Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 51: Wiesbaden (2000)

Nr. 10† Wiesbaden-Klarenthal, ehem. Kloster Klarenthal 1328? oder später

Beschreibung

Tumba der Gräfin Mathilde (Metza, Mechthild) von Nassau. Helwich zufolge, der die Grabinschrift 1614 erstmals überlieferte, befand sich die Tumba („in monumento elevato“) mitten im Chor vor dem Hochaltar („in medio chori“). Dors übermittelte 1632 in einer Tuschezeichnung das Aussehen des Grabdenkmals, dessen Standort er mit „im niedern Cohr vor dem Altar“ angab. Auf einem mit Vierpässen ausgezierten Unterbau lag die reliefierte Deckplatte mit dem Abbild der Verstorbenen in zeitgenössischem Gewand und Schleier mit Krone. Ihr Kopf ruhte auf einem Kissen, die Hände waren zum Gebetsgestus aneinandergelegt, zu Füßen der Figur lag ein Löwe. Die von innen zu lesende Inschrift begann zu Häupten der Figur und lief im Uhrzeigersinn auf dem Plattenrand ohne Linien um;1) sie wurde dann auf den ehemals wohl südlichen und östlichen Seiten des Tumbendeckels gegenläufig weitergeführt. Wappen werden nicht überliefert. Worttrenner sind von Dors technisch bedingt als Quadrangeln gezeichnet statt der zeitüblichen Punkte.

Nach Dors.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Gemeinfrei [1/1]

  1. + ANNO · D(OMI)N/I · Mo · CCC · XXVIIIa) · I(N) · DIE · SA(N)CTORV(M) · GER/VASII · ET · PRO/TASII · O(BIIT) · ILLVSTRISSIMAb) · D(OMI)NA · MEZZAc) · DVCISSAd) · / D(OMI)NIe) · ADOLFI · REVGNf) · ROMANORV(M)g) · MATER · D(OMI)NOINORV(M)h) · DVCVM / BAWARIE

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1328, am Tag der Heiligen Gervasius und Protasius (19. Juni) starb die erlauchteste Frau Metza, Herzogin, [Tochter] des Herrn Adolf, römischen Königs, Mutter der Herren Herzöge von Bayern.

Kommentar

Dors gab sich in der Wiedergabe sowohl der Tumba als auch der Schrift offenbar große Mühe. Die Buchstaben der Majuskel wirken gleichmäßig ausgeführt und waren mit kräftigen Bogenschwellungen versehen.

Gräfin Mathilde wurde um 1279 als Tochter des deutschen Königs Adolf von Nassau und der Imagina von Isenburg-Limburg geboren.2) Durch ihre 1294 geschlossene Ehe mit dem Pfalzgrafen und Herzog von Bayern Rudolf I., dem Bruder des deutschen Kaisers Ludwig IV. (1282-1347), wurde Mechthild zur Stammutter der Pfalzgrafen bei Rhein, der pfälzischen Wittelsbacher. Sie galt als eifrige Förderin des Klosters Klarenthal. In der Grabinschrift wird die königliche Abstammung der Verstorbenen deutlich gemacht. Die Verwendung des Epithetons illustrissima ist ein weiteres Kennzeichen ihrer hochadeligen Herkunft.3)

Das kopial überlieferte Todesjahr stimmt nicht mit dem aus gesicherten archivalischen Quellen belegten tatsächlichen Todesjahr überein. 1864 wies Colombel auf die letzte Urkunde der Mechthild von Nassau hin, die auf den 25. Januar 1323 datiert ist.4) Ihr Widersacher, Kaiser Ludwig der Bayer, gedachte ihrer als gestorben im Jahre 1324. Auch das Klarenthaler Urkundenmaterial stützt das frühere Todesjahr: Eine Schenkung ihres Sohnes, des Pfalzgrafen Adolf, aus dem Jahre 13245) setzt Mechthilds Tod ebenso voraus wie die Bulle des Papstes Johannes XXII. von 1327, worin sie als „quondam Mechtildis ducisse Bavarie“ bezeichnet und ihr Tod angesprochen wird.6) Pfalzgräfin Mechthild starb am 19. Juni 1323 in Heidelberg. Im Klarenthaler Nekrolog ist sie zum 13. Juni ohne Jahresangabe eingetragen.7) Ihre Leiche wurde ihrem Wunsch entsprechend8) in das von ihrem Vater gestiftete Kloster Klarenthal überführt. Das Jahr 1328 der Inschrift wird von Helwich und Dors unabhängig voneinander überliefert, stand also auf dem Denkmal. Möglicherweise setzte man das Jahr der Überführung statt des Todesjahres ein.9) Denkbar wäre auch, daß man das aktuelle Jahr, also das Jahr der Herstellung, fälschlicherweise auf die Tumba schrieb. Im ersten Fall kann die Inschrift auch später entstanden sein.

Textkritischer Apparat

  1. So Dors, Helwich und alle Abschreiber, vgl. unten bei Anm. 4ff.
  2. Das dritte S bei Dors wie langes Minuskel-s gezeichnet.
  3. Name fehlt bei Helwich; bei Dors für ZZ eine Zickzacklinie.
  4. Danach freier Platz bei Dors, sinngemäß zu ergänzendes FILIA weder hier noch bei Helwich überliefert.
  5. Mit diesem Wort beginnt die Inschrift auf der Schauseite.
  6. Sic! So bei Dors statt REGIS wie bei Helwich.
  7. Ab hier fehlt der Rest des Textes bei Helwich.
  8. Sic! Steinmetz- oder Übertragungsfehler statt DOMINORVM.

Anmerkungen

  1. Möglicherweise war die beschriebene Fläche entgegen der Zeichnung von Dors nach innen abgeschrägt.
  2. Europ. Stammtafeln NF I,1 Taf. 61; vgl. zu ihrer Person auch Schliephake/Menzel II (1867) 475, IV (1875) 51, 60-62; Renkhoff, Nass. Biographie 556 Nr. 3061.
  3. Vgl. Einleitung Kap. 4.
  4. Colombel 108.
  5. HHStAW 18/19.
  6. HHStAW 18/24 und 18/25.
  7. Otto, Necrologium 71 Nr. 230.
  8. Vgl. Colombel 169f. zum Bestattungswunsch.
  9. Erklärungsversuch von Czysz, Klarenthal 343 in Anm. 131.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 129.
  2. Dors, Genealogia fol. 15r, bearb. Hauck/Laufer 96 m. Abb. 19.
  3. Andreae, 2. Genealogienbuch fol. 77r (Text).
  4. Hagelgans, Nass. Geschlechtstafel 14, XVIII.
  5. Schenck, Geschicht-Beschreibung 403.
  6. St. George, Kopie 27 (nach Dors).
  7. Kremer, Origines II 457 Nr. III.
  8. Colombel, Geschichte Graf Gerlach 108f. Anm. 2 (nach Hagelgans).
  9. Otto, Clarenthaler Studien II 43 Nr. 7.
  10. Hauck, Grabdenkmäler 306.
  11. Geschichte des Klosters Clarenthal 42 Abb. 7 (Abb. nach Dors).
  12. Renkhoff, Wiesbaden im Mittelalter Taf. 3 (Abb. nach Dors).
  13. Czysz, Klarenthal 50 (Abb. nach Dors).

Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 10† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0001002.