Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 51: Wiesbaden (2000)
Nr. 98 Wiesbaden, Museum (von ehem. Mauritiusfriedhof?) 1623?
Beschreibung
Epitaph für mehrere frühverstorbene Kinder wohl des Johann Daniel Knefel und seiner Ehefrau Ottilia. Heute in SNA, Schausammlungen am Kellerabgang.1) Hochrechteckige Platte aus Schiefer; oben schlichter geschweifter Aufsatz mit zwei leeren Wappenschilden, der aber zu einem anderen Denkmal, wahrscheinlich dem des Johann Philipp Fell (folgende Nr.), gehört. Dort ist der hierher gehörige Giebel aufgesetzt; zwischen Voluten stehen zwei Wappen mit Schildbildern und Initialen. Im Feld der Platte von Linie umrahmte Grabinschrift, von der 15 Zeilen lesbar sind, und dreizeiliges Bibelzitat (B), am oberen Rand Schriftverlust, Oberfläche stark beschädigt. Dreiecke dienen als Worttrenner.
Maße: H. 86, B. 57, Bu. 1,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
[ – – – / O]BYT A(NN)O · 1623 · 5 · (OCTO)BRISa) /HENRICVS NATVS A(NN)O · 1608 · 1 · MAY / OBYT A(NN)O 1613 · 10 · MARTY /ANNA CATHARINA NATA A(NN)O · 1610 · 20 · FEB(RVARY) / OBYT A(NN)O · 1623 · 15 · (OCTO)BRISa) /IOHANNES ANTHONIVS NAT(VS) A(NN)O · 1611 · 14 M[AY] / OBYT A(NN)O · 1623 · 5 (NOVEM)BRISb) /ELISABETHA NATA A(NN)O · 1612 · 27 · (OCTO)BRISa) / [O]BYT A(NN)O · 1614 · 5 · MARTY ·/IOANN ECCARDT NAT(VS) A(NN)O · 1617 · 17 · IVLY / [O]B[YT] A(NN)O · 1622 · 7 · FEBRVARY /IOHANNA NATA A(NN)O · 1621 · 1[3] · IANVARY / OBYT A(NN)O · 1623 · 21 · (SEPTEM)BRISc) /IOANNES HENRIC(VS) NAT(VS) A(NN)O · 1622 · 17 · (SEPTEM)BRI[S]c) / OBYT A(NN)O · 1623 · 22 · [(OCTO)]BRIS /
- B
[CHRIS]TVS EST SPES MEA2) / [. . . MI]HI DVLCE LVCRVM / [PH]IL · I3)
Übersetzung:
Christus ist meine Hoffnung, (...) mir süßer Gewinn.
Knefel4); Leerbach5). |
Textkritischer Apparat
- Befund: 8BRIS. Buschmann hat diese und die folgenden Monatsnamen nicht erkannt und mit Febris wiedergegeben; Varianten und Fehlstellen wurden nicht vermerkt.
- Befund: 9BRIS.
- Befund: 7BRIS.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. 85, in den Wappenschilden.
- Ps (H) 62,6 (Paraphrase bzw. Rückübersetzung).
- Phil 1,21 (Paraphrase), Rest von: „Christus vita mihi mors mihi dulce lucrum“, vgl. DI 29 (Worms) Nr. 696.
- Pelikan mit Initialen I(OHANN) D(ANIEL) K(NEFEL).
- Schrage mit Initialen O(TTILIA) L(EERBACH); ein Ehepaar Leerbach war Taufpate bei den Kindern, vgl. Anm. 9ff.
- DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nrr. 587, 590.
- Ebd. Nrr. 589,592.
- Johann Knefel war auch als Kaplan bzw. Pfarrer im Hospital Klarenthal tätig, vgl. Schöner, Verstorbene 208; zu ihm vgl. auch Bleymehl-Eiler, Stadt 1192 Nr. 163; weitere Hinweise auf die Familie Knefel sind Frau Dr. Martina Bleymehl-Eiler zu verdanken. Für die Vaterschaft Johann Knefels spricht, daß nur Daniel Knefel die Patenschaft für den unehelichen Sohn von Johanns Witwe Elisabeth übernahm, vgl. zum 2. Juni 1619 Stern/Stern, Wiesbadener Taufbuch 96.
- Ottilia ist als Knefels Ehefrau und Patin letztmalig zum 21. Dezember 1624 belegt, vgl. Stern/Stern, Wiesbadener Taufbuch 122.
- Erschlossen aus Initialen des Wappens, s. Anm. 5 und Taufpaten.
- Bleymehl-Eiler, Stadt 1155 Nr. 9; Stern/Stern, Wiesbadener Taufbuch 89.
- Stern/Stern, Wiesbadener Taufbuch 104.
- Ebd. 112.
- Ebd. 69 mit Vermutung, daß die fehlenden Seiten erst 1930-40 verlorengingen, als das Taufbuch einen neuen Einband erhielt.
- StadtAWI BB fol. 424r, freundl. Angabe Dr. Martina Bleymehl-Eiler. Knefels Testament wurde am 6. November 1625 vor dem Stadtgericht eröffnet.
- Vgl. u.a. DI 29 (Worms) Nrr. 682, 18, bedingt, da nur von einem Elternteil gestiftet, ebd. Nrr. 719, 726.
- Vgl. Biebrich, Chronik 14.
Nachweise
- Buschmann, Nordfriedhof 152 Nr. 7, 469 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 98 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0009808.
Kommentar
In der Verwendung des Materials Schiefer, in der Form des Grabmals und in der Anordnung der Schrift entspricht das Epitaph den Wörsdorfer Epitaphien für Sebastian Spangenberg und für Kinder des Tobias Fort.6) Anhand der Schlußvignette ist der Werkstatt der letztgenannten Epitaphien auch das des Hans May in Idstein zuzuweisen, anhand der Schriftformen auch das von Kindern vom Alten Idsteiner Friedhof.7) Aus der Mauritiuskirche gehört noch das Epitaph des Johann Philipp Fell (folgende Nr.) von 1624 zu dieser Gruppe. Die Schriften dieser Epitaphien weisen große Gemeinsamkeiten in Duktus, reicher Verwendung von Nexus litterarum, auch über mehrere Buchstaben hinweg, und Eigenheiten von Buchstabenbildung auf: große Schlinge am unteren Schaftende der 1, mehrfach deutlich verlängerter oberer Balken des E und geschwungene, weit nach rechts ausgreifende Cauda des R.
Über die Sterbedaten und Namen der Kinder lassen sich als Eltern der Wiesbadener Schöffe Johann Daniel Knefel (Knefelius), angeblich ein Sohn des am 16. Oktober 1614 verstorbenen Wiesbadener Diakons, Kaplans und Schulmeisters Johann Knefel,8) und Ottilia9), wohl eine Leerbach10), identifizieren. Für drei der verstorbenen Kinder kennt man die Paten anhand der Einträge in das Wiesbadener Taufbuch: Johann Eckard wurde am 20. Juli 1617 in Wiesbaden getauft, sein Pate war der Wiesbadener Gerichtsschreiber Johann Eckard Leerbach11); eine Tochter Johanna wurde am 14. Januar 1621 getauft, Paten waren Johann Anton Scheffer (vorherige Nr.) und Johanna, die Ehefrau des erwähnten Gerichtsschreibers Leerbach;12) am 22. September 1622 wurde der Sohn Hans Heinrich getauft, Pate war Hans Schüssler.13) Die übrigen in der Inschrift genannten Kinder sind im Taufbuch nicht zu belegen, da Johann Daniel Knefel erst 1612 als Wiesbadener Bürger aufgenommen wurde und eine Lücke im Taufbuch zwischen dem 21. November 1609 und dem 9. Januar 1613 besteht.14)
Die Angabe mehrerer Sterbetage von September bis November 1623 deutet auf eine Epidemie hin, der die Kinder zum Opfer fielen. Johann Daniel Knefel, dessen Sterbevermerk möglicherweise auf dem verlorenen oberen Teil des Schriftfeldes stand, starb gemäß Eintrag im Stadtbehältnisbuch am 24. Juli 1625 nach „langer Schwachheit“15). Das Epitaph dürfte jedoch nach den kurz aufeinanderfolgenden Todesfällen der Kinder, also nach November 1623, entstanden sein, da Epitaphien mit Listen von Vitaldaten der Familienangehörigen üblicherweise von noch lebenden Eltern gestellt wurden, wie bei dem Epitaph für die Kinder des Johann Anton Scheffer (vorherige Nr.).16) In Biebrich und Mosbach brach die Pest 1624 aus und brachte hohe Verluste unter der Bevölkerung.17) Ein weiteres Opfer der Epidemie war der am 8. Januar 1624 verstorbene Johann Philipp Fell (folgende Nr.).
Das Epitaph für die Kinder des Johann Anton Scheffer (vorherige Nr.) ist nicht nur inhaltlich verwandt, auch die Schriftformen jenes Denkmals aus Sandstein sind in den oben genannten Merkmalen sehr ähnlich; auffällig ist besonders die übereinstimmende Verwendung von Nexus litterarum für NTH bei ANTHON.