Inschriftenkatalog: Stadt Trier II
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 71: Stadt Trier II (2012)
Nr. 607(†) Kurfürstlicher Palast/Residenz, später Bezirksregierung, heute auch Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz 1620
Beschreibung
Inschriften- bzw. Wappentafel mit Stifter- bzw. Bauinschrift des Erzbischofs Lothar von Metternich, im Ostflügel, d. i. im ersten Obergeschoß der Hofseite zwischen dem 5. und 6. Fenster vom Treppenturm an gerechnet. Die Pilasterädikula aus wohl hellgelbem Sandstein bietet den üblichen dreizonigen Aufbau: Zwei unbekleidete menschliche Halbfiguren stehen auf sich nach unten verjüngenden Postamenten vor mit Beschlagwerk, Tuch- und Fruchtbehängen versehenen und flach über ein profiliertes Gesims hervortretenden ionischen Pilastern; die Figuren flankieren ein Mittelfeld mit dem Vollwappen des Erzbischofs Lothar von Metternich. Die Figuren sind mit Beizeichen versehen, die linke mit Schwertknauf und Gebotetafel, die rechte mit Schwertknauf, Totenkopf und Schlange. Die Pilaster tragen auf kräftigen Bügelgurten das ausladende Deckgesims mit der heute verlorenen Jahreszahl (A), darüber eine Kartusche mit einer, aber nicht der Metternich'schen,1) Muschel im Medaillon. Im Hängesockel befindet sich eine Schrifttafel, deren breiter Rand seitlich mit vollplastischen Köpfen, Tuch- und Fruchtgehängen und einer Löwenmaske auf dem halbkreisförmig ausgeweiteten unteren Teil dekoriert ist. Im Zuge der französischen Besetzung ab 1794 wurde der siebenzeilige Text (B) stark beschädigt, das Wappen völlig verstümmelt. Schon beim Wiederaufbau 1955/56 wurde mit der jüngeren Farbfassung in Gold, Rot und Grün auf grauem Hintergrund anscheinend auch die Schrifttafel im ganzen erneuert, nicht nur die Schrift in gold auf schwarzem Hintergrund ausgezogen; das frühere, von dem heutigen abweichende Aussehen belegt ein altes Vorkriegsfoto:2) Außer leichten Abweichungen in den Kürzungen sind mehrere Zeilenübergänge anders, die letzte Zeile, deren Text im erneuerten Denkmal fehlt, war in kleinerer Schrift geschrieben, hier nun die beiden(!) letzten Zeilen, nämlich PRVMIENSIS / PERPETVVS. Als Worttrenner dienen teilweise Punkte auf der Zeilenmitte, nicht alle sind sichtbar. Das Foto zeigt auch die alten gezielten Beschädigungen, nämlich das völlig geglättete Wappen samt Kleinodien und die fast mittig ausgemeißelten Schriftzeilen, deren Text rekonstruierbar ist, sich jedoch einer paläographischen Beurteilung weitgehend entzieht.
Text nach Foto,2) ergänzt nach Kdm. und der jüngeren Kopie.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A†
1620
- B(†)
[LOT]HARIVS D(EI)a) G(RATIA) · ARCHIEP(ISCOPVS) / [TREV(IRENSIS)] · S(ACRI) · R(OMANI) · IMP(ERII) PER GALLIAM [ET]b) / REGNVM ARELATE(N)SE ARCHI=/CANCELLARI(VS)c) AC PRINCEPS / ELECTOR AD(M)INISTRATOR PRV/MIE(N)SIS PERPETV(VS) / FIERI CV[R]AVIT
Übersetzung:
(B) Lothar, von Gottes Gnaden Erzbischof von Trier, des hl. Römischen Reiches Erzkanzler für Gallien und das Arelat (Burgund) und Kurfürst, auf alle Zeit Administrator von Prüm, ließ (es) machen.
Lothar von Metternich, Erzbischof und Kurfürst von Trier3). |
Textkritischer Apparat
- Die heutige Textfassung zeigt im Buchstabenbestand deutliche Abweichungen gegenüber der älteren Überlieferung: LOTHARIVS DEI GRATIA ARCHIEP(ISCOPVS) / TREVIR(ENSIS) S(ACRI) ROM(ANI) IMP(ERII) PER GALLIAM / ET REGNVM ARELATENSE ARCHI=/CANCELLARIVS ET PRINCEPS / ELECTOR ADMINISTRATOR / PRVMIENSIS / PERPETVVS.
- Wohl keine Kapitalisbuchstaben, eher Ligatur, also wie kaufmännisches &-Zeichen für ET.
- Das H wohl aus Platzgründen klein in das C geschrieben
Anmerkungen
- So gegen Kdm.
- Photographische Sammlung Deuser Nr. 67/11; zum heutigen Text siehe bei Anm. a.
- Herzschild Fürstabtei Prüm (Agnus Dei); Schild quadriert: 1/4. Hochstift Trier; 2/3. Metternich.
- Vgl. Balke 83 und Reiseaufnahmen aus Trier und dem Elsass von Studierenden der Architekturabteilung der Technischen Hochschule Aachen, 1881 (Inv. Nr. 5456a des Lehrstuhls für Baugestaltung, Städtebau und Landesplanung) fol. 14r (nach Kdm.).
- Vgl. Kdm. 156.
- Vgl. Einleitung Kap. 5.5 und Fuchs, Kapitalis-Inschriften 26–29, auch zum folgenden.
- Vgl. zur Erklärung des Titel deshalb bei Nr. 410.
- Gesta Trev. cap. CCCII, ed. Wyttenbach/Müller III 62.
- Zahn, Geschichte d. kurfürstlichen Palastes 15 f.; Zahn, Trier Nr. 58; 2000 Jahre Stadtentwicklung 78 Nr. 5. Ausschnitt der Bestallungsurkunde bei Wacker, Kurfürstliches Palais 28 f. nach LHA Koblenz, Abt. 1 C 45, Nr. 972.
Nachweise
- Kdm. Trier weltlich 155 f.
- Zahn, Geschichte d. kurfürstlichen Palastes 17 m. Abb. 6 (weit entfernt).
- Zahn, Kurfürstlicher Palast 3.
- Ostermann, Stadt Trier 166 (erw.).
- Wacker, Kurfürstliches Palais 32 m. Abb. 10, S. 33 (jeweils erneuerte Fassung).
Zitierhinweis:
DI 71, Stadt Trier II, Nr. 607(†) (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di071mz11k0060701.
Kommentar
In seinem dreiteiligen Aufbau und den Schmuckformen gleicht das Bildwerk in viel kleinerem Format dem großen Epitaphaltar des Bauherrn im Dom (Nr. 596), der aus der Hoffmann-Werkstatt stammt. Der Vergleich von Akanthus und Volutendekor weist auf die Werkstatt von dessen Nachfolgern hin.4) Die Wappentafel wurde vermutlich gleichzeitig mit den Hofportalen hergestellt.5) Die Abweichungen gegenüber dem Vorkriegszustand zeigen an, daß die Schrifttafel von Grund auf erneuert wurde; sie weist folglich auch keine Schrifteigenheiten der Hoffmann-Werkstatt auf, die auch von seinen Nachfolgern gepflegt wurden.6) An Details sind aus dem defekten Zustand zur Zeit der Fotoaufnahme nur halbrunde Kerbe und M mit senkrecht stehenden äußeren Schäften und niedrige, kaum bis zur Buchstabenmitte reichendem Mittelteil festzuhalten; dünne Schleifen und das Ende der R-Cauda entziehen sich der Beurteilung; einigermaßen erkennbar sind noch die relativ schmalen E mit unklarem Längenverhältnis der Balken, die als Indiz der Werkstatt des Hoffmann-Sohnes Heinrich gelten. Ein gelbes Sandstein-Fragment im Rheinischen Landesmuseum (Nr. 616), das sich in die Textabfolge weitgehend einfügen ließe, weist noch die Hoffmannschen Merkmale auf, dürfte also auch aus der Metternich-Zeit stammen, freilich nicht von diesem Bauabschnitt des Palastes. Gemeinsam ist beiden der ausführliche Titel, der erstmals bei Richard von Greiffenklau in einer Inschrift verwendet wurde.7)
Schon die Gesta Treverorum meldeten zu 1620 die Fertigstellung des 1614 begonnenen Palastneubaues zumindest in seinen Ostteilen, so daß der Bauherr darin wohnen konnte.8) Der Entwurf stammte höchstwahrscheinlich von dem Mainzer Architekten Georg Ridinger, zu dessen Aschaffenburger Schloß auffällige Parallelen bestehen; als Werkmeister wirkte mit Bestallung vom 28. November 1618 Albrecht Beyer aus Bamberg.9)