Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 51: Wiesbaden (2000)

Nr. 22† Wiesbaden-Klarenthal, ehem. Kloster Klarenthal 1370

Beschreibung

Tumba Graf Adolfs I. von Nassau und seiner Ehefrau Margarethe Burggräfin von Nürnberg, ehemals in einer Nische im „niedern Cohr uf der lincken Seiten des Altars erhoben in einem Bogen“,1) d.h. an der Südseite der Kirche. Das Denkmal ist dreifach bildlich überliefert: Zum einen als Aufsicht auf die Grabtumba in einer Tuschfederzeichnung von Dors und zum zweiten in einer der Sammlung Andreae beigebundenen Malerei, die ebenfalls von Dors angefertigt wurde. Die dort wiedergegebene Gesamtanlage bestand aus dem Tumbengrab mit einem wohl später hinzugefügten Wandbild (Nr. 25). Eine dritte Abbildung findet sich ebenfalls bei Andreae in Form einer Aufsichtszeichnung. Die Tumba bestand offenbar aus einem an die Wand gerückten Unterbau, dessen drei freie Seiten möglicherweise Blendarkaden trugen.2) Die auf diesem Unterbau ruhende reliefierte Deckplatte zeigte unter einer doppelten Kielbogenarkade das Ehepaar: rechts den Grafen in Rüstung mit Langschwert und Helm, links seine Ehefrau in langem Gewand mit Kruseler, beide in Gebetsgestus. Zu ihren Füßen befand sich je ein kauernder Löwe. In den Zwickeln des Doppelbogens saßen links und rechts jeweils zweimal die Wappen des Ehepaares. Graf Adolf I. lag auf der Seite zum Kircheninnern hin, Margarethe an der Wand, in der Disposition also anders als bei der Tumba Gerlachs I. (Nr. 21) und den meisten Denkmälern für Ehepaare. Die Grabinschrift für den Grafen lief zweiseitig um und begann nach Dors auf der Leiste zu Füßen der Grafenfigur; nur nach seiner Zeichnung gab es auf der Langseite eine zweite Zeile, was nicht dem originalen Aussehen entsprechen dürfte. Eine Grabinschrift für die Gräfin ist nicht überliefert. Auf ihrer Seite lokalisierte Andreae die Grabinschrift des Grafen. Das aufwendig gearbeitete Grabmal wurde lange nach der Aufhebung Klarenthals, nicht vor 1632, in die Wiesbadener Mauritiuskirche verbracht, wo es an einen Strebepfeiler des Chors gestellt, dann aber bereits 1818 zerschlagen wurde.3) Einige erhaltene Fragmente werden diesem Grabmal zugeschrieben:4) In der SNA des Wiesbadener Museums befand sich ein heute verlorenes Stück des unteren rechten Plattenteils mit den Füßen des Ritters und dem kauernden Löwen; die diesem Fragment von Rossel zugeschriebenen Inschriftenreste wurden von Hauck/Laufer nicht bestätigt.5) Worttrenner waren offenbar Quadrangeln.

Nach Malerei von Dors.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Gemeinfrei [1/1]

  1. an(n)o · d(omi)ni · mo ccco lxxo · i(n)a) · die · s(ancti) · a(n)to(n)ii · abb(at)is · o(biit) · illustris · d(omi)nus · adolfus · comes de nassab) · fili(us)c) d(omi)ni gerlacid) · comitis · qui fuit / fili(us) · d(omi)ni · adolfi · regis · roma(n)(orum)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1370, am Tage des heiligen Abtes Antonius (17. Januar) starb der vornehme Herr Adolf, Graf zu Nassau, Sohn des Herrn Gerlach, der ein Sohn des Herrn Adolf, des römischen Königs, war.

Wappen:
Nassau; Zollern (Burggrafen von Nürnberg).

Kommentar

Adolfs Grabfigur zeigt stilistische Ähnlichkeiten zu der (heute) inschriftlosen Tumbenplatte des 1357 verstorbenen Grafen Johann (II.) von Katzenelnbogen, die sich in der Eberbacher Klosterkirche erhalten hat.6)

Adolf war ein Sohn Graf Gerlachs I. von Nassau und dessen Ehefrau Agnes von Hessen (Nr. 21) und damit Enkel des römischen Königs Adolf.7) Er verheiratete sich im Jahre 1332 mit Margarethe Burggräfin von Nürnberg, Tochter des Burggrafen Friedrich IV.; die Ehe war sehr fruchtbar: 16 Kinder gingen aus ihr hervor, u.a. die späteren Mainzer Erzbischöfe Adolf († 1390) und Johann († 1419), der 1393 in der Idsteiner Unionskirche beigesetzte Walram,8) die spätere Klarenthaler Äbtissin Anna und Elisabeth, die 1361 Graf Diether VIII. von Katzenelnbogen heiratete und nach ihrem Tode 1389 in der Abteikirche Eberbach bestattet wurde.9)

In seinem gemeinsamen Testament vom 31. März 1360, in dem es seinen Bestattungswunsch formulierte, vermachte das Ehepaar dem Kloster wertvolle Besitztümer: Adolf stiftete sein Streitroß und sein bestes Pferd, zwei seiner besten Harnische und den besten Waffenrock, seine Gattin gab Kleid, Obergewand, Mantel und einen gefütterten Rock.10) Zudem wurden 100 Pfund Heller zum Jahrgedächtnis des Paares ausgesetzt. In den Klarenthaler Nekrolog ist allerdings allein der Graf zum 17. Januar eingetragen,11) nicht seine Ehefrau.12)

Textkritischer Apparat

  1. Hier endet Rossel.
  2. Sic!
  3. Text ab d(omi)ni bis fuit in der zweiten Zeile, nach fuit wird filiu(s) und der Rest des Textes auf der Kopfleiste weitergeführt.
  4. i klein hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Angabe von Dors. Zur Blickrichtung der Gewährsmänner vgl. Einleitung Kap. 3.
  2. Diese sind bei Andreae wiedergegeben, sie fehlen freilich bei der Farbabbildung des Grabensembles von Dors, während er in seiner Tuschfederzeichnung keinen Unterbau abbildet.
  3. Renkhoff, Wiesbaden im Mittelalter 178.
  4. In Klarenthal befinden sich innen an der Westwand rechts neben dem Portal der Rest eines behelmten Kopfes und die rechte Brustpartie mit dem rechten Arm, vgl. Abb. 30 in Dors, Genealogia 116. Dieser Arm wurde dem Tumbengrabmal zugeschrieben: Dagegen spricht die von der zeichnerisch überlieferten Handhaltung (Gebetsgestus!) abweichende, von den Editoren der Genealogia unbeachtet gebliebene Position der offenen Hand, die mit dem Daumen in eine Kette eingehakt ist. Außerdem handelt es sich um ein sehr flaches Relief.
  5. Vgl. Rossel und Hauck/Laufer in: Dors, Genealogia 116 Abb. 31.
  6. Vgl. zur Grabinschrift DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 86. In der kunsthistorischen Forschung wurden stilistische Verwandtschaften zu den Grabmälern des 1365 verstorbenen Johann von Falkenstein in der Arnsburger Klosterkirche und zu dem Grabmal Günthers von Schwarzburg im Frankfurter Dom formuliert, vgl. ebd. im Kommentar. Man wird eher das Arnsburger Denkmal als Nachhall des Eberbacher Steines sehen müssen. In diesem Zusammenhang steht auch das Klarenthaler Bildnis, das sich sehr gut in die Reihe der Nachfolger der Eberbacher Tumbenplatte stellen läßt. Daß der Blick der Nassauer Grafen offenbar zu den Katzenelnbogischen Denkmälern im benachbarten Eberbach ging, zeigt bereits die motivische Verwandtschaft zwischen den Grabmälern der Grafen Gerlach I. von Nassau und Eberhard I. von Katzenelnbogen, vgl. Nr. 21 und Einleitung Kap. 4.
  7. Vgl. Europ. Stammtafeln NF I,1 Taf. 61; Schliephake/Menzel IV (1875) 121ff., V (1879) 1-27; Renkhoff, Nass. Biographie 553 Nr. 3048.
  8. Vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 136.
  9. Vgl. ebd. Nr. 129.
  10. Nach Czysz, Klarenthal 154 mit Hinweis auf HHStAW 130 I 30.
  11. Vgl. Otto, Necrologium 44 Nr. 18.
  12. Nach HHStAW 18/55a zu 1371 Februar 10 errichteten Äbtissin Jutta und der Klarenthaler Konvent ein ewiges Jahrgedächtnis für Gräfin Margarethe von Nassau noch zu ihren Lebzeiten, vgl. auch Otto, Clarenthaler Studien II 42; Langkabel, Das Kloster Klarenthal 25.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 128.
  2. Dors, Genealogia fol. 27r, bearb. Hauck/Laufer 114 Nr. 14 m. Abb. 28.
  3. Malerei des Heinrich Dors, beigebunden in: Andreae, 2. Genealogienbuch fol. 23r.
  4. Andreae, 2. Genealogienbuch fol. 24r (Zeichnung, bei Hauck/Laufer Abb. 29), fol. 77v (Text).
  5. Hagelgans, Nass. Geschlechtstafel 18, XXXVI.
  6. St. George, Kopie 41 (nach Dors).
  7. Kremer, Origines II 459 Nr. IX.
  8. Rossel, Kirchl. Alterthümer 33.
  9. Otto, Clarenthaler Studien II 42 Nrr. 2, 3 (nach Helwich).
  10. Geschichte des Klosters Clarenthal 40, Abb. 2,3 (Abb. nach Dors).
  11. Renkhoff, Wiesbaden im Mittelalter Taf. XII (Abb. nach Dors).
  12. Czysz, Klarenthal 155 (Abb. nach Dors).

Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 22† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0002205.