Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 51: Wiesbaden (2000)

Nr. 52 Wiesbaden-Breckenheim, Ev. Kirche 1513?

Beschreibung

Grabplatte des Pfarrers (Johannes) Textor aus Schaafheim. Bis ins 18. Jahrhundert hinein befand sich die Platte aus rotem Sandstein in der Kirche vor dem Gerichtsstuhl, 1992 wurde sie bei Kanalarbeiten im Bereich Löffelgasse/Alte Dorfstraße wieder aufgefunden.1) Heute ist sie neben dem Nordeingang unter der Emporentreppe an der Wand befestigt. Im Bildfeld ist das Flachrelief eines Geistlichen im Ornat mit dem Kelch vor der Brust zu sehen. Auf dem Rand läuft die Grabinschrift ohne Linien um. Oberfläche des Steines teilweise zerstört, oberer Plattenteil mit Randleiste und Kopf der Figur sowie rechte untere Ecke fehlen; in der Plattenmitte befindet sich ein großes Loch, da der Stein wohl als Kanalabdeckung verwendet wurde.

Maße: H. ca. 168, B. 87, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. [ – – – / – – – ]ma die mens(is) octobr(is) O(biit) honorabil(is) D(omi)n[(u)s / – – – ] textoris de schaffhey(m) plib(a)n(us)a) in Breck(e)nhey(m) cui(us) a(n)i(m)a req(ui)escat [ – – – ]b)

Übersetzung:

(...) Tag des Monats Oktober starb der ehrwürdige Herr (...) Textor aus Schaafheim, Pfarrer in Breckenheim, dessen Seele ruhe (...).

Kommentar

Im 1743 angelegten Breckenheimer Kirchenbuch findet sich zum Jahr 1540 ein Johannes Textor als erster Prediger der selbständigen Kirchengemeinde; dieses Jahr ist von gleicher Hand zu 1513 korrigiert, offenbar weil die Grabplatte seinerzeit noch mehr Informationen lieferte.2) Von Gottfried von Eppstein-Münzenberg, der in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts lehnsweise das Recht zur Pfarrereinsetzung vom Kloster Bleidenstadt innehatte, liegt eine Urkunde vom 12. Februar 1469 vor, in der die Einsetzung des Johannes Textor auf die vakante Pfarrerstelle in Breckenheim festgehalten ist.3) Demnach ist davon auszugehen, daß es sich bei dem Verstorbenen um den 1469 in sein Amt eingesetzten Johannes Textor handelt.4) Zu 1515 wird bereits ein Breckenheimer Pfarrer Lorenz von Lolshausen als verstorben erwähnt.5)

Die Schriftformen sprechen eindeutig für das mutmaßliche Todesjahr 1513, da sie in Duktus und Proportion sowie Einzelformen jenen des Epitaphs des Peter Habel in Erbenheim (Nr. 41) entsprechen. Bei beiden sind experimentierende Majuskel- bzw. Kapitalisformen der Zeitenwende zu beobachten, hier kreisrundes O und offenes D, die beide wie B aus der Kapitalis genommen sind; auch im kurzen senkrechten Teil des gebrochenen unteren Bogens und im teilweise extrem kurzen rechten Teil des gebrochenen oberen Bogens beim a, bei der Position der beiden gebrochenen Bögen des s sowie bei x und y stimmen die Schriftformen exakt überein. Die Identität der Hände glaubt man in der Verteilung der Varianten des a im Wort a(n)i(m)a zu erkennen, wo jeweils das zweite a beim linken Teil des gebrochenen oberen Bogens eine Brechung am Bogenende aufweist. Auch was man an Details der Grabbilder noch erkennen kann, nämlich Faltenbildung, Handhaltung und Kragen, weist auf die Produktion durch eine Werkstatt hin.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Rest verloren, nach zeittypischen Gepflogenheiten zu ergänzen zu in (sancta) pace amen oder Varianten.

Anmerkungen

  1. Sachs/Meireis, Grabmal 4; Wolf, Kirchen in Wiesbaden.
  2. Sachs/Meireis ebd. 6 zit. aus Kirchenbuch: „(...) dessen Grabstein sich nach einer im Delkenheimer Kirchenbuch stehenden Nachricht in der hiesigen [=Breckenheimer] Kirche befindet“ und ebd. 7: „Der Grabstein liegt wirklich vor dem Gerichtsstuhl und bezeugt, daß Textoris 1513 gestorben sey“.
  3. Ebd. 7, auch zum Folgenden.
  4. Ebd., demzufolge im Delkenheimer Kirchenbuch die Vermutung aufgestellt wurde, Johannes sei der Bruder eines angeblich 1540 in Delkenheim wirkenden Pfarrers Georg Textor gewesen. Diese Eintragung ist freilich nicht zeitgenössisch, sondern wurde 1726 nach einem alten Zinsbuch rekonstruiert.
  5. Vgl. HHStAW 331/365 zu 1515 Juni 15, Präsentation des Nachfolgers Nikolaus Schmidt durch Anna Landgräfin von Hessen an den Propst von St. Peter zu Mainz.

Nachweise

  1. Sachs/Meireis, Grabmal 5.
  2. Wolf, Kirchen in Wiesbaden 85 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 52 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0005206.