Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 51: Wiesbaden (2000)

Nr. 25† Wiesbaden-Klarenthal, ehem. Kloster Klarenthal E.14.-A.15.Jh.?

Beschreibung

Wandmalerei mit Namenbeischriften und Kreuztitulus in der Nische über der Tumba des Grafen Adolf I. von Nassau und seiner Gemahlin Margaretha von Nürnberg (Nr. 22), 1632 in Abbildungen überliefert. Das von Dors überlieferte Wandbild zeigte in der Mitte auf einem Hügel vor einem mit Sternen besäten Hintergrund die Kreuzigungsszene mit Christus und den Assistenzfiguren Maria und Johannes, zu Häupten des Gekreuzigten Titulus (A) auf Schriftband. Am Kreuzfuß war die Familie des Grafen dargestellt: links der Graf selbst in Ritterrüstung mit neun Söhnen, die hinter ihm knien; rechts gegenüber seine Ehefrau mit sieben Töchtern, ebenfalls kniend. Über der Kinderreihe befanden sich die jeweiligen Vollwappen Nassau links und Burggrafschaft Nürnberg rechts. Bis auf zwei der Kinder sind alle Familienangehörigen namentlich über ihren Köpfen bezeichnet: links die Namensinschriften des Vaters und seiner Söhne (B-J), rechts die Namensinschriften der Mutter und ihrer Töchter (K-Q).1) Diese Namensinschriften allein wurden erstmals 1614 durch Helwich kopial überliefert. Im Zwickel des Gewölbes waren links die Helmzier und rechts das nassauische Wappen, über der Nische vier weitere Wappen angebracht. Das Wandgemälde ist von Dors zweimal überliefert worden: einmal in einer Tuschfederzeichnung, das andere Mal in einer in Deckfarben auf Pergament gemalten Version, die dem Genealogienbuch Johann Andreaes beigebunden ist. In dieser kolorierten Version ist das Ensemble der Grabanlage des Ehepaares abgebildet, nämlich die Grabtumba (Nr. 22) gemeinsam mit dem Wandgemälde in perspektivischer Aufsicht. Die hier wiedergegebenen Inschriften folgen diesem Blatt, dort sind sie weiß auf blauem Grund aufgemalt.

Nach Malerei von Dors.

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A), Gotische Minuskel, teilweise mit Versalien (B-Q).

Gemeinfrei [1/2]

  1. A

    I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDEORVM)2) ·

  2. B

    Adolff

  3. C

    Gerlach

  4. D

    friderich

  5. E

    Johan

  6. F

    Adolff

  7. G

    Johan

  8. H

    Walraba)

  9. I

    Johan

  10. J

    Frederichb)

  11. K

    margret

  12. L

    Angnesc)

  13. M

    margret

  14. N

    Elizabet

  15. O

    Anne

  16. P

    Alheit

  17. Q

    Katharinad)

Wappen:
Nassau; Zollern (Burggrafen von Nürnberg); Nassau; Erzbistum Mainz/Nassau3), Kärnten, Zollern (Burggrafen von Nürnberg), Sachsen.

Kommentar

Dargestellt waren nach ihren Namenbeischriften:4) Graf Adolf I. von Nassau (B), sein ältester Sohn Gerlach (C) in Ritterrüstung († vor 1393), verheiratet mit Agnes von Veldenz; Friedrich († 1371) (D), Mainzer Domherr seit 1357 und als solcher abgebildet; der jung verstorbene Johann (E), dargestellt als Student; Adolf († 1390) (F), seit 1372 Bischof von Speyer und seit 1381 unbestrittener Erzbischof von Mainz,5) als solcher abgebildet; Johann († 1426) (G), kurmainzischer Provisor in Erfurt. Walram IV. († 1393) (H) folgte 1370 mit seinem Bruder Gerlach seinem Vater in der Regierung, ab 1386 regierte er allein. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Bertha von Westerburg († 1418), die er 1374 geheiratet hatte, liegt er in der Unionskirche zu Idstein begraben.6) Johann II. († 1419) (I), 1379 zum Bischof von Speyer providiert, war seit 1397 Mainzer Erzbischof.7) Der vorletzte in der Männerreihe war Adolfs jüngster Sohn Friedrich (J). Ein weiterer, hier unbenannter Sohn war Walram, der ebenso wie Friedrich jung verstarb. Auf der Frauenseite ist nach Gräfin Margaretha (K) die älteste Tochter Agnes († 1376) (L) abgebildet. Sie war in erster Ehe mit Werner V. Graf von Wittgenstein († 1359), in zweiter Ehe mit Eberhard I. von Eppstein († 1391) verheiratet. Die als Klosterfrau abgebildete Margarethe (M) bezeichnete Helwich als Franziskanerin („monialis ordinis domini Francisci gaudentium“); ihr Todesjahr ist umstritten: unter dem 8. Juli wird sie im Nekrolog als Äbtissin von Klarenthal mit 16jähriger Amtszeit genannt.8) Als solche ist sie offenbar auch zu 1376 urkundlich belegt,9) während die ältere Fassung der Europäischen Stammtafeln sie als Äbtissin von St. Clara in Nürnberg führte.10) Elisabeth († 1389) (N) in der Tracht einer verheirateten Frau war seit 1361 mit Graf Diether VIII. von Katzenelnbogen († 1402) verheiratet; sie lag im Kloster Eberbach vor dem Marienaltar bestattet.11) Anna (O) ist wie ihre Schwester Margarethe als Nonne abgebildet, auch hier bemerkte Helwich, daß sie demselben Orden („monialis ordinis predicti“ d.h. „S. Francisci“) angehörte. Ihr Todestag war wohl der 28. Oktober eines unbekannten Jahres.12) Bei der sonst nicht nachgewiesenen Adelheid (P), die hier in eigenwilliger Tracht mit langem, rot-weißem Mantel über dem roten Untergewand und mit auffälliger Kopfbedeckung dargestellt ist, hielt Hagelgans eine Verwechslung mit der gleichnamigen Schwester des Grafen Adolf für möglich.13) Katharina († 1407) (Q) schließlich, die vorletzte der Töchterreihe, war seit 1373 mit Reinhard IV. von Westerburg verehelicht, worauf der Schleier hinweist. Die jüngste Tochter ist ohne Namensinschrift, vielleicht handelte es sich um Rodereta, verheiratet mit Graf Johann von Wertheim.14)

Die chronologische Einordnung der Wandmalerei gründet sich auf mehrere Überlegungen. Der wichtigste Anhaltspunkt findet sich in der Darstellungsform der Mainzer Erzbischöfe Adolf und Johann II. Beide sind in erzbischöflichem Ornat, dem weißen Untergewand und rotem Mantel, mit der Mitra auf dem Kopf und dem Bischofsstab in Händen, abgebildet. Da der ältere von beiden, Erzbischof Adolf, bereits 1390 verstarb, sein jüngerer Bruder Johann II. aber erst am 7. Juli 1397 zum Erzbischof erhoben wurde, kann die Entstehung des Wandgemäldes frühestens kurz nach dieser Erhebung datiert werden. Es erinnert zudem an die Wandmalerei des Jüngsten Gerichts in der Turmhalle der Eltviller Pfarrkirche St. Peter und Paul, die in das ausgehende 14. und beginnende 15. Jahrhundert datiert wird.15) Ein engerer Zusammenhang besteht auch zu den Wappenmalereien am Triumphbogen der Eltviller Pfarrkirche, die zwischen 1397 und um 1400(?) entstanden sein dürften. Mit der Anbringung der Wappen des Hauses Nassau und seiner Verwandten dokumentierte man in Eltville deren Unterstützung für Johann II. in den Auseinandersetzungen mit seinem Gegenkandidaten Jofried von Leiningen und den Triumph des Hauses Nassau.16) Als ausführender Meister wird der unbekannte „Meister des Eltviller Jüngsten Gerichts“ angesehen, dem oder dessen Werkstatt neben Eltville und Klarenthal noch weitere Ausmalungen in Lorsch und Heppenheim zuzuschreiben sind.17)

Eine unterstützende paläographische Datierung kann trotz der offenbar um originalgetreue Wiedergabe in der Figurendarstellung bemühten Dorsschen Kopie kaum gegeben werden; doch widersprechen die Formen der gotischen Minuskel der vorgeschlagenen, weitergefaßten Datierung nicht. Die Buchstabenformen des Titulus sind unspezifisch.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! wohl Namensvariante von Walram.
  2. Hinter ihm kniet ein weiterer Sohn, allerdings unbezeichnet.
  3. Sic!
  4. Hinter ihr eine weitere Tochter, unbezeichnet.

Anmerkungen

  1. Die Wiedergabe der Namen erfolgt jeweils von der Bildmitte nach außen.
  2. Nach Joh 19,19.
  3. Quadriert von Erzbistum Mainz und Nassau.
  4. Die Identifizierung folgt den Angaben bei Dors, Genealogia 117. Zur Genealogie vgl. Europ. Stammtafeln NF I,1 Taf. 61, auch zum folgenden.
  5. Zu der ruinösen Grabplatte für Adolf und seinen Bruder Johann im Mainzer Domkreuzgang vgl. DI 2 (Mainz) Nr. 99; zu dem aufwendigen Tumbendeckel des Erzbischofs Adolf im Inneren des Doms vgl. ebd. Nr. 56; vgl Renkhoff, Nass. Biographie 553f. Nr. 3049.
  6. Vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nrr. 136, 174. Walrams Sepultur begründete die Familiengrablege in Idstein.
  7. Vgl. zu seiner Grabplatte im Mainzer Dom DI 2 (Mainz) Nr. 99, wie oben Anm. 5; Renkhoff, Nass. Biographie 555 Nr. 3059.
  8. Hauck/Laufer in: Dors, Genealogia 118 Anm. 62 errechnen aus Otto, Necrologium 75 Nr. 274 (dort Sterbetag 8. Juli) und Belegen zu Amtsgenossinnen das Todesdatum 5. Juni 1371, während Otto, Clarenthaler Studien I 181 1387 oder 1388 annimmt. Die Hypothese zu Verwechslung mit einer späteren Margarethe war nicht nachvollziehbar.
  9. Czysz, Klarenthal 156 folgt dem Nekrologeintrag, daß Margarethe 16 Jahre lang dem Konvent vorstand und ordnet ihren Tod in die (späten) 1380er Jahre ein. Zum urkundlichen Beleg als Äbtissin von Klarenthal vgl. ebd. Anm. 371 mit Hinweis auf HHStAW 18/57 zu 1376; nach urkundlichem Auftreten auch erwähnt in Geschichte des Klosters Clarenthal 60.
  10. Europ. Stammtafeln NF I Taf. 109; ebd. NF I,1 Taf. 61 als Äbtissin von Klarenthal mit dem Todestag 5. Juni 1369-1380.
  11. Vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 129; zu Diether VIII. von Katzenelnbogen vgl. ebd. Nr. 160.
  12. Wohl irrig als Klarenthaler Äbtissin bei Kremer, Origines II 320, Dors, Genealogia 118 und in Europ. Stammtafeln (wie Anm. 4) bezeichnet; fehlt dagegen in Geschichte des Klosters Clarenthal 60 und Czysz. Im Nekrolog ist sie nur als „soror Anna, filia domini Adolfi comitis de Nassauwe“ eingetragen, vgl. Otto, Necrologium 91 Nr. 403.
  13. Hagelgans, Nass. Geschlechtstafel 28.
  14. Angabe bei Dors, Genealogia 118 mit Anm. 65.
  15. Vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 156.
  16. Ebd. Nr. 139.
  17. Vgl. zur Interzessionsdarstellung in der Lorscher Torhalle DI 38 (Lkr. Bergstraße) Nr. 39; zu den Engelfresken im Heppenheimer Kurfürstensaal vgl. Winter, Engelfresken 414ff. und mit Spätdatierung auf 1423ff. Wolfert, Wappen 123-126.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 128.
  2. Dors, Genealogia fol. 28v-29r, bearb. Hauck/Laufer 117-120 Nr. 15 mit Abb. 32.
  3. Malerei des Heinrich Dors, beigebunden in: Andreae, 2. Genealogienbuch fol. 23r.
  4. Andreae, 2. Genealogienbuch fol. 77v (Text).
  5. St. George, Kopie 44f. (nach Dors) – Kremer, Origines II Taf. II nach S. 472 (Abb. nach Stichvorlage Cöntgen, wohl nach St. George).
  6. Geschichte des Klosters Clarenthal 40 Abb. 4 (Abb. nach Dors).
  7. Renkhoff, Wiesbaden im Mittelalter Taf. XX (Abb. nach Dors).
  8. Czysz, Klarenthal 197 (Abb. nach Dors).
  9. Heinemann, Tumbengrab 201 mit Abb. 310 (Abb. nach Dors).

Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 25† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0002509.