sich u.a. übrigens um drei Inschriften von Geistlichen des 15.Jh.s in der Nikolauskapelle und um drei von Vikaren (Nr. 214, 217, 218, 413, 455, 491). »
  227. Besonders die langen Texte der Familienepitaphien von 1591, Nr. 551f., sind fehlerhaft. Als einziges Zeugnis hielt der „Abriß” alte Standorte fest. »
  228. Giesen, Coryats Eindrücke 41f. »
  229. Coryate, Crudities 238ff. »
  230. Person H. Brucker, Julius Wilhelm Zincgref (1591-1635). Zu seinem 350. Todestag, in: Hunsrücker Heimatbll. 25 (1985) 163-168. Schlußfolgerungen daraus überlasse ich dem geneigten Benutzer. »
  231. Zur Person M. Huffschmid, Johann Franz Capellini, Reichsfreiherr von Wickenburg gen. Stechinelli, in: Mannheimer Geschichtsbll. 12 (1911) 32ff., 54ff. »
  232. Zu offenbar fehlerhaften oder kürzend veränderten Abschriften vgl. Nr. 635 u. 642; das Vergleichsmaterial ist für Worms gering. »
  233. A.v. Oechelhäuser, Der Thesaurus Palatinus in München, in: Mitteilungen des Heidelberger Schlosses 3 (1898) 68ff.; R. Neumüllers-Klauser, Die Inschriftensammlung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, in: Heidelberger Jbb. 10 (1966) hier 123-125; DI XII (Heidelberg) XVIIf.; anders als für Heidelberg konzentrierte sich der Sammler in Worms auf erhaltenes Material, Benutzung älterer Abschriften ist nicht bekannt. Sonst seltene nicht-inschriftliche Zeugnisse wie Urkundenauszüge fehlen im Kapitel Worms völlig. »
  234. Vgl. Hüther, Geschichte der Magnuskirche 381f. »
  235. Dazu Weckerling, Grabdenkmäler u. Wörner, Mittelaltrige Grabmäler. »
  236. Vgl. A.Ph. Brück, Ernst Wörner (1841-1890) und die hessische Denkmalpflege vor 100 Jahren, in: Kunst und Kultur am Mittelrhein. Festschrift für Fritz Arens zum 70. Geburtstag. Worms 1982, 206-216. »
  237. Diese Fotosicherungsaktionen erfolgten gemäß Negativnummern im Stadtarchiv Worms schon zu Beginn der 50er Jahre noch in den Trümmern. »
  238. Unter Hochheim werden Nr. 162 u. 654 zu Unrecht geführt. »
  239. Vgl. DI XXV (Ludwigsburg) XLI; Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache 69 zu identischen Schriftformen bei den Wappenbeischriften in “Kaiser Heinrichs Romfahrt” und Wandmalereien in der Wenzelsburg in Lauf a.d. Pegnitz; für England vgl. die Arbeiten von J. Higgitt. Aufschlüsse aus dem engeren Vergleich erhofft man sich für die Kaisermäntel in Bamberg (s.u.), Textilien überhaupt und die innovativen Schriftentwicklungen der rhein-maasländischen Goldschmiedekunst. »
  240. Vgl. Fuchs, Wormser Inschriften. »
  241. Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache 63. »
  242. Die grundsätzliche Vergleichbarkeit mittelalterlicher Schriftformen in Handschriften und auf Inschriftenträgern schon bei A.v. Brandt, Werkzeug des Historikers. Stuttgart10 1983, 67. »
  243. Vgl. künftig DI Bad Kreuznach, bearb. von E.J. Nikitsch u. ders., Bemerkungen zu einigen neu aufgefundenen Grabplatten und Inschriften des Klosters Disibodenberg, in: Landeskundliche Vierteljahrsbll. 33,1 (1987) 19 - 32; ders., Entdeckung, Abguß und Bedeutung der mittelalterlichen Grabplatten des Zisterzienserklosters Disibodenberg, in: MZ 83 (1988) 11 - 21; ders., Zur Sepulchralkultur mittelrheinischer Zisterzienserklöster, in: Epigraphik 1988. »
  244. Autopsie; insgesamt in Otterberg weniger ausgeprägt, auf dem Disibodenberg dafür keine figürlichen Darstellungen vor der Mitte des 14. Jahrhunderts. »
  245. Vgl. DI XII (Heidelberg) Nr. 15, 17. »
  246. Einige Zierformen, insbesondere die Cauden am Mittelbalken des E, gleichen solchen bei Glasmalereien. »
  247. Vgl. O. Pächt, Buchmalerei des Mittelalters. Eine Einführung, hg. von D. Thoss u. U. Jenni. München 1984, 85ff. »
  248. DI II (Mainz) Nr. 33. »
  249. Bauer, Mainzer Epigraphik 12ff.; Boppert, Frühchristliche Inschriften 5. »
  250. Ausführliche Begründung im Katalog. »
  251. DI II (Mainz) Nr. 5 u. 655. »
  252. Bauer, Mainzer Epigraphik 26f. »
  253. Frau Dr. Renate Neumüllers-Klauser machte aufmerksam auf Beispiele in Hirsau, künftig DI Landkreis Calw, und Regensburg, proklitisches A in AE am Hezilo-Leuchter, Berges-Rieckenberg, Hildesheimer Inschriften Taf. 26. »
  254. Conrad, Niederrheinische Epigraphik 26ff.; Bedenken bei Kloos, Einführung 125 sicher berechtigt, aber nicht ausführlich begründet. »
  255. Bauer, Mainzer Epigraphik 30. »
  256. Dieses Merkmal von Conrad, Niederrheinische Epigraphik 32 ins 12.Jh. angesetzt, bei Kloos, Einführung 126 als Element der Gotisierung gewertet. Beim Juliana-Bild auffallend die über die Schäfte hinausreichenden Bögen der genannten Buchstaben. »
  257. Die in Worms ins 12.Jh. datierten Inschriften am Dom zeigen allesamt darüberhinaus keine charakteristische Beeinflussung durch die wenigen bekannten Wormser Handschriften, auch nicht durch die Worms-Frankenthaler Bibel oder das nun ja später anzusetzende Speyerer Sakramentar, vgl. auch bei Nr. 23»
  258. Die Identifizierung des Meisters mit Nikolaus von Verdun führte dazu, die Schriftformen der verlorenen Stifterinschrift der Königin Constanze (Nr. 29) ebenfalls schon als gotische Majuskel anzusprechen, da deren Frühformen im Werk des Meisters belegbar sind, Abschlußstriche etwa auf den Schreinen in Siegburg und Klosterneuburg. »
  259. Koch, Paläographie der Inschriften österreichischer Fresken 17. »
  260. Bei Kloos, Einführung 125: “Inschriften der frühen Gotik”. »
  261. Darunter dieser Tendenz entgegenkommend J erstmals 1292 bei Nr. 55f. »
  262. Kloos, Einführung 131f. »
  263. Bauer, Mainzer Epigraphik 38. »
  264. DI XXVII (Würzburg) XXIII mit nicht nachvollziehbaren Beispielen. »
  265. DI XXV (Ludwigsburg) XLIII u. Nr. 22, zurecht nur mit Vorbehalt als schlanke Form im Sinne der oft zitierten 2:1-Proportion gedeutet. »
  266. Zu Proportionalzahlen Berges-Rieckenberg, Hildesheimer Inschriften 14ff; kritisch zur Durchführbarkeit W. Arnold, Anmerkungen zu Wilhelm Berges’ Edition der älteren Hildesheimer Inschriften, in: Deutsche Inschriften. Fachtagung Epigraphik 1984, 49f. »
  267. XXVII (Würzburg) Nr. 74f., 91, 127. »
  268. Kloos, Einführung 133f. »
  269. 1320 DI II (Mainz) Nr. 33; 1356 DI XVI (Rhein-Neckar) Nr. 18; 1366 DI XXI (Karlsruhe) Nr. 9; spätestens 1377 Gabsheim/Landkreis Alzey-Worms nach Autopsie; 1379 DI XII (Heidelberg) Nr. 57; 1397 DI XXIII (Oppenheim) Nr. 43; 1417 DI IV (Wimpfen) Nr. 40 — die relative Verspätung mag hier in der geringen Materialdichte der betreffenden Zeit und vor allem in dem als progressiver zu erwartenden Hochstift begründet sein. »
  270. Vgl. Fuchs, Wormser Inschriften 94. »
  271. Zu vergleichbaren lange anhaltenden Verwendungen gotischer Majuskeln auf Wormser Siegeln, Münzen und sakralen Objekten außerhalb von Worms vgl. Fuchs, Wormser Inschriften 98f. u. ders., Übergangsschriften, im Druck; zu Münzumschriften allgemein schon Kloos, Einführung 133. »
  272. DI XII (Heidelberg) Nr. 100, DI XVI (Rhein-Neckar-Kreis) Nr. 51. »
  273. Kloos, Einführung 133. »
  274. DI II (Mainz) Nr. 63; Bauer, Mainzer Epigraphik 40. »
  275. Niemand wird Abschlußstriche als exklusives Merkmal gotischer Majuskel anzweifeln; hingewiesen sei jedoch auf eine mehrheitlich späteren Inschriften eigene Umkehrung der Tendenz zum Abschluß bei dem Buchstaben M: Im 14.Jh. überall häufig als unziales M auf einem Abschlußstrich stehend, bildete sich in der zweiten Hälfte ein unziales M mit deutlichen Cauden, das man sich aus zwei gegeneinandergestellten N konstruiert denken könnte, wie auch der Konstruktionsfehler bei Nr. 235 Anm. f. zeigt; Wormser Belege für dieses M schon 1303, Nr. 79, und 1373, Nr. 154»
  276. Von Kloos, Einführung 130, 132 wohl unzulässig von Beobachtungen Bauers zum Stein der Katherina von Landeck (†1397) verallgemeinert. »
  277. Zu ersten Beschreibungen der Charakteristiken noch an unvollständigem Material Fuchs, Wormser Inschriften 94. »
  278. Man beachte, daß die für die Standard-Majuskel des 14.Jh.s oft postulierte Symmetrie von C und D nicht mehr gilt, dem gedrungenen Schaft des D ein hoher und dünner, in weit schwingende Spitzen auslaufender Abschlußstrich des C gegenübersteht. »
  279. Man vergleiche die Grabplatten des Friedrich Damm, Nr. 251 u. Abb. 65, und der Agnes Grick von Dirmstein, Nr. 253, abgebildet bei Schalk, Grabsteine Abb. 13. »
  280. Zur frühhumanistischen Kapitalis vgl. man den grundlegenden Beitrag von Renate Neumüllers-Klauser, Epigraphische Schriften und das Korreferat des Bearbeiters bei der Fachtagung in Graz 1988 — Fuchs, Übergangsschriften, im Druck. »
  281. Fuchs, Wormser Inschriften. »
  282. DI XVI (Rhein-Neckar-Kreis) Nr. 91. »
  283. Interessanterweise konnte das Rätsel der Fragmente erst gelöst werden, nachdem über die Schriftdatierung der Übergangsform nach 1500 ein zeitlicher und mit dem Andreasstift als einem der betroffenen Standorte ein überlieferungsgeschichtlicher Anhaltspunkt gefunden war. Die Versalien auf der Platte der Katharina Diel von 1505, Nr. 373, sind übrigens in ähnlicher Weise gestaltet. »
  284. Neumüllers-Klauser, Epigraphische Schriften, im Druck. »
  285. Nur eine kleine Auswahl von Beispielen bei Fuchs, Übergangsschriften, im Druck. »
  286. Kranzbühler, Worms und die Heldensage Taf. XI Abb. 16f.; s.a. allgemein Köbler, Reformation. »
  287. Vgl. Neumüllers-Klauser, Epigraphische Schriften und Beiträge zum Round-Table-Gespräch in Graz, im Druck sowie die Bezeichnungen “Frühkapitalis” bei R.M. Kloos, DI V (München) XXIII; “Frühhumanistische Kapitalis” R. Neumüllers-Klauser, DI XII (Heidelberg) XX; Kloos, Einführung 156; Leitner, Inschriften von Maria Saal 65ff.; beide Bezeichnungen bei W. Koch, Epigraphica — Ein Leitfaden zur Transkription und schriftkundlichen Einordnung von mittelalterlichen und neuzeitlichen Inschriften, in: Unsere Heimat. ZS des Vereins für Landeskunde in Niederösterreich und Wien 2 (1975) 79; “Bastardkapitalis” bei J.L. van der Gouw, Epigrafica, in: Nederlands Archievenblad 70 (1966) 90, zustimmend A. Seeliger-Zeiss, DI XX (Karlsruhe) XXIX; dies., DI XXV (Ludwigsburg) LXIX; Fuchs, Wormser Inschriften 96f.; „Capitalis goticohumanistica” oder „Gotische Kapitale” bei J. Bauermann, PSM — ein epigraphisches Lehrstück an einem Herforder Fund, in: Westfalen 55 (1977) 384. »
  288. DI II (Mainz) Nr. 1. »
  289. Kloos, Einführung 133. Hinzuweisen ist hier auf vielzitierte Wimpfener Belege, DI IV (Wimpfen) Nr. 125 u. 135 zu 1537 u. 1543, mit eigentümlich flächigen Buchstaben, die weitgehend Elemente des 14. Jahrhunderts verwirklichen; nicht bekannt ist freilich, daß schon eine Platte von 1497 einen Zusatz in Majuskeln enthält, deren Formen wesentliche Merkmale der spätesten Wormser Exemplare besitzen, ebd. Nr. 71. »
  290. Vgl. aber mit guten Gründen Leitner, Inschriften von Maria Saal 67. »
  291. M. Steinmann, Die humanistische Schrift und die Anfänge des Humanismus in Basel, in: Archiv für Diplomatik 22 (1976) 376-437. »
  292. Die Buchstaben für die Inschrift der Madonna der Palästina-Fahrer, DI II (Mainz) Nr. 206, sollen von Antiqualettern aus der Offizin des Nikolaus Jenson in Venedig abgeleitet sein. »
  293. Daß nicht einmal die Denkmäler einer Person in derselben neuen Schrift gestaltet sind, wurde für Würzburger Grabdenkmäler beobachtet, vgl. DI XXVII (Würzburg) XXIV, und ein gewisser Konservativismus zugunsten der gotischen Minuskel bei “traditionsgebundener Sepulchralplastik” festgestellt. »
  294. Vgl. diesen Entwicklungsschritt etwa vom Relief der Madonna der Palästinafahrer (1484) zum Denkmal des Erzbischofs Berthold von Henneberg (†1504), DI II (Mainz) Nr. 206, 278. »
  295. Rundes E, gradlinige Hastenschwellungen, R mit konvexer Cauda. »
  296. Die dort vorkommende spornartige Cauda des R auch in Mainz und Würzburg als zusätzlichen Wirkungsstätten des Stifters vor diesem Wormser Beleg. »
  297. Ein gutes Beispiel dafür ist der Grabstein des Heinrich Nagel von 1635, Nr. 687»
  298. Das Epsilon-E übrigens vereinzelt zusammen mit fast klassischen Buchstaben schon auf dem Denkmal des Georg zur Glocken von 1622, Nr. 656»
  299. DI V (München) XXIIIf.: M im 16.Jh. meist mit schrägen Schäften und variablem Mittelteil, gelegentlich mit geraden Schäften, dann aber nur bis zur Zeilenmitte reichendem Mittelteil; vorzugsweise nach 1600 gerade Schäfte mit tief herabgezogenem Mittelteil. »
  300. Ebd. Nr. 431, 505, 535. »
  301. Nr. 316, 506, 519, 559, 708»
  302. Einige Ausnahmen etwa DI XXII (Enzkreis) Nr. 361, 364, 381, 382 nach 1625. »
  303. Bei den Steinen Neumeyer von 1580 (Nr. 515) und Meffert von 1584 (Nr. 526) besteht nur eine Verwandtschaft in der Gestaltung der Wappen und Helmzieren, allenfalls Anklänge bei der Schrift, bei dem der Anna Maria Knebel von 1593 (Nr. 557) nur eine allgemeine Verwandtschaft zu den Denkmälern der lutherischen Linie in Herrnsheim. »
  304. DI XXIII (Oppenheim) Nr. 138, 135, 145. »
  305. Andere frühe Belege, etwa DI XXVII (Würzburg) Nr. 478 u. DI XXV (Ludwigsburg) Nr. 115, 228, benutzten weit weniger im Sinne klassischer Vorbilder regelhafte Buchstabenformen. »
  306. Die einzige Ausnahme ist der Grabstein für den ehemaligen Rosenthaler Pfarrer Wolfgang Meffert von 1584 (Nr. 526), der aber von Freunden auf dem lutherischen Friedhof aufgestellt wurde; die Abweichung erklärt sich also aus der Entstehungsgeschichte. »
  307. Zur sprachlichen Gestaltung der Wormser Inschriften vgl. unten Kap. 6.5. »
  308. Bischoff, Paläographie 163ff.; M. Steinmann, Textualis formata, in: Archiv für Diplomatik 25 (1979) 301-327; K. Schneider, Gotische Schriften in deutscher Sprache. I. Vom späten 12. Jahrhundert bis um 1300. Wiesbaden 1987, 163 hält den Begriff Textualis formata für unzulänglich hinsichtlich des eigenständigen Charakters der Schrift. »
  309. Neumüllers-Klauser, Sprache und Schrift 63f., anschließend zu frühesten Belegen für gotische Minuskel in der Inschriftenpaläographie schon seit der zweiten Hälfte des 13.Jh.s in Nordostfrankreich. »
  310. Vgl. ebd. 64f. mit Karte; zu Eßlingen H. Wentzel, Die Glasmalereien in Schwaben von 1200 bis 1350 (Corpus vitrearum medii aevi, Deutschland I: Schwaben, Teil 1) Berlin 1958, 135ff. u. Abb. 256ff. mit schreibschriftlichem Duktus sehr ähnlichen Formen. »
  311. Vgl. Belege oben bei Anm. 276. »
  312. Von den allerfrühesten Belegen für die Minuskel abgesehen, vgl. Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache 64ff., stammen viele der frühen Verwendungen nicht von den üblichen Umschrift-Grabplatten des 14.Jh.s, sondern von zeilenweise angeordneten, vgl. DI XIX (Göttingen) Nr. 5 von 1342, DI XVI (Rhein-Neckar) Nr. 18 von 1356, DI XV (Rothenburg o.d.T.) Nr. 29 von 1389. »
  313. Bemerkenswert übrigens die Tatsache, daß bei dieser Platte die erste der überhaupt wenigen Verwendungen deutscher Sprache in Wormser Inschriften zu belegen ist, und zwar nach einem Sprachwechsel ab frawe»
  314. Nach Bischoff, Paläographie 182f. vereinigen Bastarden die „Eigenschaften zweier Schriftgenera”, hier der Notula und der Textura. »
  315. Zahn, Beiträge zur Epigraphik 10ff.; DI XIII (Nürnberg 1) XXII. »
  316. Fichtenau, Lehrbücher 25ff. »
  317. Wegen der Übermacht der Majuskel freilich nicht in Worms; gute Beispiele in DI Bad Kreuznach, bearb. von E.J. Nikitsch in Vorbereitung, Pauluskirche in Bad Kreuznach: Hermann Stumpff von Waldeck (†1412), Rheingräfin Lukard (†1455); Lienzingen, DI XXII (Enzkreis) Nr. 77 von 1450. Beispiele in Worms erst mit den Versalien des Kreuzgangprogrammes auf Schlußsteinen v.a. nach 1488, auffälliges R ab 1492 (Nr. 329). »
  318. Vergleichbare Beispiele in Würzburg, DI XXVII Nr. 335 von 1492 u. 363 von 1499. »
  319. Zahn, Beiträge zur Epigraphik 14ff. »
  320. Bischoff, Paläographie 179. »
  321. Fichtenau, Lehrbücher 26f. »
  322. Vgl. besonders DI XIII (Nürnberg 1) XXIIf. zu den Denkmalgruppen H und J. »
  323. Vgl. DI XII (Heidelberg) XXII zu Nr. 293 von 1559 zu Merkmalmischung am Einzelfall, wobei man sogar noch auf die Brechungen aus der gotischen Minuskel hinweisen müßte in Kombination mit Kapitalis-Versalien(!); DI XXVI (Osnabrück) XXVIIIf. zur überhaupt problematischen Abgrenzung im Corpus, da Frakturinschriften Osnabrücks in Anlehnung an niederländische Schreibmeister stark zur Rotunda neigen und charakteristische Unterlängen von f und s ohnehin nicht konsequent durchgeführt sind. »
  324. Zahn, Beiträge zur Epigraphik, Kap. IV. »
  325. Bischoff, Paläographie 186ff. »
  326. DI II (Mainz) Nr. 208, 955. »
  327. Die Kunstdenkmäler des Kreises Bingen von Ch. Rauch. Geschichtliche Beiträge von F. Herrmann (Die Kunstdenkmäler im Volksstaat Hessen) Darmstadt 1934, 499 u. Abb. 413. »
  328. DI II (Mainz) Nr. 1164a. »
  329. DI XII (Heidelberg) Nr. 251. »
  330. Ebd. Nr. 293 u. DI XXIII (Oppenheim) Nr. 163. »
  331. Die fortgeschrittene Verwitterung erlaubt keine vollgültigen Aussagen zu Formen; eine gewisse Nähe zu den zeitgenössischen Ausbildungen in Heidelberg ist festzustellen; 1608 auch eine kursive Version. »
  332. DI XXIII (Oppenheim) Nr. 7. »
  333. Vgl. oben Kap. 4. und Kap. 2.2. mit Abbildungen. »
  334. Der Taufstein im Dom, Nr. 307, trägt heute keine authentischen Inschriften mehr. »
  335. Drei der fotografierten wohl noch unter Fußboden. »
  336. Für Paulusstift und Neuhausen ist zu beachten, daß die als Nekrologexzerpte erkannten Sterbetexte bei Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 245ff. trotz alledem auf eine größere Grablege hindeuten, wie sie für das Paulusstift immerhin durch jüngere Fragmentfunde ansatzweise bekannt geworden ist. »
  337. So Kautzsch, Geschichte und Würdigung 219. »
  338. Die Protokolle des Mainzer Domkapitels III. Die Protokolle aus der Zeit des Erzbischofs Albrecht von Brandenburg 1514-1545. In Regestenform bearb. und hg. von F. Herrmann (Arbeiten der Historischen Kommission für den Volksstaat Hessen) Paderborn 1932, 186; Illert, Regesten 40. »
  339. Zwei undatierte Steine lassen sich stilistisch und über Eigentümlichkeiten der Schriftformen zu vor 1494 rechnen, Nr. 336f. »
  340. Lokalisiert bei Issel, Bericht in Lohmeyer, Leben 153. »
  341. Schmitt, Bildwerke 297. »
  342. Zum Teil liegt der Grund dafür in dem geringen Umfang der Aufarbeitung städtischer Quellen, weil Akten und Verwaltungsgut zum größten Teil der Zerstörung anheimfielen. »
  343. Bei einzelnen Standorten wurde das ansatzweise versucht. »
  344. Angaben dazu finden sich in Kapitel 2. »
  345. In 21 Fällen wurden bei Mehrfachbenutzungen ohne konkrete Anknüpfung an die Erstverwendung eigene Nummern vergeben. »
  346. Familiendenkmäler wurden nur mit dem Faktor zwei bedacht, obwohl bis zu 9 Mehrfachnennungen vorkommen, da Nachrichten etwa zu verstorbenen Kindern in der Regel zusammengefaßt in einem einzelnen Vorgang behandelt wurden, vgl. die Denkmäler Wenzel (Nr. 682), Rühle (Nr. 718) und Manz (Nr. 719); für demographische Fragestellungen wird man unter den exakten Todesdaten einzelner Personen zählen müssen, da außer der genannten Verfälschung in Worms vergleichsweise häufig Denkmäler mehrere Jahre nach dem ersten darauf bezeugten Todesfall erstellt wurden und dementsprechend mit ihrer Entstehung über einer Zeitgrenze liegen können. »
  347. R. Romano/A. Tenenti, Die Grundlegung der modernen Welt. Spätmittelalter, Renaissance, Reformation (Fischer Weltgeschichte 12) Frankfurt a.M. 1967, Kap. 1 Die “Krise” des 14. Jahrhunderts; B. Tuchmann, A Distant Mirror — The calamitious 14th Century. New York 1978 u.ö.; F. Graus, Pest — Geißler — Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 86) Göttingen 1987, bes. 529ff. Stärker demographisch ausgerichtet N. Bulst, Der Schwarze Tod. Demographische, wirtschafts- und kulturgeschichtliche Aspekte der Pestkatastrophe von 1347-1352. Bilanz der neueren Forschung, in: Saeculum 30 (1979) 45-67. Nach den relativ ausführlichen Nachrichten zum 13.Jh. hat sich dazu in der Wormser Chronistik nur wenig erhalten; erst Zorn, Chronik bei Arnold S. 134 nennt zu 1318(!) „groß sterben” und allgemeine Teuerung, die Pest von 1349ff. fehlt. In Worms mochte zudem das Schisma von 1332 mit Interdikt und Bann des Kapitels einen zusätzlichen inneren Faktor der Destabilisation darstellen. »
  348. 1580-1599 von 55 sogar 15 (27%) vom lutherischen Friedhof. »
  349. Für jeweils 1 Toten, 3 weitere bei Nachträgen und Mitnennungen auf späteren Denkmälern. Weitere Höchstzahlen weisen die Jahre 1590 mit 6 Grabinschriften von 8, 1591 mit 6 Grabinschriften und 1616 mit 5 Grabinschriften von 7 Inschriften insgesamt auf. »
  350. 3 Denkmäler für 3 Tote, 1667 1 Mitnennung und 1 weitere für Januar 1667, 5 Nennungen auf dem Mantzschen Familiendenkmal von 1668 (Nr. 719), das sich ausdrücklich auf die Seuche von 1666 bezieht. »
  351. Kranzbühler, Domkreuzgang 93. »
  352. Skeptisch schon Fuchs, Katharinenkirche 146f. »
  353. DI XXIII (Oppenheim) Nr. 221-225, 227. »
  354. Fuchs, Katharinenkirche 146f. »
  355. Bei den weiteren Belegen, Nr. 289, 465, 562, könnte es sich auch um Zusätze des jeweiligen Gewährsmannes handeln. »
  356. Erstbeleg Nr. 183, sicher Nr. 207 von 1405 u. Nr. 211 von 1410. »
  357. Nach 1575 kommt noch zweimal der römische Kalender, Nr. 510 u. 539, dreimal noch die Datierung nach einem Sonntag, Nr. 533, 558 u. 607, vor; fünf vereinzelte Datierungen nach Heiligentagen beziehen sich auf Apostel, Allerseelen und zwei Marienfeste, Nr. 562, 669; 599; 637, 727»
  358. K.E. Demandt, Zur Frage der Datierung nach dem Mainzer und Trierer Stil, in: Hess. Jb. f. Landesgeschichte 1 (1951) 72-86, hier 79. »
  359. A. Martin, Julianischer und Gregorianischer Kalender in Worms, in: Mitteilungsblatt des Altertumsvereins Worms 1. Folge 6 (1935) 30f. »
  360. In Worms nicht angewendet wurde die sonst gelegentlich geübte Sitte, das Tagesdatum doppelt mit Hilfe eines wie ein Dezimalbruch geschriebenen Ausdrucks anzugeben, vgl. etwa zu Meisenheim G.C. Crollius, Denkmahl Carl August Friedrichs des Einzigen zu den Gedächtnis- und Grabmahlen des Pfalzgrävlichen Hauses der Zweybrückischen, Veldenzischen und Birkenfeldischen Linien hinzugestellt ... Zweibrücken 1784-85, 15 Nr. 1, 3, 8; weitere Beispiele für den Landkreis Bad Kreuznach im künftigen Inschriftenband. »
  361. Trotzdem läßt sich die Behauptung nicht ohne weiteres von der Hand weisen, die Wormser Domgrablege sei in ihrer Ausstattung anderen nicht gleichwertig gewesen. »
  362. Aus dem Jahre 1319 stammt das Halbrelief für die Nonne Lukard von Dirmstein, Nr. 100»
  363. Zotz, Bischöfliche Herrschaft. »
  364. Gensicke, Ritter Dirolf. »
  365. Man vgl. den Beitrag von H. Valentinitsch in Epigraphik 1988, im Druck, zu „Grabinschriften und Grabmäler als Ausdruck sozialen Aufstiegs im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit”. »
  366. Es fehlt leider eine Auswertung von Ratslisten und Grabdenkmälern zu Verwandtschaften von Ratsherren und im Rat dominierenden Familien, allein, durch die Beanspruchung der Amtsgeschäfte war der Auswahl der Kandidaten schon ein Hindernis vorgeschoben, da nur entsprechend Wohlhabende dafür in Frage kamen. »
  367. Vgl. zum Prestigestreben oben Anm. 376 den Beitrag von H. Valentinitsch sowie A. Seeliger-Zeiss, Die Inschriften des Landkreises Ludwigsburg — Ihre Rolle als geschichtliche Quelle und Spiegel der Sozialstruktur der Bevölkerung vergangener Jahrhunderte, in: Ludwigsburger Geschichtsblätter 40 (1987) 73-92, hier 81ff. »
  368. Eine gewisse Problematik wirft hier die Behandlung jener Personen auf, die als Stadtbewohner von Worms und möglicherweise Amtsträger der Stadt durch Konnubium und Wappen doch in der Nähe der Ministerialen standen; als wohlgemerkt nur formales Kriterium galt für die Zählung zum städtischen Bereich die Abwesenheit von Merkmalen wie miles, armiger, dominus/a, da ein Ritter Sigelo von Wattenheim (Nr. 99) Lehnsmann des Bischofs wie auch Ratsmitglied war; Funktionsträger geistlicher Institutionen und Geistliche selbst blieben ebenfalls davon ausgenommen. »
  369. Vgl. Hartmann, Domherren 156-158. »
  370. Vgl. unten Kap. 6.4. »
  371. Vgl. Einleitung Kap. 2.1. »
  372. Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch Rheinhessen 424ff. »
  373. Umfassend unterrichtet Reuter, Mehrkonfessionalität. »
  374. H. Haupt, Beiträge zur Reformationsgeschichte der Reichsstadt Worms. Zwei Flugschriften aus den Jahren 1523 und 1524. Gießen 1897. »
  375. Reuter, Mehrkonfessionalität 14f.; allgemein auch Becker, Beiträge 33f. »
  376. DI XXIII (Oppenheim) Nr. 179. »
  377. Ebd. Nr. 198»
  378. Sehr illustrativ die Bemerkungen Zorns zu Gregor Glaser in den Ratslisten bei Kraus, Quellen II 125 u. Nr. 532; wegen des Begräbnisses in der Johanniskirche teile ich die Meinung bei Reuter, Mehrkonfessionalität 22, er sei Lutheraner geworden, nicht. »
  379. Vgl. DI Bad Kreuznach, in Bearbeitung. »
  380. Allgemein Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten. »
  381. Villinger, Beiträge Neuhausen 101f.; Böcher, Anfang und Ende; Falk, Bilder aus der kurpfälzischen Reformationsperiode. »
  382. Zu ergänzen wäre diese Aufzählung aus sehr rudimentären, weder vollständigen noch umfassend auswertbaren Klerikerlisten: Nach Schannat, Hist. ep. Worm. I 73ff. am Domstift Daun; Effern; Gymnich; Kettler; Metternich; Orsbeck; Raesfeld; Rollingen; Vreden; Walderdorff; Warsberg; Wiede de Amecke; Wiltberg; Welfeld. In Wimpfen, ebd. 118ff.: Beversfort; Effern; Eltz; Hövel; Kettler; Raesfeld. Am Andreasstift, ebd. 132: Beilstein; Metternich; Raesfeld. Am Martinsstift, nach Como 45 alle zu 1681: Beckgers aus Köln; Engel aus Köln; Greven aus Düsseldorf; Kessel aus Köln; Küner aus Köln; Spormacher aus Köln; Staufenberg aus Köln. An Liebfrauen, nach Schannat 145: Hasert aus Köln; Vanderbeck. Nach Hartmann, Domherren 157 gab es in der zweiten Hälfte des 15.Jh.s nur drei ministerialische Domherren aus den Diözesen Münster, Utrecht, Paderborn; freilich existieren nach Eberhardt, Diözese Worms nur wenig Herkunftsangaben zu den nicht-adligen Klerikern in den Listen des Gemeinen Pfennigs, etwa S. 20 Attendoorn an Liebfrauen. »
  383. Hier sei darauf hingewiesen, daß in den Versen Hiob 19,23f. dem Trost der Auferstehung eben der Wunsch nach inschriftlicher Verewigung seines Gebetes vorausgeht. »
  384. Vgl. mit noch deutlicheren Zahlenverhältnissen DI XII (Heidelberg) 408f.; DI XXIII (Oppenheim) 175 u. DI XXV (Ludwigsburg) 454f.; die Vergleichszahlen sind aber insgesamt noch zu gering, um tragfähige allgemeingültige Aussagen zu ermöglichen. »
  385. Vgl. Kap. 6.5. »
  386. Nicht gewertet wurden Anno domini-Beginn bei deutschsprachigen Inschriften und seltene Sprachmischung, wenn sie nur formelhaft war wie ein iuris utriusque doctor oder einleitend DEO OPTIMO MAXIMO SACRUM.  »
  387. Ausnahmen sind die Grabinschriften des Spaniers Philippo Manuel von 1521, Nr. 405, des Hochheimer Schaffners Johann Wolff von 1552, Nr. 452, und der Bericht des Pfarrers Heinrich Kapen über die Ackerrodung 1562 in deutscher Sprache, Nr. 483»
  388. H.-U. Schmid, Die mittelalterlichen deutschen Inschriften in Regensburg. Edition, Untersuchungen zur Sprache, Abbildungen. Mit einem Beitrag von F. Fuchs: Zur kopialen Überlieferung mittelalterlicher Regensburger Inschriften (Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft 40) Frankfurt a.M. 1989; Ansätze zu einer germanistischen Auswertung der Bände des Deutschen Inschriftenwerkes präsentiert ein Beitrag von Ch. Wulf, Versuch einer Typologie der deutschsprachigen Inschriften, in: Epigraphik 1988, im Druck. »
  389. DI XXVII (Würzburg) Nr. 341. »
  390. Die Romula bulla auf der Fahne protestantischer Domherren aus Straßburg, Nr. 530, gehört wohl zu keiner originär Wormser Inschrift. »
  391. U. Ecker, Grabmal und Epigramm. Studien zur frühgriechischen Sepulkraldichtung. (Palingenesia 29) Stuttgart 1990, 168ff; G. Bernt, Das lateinische Epigramm im Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter, in: Münchner Beiträge zur Renaissance-Forschung 2 (1988) 8-12. »
  392. Es fehlt hier der Raum, anhand der Wormser Grabinschriften die von Philippe Ariès und vielen anderen gefundenen Entwicklungen in den Vorstellungen von Tod, Jenseits, Erlösung und ihrer sprachlichen wie künstlerischen Realisierung in einem abgegrenzten Raum zu überprüfen; vgl. jüngere insbesondere Grabinschriften verwendende Literatur bei Koch, Literaturbericht 1976-1984, 35, 99ff., 107, v.a. die Veröffentlichungen von Braekman, Kajanto, Köfler, Narr; u. Kap. 7. zu Grabkennzeichnungen. »
  393. Die Ausführungen berühren nicht die Entstehungsgeschichte der Formel, vgl. H.J. Rieckenberg, Über die Formel „Requiescat in pace”, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Kl. 1966, Nr. 12, S. 449-452 aus dem Mainzer Pontificale Romano-Germanicum (950/60); dagegen das Grab einer Nonne in St. Radegond/Poitiers aus dem Ende des 8.Jh.s mit der Formel requiescat anima eius in pace, vgl. M. Braekman, Croyances et culte funéraires dans les épitaphes du Poitou et de pays charentais, in: Bulletin de la Société des Antiquaires de l’Ouest et de Museés de Poitiers, 4e ser. 16 (1982) 621-648.  »
  394. Stein Nr. 154 hat isoliert nur AMEN»
  395. Nachprüfbar an Original oder Foto: Nr. 221, 232, 234, 235, 250, 266, 294, 312, 350»
  396. Das Denkmal Marchard (Nr. 647) von 1617 schließt mit einer lateinischen Rückübersetzung des verbreiteten dem Gott eine fröhliche Auferstehung verleihen wolle. »
  397. Vgl. J. Kajanto, Classical and Christian. Studies in the Latin Epitaphs of Medieval and Renaissance Rome (Annales Academiae Scientiarum Fennicae, Series B, 203) Helsinki 1980, bes. 57ff. u. weiter mit vielen Einzelthemen; im deutschsprachigen Raum ist die Formel ab dem Hochmittelalter sehr viel weniger präsent. »
  398. Ebd. 82ff. der römische Bestand ausgewertet mit vielen thematischen Facetten und 94ff. Liste mit Epitheta und ihrer Würdigung. »
  399. Claussen, Künstlerinschriften 264. »
  400. Ebd. u. H. Keller, Künstlerstolz und Künstlerdemut im Mittelalter, in: Festschrift der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt a.M. Wiesbaden 1981, S. 191ff. »
  401. Es schließen sich übrigens kurz darauf und bald wieder abrrechend als Epitheta an honesta matrona, (Nr. 102), noster specialis benefactor (Nr. 103), PIA FVNDATRIX (Nr. 104). »
  402. DI XXVII (Würzburg) Nr. 7, 25. Weitere scheinbar frühe Anwendungen von Epitheta sind in jenem Bestand mit Skepsis zu betrachten, da zwar richtig zu Nr. 67 (†1335-1346) angegeben wurde, daß der 1619 eingehauene Wortlaut u.a. gerade wegen REVERENDVS AC NOBILIS DOMINVS nicht aus dem 14.Jh. stammen kann, jedoch auch weitere Texte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in ihrer angeblichen Entstehungszeit verfaßt wurden, bei Nr. 47 kämen dem auch kunsthistorische Bedenken entgegen.  »
  403. Vgl. oben Kap. 6.3. zu Denkmälern der Dominikanerkirche. »
  404. Vgl. Haupt, Gräber im Dom 354ff. u. Kranzbühler, Nachrichten. »
  405. Vgl. Hotz, Wormser Kunst 30. »
  406. Zu beachten ist, daß schon teilweise im 16. Jahrhundert Renovierungen stattfanden, die möglicherweise auch heute verlorene Inschriften erst hinzufügten, und auch daß schon im letzten Jahrhundert mehrfach fehlende Teile aus Gips ergänzt wurden. »
  407. Zimmermann, Bildwerke 246. »
  408. Vgl. unter den einzelnen Katalognummern, insbesondere Nr. 311, 316-318, 391»
  409. Kranzbühler, Domkreuzgang 93 nach Kapitelprotokoll. »
  410. Vgl. auch im anschließenden Kap. 7 zu Monumentalbuchstaben und Grabkennzeichnung, zu nachträglich angefertigten Denkmälern und individuellen, geradezu bekennerhaften Aussagen auf Inschriften. »
  411. DI XXVII (Würzburg) Nr. 35. »
  412. Vgl. Fritzen, Glockenkunst u. Glockenatlas Baden 20. »
  413. Scheffler, Goldschmiede Hessen 759ff. »
  414. Die Verwandtschaft in der Schrift wird unterstützt mit sechsstrahligem Stern am Inschriftanfang, Ordinalzahlen und verkürzten Vota. »
  415. DI IV (Wimpfen) Nr. 71 von 1497. »
  416. DI XVI (Rhein-Neckar-Kreis) Nr. 91 von 1502. »
  417. Vgl. zur Schriftgeschichte oben Kap. 5.2.ff. »
  418. Sogar in der Physiognomie von Kaplan Johannes und Ritter Philipp bestehen Ähnlichkeiten. »
  419. DI XXIII (Oppenheim) Nr. 104, Abb. 35a,b; das Datum der Inschrift von 1502 wurde nachgetragen, wie Schriftunterschiede und Raumaufteilung erweisen. »
  420. Vgl. Abbildungen bei Seeliger-Zeiss, Lorenz Lechler Abb. 93ff. »
  421. Die Denkmäler Barbara Kämmerer, Nr. 521, Grun, Nr. 525, Keberer, Nr. 535»
  422. Vgl. oben Kap. 5.4. »
  423. DI XXV (Ludwigsburg) XLVII. »
  424. Schon Falk, Heiliges Mainz 315 und ebenso Kdm. Worms 183 hielten Monumentalbuchstaben, A bis E, für Grabkennzeichnungen, die mit einem Totenbuch zu entschlüsseln wären; eine Sandsteinplatte mit dem Buchstaben D deckte angeblich das Grab Bischof Konrads IV. in der Ostchorkrypta, vgl. Haupt, Gräber im Dom 355f. »
  425. Liber animarum S. Martini fol. 5. »
  426. Ebd. fol. 8v»
  427. Ruep, Extractus anniversariorum; Seite [1] mit Überschrift eigentlich Seite [4] gemäß chronologischer Reihenfolge. »
  428. Etwa ebd. [1] zu FQ Margarethe von Hirschberg ⚭ Dieter Kämmerer von Worms mit Angaben zu Zeitpunkt und Art der Messen. »
  429. Liber animarum S. Martini fol. 80 zu den beiden Dekanen mit Namen Peter Hase: „in visitatione sepulchri praesentes habebunt x solidi hall.”; auch Salbuch Domstift 10; v. Busch/Glasschröder, Chorregel. »
  430. Vgl. u.a. Angenendt, Theologie und Liturgie; Kroos, Grabbräuche. »
  431. Übrigens sind nicht alle bei Ruep aufgeführten Personen anhand der rudimentären Angaben zu identifizieren. »
  432. Daraus ist sogar abzuleiten, daß die nur grob ins 14.Jh. datierten verlorenen Platten Nr. 192-194 vom Ende des 13. bis Anfang des 14.Jh.s stammten. »
  433. DI IV (Wimpfen) Nr. 17, 35. »
  434. Die Grabdenkmale im Kloster Bebenhausen, bearb. von H.G. Brand, H. Krins, S. Schiek (Beiträge zur Tübinger Geschichte 2) Stuttgart 1989, Nr. 11, 22. »
  435. Autopsie. »
  436. Müller, Urkundeninschriften 101f. Nr. 49. »
  437. Inschriftlich fixierter Todestag und Anniversar stimmen überein bei Nr. 61, 75, 86(?), 124, 138, 144, 147, 155(?), 169, 215, 232, 233, 267, 270, 290(?), 323, 364, 451, 457, 472; wohl nur verlesen von Würdtwein bei Nr. 128, 132. Sehr geringe Abweichungen bis zu drei Tagen bei Nr. 53, 54, 90, 101, 104, 156, 168, 212, 249(?), 275, 319, 399, 455, bis 30 Tage bei Nr. 78, 152(?), 159, 167, 231, 245, 256, 257, 275, 295, 376, 399. Erhebliche Abweichungen durch Zusammenfassung mit Ehegatten, Stiftung bei Lebzeiten oder Begräbnis bei einer anderen Kirche sind belegt bei Nr. 58, 228, 231, 277»
  438. Die Disibodenberger Grabplatte des am 24. Dezember 1389 verstorbenen Wolf Brendel von Osthofen, vgl. künftig DI Bad Kreuznach, enthält die Mitteilung qui periit in aquis iuxta sobinheym, er ertrank also im winterlichen Hochwasser der Nahe bei Sobernheim. 1345 ertrank ein Johannes, Sohn des Andreas von Magdeburg, in Dornburg, DI IX (Landkreis Naumburg) Nr. 353. »
  439. DI I (Main- und Taubergrund) Nr. 109. »
  440. Vgl. Stüber, Commendatio animae; R. Mohr, Der unverhoffte Tod (Marburger Personalschriften-Forschungen 5) Marburg 1982 u. P.G. Schmidt, Mortes non vulgares — Ungewöhnliche Todesarten und die „Historia Karoli Magni” des Pseudo-Turpin, in: Sterben und Tod im Mittelalter (Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften 3, hg. von R. Lenz) Marburg 1984, 3-16. »
  441. Eine Untersuchung zur Mitteilung von tödlichen Krankheiten auf Grabdenkmälern bei G. Woska, Medizingeschichte und Epigraphik: Heidelberger Inschriften von 1500 bis 1650. Med. Diss. masch. München 1978. »
  442. Zorn-Wilck (M) 756. »
  443. Vgl. zum Minhag-Buch des Juspa Schammes oben Anm. 39. »
  444. Vgl. DI I (Main- und Taubergrund) Nr. 109, 266/369, 337, 346. »
  445. DI XXVIII (Hameln) Nr. 70, 71, 74, 96, 98»
  446. DI XXIII (Oppenheim) Nr. 227. »
  447. In Worms Nr. 451, 476, 492, 551, 595, 608(?), 621, 626, 737»
  448. Künftig DI Bad Kreuznach. »
  449. H. Hahn, Die Grabsteine des Klosters Werschweiler, in: Vierteljahresschrift für Wappen-, Siegel- und Familienkunde 28 (1900) 48. »
  450. R. Fuchs, Die Deutschen Inschriften der Stadt Oppenheim. Vorbemerkungen zu einem Nachtrag, in Vorbereitung, zu DI XXIII (Oppenheim) Nr. 73. »
  451. Fuchs, Helwich 95, Abb. 13. »
  452. DI XV (Rothenburg) Nr. 21 zu Todesfällen 1276, 1298, 1330 u. 1343. »
  453. Fuchs, wie oben Anm. 463, in Vorbereitung. »
  454. Vgl. Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache Abb. 30f. zu nicht vorgezeichneten Majuskeln in der Herstellungsphase und Verhandlung des Hauptmeisters mit den Auftraggebern. »
  455. Vgl. künftig DI Bad Kreuznach. »
  456. Es gibt keine ausreichenden Vergleichsmöglichkeiten für eine Entscheidung nach paläographischen Indizien. »
  457. Vgl. oben Kap. 5.2. »
  458. Vgl. E.J. Nikitsch, Zur Sepulchralkultur mittelrheinischer Zisterzienserklöster, in: Epigraphik 1988, im Druck; darin auch Vergleich zu Eberbach, wo die einflußreichen Grafen von Katzenelnbogen quasi in die Rolle der Gründerfamilie geschlüpft waren und dadurch schon früh auch die Schaffung figürlicher Denkmäler durchsetzen konnten. »
  459. DI II (Mainz) Nr. 10. »
  460. DI Bergstraße, in Bearbeitung durch S. Scholz; ältere Beschreibungen und Zitate unzureichend. »
  461. Vgl. auch Nr. 631-633 zu einem lutherischen Programm; Nr. 611 zu einer inschriftlich fixierten Umwandlung eines Denkmales; Nr. 713 zu Wahl des Grabplatzes. »
  462. Zur neuesten Stammfolge bei Bollinger, Familien konnte leider nicht mehr Stellung bezogen werden. »
  463. C.J.H. Villinger, Die Kämmerer von Worms genannt von Dalberg. Ein Streifzug durch ihre Geschichte, in: Herrnsheim 771-1971, hg. von O. Bardong. Worms 1971, 116; belegt ist die bevorzugte Behandlung beim ersten kaiserlichen Ritterschlag zwischen 1494 (Privileg Maximilians I.) und 1790. »
  464. DI XXIII (Oppenheim) Nr. 37, 38, 43, 54; nicht bei Nr. 50f. »
  465. Ebd. Nr. 103f. bei allen Belegen bis 164; Worms Nr. 383, 414, 435, 442, 443, 456, 461, 464, 473, 477, 511, 521, 536, 541, 545, 551, 552, 558, 614, 655, 664, Herr von D. 683, 684»
  466. Vgl. die Titel bei Nr. 65 Anm. 8: R. Neumüllers-Klauser zu Maulbronn, E. Schubert zu Reinhardsbrunn, DI VI (Naumburg, Dom) Nr. 10 zu Naumburger Stifterfiguren. »
  467. DI XXII (Enzkreis) Nr. 58»
  468. DI IX (Landkreis Naumburg) Nr. 377. »
  469. R. Neumüllers-Klauser, Inschriften als Quelle zur Geschichte des Klosters, in: Kloster Maulbronn 1178- 1978. Maulbronn 1978, 49. »
  470. Ebd. u. DI XII (Heidelberg) Nr. 9. »
  471. M.J. Hofmann, Trorbachische Ehren = Säul: oder Geschichtliche Beschreibung Förderst der Fürstl. Spanheymischen Ober = Amts = Statt Trorbach an der Mosel. Theils auch anderer Ohrt in der selben Gegend, sonderlich des dahin verbürgten Haupt = Fleckens Traben. Stuttgart 1669, 125ff., 184ff. »
  472. Helwich, Syntagma 21. »
  473. Vgl. oben zum Dalbergnamen. »
  474. Als solche kann auch nicht der bei Zorn, Wormatiensia fol. 69 genannte recht ominöse Umhang angesprochen werden, auf dem unter anderem für Bischof Adelbert, Nr. 17, Abstammung von den Herzögen von Sachsen reklamiert wird. »
  475. In diesem Falle müßte man ihm eine sehr geschickte Vorgehensweise unterstellen, die die Glaubwürdigkeit durch die Präsentation eines Fragmentes erhöht. Aus den Zornschen Materialien, Zorn, Chronik bei Arnold 46 u. ders., Wormatiensia fol. 68v, weiß man von einer möglichen Verbindung der angeblichen Grabschrift zu Stiftsunterlagen, gegebenenfalls zum Vermerk der Schenkung im nicht mehr identifizierbaren Seelbuch, obwohl die Angaben nicht über jeden Zweifel erhaben sind. »
  476. Die Behauptung bei H. Fuhrmann, “Mundus vult decipi”. Über den Wunsch des Menschen, betrogen zu werden, in: HZ 241 (1985) S. 531, daß es kaum ein altes abendländisches Bistum gegeben habe, das nicht mit einer Gründungsfiktion begänne oder frei von Fälschungen wäre, mag man vorsichtig dahingehend ausdehnen, daß viele kirchliche Institutionen im Bedarfsfalle die Grundlegung von Rechtspositionen in ihrer Gründungsgeschichte zu fixieren suchten. »
  477. Die Kunstdenkmäler der Stadt Koblenz I. Die kirchlichen Denkmäler der Stadt Koblenz, im Auftrage des Provinzialverbandes der Rheinprovinz bearb., von F. Michel (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 20,1) Düsseldorf 1937, 80 — Inschrift nach Ch. Brower/J. Masen, Metropolis ecclesiae Trevericae ... I, ed. Ch. de Stramberg. Koblenz 1855, 232. »
  478. Kilian. Mönch aus Irland — aller Franken Patron 689-1989. Katalog der Sonder-Ausstellung zur 1300-Jahr-Feier des Kiliansmartyriums 1. Juli 1989 — 1. Oktober 1989. Würzburg 1989, 236f. Nr. 226. Siehe auch E. Boshoff, Gefälschte “Stiftsbriefe” des 11./12. Jahrhunderts aus bayerisch-österreichischen Klöstern, in: Fälschungen im Mittelalter I 519-550. »
  479. Vgl. F. Fuchs, Die Regensburger Dionysius-Steine von 1049, Vortrag bei der Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik in Esslingen am 16. Juni 1990, in Vorbereitung. »
  480. Ehrentraut, Bleierne Inschrifttafeln 212f. »
  481. Diesbezüglich wäre auch eine Verbindung zur Andernacher Valentinians-Verehrung zu suchen, vgl. Ehrentraut, Bleierne Inschrifttafeln 210f. »
  482. O. Böcher, Die alte Synagoge zu Worms (Der Wormsgau, Beih. 18) Worms 1960; ders., Der alte Judenfriedhof in Worms. Worms 41968. »
  483. D. v. Gladiss, Judei et coeteri Uvormatienses?, in: Der Wormsgau 2,4 (1939) 262f. Vgl. auch MGH DH. IV. XLII Anm. 194 zur problematischen Zeitstellung des Nachtrages in D 267. »
  484. Vgl. allgemein F. Reuter, Warmaisa. 1000 Jahre Juden in Worms. Frankfurt 21987. »
  485. Eine Zusammenstellung bei Diehl, Wormser Familiennamen 17ff. »
  486. Grünewald, Römer in Worms 90 (mit Abb.). »
  487. Vgl. bei Nr. 1»
  488. Viele heute verlorene in mehreren Kirchen bei Wickenburg II 127ff. »
  489. Schmitt, Bildwerke 335ff. »
  490. Reuter, Grabsteine 76ff. »
  491. Schalk, Gräber 239ff. »
  492. Wörner, Mittelaltrige Grabmäler 105f.; Weckerling, Grabmäler 271ff. »
  493. Wörner, Grabschriften. »
  494. Cappel, Grabsteine. »
  495. Wörner, Mittelaltrige Grabmäler 105f. »
  496. Kdm. Worms 204ff. »
  497. (A. Weckerling), Zur Baugeschichte der Andreaskirche und des an sie sich anschließenden Kreuzganges, in: Vom Rhein 11 (1912) 49-53; Böcher, St.-Andreas-Stift 8f. »
  498. Nach KB-PSR, 18.Jh., Bd. 25 gestorben 1727. »
  499. Stadtmuseum SD 9. »
  500. Freundlicher Hinweis von Herrn Peter Noll, Worms-Horchheim. Die Tafel stellt den Kurfürsten neben römische Kaiser und rühmt seine Bemühungen um Handel, Brücken- und Wegebau. »
  501. Im StA Worms Neg.Nr. F 695f.; E. Schmitt, Die Ofenplattensammlung im Museum der Stadt Worms, in: Der Wormsgau 10 (1972/73) 50-54; O. Böcher, Die kalte Jahreszeit und die Handwerkskunst, in: Wonnegauer Heimatbll. 3,12 (1958); ders., Eine Wormser Ofenplatte des Philipp Soldan zum Frankenberg, in: Der Wormsgau 7 (1965/66) 36-40. »
  502. Wickenburg II 133. »
  503. Ebd. 127. »
  504. Belegt in Kdm. Worms 281f. »
  505. Text bei Falk, Bildwerke 22 Anm. 2. »
  506. Aufstellungsplan mittelalterlicher Grabplatten, Inv.Nr. 23. »
  507. Vgl. bei Nr. 586 u. StA Worms Neg.Nr. F 1877. »
  508. Kautzsch, Dom Taf. 102. »
  509. Helwich, Syntagma 2. »
  510. Zimmermann, Bildwerke 143 zu Kautzsch, Dom Taf. 111d, e, f, p; angemalt, vergoldet und mit Schrift bezeichnet nach Issel, Bericht bei Lohmeyer, Leben 154, der aber die Reliefs als Evangelisten, gekleidet als Kardinal und Bischöfe, verstand; s.a. Nr. 305»
  511. G. Helwich, Genealogie der Greiffenclau von Vollrats. Mainz? 1625, 21. »
  512. Vgl. oben Kap. 2.2. u. Nr. 396»
  513. Vgl. oben Kap. 2.2. bei Anm. 56. »
  514. Hertzog, Beschreibung I 2 fol. 259; vgl. auch Nr. 156, 205»
  515. Vgl. oben Kap. 2.2. Anm. 66. »
  516. Schannat, Hist. ep. Worm. I 128. »
  517. Como, Kollegiatstift St. Martin 31. »
  518. Reuß, Grabsteine nach Hüther, Geschichte der Magnuskirche 381 Nr. 2. »
  519. Ebd. Nr. 8, 12, 28. »
  520. Zorn-Meixner fol. 398v»
  521. Würdtwein, Monasticon Wormatiense II fol. 66ff.; ein Teil der Informationen stammt aus Nekrologen, bei den Äbtissinnen Agnes (†1260) und Jutta (†1296) sind aber ausdrücklich Grabsteine und deren Standort erwähnt. »
  522. Weckerling, Grabdenkmäler 232f. »
  523. Liber animarum monasterii Eberbacensis, in: F.W.E. Roth, Geschichte des Niederrheingaues III. Wiesbaden 1846, 46. »
  524. Milendonk, Chronicon Carmelitorum fol. 402-403 (F), II fol. 84-85 (W). »
  525. A. Weckerling, in: QHV NF 1,5 (1892) 123. »
  526. Wormser Chronik, in: Vom Rhein 12 (1913) 11. »
  527. Tschirner, Alte Grabsteine als Baumaterial. »
  528. Zorn-Wilck (F) o.fol. »
  529. A. Weckerling, Römischer Reitergrabstein in Worms, in: QHV NF 2 (1899) 632f. »
  530. Kraus, Christliche Inschriften II Nachträge 351 Nr. 682. »
  531. W. Beeh, Grabsteine und Taufsteine im Hessischen Landesmuseum, in: Kunst in Hessen und am Mittelrhein 14 (1974) 134 Nr. 15-17. »
  532. Tschirner, Alte Grabsteine als Baumaterial. »
  533. Schalk, Grabsteine 239f. »
  534. Unterlagen Glockenatlas Worms C 3 a. »
  535. Ebd. C 4 c. »
  536. Bauer, Baugeschichte Amanduskirche 93. »
  537. Das Kunsthaus Heylshof in Worms und seine Sammlungen. Im Auftrag des Kuratoriums der Stiftung bearb. von C.J.H. Villinger. Worms 21983, 16f. »
  538. Kdm. Worms 289-291. »
  539. W. Hornschild, Die Steine des Klosters Weidas, in: Alzeyer Geschichtsbll. 20 (1986) 48-72. »
  540. G. Troescher, Ein bayerisches Kirchenportal und sein Bilderkreis. Keltisches, Mediterranes und die Symbole der menschlichen Laster in der romanischen Bauplastik, in: ZS f. Kunstgeschichte 17 (1954) 1-60. »
  541. Grill, Städtische Sammlungen 207. »
  542. W. Bauer, Fundberichte des Museums, in: Mitteilungsblatt des Altertumsvereines Worms 8 (1937) 32, dessen Datierung ins 1. Viertel des 16.Jh.s wegen der Frakturschrift kaum haltbar ist. »
  543. QHV NF 2,8 (1897) 296. »
  544. QHV NF 2,8 (1897) 294. »
  545. StA Worms Neg.Nr. M 7872. »
  546. F. Reuter, Tätigkeitsbericht der Städtischen Kulturinstitute für die Jahre 1975-1979, in: Der Wormsgau 13 (1979/81) 139. »
  547. Inventar M 1398 und 1399; Herkunft aus Liebfrauen vermutete J. Schalk, Glocken in Liebfrauen. Worms 1985, was nur anhand des Pilgerzeichens nicht beweisbar ist. »