Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 51: Wiesbaden (2000)

Nr. 11 Wiesbaden-Klarenthal, Ev. Kapelle (aus ehem. Kloster Klarenthal) 1330? oder später

Beschreibung

Grabplatte des Sibodo von Dotzheim (oder von Wiesbaden?) und seiner Ehefrau Katharina. Ehemaliger Standort unbekannt, bei umfangreichen Ausgrabungen im früheren Klausurbereich 1964 an dem nördlich an die Kapelle anschließenden Wohnhaus Klarenthal Nr. 10 aufgefunden,1) heute im Innenraum der kleinen Kapelle an der Wand. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein, im Feld Ritzzeichnung des ritterlichen Ehepaares, links der Mann mit offenem Haar, in tiefgegürtetem, knielangem Rock mit Gürteltasche, daneben die Frau in Kleid und Mantel mit Kopf- und Kinnschleier. Beide sind in Gebetsgestus wiedergegeben. Auf dem Rand laufen die Grabinschriften zwischen Linien links oben beginnend um. Platte gebrochen und aus 32 Einzelstücken zusammengesetzt, Fehlstellen am rechten Rand und linke untere Ecke mit neuer Steinmasse geflickt. Reliefierte Wappen zu Häupten der Figuren abgeschlagen. Worttrenner sind halbkugelig eingetiefte Punkte.

Maße: H. 182, B. 102, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. + ANNO · D(OMI)NI · M · CCC · XX[X]a) · O(BIIT) SIBOD[O – – – / – – – ] ANNOb) · N(OMI)NIc) · M CC[C..] · IN · DIE · A[G]NETIS · OBI/IT · KATRINA · DE · [ – – – / – – – QVORVM]d) ANIME REQVIESCANT · IN · PACE AMENe)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1330(?) starb Sibodo (...); im Jahre des Herrn 13(..) am Tag der hl. Agnes (21. Januar) starb Katharina von (...), deren Seelen in Frieden ruhen mögen, Amen.

Wappen:
[ Dotzheim oder Wiesbaden]2); [unkenntlich]3).

Kommentar

Die Inschrift entstand nach dem letzten Todesfall, da sie in einem Zuge geschrieben wurde. Sibodo starb wahrscheinlich 1330, nicht auszuschließen ist 1325. Katharinas Todesjahr kennt man nicht. Daher ist eine Abwägung paläographischer und anderer Indizien notwendig.

Die Inschrift zeigt als erste erhaltene gotische Majuskel des Bearbeitungsgebietes4) eine schmale, schlanke Buchstabenform, wie sie eigentlich erst in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zu beobachten ist. Das pseudounziale A hat demgegenüber einen sehr breiten, beidseitig überstehenden Deckbalken; B zeigt einander nicht berührende Bögen, ähnlich R sich nicht berührenden Bogen und Cauda, was eher Relikte des 13. Jahrhunderts sind. Da schlanke Buchstabenproportion in längeren Umschriften auch schon weit vor der Mitte des 14. Jahrhunderts belegt ist,5) kann sie nicht zwingend für eine Spätdatierung in Anspruch genommen werden. Diese ist nur anzunehmen, wenn Katharina nach 1340 verstorben wäre. Bei ihrem Todesjahr steht nur Raum für einen Hunderterrest von zwei Buchstaben zur Verfügung. Sind an dieser Stelle IX, X, XI oder XX einzusetzen, entstand die in einem Zuge geschaffene Inschrift nach dem Tod Sibodos; muß man XL oder gar L ergänzen, wäre die Inschrift erst so spät entstanden. Ein später Todesfall Katharinas liegt aber erstaunlich lange nach der Vergabe ihres Heiratsgutes, falls die nachfolgende Identifizierung stimmt.

Die Ritter von Dotzheim sind in den regionalen Quellen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts greifbar, weithin unbekannt bleiben aber ihre Herkunft, ihr Sitz und ihre Besitzungen.6) Die Herkunft des Ehepaares Sibodo und Katharina, dessen Geschlechternamen und Wappen auf der Grabplatte zerstört sind, läßt sich zum einen in Verbindung bringen mit der am 31. März 1307 von den Richtern des Mainzer Stuhles ausgestellten Beurkundung eines Grundstücksverkaufes zwischen Sibodo und Katharina von Dotzheim und dem Kloster Klarenthal: Katharinas Heiratsgut zu Mosbach, ein Hof und 83 Morgen Ackerland, hatte das Ehepaar an Äbtissin Richardis (Nr. 9) und den Konvent des Klosters verkauft;7) 1310 befreite Graf Gerlach von Nassau dieses Gut von allen Abgaben.8) Kuno von Dotzheim wurde als Sibodos Sohn genannt mit seiner Gedächtnisstiftung von einem Pfund Heller für das Klarenthaler Siechenhaus,9) dem die genannte Katharina bereits eine Stiftung hatte zukommen lassen.10) In Klarenthal wurde Katharinas Seelgedächtnis am 17. Januar begangen.

Gensicke sah aufgrund der zerstörten Wappen diese Identifizierung des Verstorbenen als unsicher an. Er brachte Sibodo eher in Verbindung mit der Familie des älteren Sibode in Wiesbaden,11) dessen Witwe Grede, Tochter des Mainzer Bürgers Gotzo, sich 1287 mit ihren Kindern mit dem Kloster Tiefenthal aussöhnte.12) Für einen jüngeren Sibode von Wiesbaden und seinen Sohn Siegfried waren gleichfalls Seelgedächtnisse in Klarenthal gestiftet worden,13) einige Töchter der Familie waren dort Nonnen.14)

Textkritischer Apparat

  1. Renkhoff liest 1331, Gensicke, Die von Frauenstein 289 liest 132(5). Vom dritten X durch Loch nur obere Hastenenden erkennbar. Zwischen den beiden letzten X Materialverlust beim Zusammensetzen der Fragmente.
  2. Längere Fehlstelle, nur knapp untere Hälfte der Buchstaben sichtbar.
  3. Erster Buchstabe identisch mit zweitem, Steinmetzfehler für D.
  4. Sinngemäße Ergänzung.
  5. Mittelbalken des unzialen E nicht ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Nachricht im Wiesbadener Kurier vom 18.01.1964; vgl. auch Czysz, Klarenthal 34.
  2. Wappen abgespitzt, Zuordnung fraglich vgl. Kommentar. Wappen Dotzheim: im Schildhaupt drei Vögel; Wappen Wiesbaden: Löwe, mit geschachtem Balken belegt.
  3. Wappen abgespitzt.
  4. Vgl. Einleitung Kap. 5.
  5. Vgl. DI 29 (Worms) LXI; DI 27 (Würzburg) Nrr. 57, 66.
  6. Vgl. Kopp, Geschichte 5f.
  7. Ebd. 13 mit Anm. 43 aus HHStAW 18/U 7.
  8. Kopp, Geschichte 17.
  9. Otto, Necrologium 44 Nr. 19.
  10. Ebd. 20, 21.
  11. Vgl. Renkhoff 84.
  12. Gensicke, Die von Frauenstein 289.
  13. Vgl. Otto, Necrologium 80 Nr. 314 zu Sibodo, 89 Nr. 386 zu Siegfried.
  14. Ebd. 46 Nr. 42: „soror“ Gertrud, 88 Nr. 379 Mezze, 90 Nr. 392 Gertrud, 94 Nr. 428 „soror“ Elisabeth, alle von Wiesbaden.

Nachweise

  1. Renkhoff, Wiesbaden im Mittelalter Taf. XIX (Abb.).
  2. Kopp, Geschichte 19 (mit Abb. S. 18).
  3. Kopp, Dotzheim 15 (Abb. der Kopie am Dotzheimer Heimatmuseum).

Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 11 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0001100.