Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 51: Wiesbaden (2000)

Nr. 124† Wiesbaden-Biebrich, Heimatmuseum (aus Ev. Hauptkirche) 1697

Beschreibung

Meister-, Spruch und Namensinschrift sowie Gußjahr auf der zweitgrößten, ehemals im Turm unten südlich hängenden Glocke des Geläutes. Große Glocke mit umlaufender Inschrift (A) auf der Schulter zwischen Doppelstegen, oben stehender Engelsfries; auf dem Mantel nach Osten Kartusche mit einem Engelskopf und Namensinschrift (B), nach Westen Kreuzigungsrelief, darüber Jahreszahl (C). 1917 wurde die Glocke abgeliefert und eingeschmolzen, ein kleines Fragment gelangte am 28. Dezember 1917 an das Heimatmuseum Biebrich,1) ist aber offenbar nach 1945 verschollen.2) In Zeichnung von Kraus überliefert.3)

Nach Zeichnung Kraus.

Maße: H. 115, D. 135, Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    DVRCH DAS FEVER FLOS ICHJOHANNES SCHNEIDE WIND IN FRANKFVRT GOS MICHSOLI DEO TRIVNI

  2. B

    MVS/BACH

  3. C

    ANNO 1697

Übersetzung:

Nur dem dreieinigen Gott.

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Die Zeichnung vermittelt eine Kapitalis mit kräftigen Sporen an F, T und stark geschwungenen Cauden bei R, A hat einen gebrochenen Mittelbalken. Worttrennungszeichen wurden nicht verwendet.

Johannes Schneidewind4) gehörte zur weitverzweigten Frankfurter Gießerfamilie, die mit zahlreichen Glocken vornehmlich im 18. Jahrhundert im Frankfurter Raum nachgewiesen ist.5) Er wurde 1671 als ältester Sohn des Benedict Schneidewind und seiner Ehefrau Margarethe geboren, 1698 erwarb er das Frankfurter Bürgerrecht und heiratete Maria Elisabeth, Tochter des Bürgers und Sattlers Dietrich von Karben. Bis 1702 signierte Johann Schneidewind alle Glocken seiner Gießerei alleine, ab 1703 fügte er den Namen seines 1675 geborenen Bruders Andreas hinzu.4) Johann Schneidewind starb 1747, Andreas zwei Jahre später. Von Johanns Hand soll eine weitere Glocke6) mit identischem Gußjahr für Biebrich gegossen worden sein. Dieser Nachricht liegt die Fehlinformation zugrunde, die von zwei getrennten Kirchen in diesem Stadtteil Wiesbadens ausging. Die ev. Hauptkirche, in der sich die vorstehende Glocke befand, war jedoch die einzige in Betracht kommende Kirche Biebrichs. Sowohl die zweite ev. Oranier-Gedächtnis-Kirche als auch die kath. Pfarrkirche St. Marien wurden erst 1898 bzw. 1850 errichtet.7) Die für diese mutmaßliche Glocke angegebene Größe von 136 cm Durchmesser und einem Gewicht von 1530 kg8) dürfte daher eher auf die vorstehende Glocke zu beziehen sein.

Anmerkungen

  1. Nach Notiz Kraus.
  2. Freundl. Mitteilung von Georg Sack, Heimatmuseum Wiesbaden-Biebrich, vom 11. März 1999.
  3. Kraus überlieferte den Wortlaut der Inschrift handschriftlich, in seiner Zeichnung hielt er aber den Buchstabenbefund des Fragmentstückes genau fest.
  4. Vgl. Bund, Frankfurter Glockengießer 200f., auch zum Folgenden.
  5. Walter, Glockenkunde 869f. vgl. Bund, Frankfurter Glockengießer 200-217 zu einzelnen Familienmitgliedern und ihren Glocken im Zeitraum von 1695-1798.
  6. Vgl. Bund, Frankfurter Glockengießer 201 Nr. 3 mit Hinweis auf eine 1916 durchgeführte Glockeninventarisation.
  7. Vgl. Wolf, Kirchen in Wiesbaden 67f.
  8. Bund wie Anm. 6.

Nachweise

  1. Nachlaß Kraus Nr. 149.
  2. Lotz, Baudenkmäler 330 (Jz., Gießer).
  3. Berger, Herkunft 225 (Jz., Gießer).

Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 124† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0012407.