Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 51: Wiesbaden (2000)

Nr. 48 Wiesbaden, Museum (aus ehem. Mauritiuskirche) 1511

Beschreibung

Epitaph Graf Adolfs III. von Nassau-Wiesbaden-Idstein, das ehemals im Chor auf der Nordseite („a sinistris in choro“)1) aufgestellt war. Das 1614 erstmals kopial von Helwich und 1632 in einer Tuschfederzeichnung von Dors überlieferte, 1850 beim Kirchenbrand zerstörte Denkmal zeigte unter einer Kielbogenarkade die Figur des knienden Grafen in voller Rüstung, in Adoration nach rechts gewandt, den Rosenkranz in den betend aneinandergelegten Händen. Vor seinen Knien lagen der Helm und die Handschuhe des Grafen. Zu seinen Häupten befanden sich zwei nach innen geneigte Wappenschilde. Im Sockel flankierten zwei Putti als Wappenhalter die Inschrifttafel mit der siebenzeiligen Memorial- und Stifterinschrift.2) In der SNA des Museums ist ein Fragmentstück ausgestellt,3) das zu diesem Epitaph gehört. Kleiner Block aus grauem Sandstein mit verstümmeltem Inschrifttext, senkrechte Bruchlinie. Kleine Dreiecke werden als Worttrenner verwendet.

Erg. nach Dors.

Maße: Fragment H. 47 B. 24 Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Gemeinfrei [1/2]

  1. [MAGNIFICO E]T · GENEROSO [D(OMI)NO ADOLFO COMITI / IN NASSAV DO]MINO · IN WIS[BADE(N) ET ITSTEIN / CAESARIAE C]VRIAE · MAGIST[RO GELRHIAE ET / ZVTPHANIAE] LOCVMTENENTIa) · CAM(E)RAE IMP(ERIALIS) / IVDICI QVI VIX(IT) ANN(OS)] · LX[V]II · MEN(SES) · [..b) DIESc) / XXVI O(BIIT) AN(N)O CRISTI M]D · XI · PRIDIE · N[ONAS IVLII / POSTERI VIRTVTISd) ET GL]ORIAE · MONIM[ENTVMe) POSVERVNT]

Übersetzung:

Dem mächtigen und großzügigen Herrn Adolf, Graf von Nassau, Herr in Wiesbaden und Idstein, kaiserlicher Generalstatthalter in Geldern und Zütphen, Richter der kaiserlichen Kammer, der 67 Jahre, (...) Monate und 26 Tage lebte und im Jahre Christi 1511, am Tag vor den Nonen des Juli (6. Juli) starb, ließen die Nachkommen dieses Denkmal der Tugend und des Ruhmes setzen.

Wappen:
Nassau-Wiesbaden-Idstein, Breda; Nassau-Dillenburg, Baden-Sponheim4).

Kommentar

Die vorlinierte und sorgfältig ausgehauene Kapitalis des bisher nicht als zum Epitaph Graf Adolfs gehörig5) erkannten Fragmentes orientiert sich weitgehend an klassischen Vorbildern: Sie zeigt M mit geraden Schäften und zur Grundlinie reichendem Mittelteil, kreisrundes O, R mit am Bogen ansetzender, stachelförmiger Cauda. Die klassischen Proportionen der breiten Buchstaben wie M sind durchgehalten,6) die Buchstaben A, M, N und V weisen Linksschrägenverstärkung, O eine linksschräge Schattenachse auf. Klassische Ausrichtung mit vergleichbaren Buchstabenbildungen zeigen auch die qualitätvolle Kapitalis des Eltviller Taufsteines von 1517,7) der in engem Zusammenhang mit gesicherten Arbeiten des Mainzer Bildhauers Peter Schro steht, und die Schrift der Igstadter Wappenscheibe von 1524 (Nr. 56).

Das qualitätvolle Grabmal bildet mit dem der Ehefrau des Verstorbenen, Margaretha von Hanau-Lichtenberg (Nr. 45), eine kompositorische Einheit, dürfte aber kaum mit diesem zusammen hergestellt worden sein; außer der identischen Konzeption gibt es keine Anhaltspunkte für eine Spätdatierung des Epitaphs der Gräfin.

In ihrer Ausrichtung wenden sich die Figuren zum Hochaltar bzw. zum Allerheiligsten, womit sie der Darstellungsform der „Ewigen Anbetung“8) entsprechen. Das Werk wurde bislang der Mainzer Backoffen-Werkstatt zugeschrieben,9) doch dürften sowohl die Grabplatte als auch das wenig (?) später angefertigte Epitaph von einer anderen namentlich nicht faßbaren Mainzer Werkstatt, die in der Zeit um 1500 und den Folgejahren zahlreiche Aufträge am Mittelrhein annahm,10) hergestellt worden sein.11) Zwar wird der Auftraggeber nicht genannt, doch dürfte es sich um den ältesten Sohn, Graf Philipp II. den Altherrn12), gehandelt haben, der die Herrschaft in Wiesbaden und Idstein nach dem Tode seines Vaters übernahm.

Graf Adolf III.13) wurde am 10. November 1443 als Sohn Johanns II. von Nassau-Wiesbaden-Idstein und Marias von Nassau-Dillenburg14) geboren. Seit 1477 im Dienst des Erzherzogs, des späteren Kaisers Maximilian, der ihn 1479 zum Marschall und dann zum kaiserlichen Generalstatthalter der niederländischen Provinz Geldern und Zütphen ernannte, übernahm er nach dem Tode seines Vaters 1480 die Regierung in der Grafschaft. 1484-86 wirkte er vornehmlich in seiner Heimat - so verschrieb er seiner Gattin Margaretha das Heiratsgut und die Morgengabe von 13000 Gulden auf Stadt und Burg Wiesbaden.15) Seit 1500 war Adolf von Nassau als erster Kammerrichter mit der Leitung des Reichkammergerichts betraut.16) Als Landesherr war er eng mit der Stadt Wiesbaden, seiner ständigen Residenz, verbunden. So begann er 1488 mit dem Neubau der Mauritiuskirche, 1507 mit der Ummauerung der Stadt und führte einzelne Neubauten auf der Burg durch.17)

Textkritischer Apparat

  1. Kleinerformatiges V in C eingestellt; erstes E abgespitzt.
  2. Helwich zeigt Textverlust durch Punkte an; AP Dors und Andreae, SEP(TEM) Hauck/Laufer. Der Rest eines rechtsschrägen Schaftes auf dem Fragment schließt S aus, wäre aber für A zu breit.
  3. Ab hier ergänzt nach Andreae, da Dors kaum noch lesbar und Abkürzungen bei Andreae überzeugender.
  4. VIRTUTES Dors.
  5. Sic!

Anmerkungen

  1. Dors gibt an „im Chor uf der rechten Seiten des Altars“, vgl. zu den unterschiedlichen Blickrichtungen der Gewährsmänner Einleitung Kap. 3.
  2. Schreibschriftlich wiedergegeben bei Dors und Andreae, dort acht Zeilen.
  3. Inv.-Nr. fehlt.
  4. In dieser Anordnung bei Dors und Andreae. Helwich gibt auch die Vornamen an und stellt das Baden-Sponheimische Wappen korrekt zur Vaterseite. Mit einem quadrierten, aber sonst leeren Wappenschild hatte er zunächst „M(arkgravia) Baden(sis)“ auf die Mutterseite gesetzt und dann mit der Beischrift „Maria d(omina) Bredenrodae“ korrigiert. Offenbar waren die Wappen schon auf dem Original vertauscht.
  5. Freundl. Hinweis Dr. Rüdiger Fuchs, Mainz.
  6. Vgl. Bornschlegel, Renaissance-Kapitalis 224.
  7. Vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 373.
  8. Vgl. zu dieser Grabmalsform Arens, Gotische Grabmäler 333f.; Denzler, Ewige Anbetung Sp. 572f.
  9. So Klingelschmitt, Ein verlorenes Werk 145, Kautzsch, Lühmann-Schmid, Peter Schro 10.
  10. Vgl. dazu Wilhelmy, Backoffen.
  11. Indem Lühmann-Schmid, Peter Schro 10 das Epitaph Adolfs der Backoffen-Werkstatt zuwies, stellte sie Unterschiede zur Werkstatt des Peter Schro fest, die damit ausscheidet.
  12. Vgl. zu dessen Epitaph in der Idsteiner Unionskirche DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 450.
  13. Vgl. zu seiner Biografie Schliephake/Menzel V (1879) 441-524; Renkhoff, Nass. Biographie 554.
  14. Zu ihrer Grabplatte in Idstein vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 241.
  15. Vgl. Renkhoff, Wiesbaden im Mittelalter 111.
  16. Darauf weist seine Grabplatte hin, auf der er in Richterrobe abgebildet ist, vgl. vorherige Nr.
  17. Renkhoff, Wiesbaden im Mittelalter 119.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 136.
  2. Dors, Genealogia fol. 52r, bearb. Hauck/Laufer 144f. Nr. 26 mit Abb. 49.
  3. Andreae, 2. Genealogienbuch fol. 45r (bei Hauck/Laufer Abb. 50).
  4. Hagelgans, Nass. Geschlechtstafel 35, XCVII.
  5. St. George, Kopie 67 (nach Dors).
  6. Kremer, Origines II 466 Nr. XXXVIII.
  7. Rossel, Kirchl. Alterthümer 1ff.
  8. Roth, Geschichte Wiesbaden 281 (nach Helwich).
  9. Lühmann-Schmid, Peter Schro I Taf. 2 Abb. 7 (Abb. nach Dors).
  10. Renkhoff, Wiesbaden im Mittelalter Taf. XIVc (Abb. nach Dors).
  11. Buschmann, Nordfriedhof 148f. Nr. 4, 468 (Abb. nach Dors).
  12. Wiesbaden. Geschichte im Bild 32 (Abb. nach Dors).

Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 48 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0004807.