Inschriftenkatalog: Altkreis Witzenhausen

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DI 87: Witzenhausen (Altkreis) (2017)

Nr. 316 Großalmerode, Stadtkirche 1781

Beschreibung

Grabstein des Johann Peter Koppen. Hochrechteckiger Stein, innen aufgestellt gegenüber der nördlichen Treppe zur Empore. Reliefdarstellung im oberen Drittel des Steines: in den Ecken zwei Engel, die eine Krone halten; unter dieser vorgewölbte Kartusche aus Laub- und Knorpelwerk mit Inschrift A. Darunter von Ranken gerahmtes, vorgewölbtes Schriftfeld, das etwa die Form einer Acht hat; darin Inschrift B, untere Zeilen verwittert. Inschriften eingehauen; als Kürzungen durchweg Doppelpunkte aus Quadrangeln, als Trenner Quadrangel, einige Kommata nicht als Interpunktion nachvollziehbar.

Maße: H. 172, B. 82, Bu. 3,7 (A), 3 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz, Fotograf: Christian Feist [1/2]

  1. A

    MORTALE / QUID QUID / HABUIT HIC / DEPOSUIT

  2. B

    IOANNES · / PETER KOPPEN / ECCLESIAR(UM) GROSALLMEROD(EE) / WICKENROD(EE) ET EPTEROD(EE) PASTOR / IS NAT(US) WETTEREE, HASSIEE SUP(ERIORIS) D(IE) 2 APR(ILIS) / 1705 PATRE IOAN͜N͜E PETRO KOPPEN, QUEESTORE / MATRE(QUE) ANNAa) CATHARINA SCHAFFENRATH · MUNERI / PREECONS(ULIS) DIVINI ADHIBIT(US)b) PRI͜M͜U(M) HARMUTHSACHSE / A(NNO) 1736 · DORTHEAMc), BARTHOLD(I) BOPPO, ARCHIVARII, FILIAM / VIRGI͜N͜EM NATU MINMAMd) CASSELLIS A(NNO) 1740 IN MATRIMO/NIUM DUXIT · ELAPSIS 17 A(N)NIS, ECCLES(IEE) GROSALLM(ERODEE) ET FI/LIARU(M) CURAM NACT(US) ET PROVINCIAM NOVAM D(IE) 9 FEBR(UARII) / 1754 AUSPICAT(US) SEQUENTEM A(N)N͜U͜M HABUIT FU͜N͜ESTISSI/MU(M) · QUEE N͜U͜MQUA(M) ENI(M) NISI MORTE TURBAVERAT MARI/TU(M) EREPTA NOSTRO D(IE) XI DEC(EMBRIS) 1755 2 FILIORU(M) TOTIDEMq(UE) / FILIARU(M) SUPERSTITU(M), QUARU(M) ALTERA TAMEN PREEMA/TURO OBITU MOX INSECUTA MATERe) · EX HOC TEM/PORE VIDU(US) VIXIT GRATAM SIC CONIUGIS / MEMORIA(M) PIE CULTUR(US) IUXTA ET PROLI / EGREGIE CONSULTUR(US) · / DOCTRINEE CONGRUIT / INDEFESSUS USq(UE) / AD INGRAVESCENTEM A[E]TATEM DURANS IN EXEQUEN/DIS OFFICII PARTIB(US) FERVOR ET MORU(M) INTEGRITAS ATq(UE) UR[BA]/NITAS QUO FACTU(M) UT PROPIN[QU]IS AMICIS AUDITORIBUS / OM͜N͜IB(US) DEMU(M) CUIUSCU͜N͜NQ(UE) CONDITIONIS PR[E]ECAR(US) / FI[ER]ET ET MO[ESTI]S TRISTE SUI DESID[ERI]UM RELINQUERETf) / [– – –]SSIM(US)g) S[.]M[– – –] 30 IUNII A(NNO) 1781 / [– – –R]E DE SE/[– – – HOC MO]NUMENTUM

Übersetzung:

(A) Alles, was er Sterbliches an sich hatte, hat er hier abgelegt.

(B) Johannes Peter Koppen, Pfarrer der Kirchen in Großalmerode, Wickenrode und Epterode. Er wurde geboren in Wetter in Oberhessen am 2. April 1705 (als Sohn des) Kämmerers Johann Peter Koppen und der Anna Catharina Schaffenrath. Zum Amt eines Vertreters Gottes wurde er zuerst herangezogen in Harmuthsachsen im Jahre 1736. Dorothea, die jüngste Tochter des Archivars Bertold Boppo, heiratete er im Jahre 1740 in Kassel. Nach 17 Jahren erhielt er die Fürsorge für die Kirche von Großalmerode und ihre Tochterkirchen und begann die neue Aufgabe am 9. Februar 1754. Das Folgejahr verlief für ihn höchst leidvoll. Sie nämlich, die ihren Mann außer durch ihren Tod niemals in Unruhe versetzt hatte,1) wurde am 11. Dezember 1755 unserem (Kreis) entrissen, (aus der Mitte) zweier Söhne und ebenso vieler überlebender Töchter, deren eine jedoch durch verfrühten Tod der Mutter nachfolgte. Seit dieser Zeit lebte er als Witwer, um so das liebe Andenken an seine Gattin zu pflegen und daneben ausgezeichnet für die Kinder zu sorgen. Seiner Lehre entsprach, bis ihn das Alter zu drücken begann, der unermüdliche glühende Eifer, der mit der Erfüllung seiner Amtspflichten noch ausdauernder wurde, und die Lauterkeit und feine Bildung seines Charakters. Dadurch kam es, dass er den Verwandten, Freunden, Zuhörern (seiner Predigten), schließlich allen jedes Standes besonders liebenswert wurde und und den Betrübten ein trauriges Verlangen nach ihm zurückließ ... am 30. Juni 1781 ... (setzte) das Grabmal.

Kommentar

Die verhältnismäßig breitstrichige Kapitalis ist größtenteils mit halbrunder Kerbe geschrieben und weist einige Besonderheiten wie den übermäßigen Gebrauch von Nexus mit I auf, den man an den dreieckigen Punkten gut erkennen kann. Leicht, aber unregelmäßig erhöhte Versalien prägen das Schriftbild weniger als einige Sonderformen wie unziale Q, die teilweise den Kürzungshaken für US gleichen, oder die B-Versalien des Namens BARTHOLDI BOPPO, deren beide Bögen auf der Höhe des P-Bogens sitzen; von der Ziffer 5 gibt es eine normale moderne und eine vereckte Variante. Ganz ungewöhnlich sind EE für AE und die U, die wie ein auf den Kopf gestelltes M mit noch knappstem Mittelteil aussehen; dieses M mit niedrigem Mittelteil war schon in älteren Inschriften vorgebildet.

Der Steinmetz hat den Text nicht fehlerlos gehauen. Vielmehr hat er ein Wort ausgelassen. Denn man vermisst nicht nur ein Substantiv neben dem Possessivpronomen NOSTRO – mit der Angabe, wem die Verstorbene entrissen wurde – auch die Genitive FILIORVM und FILIARVM lassen sich nicht konstruieren. Vermutlich ist hinter NOSTRO das Wort COETU zu ergänzen. Fehlerhaft ist auch der nachfolgende Relativsatz, weil er kein Akkusativobjekt enthält; so erkennt man nicht, ob die Mutter der Tochter nachstarb oder umgekehrt. Der Sachverhalt kann aber durch die Faktenlage geklärt werden, denn das Kirchenbuch vermerkt unter dem 14. 10. 1763 die Beerdigung der Catharina Wilhelmina Koppen mit dem Hinweis, dass sie am 10. 10. 1763 an einer auszehrenden Krankheit verstarb.2)

Den drei verwitterten Schlusszeilen kann man gerade noch das Sterbedatum entnehmen – die Altersangabe lässt sich nur vermuten – und dass von der Aufstellung des Grabmals die Rede ist. Der Sohn Martin Philipp wird es gesetzt haben.

Zu den Angaben der Inschrift über Johann Peter Koppen findet man Ergänzendes in einem Kirchenbucheintrag des Sohnes und Amtsnachfolgers Martin Philipp Koppen. Danach starb Johann Peter Koppen am 30. 6. 1781 und wurde am 3. 7. 1781 beigesetzt. Der Sohn erwähnt noch, dass der Vater das Paedagogium in Kassel besuchte und in Rinteln und Bremen studierte.3) In Rinteln war er 1726 und 1727, in Bremen 1728 immatrikuliert, danach war er Hauslehrer in Bremen.4)

Textkritischer Apparat

  1. Die Vertiefung über dem rechten Schaft des zweiten N ist kein (unsinniger) I-Punkt, der durchweg als Dreieck gestaltet ist.
  2. Nur durch eine kurze Unterlänge an einem O dargestellt, ggf. eine Notlösung aus dem unbrauchbaren Ablativ, so im Vergleich zur Kürzung im Wort NACT(US).
  3. Sic! Das fehlende O möglicherweise schattenartig als Nachfügung in kleinerer Schrift erahnbar.
  4. Sic für MINIMAM, kein zweites I in Nexus.
  5. Fehlerhaft statt MATREM; s. den Kommentar.
  6. Diese Junktur ist viel älter und etwa schon 1633 in Kerspenhausen belegt, s. DI 91 (Hersfeld-Rotenburg) Nr. 338.
  7. Kein O, sondern us-Haken; Superlativ. Für Ordnungszahlen fehlen eindeutige Endungen; auch wäre verwunderlich hier ausgeschrieben Zahlen vorzufinden.

Anmerkungen

  1. Dieser Topos auch bei Sigmund von Birken 5/I, S. 235, 181,6: Du hast mich nur mit deinem Tod betrübt.
  2. KB Großalmerode, Bd. C, S. 397.
  3. KB Großalmerode, Bd. C, S. 491 (Freundlicher Hinweis von Hermann Nobel).
  4. Magdanz 56 Nr. 17.

Zitierhinweis:
DI 87, Witzenhausen (Altkreis), Nr. 316 (Edgar Siedschlag, Mitarbeit: Fuchs, Rüdiger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di087mz13k0031608.