Inschriftenkatalog: Altkreis Witzenhausen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 87: Witzenhausen (Altkreis) (2017)
Nr. 1 Witzenhausen-Berlepsch-Ellerode, Schloss Berlepsch 1369, 1477/78, 1585, 1593, 1699, 1881, 1885, 1894
Beschreibung
Bauinschriften und Bauzahlen an verschiedenen Bauteilen der Burg. Vom unteren Tor aus, das mit dem Wappen der Berlepsch geschmückt ist (quadriert, Sittiche in Platz 1 und 4, Sparren in Platz 2 und 3), führt ein Aufgang, am rechter Hand gelegenen Pförtnerhaus und einer niedrigen Mauer vorbei, bergan zum zweiten, oberen Tor. Dieses Tor wird von zwei Türmen flankiert, der linke mehrgeschossig und viereckig, der rechte niedriger und rund; am rechten Turm eine Schlüssellochscharte. Links neben ihr in gut 3 m Höhe auf zwei übereinander liegenden Steinen befanden sich ursprünglich und noch zur Zeit der ersten Autopsie zwei flache Sandsteinquader mit der stark verwitterten Inschrift II, die jetzt witterungsgeschützt im Innern aufbewahrt werden. Durch das zweite Tor gelangt man in den Burghof, von dort aus erblickt man an der Westseite des quaderförmigen Turmes drei Steine mit Inschriften III, VI, VII. Auf der Südseite des Burghofes liegt der Wohntrakt des Schlosses, während an der Nordseite nur ein Wirtschaftsgebäude steht. Er ist durch eine Mauer mit spitzbogigem Durchgang (drittes Tor) vom Burghof getrennt. Über dem Bogen ursprünglich Steinquader mit Inschrift I und Wappen der älteren Linie (3 Sparren); auch dieser Inschriftstein wurde ins Innere verbracht. Durch das dritte Tor gelangt man über einen kleinen Vorhof zum Treppenturm des Schlosses, dort Renaissance-Portal mit gequaderten Pfosten, darauf aufsitzend ein pilastergerahmter Rundbogen mit Löwenkopf im Schlussstein, darüber Gebälk mit einem Fries (Rosetten) und rechteckigen Kartuschen über den Pilastern; darin Inschrift IV; links unter dem Löwenkopf Steinmetzzeichen (S9), unter dem rechten Teil der Jahreszahl IV dasselbe Steinmetzzeichen auf dem unteren Kranzgesims. Über dem Gebälk ein Feld mit fast nicht mehr erkennbarer Darstellung zweier Vollwappen, unten in der Mitte Initialen (V). Das Feld wird links von einer männlichen, rechts von einer weiblichen Figur an Pulten gerahmt, die wiederum Gebälk tragen; darüber Beschlagwerk als Bekrönung. Links von diesem Portal der im 19. Jahrhundert errichtete Ostflügel des Schlosses, über einer Tür die daran erinnernden Inschriften VIII und IX. Inschriften erhaben in vertieftem Feld (II, III, IV, VI; II zwischen einfachen Linien) oder eingehauen (I, V, VII, VIII, IX). Worttrenner: Ringe (I), Quadrangel, erhaben (II, III, IV), bei II meist wegen der Nähe der Schäfte schräggestellt, bei III auf der Grundlinie, Punkte, halbkugelig vertieft (V).
Maße: Tafel: H. ca. 50, B. 70, Bu. ca. 10 cm (I). H. ca. 80, B. ca. 40, Bu. ca. 8 cm (II). H. 15, B. 40, Zi. 12 cm (III). Portal: H. ca. 400, B. ca. 200, Kartusche: H. 10, B. 20, Zi. ca. 8 cm (IV). Wappentafel: H. ca. 100, B. ca. 200, Bu. ca. 8 cm (V). H. 11, B. 40, Zi. 11 cm (VI). H. 20, B. 30, Zi. 11 cm (VII). H. 15, B. 30, Zi. 11 cm (VIII). H. 15, B. 30, Zi. 11 cm (IX).
Schriftart(en): Gotische Minuskel (I). Gotische Minuskel mit Versal (II). Kapitalis (V).
- I
anno · domini / m ccc · lxix · / f(er)iaa) t(ert)iab) i(n) pasc[a]c)
- II
An(n)od) d(omi)nid) · m/cccce) vnd emef) / lxxv iare · va/rt · disse · tvir[(m)]geng) / von · hern · setich / von · belebsche / rite(r)d) · an · gehabe/nh) // vn[d] · v[– – –]/ai) · vo[l]end[et] ·j) i/[m] · dritten · i[ar]e · v/[o]nk) · sinel) · sonen
- III
15 . 85
- IV
1 · 5 · // · 9 · 3
- V
· C · Hm) ·
- VI
1699
- VII
1881
- VIII
1885
- IX
1894
Übersetzung:
(I) Im Jahre des Herrn 1369, am Dienstag der Osterwoche (3. April 1369).
(II) Im Jahr 1400 und im 75. Jahre wurde(n) diese Türmchen(?) von Herrn Sittich von Berlepsch, Ritter, angefangen und ... vollendet im dritten Jahr von seinen Söhnen1).
Berlepsch2) | |
Berlepsch3) | Meisenbug4) |
Textkritischer Apparat
- Kürzungszeichen: waagerechter Strich über i.
- Kürzungszeichen: er-Haken.
- Wortende dicht am Wappenschild und undeutlich. Nach der Angabe bei Lücke 2,47 besagt die Inschrift, „dass die Burg in der 3. Fastenwoche des Jahres 1369 vollendet wurde“. Den Text zitiert er nicht; vermutlich hat er nur tertia lesen können.
- Anscheinend ohne Kürzungszeichen; freundlicher Hinweis von Rüdiger Fuchs, vgl. unten bei Anm. g.
- Lücke 2,46 liest 1401, wie aus seiner zusammenfassenden Äußerung folgt: „Eine Inschrift vom Jahre 1401 nennt uns Sittich als Erbauer.“ Möglich wäre auch, 1407 zu lesen, aber ich kann darin keinen Sinn entdecken.
- Der letzte Buchstabe e auf dem Rand vorgezeichnet, aber nicht ausgeführt; freundlicher Hinweis von Rüdiger Fuchs. Das e nicht sicher, da kein Rest des nach innen geführten Bogenendes vorhanden; es ist also auch langes s möglich, wenngleich in jener Zeit rundes s am Wortende bei weitem überwiegt.
- Der heute offensichtliche Bestand tvirge muss an zwei Stellen ergänzt werden: Über dem r könnte eine Kürzung stehen, die wie in der ersten Zeile bei Anno domini nicht mehr sichtbar ist, weil sie wie in der Bauinschrift von 1427/24 in St. Crucis (Allendorf) nur als dünne Erhebung auf dem erhöhten Rand bzw. auf der erhöhten Leiste angebracht ist; der letzte Buchstabe n auf dem Rand dünner; freundliche Hinweise von Rüdiger Fuchs. Der Zustand des Steines erlaubt im ersten Fall keine verlässliche Lesung.
- e auf dem Rand, n darunter.
- Vielleicht v[art · darn]/a.
- Worttrenner erkennbar; davor und dahinter ein vergleichsweise breiter Zwischenraum.
- Deutliche Reste von e und v. Die Lesung dieser Zeile stammt von Rüdiger Fuchs.
- Möglicherweise auch sine(n), Kürzungen nur selten noch sichtbar, s. v. Anm. g.
- Den Initialen C H lässt sich das zweifach vorhandene Steinmetzzeichen S9 zuordnen, das auch am Witzenhäuser Rathaus und 1596 am Gutshof der von Buttlar in Ziegenhagen angebracht ist (s. Kat.-Nr. 47/IIB); eine Auflösung der Signatur ist jedoch noch nicht bekannt. Die 5 in Ziegenhagen ist auch der in Inschrift IV sehr ähnlich, da beide schräg liegen und der nach oben umgebogene Balken wie ein Spiegelbild des Bogens wirkt, doch unterscheiden sich die 1 und die 9 erheblich; außerdem sind die Proportion des Zeichens in Ziegenhagen anders und der dekorative Aufwand weitaus geringer.
Anmerkungen
- Die Deutung als Plural beruht auf einer Empfehlung von Herrn Daniel Kroiß M.A., Mainz, mail vom 18. 12. 2015.
- Wappen Berlepsch (3 Sparren, ältere Linie), s. folgende Anm.
- Wappen Berlepsch (5 Sittiche, 2:2:1), vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 3, S. 7, Taf. 6.
- Wappen Meisenbug (Vogelbein), vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 12, S. 41, Taf. 32.
- s. Landgrafen-Regesten online Nr. 11644 <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/11644> (Stand: 12. 9. 2011). Die Pronomina „erem“ und „ihrme“ beziehen sich eindeutig auf den Landgrafen, so dass man ihn für den Erbauer der Burg halten könnte. Dem steht aber Letzners ausdrückliche Mitteilung im 7. Kapitel entgegen: „Sie haben aber auff Hessischem Grundt und Bodem uber das Dorff Heubenthall ... widerumb ein ander Schloß des vorigen Nahmens gebawet wie es dann noch auff den heutigen Tag das newe Hauß Berlebsch genandt wirdt.“ Die Berlepsch haben – so Eckhardt – vom Arnstein aus diese Burg erbaut und sie dem Landgrafen zu Lehen aufgetragen, der sie damit wiederbelehnte, s. Eckhardt, Kreis 20.
- „Der Landgraf gibt Arnold ferner 50 Mark zur Vollendung des Baues der gen. Burg.“ (aus dem in Anm. 5 zitierten Regest).
- s. Landgrafen-Regesten online Nr. 1538 <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/1538> (Stand: 12. 9. 2011): „1372 Juni 21. Arnold von Berlepsch und sein Sohn Hans bekunden, daß ihnen Landgraf Heinrich die 50 Mark Silber gegeben hat, die er ihnen zum Bau der Burg Berlepsch schriftlich zugesichert hatte.“
- s. Anm. e.
- s. Lücke 2,54.
- s. Letzner im 10. Kap. seiner Chronik.
- Auch Arndt und Eckhardt geben dieses Todesjahr an, wenn auch mit dem Vorbehalt, es fehle an einer wissenschaftlichen Biographie zu den älteren Berlepsch; s. Arndt/Eckhardt S. X.
- s. DI 66 (Lkr. Göttingen) Nr. 112 und Stammbuch, Berlepsch III.
- So z. B. in HStAD, B1, 17 (1436) und HStAM, Urk. 17, 181 (1457). „hat die Landvogtei 36 Jahre treulich und mit Nutz verwaltet“ (Letzner, 14. Kap.) und „hat ihme auch zugleich der Landgraff zu Hessen das Haus und Amt Homberg an der Ahen ... eingethan.“ (l. c.).
- s. Landgrafen-Regesten online Nr. 2270 <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/2270> (Stand: 12. 9. 2011). „1436 Juli 23. Sittich von Berlepsch und seine Frau Christine bekunden, daß ihnen Landgraf Ludwig [I.] 4000 fl. schuldet, für die er ihnen Burg und Stadt Homberg verpfändet hat; doch bleibt das Schloß dem Landgrafen geöffnet.“
- In HStAM, Urk. 85, 11061 (1454 März 25) ist als Siegler angegeben: Ritter Sittich von Berlepsch, Landvogt an der Lahn, Schwager der Gude von Dalwig. Stammbuch, Berlepsch I, weist keine Geschwister aus.
- s. Landgrafen-Regesten online Nr. 7144 <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/7144> (Stand: 9. 5. 2012): „1467 Juni 10. ... Die Landgrafen Ludwig II. und Heinrich III. und ihre Räte, Ritterschaft und Landschaft haben (in ihrem Schlichtungsverfahren) zu Oberleuten erwählt Graf Walrabe von Waldeck und Bodo von Bodenhausen und als Schiedsleute Ritter Sittich von Berlepsch, Johann von Wildungen, .... Zehrkosten werden abgerechnet“ in Regest Nr. 3424 (1467 Juni 12) und Nr. 3433 (1467 August 20). Auch auf ihn zu beziehen ist die Angabe: Siegler Ritter Sittich von Berlepsch, Amtmann zu Homberg in HStAM, Urk. 134, 61 (1470 Februar 7) (zitiert nach Arcinsys).
- s. HStAM, Urk. 104, 23 (1476 Mai 8, zitiert nach Arcinsys).
- s. HStAM, Urk. 15, 434 (1481 August 1, Regest Schultze Nr. 475).
- HHStAW, 170 II, 1444, Laufzeit 1444: Belehnung des Sittich von Berlepsch mit Geldern aus der Kellerei Herborn durch die Grafen Johann und Heinrich von Nassau; HHStAW, 170 II, 1471, Laufzeit 1471: Belehnung des Sittich von Berlepsch mit Renten aus Herborn durch Graf Johann von Nassau-Diez (nach Arcinsys).
- HHStAW, 170 I, in Nr. U 1646: „Heinrich Landgraf zu Hessen belehnt nach dem Tod des Ritters Sittich von Berlepsch dessen Söhne Philipp und Sittich und deren Vetter Caspar von Berlepsch mit 10 Gulden Manngeld zu Driedorf. Datierung: 1471 März 1“ (zitiert nach Arcinsys).
- Zur Formulierung von II vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen) Nr. 110 (Inschrift am Schloss zu Münden, 1501): Anno · d(omi)ni · m · ccccc · eins · ist · diser · baw · ... · angehaben. Der Anfang der Inschrift II variiert die häufige Formulierung Anno domini m ... unde ... iare, auf die Wehking/Wulf hingewiesen haben, s. Hausinschriften 190.
- http://www.schlossberlepsch.de/Geschichte/SchlossBerlepsch.aspx (Stand 10. 10. 2010). – Den Baustil betreffend hat dieses Portal enge Beziehungen zum Renaissanceschloss Wilhelmsburg in Schmalkalden, nämlich in der Bekrönung mit Beschlagwerk und in der Rahmung durch einen Mann und eine Frau als Gebälkträger.
- Zum Epitaph der Eltern s. Kat.-Nr. 73.
- s. Kat.-Nr. 99 nach Stammbuch, Berlepsch III.
- s. Ganßauge 99. – K. von Schönermarck, der Ende des 19. Jahrhunderts das Schloss umgestaltet hat, hat auch an diesem Turm gebaut, wie sein Steinmetzzeichen außen links neben dem zweiten Tor nahe legt.
Nachweise
- Lücke 2,43–69 (Inhalt von I, II).
- Ganßauge 98f. s. v. Berlepsch-Ellerode (I erw., II erw., IV, VIII, IX).
- Großmann, Hessische Renaissanceschlösser (Online Katalog, Stand 20. 6. 2016) sub Berlepsch-Ellerode, Schloss Berlepsch (I [falsch], III, IV, VI–IX).
Zitierhinweis:
DI 87, Witzenhausen (Altkreis), Nr. 1 (Edgar Siedschlag, Mitarbeit: Fuchs, Rüdiger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di087mz13k0000103.
Kommentar
Die eingehauene und daher besser erhaltene Inschrift I bezieht sich wohl auf die Fertigstellung der Burg, die Landgraf Heinrich den Berlepsch am 30. Januar 1369 zu Lehen gab. Das geht aus dem folgenden Lehnrevers hervor: „Ich Arnold von Berlebischen und ich Hans, Ritter, sin Son, Bekennen vor uns und vor alle unsir rechten Erbin uffirlich und tun kond mit disem keginwortigin Briefe daz der Hochgeborne Furste und Herre, Herre Heinrich Lantgrafe zcu Heßin unsir gnedige Herre, uns, und unsir rechte Lybes-Lehens-Erbin dorch sunderlicher Gnade unde Dynstis willen zcu eren Erbe Ampt Luden und zcu Erbe Kemmereren gemachit und belenit haben mit irme nuwen Huse Berleybischin daz da gelegen ist pobir dem Dorffe Hubental ... noch Christi Geburd dryzen hundert Jar dor noch in deme nuenden unde seszigesten Jare an deme nesten Dinstage vor unsir Frowen Tage Liechtmesse.“5) Der Bau der Burg wurde dann – so legt es die Inschrift nahe – wenige Wochen später am dritten Ostertag vollendet. Ein paar Kleinigkeiten allerdings könnten noch gefehlt haben, denn bei der Belehnung sagte der Landgraf 50 Mark für den Aufbau zu,6) die er 1372 auch zahlte.7)
An der Inschrift II fällt auf, dass sie auf zwei übereinander gesetzten Steinen steht, nicht auf einer Tafel aus einem Stück. Für den Teil auf dem oberen Stein bietet Lücke eine Paraphrase, er liest die Jahreszahl als 1401.8) Das kann aber nicht richtig sein: Damals lebte kein Sittich, und die Burg war wieder an den Landgrafen zurückgefallen, nachdem Hans, der Sohn des Erbauers der Burg, 1392 kinderlos verstorben war. Der erste Sittich von Berlepsch, der auf der Burg saß – im Folgenden mit Sittich I. bezeichnet –, wurde 1461 mit ihr belehnt und hat die Burg mit starken Mauern, Türmen und Zwingern versehen.9) „Was er aber bey seinen Lebens Zeiten nicht vollbringen können, das hat hernach sein Sohn Philipp von Berlebsch vollendet.“10) Diesem Zeugnis entsprechend ist man geneigt, Sittich I. für den Erbauer der in Inschrift II erwähnten Toranlage (tvir[(m)]gen) zu halten. Dem steht allerdings die Stammtafel entgegen, die 1470 als sein Todesjahr angibt.11) Falls das richtig ist, muss man Sittich II., Sohn Sittichs I., als den Erbauer ansehen. Das ist aber nicht plausibel, denn es bleibt unerklärt, warum nicht er den Bau vollendete, sondern sein Sohn, zumal Sittich II. bis 1504 im nahegelegenen Hann. Münden belegt ist und erst 1513 gestorben sein soll.12) Also ergibt sich die Notwendigkeit zu prüfen, wie verlässlich das angegebene Sterbejahr 1470 ist.
Sittich I. stand in landgräflichen Diensten und ist als Landvogt an der Lahn in den Jahren 1436 bis 1457 mehrfach urkundlich belegt.13) Verheiratet war er mit Christine von Weitershausen, spätestens seit 1436.14) Geschwister hatte er anscheinend nicht; wenn er als Schwager der Gude von Dalwig bezeichnet wird, mag diese z. B. eine Schwester seiner Frau gewesen sein.15) Als 1467 die hessischen Landgrafen Ludwig II. und Heinrich III. über eine Erbteilung verhandelten, war er als Schiedsmann eingesetzt.16) Als verstorben wird er erwähnt am 8. 5. 1476 anlässlich einer Belehnung, die sein Enkel Kaspar vornahm, und ein zweites Mal am 1. 8. 1481 im Zusammenhang mit einem Seelgerät. Diese Quellen sind aufschlussreich und werden daher ausführlich angeführt:
(1) „Kaspar von Berlepsch (Berleubschen), Sohn des verstorbenen Günther, belehnt Henne Meywert zu Heiligenrode (Helgenrade) mit 1/3 von Haus und Hof daselbst bei Hermann Tusinbach und von ungefähr 4 Acker Land zwischen der Mühle und dem Viehberg (Fiheberg), die Kaspar von seiner Mutter geerbt hat und die früher von dem verstorbenen Ritter Sittich von Berlepsch als Vormund zu Lehen gegeben wurden.“17)
(2) „Philipp, Sittich und Kaspar, Vettern von Berlepsch (Berlevessen), bekunden, daß ihr † Vater und Altervater Herr Sittich vorzeiten der Priorin und dem Konvente des Stifts zu Ahnaberg (Anenberge) in Kassel zu einem ewigen Testamente und Seelgeräte als Mitgift seiner Tochter Gertrud, ihrer Base, 2 Malter, halb Korn, halb Hafer, hessisches Maß aus ihren Gütern zu Besse, die ihrem † Vater und Altervater für 100 Gulden auf Wiederkauf verschrieben sind, vermacht hat. Da nun das Kloster eine Verschreibung darüber nicht besitzt, erklären sie, daß das Kloster diese 2 Malter ständig genießen und im Falle einer Ablösung der Güter zu Besse von den 100 Gulden 50 für die 2 Malter erhalten soll. Als Gegenleistung dafür sollen Priorin und Konvent jährlich an den 4 Fronfasten [Quatembern] für Herrn Sittich, Ritter, und seine Frau Christine (Kerstyne), ihren † Vater und Altervater und ihre † Mutter und Altermutter, sowie für sie selbst, ihre Frauen und Kinder beten, worüber Priorin und Konvent ihnen einen Reversbrief gegeben haben.“18)
Aus diesen Quellen ergibt sich nun Folgendes: Als Günther, des ersten Sittich ältester Sohn, starb – nach der Stammtafel im Jahre 1462, er ist aber noch 1464 belegt (s. u.) –, hat der Lehnsmann Henne Meywert bei dessen unmündigem Sohn Kaspar um Wiederbelehnung nachgesucht; diese hat Ritter Sittich I., Großvater und Vormund des Kindes, vorgenommen. Als nun Sittich I. starb, stand erneut die Mutung des Lehens an; jetzt ist Kaspar mündig und nimmt selbst die Belehnung vor. Da das Lehen aber binnen Jahresfrist gemutet werden musste, kann der Ritter Sittich im Mai 1476 höchstens ein Jahr tot gewesen sein. Das spricht gegen das überlieferte Todesjahr 1470.
Auch der folgende Sachverhalt scheint damit nicht recht vereinbar: Sittich wurde 1444 belehnt, und 1471 wurde die Belehnung erneuert.19) Doch das in der Stammtafel genannte Todesjahr 1470 findet eine Stütze in einer zu Anfang des 17. Jahrhunderts angefertigten Abschrift einer Urkunde von 1471.20) Es ist also festzuhalten, dass die Archivalien widersprüchlich sind und ein Teil von ihnen im Widerspruch zur Inschrift II steht. So ist nicht zu entscheiden, ob die Inschrift oder die Urkundenabschrift irrt.
Sollte Sittichs I. Tod ins Jahr 1476 fallen, so folgt, dass die in Inschrift II angesprochenen Befestigungsarbeiten unter Sittich I. begannen und einer der Söhne – wenn man Letzner glaubt, war es Philipp – oder beide, wie die Inschrift nahelegt, den Bau vollendeten. Den Widerspruch der Quellen wird man nicht beweisfähig auflösen können, doch bezeugt die Inschrift unmittelbar den Abschluss der Bauaktivitäten im Jahre 1478 und darf mit einer hohen Berechtigung für deren Beginn 1475 unter Sittich I. in Anspruch genommen werden. Im Übrigen beruht das einzige scheinbar beweiskräftige Zeugnis für den Tod Sittichs I. im Jahr 1470 auf einer Urkundenabschrift des 17. Jahrhunderts.
Der zweite Teil von II spricht wohl von einer höchstens dreijährigen Bauzeit. Daher kann zumindest die Inschrift auf dem unteren Stein nicht ins Jahr 1475 datiert werden, sondern muss später sein, nämlich von 1478. Es ist dann zwar vorstellbar, dass der obere Stein bald nach Baubeginn, der untere erst nach Fertigstellung eingefügt wurde,21) doch sind solche Formulare zu zwei Geschehnissen am Bau meist beim letzten, also der Fertigstellung angebracht worden, zumal der Duktus fortgeschrieben wurde und keine zwei Schriftsetzungen erkennen lässt. Demnach dürfte die ganze Inschrift II 1478 entstanden sein, sofern man bei inkludierender Berechnung das Jahr der Fertigstellung nicht doch auf 1477 (1475 – 1476 – 1477) festsetzen muss, aber das ist weniger wahrscheinlich, oder vielmehr die Fertigstellung nach 2 Jahren und einer unbekannten Frist im Jahr 1477 erfolgte – das wäre noch im dritten Jahr. Die Inschrift bezieht sich auf die Befestigung des Hauptzugangs zur Burg, und das ließ sich besser mit dem Wort tvir[(m)]gen als durch tvirgen ausdrücken.
Zum späten 16. Jahrhundert, aus dem der Treppenturm stammt (Inschrift IV), schreibt die Familie Berlepsch: „Eine bequeme Wohnlichkeit zieht auf Berlepsch erst im bürgerlichen 16. Jahrhundert ein. Für den alten rundbogigen Eingang zum Westflügel errichtet Hans Christoph den Treppenturm, von dem aus alle Geschosse unabhängig voneinander zu betreten sind. Nicht zur Verteidigung, sondern zur Erschließung der Wohngebäude bestimmt, präsentiert der Turm mit dem reichen Portal, das noch heute die glücklichen Verhältnisse um 1600 anzeigt, den Wohlstand des Innern.“22) Hans Christoph, Sohn des Apel von Berlepsch auf Fahrenbach und der Margaretha Susanne von der Tann,23) heiratete 1586 Dorothea Meisenbug, Tochter des Jost Meisenbug und der Anna Sabina von Hörde.24) Es sind ihre Wappen, die sich über dem Portal des Treppenturms befinden; auf dem linken ist noch ein Sittich zu erkennen, auf dem rechten das Meisenbugsche Vogelbein (Adlerklaue).
Vielleicht sind die genannten “glücklichen Verhältnisse“ auch mit Inschrift III in Verbindung zu bringen, man möchte dann für das Jahr 1585 Arbeiten an dem quaderförmigen Turm vermuten. An einer Deutung der Jahreszahlen 1699 und 1844 (Inschriften VI und VII) fehlt es, falls man nicht abermals Ausbesserungs- oder Erneuerungsarbeiten annehmen will. Vielleicht muss man sich mit Ganßauges Ansicht zufrieden geben, die Inschriftsteine seien „ohne Bezug auf den Bau“.25) Die Erfahrung lehrt jedoch, dass sich reine Zahlen an Bauten auf Baumaßnahmen an den betreffenden Bauteilen beziehen.