Inschriftenkatalog: Stadt Trier I
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 70: Stadt Trier I (2006)
Nr. 272 Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum, aus Liebfrauenkirche 1462
Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]
Beschreibung
Hochgrab Erzbischof Jakobs I. von Sierck. Obergeschoß des Museums (Inv. Nr. P 370), spätestens im Jahre 1777/78 aus dem Chor der Liebfrauenkirche, wo das Grab ursprünglich zwischen Hoch- und Kreuzaltar lag,1) entfernt. Das Freigrab2) stand zwischen den beiden östlichen Pfeilern des Mittelschiffs, ein kleiner Altar davor. Über eine Kapelle des Domes gelangte die Liegeplatte 1904 ins neugegründete Diözesanmuseum;3) offenbar gingen während des Abbaus und der Transporte Teile vornehmlich des Unterbaus verloren. Der früher sogenannte „Doppeldecker“ (Transi) aus hellgelbem Kalkstein bestand aus einer oberen Platte mit Liegefigur des Erzbischofs im Ornat (ohne Standillusion) und einem Unterbau mit der Figur des teils verwesten Leichnams; von diesem Blick ins Grab sind im Museum nur wenige Fragmente, Schrift und Grabtiere, aus der Grabung von 1952 erhalten. Den genauen Aufbau insbesondere der Arkaden kann man aus diesen Stücken nicht mehr rekonstruieren, so daß eine Entscheidung zwischen Tischgrab mit doppelter Grabplatte und Grabtumba mit Arkadenöffnungen kaum zu erreichen sein wird; letzteres ist zu bevorzugen.4) Die Figur, mit der Platte aus einem Block geschlagen, ist leicht nach links gebogen und völlig in das faltenreiche Gewand eingehüllt, die Hände sind vor der Brust zusammengelegt; in der linken Armbeuge ruht der Stab, der Kopf ist auf ein Kissen gebettet, das Gesicht sieht jung (33 Jahre) und lebendig aus. Nach dem Vorbild des Grabmals Erzbischof Werners von Bolanden-Königstein in St. Kastor in Koblenz hat man für die Gestaltung des Kopfendes ein quadriertes Bischofswappen mit Engeln angenommen, dessen Existenz und genaues Aussehen aber nie befriedigend geklärt werden konnten.5)
In der linken oberen Ecke, also links des Kopfes beginnend, läuft ein nach außen abgeschrägtes Schriftband (A) dreiseitig gegen den Uhrzeigersinn zwischen Leisten um; das Band ist einem Pergamentstreifen mit Nägeln zur Befestigung realistisch nachempfunden. Ein ähnliches Schriftband lief um den Unterbau, dürfte aber, nach der Krümmung eines kleinen Fragmentes zu schließen, eher frei bewegt als aufgenagelt gewesen sein; so wäre im verlängerten, weil stärker gewundenen Schriftband vielleicht auch der eine Hexameter mehr als in (A) unterzubringen, ohne die Parallelität der Umschriften aufgeben zu müssen. Sein Text wird seit jeher, wie er im Testament unter der Zuschreibung „Cadaver“ steht, wiedergegeben (B1). Aus der Zeit kurz nach der ersten Umstellung existiert eine lückenhafte Abschrift, die erhebliche Abweichungen aufweist; diese Textreste sind gesondert ediert (B2), wobei die übereinstimmenden Wörter nach der Versstruktur des Testamentnachtrags plaziert sind, die abweichende Zeileneinteilung und Versstruktur mit Schrägstrichen angezeigt wird. Zwar stimmen der jüngere Abschreiber und auch der Text im Testamentnachtrag für (A) zumindest betreffs des Wortlauts, freilich nicht im Buchstabenbestand, mit dem autopsierbaren Text des Grabmales fast genau überein; trotzdem kann die jüngere Version in (B2) die realisierte Fassung kaum zuverlässig wiedergeben, denn prosodische und metrische Verstöße und offensichtliche Lesefehler wie Summa (V. 6) entwerten die Abschrift. Anbringung und Zustand verhinderten offenbar eine korrekte Überlieferung. Am Fußende steht in der Kehle unter dem Rand die Signatur des Meisters (C). Worttrenner sind Quadrangeln mit Zierstrichen oben und unten. Im letzten Vers der Inschrift (A) sind jene Buchstaben, die auch römische Zahlzeichen sein können, in der Kehle unter dem Rand wiederholt, um ihre Verwendung innerhalb eines Chronogramms bzw. Chronostichons anzuzeigen.
Nach Testamentnachtrag (B1), nach Epitaphia (B2).
Maße: H. 253, B. 120, Bu. 5,5 (A, B1), 2,3 cm (C).
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
- A
Treuir sirck iacobus · vima) · p(re)sul origine passus ·Sublimor tu(m)ba · subrodorb) en anguib(us) vmbra ·Hostes compegi · proceru(m) consulta · redegi /Clerum zelaui · discordes pace beaui · /Cesar · Apex · Gallec) · Silicu(m)d) rex · Renee) · scis Ytlef) ·Palladiis trebatu(m)g) nequiit temerari(us) ausu(m) ·Germano · pallaciolo · labassoh) · sepulchro m ll ci l l vlc
- B1(†)
[Infula quem cingit auro pretexta ve gemmaGloria precellens mundum robur status eraDespectes trenisi) fati scriabrek) strenisInfausti fontis ni praua terasl) acherontisPresul es ipse fui liuor squalor] mod[o cluiAngariorm) spingen) nares coge lumina stringeo)Mausoleo simili comitalip) tramite breuiFacq) resipister) putriss) celeres pociamur eternis]
- B2†
Infula cingit auro praetexta tegumentaVita praecellens potissimum robur status eraDespectes trenis [– – –][– – –] fortis [– – –] / acherontis [– – –]Angarior [– – –]Summa stringe Mausoleot) [– – –] / tramite breviFac resipiscite [– – –] Mitris celeres potiamur aeternis
- C
nicola(us) · gerardi · de · leyd[e(n)u) · e]xegitv) · 1 · 4 · 6 · 2w) ·
Übersetzung:
(A) nach Schommers 319 f.: Ich, Jakob Sierck, Trierer Erzbischof, der ich anfangs Gewalt erduldete, werde zwar von der Tumba erhöht, als Schatten aber, sieh her, unten von Schlangen zerfressen. Die Feinde habe ich zusammengeführt, die Pläne der Vornehmen habe ich vereint. Den Klerus habe ich in Eifer gebracht, die Zerstrittenen habe ich in Frieden versöhnt. Du weißt, René, König von Sizilien und Italien, der Caesar, die Spitze Galliens, vollbrachte in der Pfalz von Arras das Wagnis nicht trotz seiner Kühnheit. Von dem mir eng verbundenen Pfalzel sinke ich ins Grab. 1456. –
(A) Fuchs, teils nach Oberweis: Ich, der Trierer (Erz-)Bischof Jakob (von) Sierck, habe zu Beginn Gewalt erduldet. Auf dem Grab liege ich erhöht und werde, ach, als Schatten von den Schlangen unten zernagt. Feinde habe ich zusammengeführt, die Ratschlüsse der Vornehmen in Einklang gebracht. Den Klerus habe ich angespornt, die Zwieträchtigen habe ich durch Frieden beglückt. Kaiser, Haupt Galliens (gallisches Haupt), René, König von Sizilien, und du, Italer/Römer, ihr alle wißt es. An den Schutzvorkehrungen der Trierer scheiterte das Wagnis des Verwegenen. Im deutschen Pfalzel sinke ich ins Grab. 1456. –
(B) Nach Schommers 320 f.: Du, den die mit Gold durchwirkte und mit Gemmen geschmückte Mitra ziert, du herausragender Ruhm, verachte Welt und Macht, Stand und Vermögen. Du wirst den Klagen des Schicksals, den Wahrzeichen des unglückseligen Acheronflusses zugesellt werden (anheimfallen), wenn Du nicht das Böse mit Füßen trittst (ausrottest). Du bist Erzbischof, ich bin es einmal gewesen und nunmehr vor der Welt nur Leichenblässe und Schmutz. Ich werde gequält, halte Dir die Nase zu, schließe die Augen. ... Du wirst nach kurzem Weg in einem ähnlichen Grab mein Gefährte sein (mich begleiten). Komm endlich zur Vernunft, du der Verwesung ausgelieferter Mensch, und laß uns schnell die Ewigkeit gewinnen! –
(B) nach Scholz und Fuchs: Verachte den, den die Inful, der ach mit Gold gefaßte Ring, der vortreffliche Ruhm, die Welt, die Stärke, der Stand und das Geld schmücken. (Weise ihn nicht) den drei Vorzeichen des Schicksals zu und mache nicht die Gefilde des unheilvollen Acheron noch ärger! Ein Bischof bist Du, ich bin es gewesen, nun werde ich als Flecken und Schmutz bezeichnet. Ich quäle Dich, strecke die Nase vor, wende die Augen hin, berühre es: wohlan, komm zur Besinnung! Von einem ähnlichen Grabmal laß uns Verweste bald auf gemeinsamem Weg schnell die Ewigkeit gewinnen. –
(C) Nicolaus Gerhaert von Leyden führte es aus. 1462.
Versmaß: Sieben Hexameter (A), davon die Verse 2 (unrein), 3 und 4 leoninisch zweisilbig, andere leoninisch einsilbig, und acht (B) Hexameter, davon die beiden ersten einsilbige caudati, die vier mittleren leoninisch zweisilbig, die beiden letzten leoninisch einsilbig gereimt.
Textkritischer Apparat
- Kaum im Sinne von vim mortis ... passus zu verstehen, da diese Junktur bisher nicht belegt werden konnte (geprüft wurden die elektronischen Ressourcen BTL, CETEDOC 5 sowie Hexameter-Lexikon und MGH Poetae lat. V). Dieser Bezug zum Ableben ist nicht notwendige Voraussetzung für die nächsten Aussagen zu Aufbahrung und Kadaver. origine kann durchaus „am Anfang“ bedeuten, muß sich nicht wie in klassischem und mittelalterlichem Latein üblich auf die Herkunft Siercks beziehen; gemeint wäre dann aber nicht die Stadt, sondern die Kirchenprovinz Trier. Die Eigenheiten des vielgeschmähten Lateins der Grabinschrift erleichtern das Textverständnis fürwahr nicht.
- Als zusammengesetztes Wort nicht belegt, also für subradar oder mit sub zusammengezogenes rodor.
- Nach Schommers für Gallie, vgl. aber den Kommentar.
- Sic! Siculu(m) Testament-Nachtrag; Brouwer/Masen.
- Bene Clencher, prosodisch möglich, sogar korrekter, aber wegen der sonst nach dem Versanfang nur für Namen und Personen benutzten Großschreibung kaum denkbar; Rhene Brouwer, Hs. Bonn: da in Kapitalis, kein Nachzeichnungscharakter.
- Nach Schommers für Italie, vgl. aber den Kommentar; Ytlae Brouwer, Hs. Bonn; Itale Epitaphia, vgl. aber bei Anm. c, e.
- e hochgestellt.
- Vulgärnahe Form für labesco oder labasco, deren c das Chronogramm gestört hätte, letztere Schreibung bei Brouwer, Hs. Bonn, vgl. aber bei Anm. e. Der Kasus des nachfolgenden sepulchro ist entweder von einer Angleichung an Verben des Legens, Setzens, Stellens verursacht oder einfach in Umgehung des für das Chronogramm schädlichen Akkusativs verändert.
- Sic für threnis Schommers; es handelt sich aber um eine mittelalterliche Form von trinis, die hier vom Leoniner gefordert ist.
- Unter Vorbehalt als sociaberis gedeutet bei Schommers und mit Prof. Dr. Fidel Rädle, Göttingen, in dieser Passage als „du wirst ... zugesellt werden / anheimfallen“ übersetzt. Obwohl die Buchstabenfolge ri in identischer Weise in anderen Wörtern benutzt wurde und somit das i nicht als Neuansatz der Feder gedeutet werden kann, muß man auch die Lesung s(a)crabre für scriabre in Erwägung ziehen, da das r eindeutig ist und die Kürzung des a in sacer wenigstens selten belegt (Cappelli 345 sub scl, 346 sub scrdtum) und in Anlehnung an Kürzungen von sanctus und saeculum zu verstehen ist. sacrabre für sacraberis wäre im übrigen metrisch und inhaltlich im Sinne von „du wirst ... bestimmt sein“ gleichwertig zu sociaberis. Nach der neu bewerteten Satzstruktur der Scholzschen Übersetzung müßte man hier den Imperativ eines Deponens der 3. Konjugation erwarten; obwohl so nicht belegbar, könnte der Verfasser in metrischen Nöten ein Deponens sacriabri kreiert haben.
- Nach Schommers von terere; nach dem neuen Verständnis der Inschrift für terras; prava ist dann Imperativ von pravare, nach Habel/Gröbel 299 = ärger machen, verunstalten.
- Als Deponens ebd. 18, bei Schommers Passiv.
- spinge Schommers nach Blaise 859. Nach Du Cange VII 557 1. stoßen, auf den Boden werfen; 2. = obvertere – hinwenden, zukehren.
- Von Schommers auf lumina oder mausoleo bezogen. Dieser Vers mußte konträr übersetzt werden.
- Von Schommers zu comitabis konjiziert; der Verfasser hatte aber wohl comitalis als Ableitung von comes im ursprünglichen Sinne vor Augen.
- Im Testamentnachtrag mit Konsonantenverdopplung geschrieben, was im Anlaut bei Inschriften in Stein so gut wie nie vorkommt.
- resipisce Schommers, das ist wohl gemeint, aber im Testamentnachtrag sc hier deutlich anders geschrieben als an vergleichbaren Stellen.
- Im Testamentsnachtrag korrigiert aus putres in Angleichung an den Reim am Versende, muß als Plural verstanden werden.
- Mausoleo in derselben Zeile wie stringe Epitaphia.
- Lerdus Wiegand. Die abgeplatzte Stelle kann nicht exakt rekonstruiert werden; eine Kürzung ist wohl durch den Raumbedarf zwingend.
- ..egid Wiegand, Wertheimer, Kdm.
- 1467 Wiegand, Back 1912.
Anmerkungen
- Nach Brouwer/Masen: „Iacobus inde lapsis decem et octo diebus, spiritum reddidit ... Palatioloque in metropolim deportatus, proxima summae aedi Virginis gloriosae Dei Matris Basilica ante aram maximam honestissimo sepulchro locum cepit, monumento ei posito saxeo, cadaveris sive mortui hominis subtus eum iacentis miro artificio visendo. Epigraphe vero haec sepulchri, quam praeterierit, qui Latino tantum assueverit. Trevir Sirk ... Atque his licet horridis atque barbaris sane versibus id dicitur nimirum: Iacobum et in amplissimis reipublicae muneribus cum laude versatum et periculosissima inter Eugenium, Sigismundum, Renatum Siciliae Carolumque Galliae reges suborta dissidia ad pacem amicitiamque convertisse. Additur Treviros studiis palladiis ab illo ornatos, a fratre germano armis defensos ipsumque tandem praesulem Palatioli morbo collapsum animam expirasse.“ Das Grab ist eingezeichnet auf dem Plan der Liebfrauenkirche, welcher der Agenda mortuorum von 1443, BA Trier, Abt. 95 Nr. 575, beigebunden ist, vgl. Borger-Keweloh, Liebfrauenkirche 203 u. Abb. 49. Die Grabungsbefunde von 1952 bestätigten den Standort, vgl. Kempf, Bischöfliches Museum 27; das Grab wurde im Februar 2004 nochmals geöffnet, vgl. auch Zu ewigem Gedächtnis und Lob 34. Zum Abbau gibt es zwei Daten, nämlich 1771, so Kdm. 188, und 1777/78, so Schommers 325 nach Gesta Trev. cap. CCCLXXVII, ed. Wyttenbach/Müller III 395, da am 2. Dezember 1777 ein neuer Hochaltar aufgestellt worden sei. M.F.J. Müller, Namenliste verschiedener Kapitularen des Domstifts zu Trier, welche theils im Mittelalter, theils in neueren Zeiten bis 1795 gelebt haben. Trier 1831, 19 berichtet über eine Graböffnung, bei der man eine Leiche von kleiner Gestalt gefunden habe, zu 1777. Einen Platz zwischen Hochaltar und Heiligkreuzaltar hatte Sierck im Testament festgelegt, vgl. I. Miller, Nachlaßregelung und Testament des Trierer Erzbischofs Jakob von Sierck (†1456), in: LkVjbll. 31 (1985) 51-67, hier 55; bei Miller eine ausführliche Analyse des Testaments. Vgl. auch Die Grabstätten der Trierer Bischöfe in Dom und Liebfrauen (Kataloge des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Trier) (in Vorbereitung). Die obere Platte hatte v. Wilmowsky schon 1842 im „Gotischen Saal“ aufgestellt, vgl. Weber, Restaurierungsbericht 162.
- Vgl. R. Hamann-Maclean, Das Freigrab, in: ZS f. Kunstwissenschaft 32 (1978) 95-136, zur Definition 95 f.
- Walrand, Geschichte des Domes 119 berichtet, daß 1803 das Grabmal aus der Liebfrauenkirche verschwand; es lag dann im Kreuzgang, vgl. Hansen, Dom 37. Nach gescheiterten Versuchen, eine würdige Wiederaufstellung zu erreichen, vgl. Schommers 325 Anm. 57, wanderte das Grabmal über Kreuzgang und altes Dommuseum daselbst in den neuen Bau, vgl. auch Wiegand. Im Jahre 1845 brach die obere Platte beim Versuch, sie in die Liebfrauenkirche zurückzubringen.
- Der Begriff des „Doppeldecker-Grabmals“ bei Panofsky, Grabplastik 71; vgl. auch Bauch, Grabbild 258 f., zur problematischen Typologie Körner, Grabmonumente 56 f. Schommers 330 f. hatte aus dem Aussehen der Plattenunterseite (vier dünne Pfeilerauflagen und längliche Vertiefungen) und den Arkaturresten auf einen weitgehend offenen, d. i. durchsichtigen Aufbau geschlossen – wegen der Aufforderung an den Beschauer coge lumina ist das wohl richtig. Immerhin gleichen die Arkaturreste den durchbrochenen Maßwerkbögen am Grab des John Fitzalan (†1434) in der Kirche von Arundel (Vereinigtes Königreich, Sussex).
- Vgl. Schmoll gen. Eisenwerth, Marginalien 222-224; der Fortentwicklung der Bildhauerkunst gemäß nahm Schmoll eine bewegtere Darstellung als in Koblenz an, vgl. zum Denkmal Bolanden-Königstein Kdm. Stadt Koblenz, kirchlich 136 f. u. Abb. 95-97. Schommers 332 Anm. 82 gibt zu bedenken, daß ein Wappen mit Engeln die plastische Wirkung der Figur und die Proportion von Platte und Liegefigur gestört hätte – Metzger 312 kann dagegen aus dem Erfahrungsschatz Gerhaerts die Existenz des wappenhaltenden Engels bestätigen und sogar Ideen zum Aussehen vorlegen.
- Schommers Abb. 5 – Zuordnung ebd. 316.
- Die grex Palladia viel später im Epitaph des Johannes Houst (Nr. 502).
- Vgl. Miller, Sierck 28-33.
- Vgl. ebd. 213-224; Becker, Monastisches Reformprogramm; außerdem bei Otto von Ziegenhain (Nr. 255) und Johannes Rode (Nr. 260).
- So auch zeitnah Aeneas Silvius Piccolomineus, De viribus illustribus cap. 25 (De Karolo VII. Franciae rege), ed. Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 1c. Stuttgart 1842, 36 zum Friedensschluß von Arras: „apud Atrebatum“.
- Vgl. Miller, Sierck 42 ff.; außerdem J.G. Dickinson, The Congress of Arras 1435. A Study in Medieval Diplomacy. Oxford 1955; A.C. Reeves, The Congress of Arras, in: History today 22 (1972) 724-732; A.Girardot, Les Angevins, ducs de Lorraine et de Bar. Le pays Lorrain. 1978; B. Schnerb, Bulgnéville 1431. L’état Bourgignon prend pied en Lorraine. Paris 1993; H. Müller, Konzil und Frieden. Basel und Arras (1435), in: Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, hg. von J. Fried (Vorträge und Forschungen 43) Sigmaringen 1996, 333-390.
- Vgl. Miller, Sierck 153 ff., bes. 164 f.
- Vgl. Rudolph/Kentenich, Quellen 403-406.
- Nach der Rückkehr aus Wiener Neustadt erkrankte Sierck und blieb ab November 1455 in Pfalzel, vgl. Miller, Sierck 254 f.
- Vgl. ebd. 256 mit Anm. 15 zu den verschiedenen Todesdaten, von denen der 28. Mai die wahrscheinlichste Variante zu sein scheint, so auch Holzer, Necrologium fol. 36v.
- Vgl. Kerber, Itinerare 131 f. u. Karte 13.
- Vgl. Oberweis 139 f., hierzu 140 mit dem Verweis auf den Schematismus bei Alexander von Roes, wonach Italien für das „sacerdotium“, Deutschland für das „imperium“ und Frankreich für das „studium“ stünden.
- Sierck hatte in Heidelberg, Florenz und Rom studiert, war in Gesandtschaften an der Kurie und in Basel, mit den Anjou 1438 noch in Neapel, vgl. Miller, Sierck 8-11, 30 ff., 51.
- Miller, ebd. 255 Anm. 12, hatte aus dem Vorhandensein einer zweiten Strophe im Testament geschlossen, Sierck habe den Text (A) nur ausgewählt; wie die Überschrift dort, Epitaphia und Fragmente mit Schrift zeigen, waren beide Texte für das Hochgrab bestimmt und ausgeführt. Schommers 26 sah ein Indiz für Siercks eigene Planung auch im Fehlen der Grabtexte im offiziellen Testament, Sierck habe noch selbst Anordnungen für das Grabmal getroffen und nicht seinem Nachfolger übertragen – aber: Zum Nachfolger hatte er seinen Bruder Philipp vorgeschlagen, vgl. Miller, Nachlaßregelung (wie Anm. 1) 60; den Nachfolger spricht er explizit in Presul es ipse fui an; die späte Fertigstellung spricht für eine Einbeziehung Badens, vgl. bei Anm. 36. Im Testament hatte Sierck für sein Herzgrab in der Kathedrale von Metz eine Bischofsstatue aus Messing, die ein Herz in Händen halten solle, vorgeschrieben, vgl. Miller, ebd. 58. Die Trierer Angelegenheit wurde wohl auf andere Weise geregelt.
- Gesta Trev. cap. CCLXXVII, ed. Wyttenbach/Müller II 329.
- Horaz, Oden 3,30.
- Neben gewöhnlichen Transis sind hier vornehmlich zu nennen die Doppeldecker-Grabmäler für Landgraf Wilhelm II. (†1509, Denkmal frühestens 1516) in Marburg, vgl. F. Küch, Die Landgrafendenkmäler in der Elisabethkirche zu Marburg. Ein Beitrag zur hessischen Kunstgeschichte, in: ZS d. Ver. f. hess. Gesch. u. Lkde. 36/NF 26 (1903) 145-225, hier 199-202 u. Taf. VII, und den Utrechter Bischof Friedrich Markgraf von Baden (†1517) in Baden-Baden, vgl. Die Kunstdenkmäler der Stadt Baden-Baden, bearbeitet von E. Lacroix, P. Hirschfeld und H. Niester unter Mitarbeit von O. Linde ... (Die Kunstdenkmäler Badens X1,1) Karlsruhe 1942, 122-126 m. 2 Abb.; siehe auch DI 78 (Baden-Baden, Rastatt) Nr. 213.
- Vgl. umfassend Cohen mit Listen 189 ff. Zu Lagrange ebd. Abb. 5.
- Ebd. 42 f. Anm. 84. Schon Schmoll gen. Eisenwerth, Marginalien 217 u. ff. hatte erkannt, daß die französischen Transis nicht allein Vorbild für das Sierck-Grabmal sein konnten – hinzugenommen werden mußte die Gehäuse- bzw. Arkadentumba.
- Cohen 12-18, s. a. bei Anm. 29.
- Vgl. ebd. die Inschriften Chichele und Fleming sowie oben Sierck, auch Cohen 73 zum Doppeldecker von Thomas Heywood (†1492) in Lichfield, wo es am Ende heißt: Sum quod eris, fueram quod es ... Schreiber 81 meinte, Sierck habe an „diesem Grabmaltyp die visuelle Dualität von unausweichlichem Tod und andauernder Erinnerung fasziniert“.
- Vgl. Schommers 323 f. nach Meyer/Suntrup, Lexikon Zahlenbedeutungen Sp. 479-565 zu 7, Sp. 565-580 zu 8, Sp. 654-658 zu 15, bes. 655.
- Cohen 43-47.
- Ebd. 40-42 u. Bauch, Grabbild 258 gegen E. Kantorowicz, The King’s Two Bodies. Princeton 1957, 432-436. Vgl. dazu auch M.V. Schwarz, Chichele’s Two Bodies. Ein Grabmal in der Kathedrale von Canterbury, in: ders., Visuelle Medien im christlichen Kult. Fallstudien aus dem 13. bis 16. Jahrhundert. Wien 2002, 131-171, bes. 159-161, dezidiert gegen V. v. Flemming u. bes. H. Bredekamp, u. a. gegen ders., Politische Zeit. Die zwei Körper von Thomas Hobbes’ Leviathan, in: Geschichtskörper. Zur Aktualität von Ernst H. Kantorowicz, hg. von W. Ernst u. C. Vismann. München 1998, 105-118. Die Aussagen der Inschriften bestätigen aber Schwarz: der Gisant erinnert an den lebenden Sierck, der Transi zieht die Lehre aus seinem Tod – ein memento mori drastischer Art.
- Vgl. Fuchs, Fromme Männer – zur Verarbeitung biographischer Details im Totenlob von Trierer Bischöfen.
- Vgl. die Biographie bei Miller, Sierck. Kurz, vielfach kritisch urteilend Pauly, Geschichte des Bistums Trier II 129-131. Zur Abstammung vgl. auch Europ. Stammtafeln NF VII, Taf. 32 u. J. Florange, Histoire des seigneurs et comtes de Sierck en Lorraine. Paris 1895, 79-125. Miller, Nachlaßregelung (wie Anm. 1) bes. 63 stellte ein „numerisches Frömmigkeitsverständnis“, Hinwendung zu geistlichen Institutionen des eigenen Lebenskreises und ein auffallendes Fehlen karitativer Legate fest. Vgl. allgemein auch Seibrich in Gatz, Bischöfe 1448-1648, 663-665.
- Vgl. Recht 117 ff. zur Biographie, außerdem W. Paatz, Nikolaus Gerhaerts von Leyden, in: Heidelberger Jbb. 3 (1959) 68-94; Schmoll gen. Eisenwerth, Marginalien 209 f., der Paatz in der niederländischen Namenableitung und Kunstheimat folgte; G. Eis, Zum Leben und Werk des Straßburger Bildhauers Nikolaus Gerhaert, in: Archiv f. Kulturgeschichte 42 (1960) 294-308, der gegen Paatz kritisierte, daß Geburt in Leiden und patronymisches Genitiv-s am Namen nicht sicher bestimmt sind; man vgl. aber den Genitiv der Inschrift (C). Gerhaert starb 1473, vgl. DI 48 (Wiener Neustadt) Nr. 111.
- So Back, Nicht beachtetes Werk.
- So Schmoll gen. Eisenwerth, Marginalien 215 nach Zimmermann, Trierer Bildnerei 128 f.
- Vgl. Recht 119.
- Vgl. Kerber, Herrschaftsmittelpunkte 132. Eine direkte Verbindung Badens nach den Niederlanden gab es so früh noch nicht. Vielfach Zustimmung fand deshalb neuerdings eine Hypothese bei Zimmermann, Spätgotik Nachträge 95, die bezweifelte, daß Gerhaert zwangsläufig von den Niederlanden über Trier in den Straßburger Raum gelangt sei. Dieses Bild ergibt sich nur aus den wenigen datierten Werken in Trier (1462), Nördlingen (1462) und Straßburg (1464). Vgl. auch die diesbezüglichen Überlegungen bei der Malberg-Madonna (Nr. 295).
- Vgl. Recht 124 und Schmoll, Marginalien 210-214, der die wenigen Vergleichsstücke zusammentrug.
- Zum Kleriker-Epitaph vgl. Recht 139 ff. Nr. I.04. Zum Grabdenkmal der Kaiserin Eleonore, vgl. DI 48 (Wiener-Neustadt) Nr. 98. Die Minuskeln der Grabplatten ihrer Kinder, ebd. Nr. 75, 86, 97, stammen nicht aus der Gerhaert-Werkstatt.
- Vgl. Recht Abb. 22; mit der Signatur Schmoll gen. Eisenwerth, Marginalien Abb. 14 f.; eine Umzeichnung der Signatur bei O. Schmitt, Oberrheinische Plastik im ausgehenden Mittelalter. Freiburg i.Br. 1924, 55.
- Die vorsichtige Zuschreibung des Speyerer Verkündigungsreliefs der Venningen (ca. 1465) an Nikolaus Gerhaert durch H. Krohm, Zuschreibungen an Niclaus Gerhaert von Leyden. Eine noch längst nicht abgeschlossene Diskussion, in: Skulptur in Süddeutschland 1400-1470. FS f. A. Schädler, hg. von R. Kahsnitz. München 1999, 109-129, hier 122 m. Abb. 16, kann paläographisch nicht gestützt werden: Bei dem Trierer Denkmal gibt es keine Doppelbrechung, das durchaus ähnliche versale A ist weniger aufwendig geziert, der rechte Teil des gebrochenen oberen Bogens des a und der obere Bogenabschnitt des d stehen steiler, oberer Bogenabschnitt und Balken des e umfassen einen geringeren Raum, die Unterlänge des p ist proportional kleiner, das Bogen-r durchgehend geschwungen.
- Schmoll gen. Eisenwerth, Madonnen Niklaus Gerhaerts 58, dagegen schon Schommers 313 Anm. 12, aber neuerdings wieder die Unterschiede betonend und sogar dem Wirken von sekundären Kräften zuschreibend Metzger 310.
Nachweise
- Testamententwurf des Erzbischofs Jakob von Sierck, 30. Januar 1456 (LHA Koblenz, Abt. 1 D 1171) Nachtrag.
- Clencher, Praesules fol. 156v (A).
- Brouwer, Annales (UB Bonn, Hs. S 413) fol. 408v (A).
- Brouwer/Masen, Antiquitates et annales II 289 (A).
- Epitaphia archiep. Trev. fol. 9v (A, B2).
- Müller, Schicksale der Gottes-Häuser (BA Trier) 41; (StB Trier) 37 f. (A tw.).
- Epitaphien, in: Chr. d. Diözese Trier 1829, 168 f. Nr. 29 (A).
- Hansen, Beiträge Pfarreien 65 (A).
- Hansen, Dom 37 (A).
- Günther, Grabmahle 34 f. (A).
- Bärsch, Moselstrom 179 (A).
- Aus’m Weerth, Kunstdenkmäler I 3, 93 u. Taf. LX,2.
- Gallia christiana XIII Sp. 473 f. (A).
- Wiegand, Führer Diözesan-Museum 35 Nr. 133 f. (A, C).
- F. Back, in: Jb. d. freien deutschen Hochstifts in Frankfurt 1912, 110 (C) (n. e.).
- Ders., Ein nicht beachtetes Werk des Nicolaus Gerhaert von Leyden, in: Münchner Jb. f. Bildende Kunst 8 (1913) 200-204 (C), Abb. 1 f. (A).
- Demmler, Beiträge Nikolaus Gerhaert Abb. 1 (A).
- Beitz, Hl. Trier Abb. 68.
- Lückger, Gotische Plastik in Trier 27 ff. (erw.).
- Wertheimer, Nikolaus Gerhaert 38-40 (A, C), Abb. 2 (A tw., C), Taf. 6-9a (A).
- Pinder, Dt. Plastik Mittelalter 355.
- Witte, Tausend Jahre dt. Kunst I 142 (C) u. Abb. Taf. 179.
- Kentenich, Trier. Geschichte und Kunstschätze 80 Abb. 23.
- Kdm. Trier Kirchen 187-191 (A, C) u. Abb. 146.
- Zimmermann, Trierer Bildnerei, Taf. 9.
- Frenz, Schulkreise 52 (erw., n. e.).
- Schmoll gen. Eisenwerth, Marginalien 215 ff. (erw.) u. Abb. 7.
- Pauly, Geschichte des Bistums Trier II Abb. S. 121.
- Cohen, Metamorphosis 19 Anm. 14 (A).
- Miller, Sierck 255 (A).
- Recht, Nicolas de Leyde Abb. 25.
- Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum 52 (C) u. Taf. 21.
- Lichter, Chronogramme 32 Nr. 1 (A tw.).
- A. Schommers, Das Grabmal des Trierer Erzbischofs Jakob von Sierck (†1456). Deutungs- und Rekonstruktionsversuch von Inschrift und Grabaufbau, in: TrZ 53 (1990) 311-333, (A, B1, C), Abb. 1 (A), 2 (A, C), 3 (A), 4 (Testamentnachtrag A, B1), 5 (B1).
- Terpitz, Figürliche Grabdenkmäler 338 Nr. 149 (A).
- Schmid, Bischof 186 ff., 196 (C), Abb. 8.
- M. Groß-Morgen, in: Horizonte. Nikolaus von Kues Nr. 77.
- Fuchs, Angesicht des Todes 71 f. (A, B).
- Oberweis, En prenant les lettres 137 f. (A).
- S. Schreiber, Studien zum bildhauerischen Werk des Niclaus (Gerhaert) von Leiden (Europ. Hochschulschriften, Reihe XXVII, 400) Frankfurt a. M. u. a. 2004, Abb. 25-29 (kein Zitat).
- Zu ewigem Gedächtnis und Lob 53 (Abb. von B u. Figur).
Addenda & Corrigenda (Stand: 07. Februar 2024):
Hinweis zum Kommentar: Die Amtsbezeichnung v. Siercks im vorletzten Absatz wurde von Reichskanzler in Römischer Hofkanzler korrigiert, die Datierung hinzugefügt. In Anm. 1, 5 und 31 wurde jeweils der letzte Satz hinzugefügt, in Anm. 41 der Hinweis auf Metzger.
Nachtrag zur Beschreibung und zum Kommentar
Das Hochgrab Erzbischof Jakobs I.(!) von Sierck besteht aus Jaumont-Kalkstein, den Sierck aus seiner Heimat kannte,1) der aber nicht ein ideales Material für detailreiche Bildhauerarbeiten darstellt; im Allgemeinen wird aber Niclas Gerhaert von Leyden ein hochprofessioneller Umgang damit bescheinigt.
Das Testament, in dem auch die Sekundärbestattungen von Herz in Metz und Eingeweiden in Mettlach geregelt sind, bespricht ausführlich Metzger, Vnser lester wille 310 f.
Anmerkungen
- 1.Vgl. I. Peller-Séguy, Überlegungen zur Baugeschichte der Franziskanerkirche in: Kontinuität und Wandel (1994) 187–192, hier 191 f., bestätigt durch Metzger, Vnser lester wille 308.
Nachweise
- Metzger, Vnser lester wille 309 f. m. diversen Detailabb. u. Taf. 44.
Zitierhinweis:
DI 70, Stadt Trier I, Nr. 272 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di070mz10k0027200.
Kommentar
Schon die frühesten Gewährsleute hatten ihre Probleme mit dem Verständnis der „horridi atque barbari sane versus“1) sogar der oberen zweifelsfrei lesbaren Inschrift (A). Während deren Text, wiewohl in seiner historischen Aussage mißverstanden, einigermaßen verläßlich abgeschrieben wurde, steht der Text von (B) außer im Testamentnachtrag nur in den Epitaphia, für die er wahrscheinlich erst um die Zeit des ersten Abbaus abgeschrieben wurde. Diese Abschrift ist fehlerhaft, wie falsche Metren und zum Testamentnachtrag abweichende Zeilenzuweisungen zeigen. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß bei der Übertragung des Entwurfs aus dem Testament anders als bei (A) große Abweichungen umgesetzt worden wären. Ein Fragment mit Schriftresten dürfte aus dem Wort modo des 5. Verses stammen.6) Die Lesung mitris im letzten Vers für putris in Epitaphia ergibt durchaus Sinn für „... und laß uns schnell ewige Mitren erlangen“ und löst das Problem der Numeri; dann ginge aber der Bezug zum Verwesungsbild verloren. Für die neuralgische Stelle im dritten Vers bei scriabre gibt es keine weitere Überlieferung. Hier ist in Erinnerung zu rufen, daß die Hauptüberlieferung der unteren Inschrift (B) als Nachtrag im Testament steht und dort durchaus einen vorläufigen Charakter gehabt haben kann, so daß metrische und lexikalische Defekte dort nicht, wohl aber vielleicht in der Inschrift (B1) ausgebessert wurden. Das kann aber allenfalls kleinere Textpassagen wie das Wort silicum in (A) betroffen haben.
Für die weniger eindeutigen Verse der Inschrift (A) hatte schon Brouwer eine Deutung versucht, indem er in den Versen 3 bis 5 einen Hinweis auf die diplomatische Tätigkeit Siercks zwischen den Höfen von Papst, Kaiser und französischem König erkannte und den anschließenden Vers auf Siercks Bemühungen um die Gründung der Trierer Universität bezog; dann müßte man in Palladiis eine Anspielung auf Pallas Athene7) und in trebatum eine Form des Ortsnamens Trier annehmen, was sich nicht verifizieren läßt. Außerdem soll Trier von seinem Bruder militärisch geschirmt worden sein. Die Inschrift setzt möglicherweise nach einem Hinweis auf die doppelte Bildaussage des Etagengrabes Akzente aus der Biographie des Verstorbenen und thematisiert anspielungsweise seine Verdienste um Frieden und Einigkeit, etwa als erfolgreicher Unterhändler zwischen Papst Eugen IV. und König Sigismund wegen Anerkennung, Konzil und Kaiserkrönung,8) Reform in Klöstern und Stiften9) sowie seine spektakuläre Rolle im Friedenskongreß von Arras im Jahre 1435: Dazu müßte man Palladiis als Verballhornung von palatiis (= Pfalz) und trebatum als Kurzform von atrebatum für Atrebates, im Mittelalter aus dem römischen Stammesnamen abgeleitet für Arras in Nordostfrankreich, verstehen.10) Bei diesen Verhandlungen über einen burgundisch-französischen Friedensschluß, der in Basel angestoßen worden war, nahm Sierck als Rat des 1431 in der Schlacht von Bulgnéville in burgundische Gefangenschaft geratenen Herzogs René von Lothringen teil, dem während der Haft die Anjou-Besitzungen in der Provence und Süditalien (Neapel und Sizilien) zugefallen waren. Weil er den Vertrag nicht gefährden wollte, hatte König Karl VII. von Frankreich (apex Galle) in Arras mit Burgund Frieden geschlossen, ohne die Freilassung Renés einzubeziehen. Das gelang erst dessen Räten unter Führung seines neuernannten Kanzlers der nordalpinen Lande, Jakob von Sierck, im Laufe zweier Jahre harter Verhandlungen und kompliziertester Vereinbarungen.11) Diese Sachlage ist am besten in der Übersetzung von Schommers wiederzuerkennen, in der Cesar auch auf den französischen König bezogen ist; sollte man für drei Personen Vokative annehmen, also für Kaiser, Karl VII. und René, bliebe der gescheiterte „Kühne“ in Arras ungenannt, und es läßt sich auch nicht sagen, wer damit gemeint sein könnte – Karl der Kühne war damals knapp zwei Jahre alt. Wenig wahrscheinlich ist auch, daß der Kaiser angesprochen werden sollte, denn Sigismund war 1456 schon lange tot, und als Handelnder, als jener „Kühne“, in Arras kaum anzusprechen.
Ausgehend vom Chronostichon wurde für die drei letzten rätselhaften Verse von Michael Oberweis eine neue Deutung vorgelegt, die inhaltlich überzeugt, die grammatischen Erscheinungen berücksichtigt und ohne die vermeintlichen Verballhornungen Palladiis statt Pal(l)atiis bzw. Trebatum statt Atrebatum auskommt: Mit vier Vokativen sind bestimmte Personen angesprochen, deren besonderer Wertschätzung sich Sierck erfreute – das sieht man am Fehlen des feindlichen Burgunders: Cesar kann sich nur auf das Reichsoberhaupt beziehen, entweder auf Sigismund, für den Sierck in den 1430er Jahren tätig war, oder auf Friedrich III.; Apex Galle meint die „gallische Spitze“, König Karl VII. (†1461); Silicum rex Rene meint Herzog René von Lothringen (†1480), seit 1435 König von Sizilien; Ytle muß wie Galle als Vokativ verstanden werden und kann sich nicht auf ein Königtum Renés in Italien beziehen, stellt vielmehr eine metrisch bedingte Verkürzung von Itale, Italer bzw. Römer, dar, womit nur der Papst als für die diplomatische Tätigkeit Siercks vierter Eckpunkt gemeint sein kann. Somit bezieht sich die Vergewisserung dieses Verses auf die Aussagen davor. Palladium spielt auf den Schutzschild der Athene an, der Troja ewige Wohlfahrt und Schutz gewährte. Trebatum wäre in Trier niemals als Verballhornung für Atrebatum (= Arras) erkennbar gewesen, sondern nur als Variante des vom eponymen Heros Trebeta abgeleiteten Ortsnamens; freilich könnte man wie bei Silicum einen Fehler in der Herstellung vermuten, das der üblichen Form entsprechende Trevirum wäre metrisch unbedenklich. Die dunkle Aussage, unter dem Schutz der Stadt Trier habe ein Kühner sein Wagnis nicht ausführen können, dürfte auf die Rebellion von drei Kapitularen anspielen, die im Streit um die Obödienz 1445-1447 Papst Eugen IV. zu einer Absetzungsbulle und ein Interdikt für Trier verleiteten; mit dem temerarius könnte also Eugen IV. oder auch der Exekutor der Bullen Johann von Heinsberg, Bischof von Lüttich und alter Feind Siercks, gemeint sein.12) Die Stadt Trier hatte ihrem Erzbischof mit einem Bündnisvertrag und Loyalitätsversprechen den Rücken gestärkt.13)
Der Tod ereilte den lange krank daniederliegenden Erzbischof14) wohl am 28. Mai 145615) in Pfalzel, seinem häufigsten Aufenthaltsort,16) wonach man diesen Ort durchaus als vertraut bezeichnen durfte, was angeblich die eigenwillige Diktion der Inschrift mit Germanus ausdrückte – so Schommers; die Brüder Arnold oder Philipp von Sierck – so Brouwer/Masen – sind gewiß nicht gemeint. Die Bezeichnungen Galle und It(a)le stehen in den Zäsuren des vorangehenden Hexameters und damit an herausgehobenen Stellen. Daher kann man nach Oberweis mit Fug und Recht in Germano den fehlenden Teil der „Ländertrias Frankreich, Italien, Deutschland“ nachgeschoben sehen.17)
Die Inschrift (B) setzt dem oben dargestellten Würdenträger im Ornat – der hervorstechende Ring und die Mitra sind ausdrücklich genannt – komplementär zum Transi, dem angenagten Leichnam, den Verfall entgegen, wie er ähnlich im Spruch der Toten an die Lebenden entgegentritt: Der Betrachter, Siercks Nachfolger nämlich, solle die Mahnung des Todes ernst nehmen und Vorkehrungen für beider Seelenheil treffen. Voraussetzung dafür ist, sich nicht von äußerem Prunk blenden zu lassen; dies – so die gelehrten und von Siercks möglichen frühhumanistischen Kontakten18) inspirierten Anspielungen – führe geradewegs zu den Parzen (strenae fati), die Konzentration auf das Weltliche mache den Übergang über den Acheron, den Scheidefluß ewiger Verdammnis, schwieriger, gefährlicher. Diktion und Themenauswahl lassen eine in Einzelheiten gehende Einflußnahme Siercks auf die Grabtexte vermuten.19) Man wird sich dem von Schommers wieder aufgenommenen Verdikt Brouwers zum „rohen“ Latein nicht ohne weiteres anschließen dürfen. Vielmehr dürfte in die kunstvolle, anspielungsreiche Diktion ein Wesenszug Siercks eingeflossen sein, der nach dem Urteil der Gesta sehr schlau war, so daß ihn niemand verstehen ... konnte, und der auch zu seinen Edlen immer in Parabeln und niemals herzlich oder vertraulich gesprochen habe.20) Auf demselben hohen intellektuellen Niveau bewegt sich auch die Signatur Gerhaerts, in der das sonst im weiten Umkreis nicht bezeugte exegit an „Exegi monumentum aere perennius“ des Horaz21) anklingt.
Das zweigeschossige Grab – das Siercksche ist das früheste erhaltene auf dem Boden des alten Reiches und könnte den Typ verbreitet haben22) – muß Sierck auf seinen weiten Reisen bzw. durch seine weitreichenden diplomatischen Kontakte kennengelernt haben. Die frühesten erhaltenen Objekte stammen zwar aus England, doch sind ältere Darstellungen des sogenannten Transi, also des verwesenden Leichnams, in Burgund und im französischen Nordosten bekannt. Die erste zweifache Darstellung am Grab des Kardinals Jean de Lagrange in Avignon stammt von 1402.23) Wenn auch die Idee des Transi-Grabes von Sierck stammen mag, so könnte ihre Umsetzung nach den englischen Vorbildern doch auf Gerhaert zurückgehen.24)
Den frühen Denkmälern mit doppelten Darstellungen, nämlich jenen von Henry Chichele (†1443, Denkmal von 1424), Erzbischof von Canterbury, und von Richard Fleming (†1431), Erzbischof von York, sind Inschriften eines gemeinsamen Tenors eigen,25) die im Kontrast von weltlichem Ruhm und Vergänglichkeit, von gloria und esca vermium et cinis, die didaktische Mahnung ihrer Darstellungen unterstreichen. Sie sind also ins Monumentale übersetzte Darstellungen des memento mori, des Spruches der Toten an die Lebenden, des „Was ich bin, wirst Du sein“.26) Die Gegenüberstellung von Diesseits und Jenseits findet sich auch formal in der auf sieben und acht Verse gesplitteten Inschrift Siercks niedergelegt: Sieben Verse beziehen sich auf das Leben, acht auf den Tod und das Danach; dem entspricht die Deutung der Zahl 15 als Summe von sieben und acht, nämlich im Verhältnis von irdischer und zukünftiger Ewigkeit – es manifestiert sich in den sieben Wochentagen und der Auferstehung am achten Tag.27) In diesem Kontrast liegt sicherlich der Hauptakzent dieser Grabmäler, ja ihre Botschaft, wenngleich – im letzten Vers der Sierckschen Inschrift klingt das ebenfalls an – sie immer auch noch die Hoffnung auf die Auferstehung ausdrücken und als eines der Instrumente, diese zu erreichen, gelten.28) Dagegen können sie kaum Ausdruck der mittelalterlichen Zweikörper-Theorie gewesen sein, wonach der Gisant das überindividuelle Amtsverständnis bzw. den über den Tod triumphierenden Amtskörper und der Transi den dem Tod verfallenen Individualkörper darstellte.29) Die Inschrift Siercks unterscheidet sich von denen der verwandten Denkmäler, indem sie über den bloßen Werdegang des Verstorbenen hinaus seine Verdienste in der Welt hervorhebt; hinter den verklausulierten Sätzen sind konkrete Ereignisse und Handlungen zu erkennen, die Inschrift verharrt nicht im Tugendkatalog des Amtes.30)
Jakob von Sierck, Sohn des Arnold und der Lise Bayer von Boppard, stammte aus einem dem lothringischen Herzogshaus eng verbundenen Geschlecht und blieb das selbst sein Leben hindurch. Durch verwandtschaftliche Protektion erhielt er Nominierungen für Kanonikate in Metz und Trier, studierte ab 1414 in Heidelberg, danach in Florenz und Rom, immer in der Nähe der Kurie, an der er weitere Ämter erwarb. Bei der Wahl zum Trierer Erzbischof 1430 noch unterlegen, erlangte er den Stuhl 1439. Seine zwischenzeitlich erworbene Fähigkeit im diplomatischen Dienst, seine Teilnahme am Konzil von Basel, seine Missionen für Sigismund und René von Anjou sicherten ihm eine beachtenswerte Rolle in der Reichspolitik, zunächst als Römischer Hofkanzler (1442 Juni Mitte – August Mitte) Friedrichs III. Trotz der schwierigen Situation des Erzstifts nach dem Schisma von 1430 gelang ihm eine Stabilisierung der Lage, wenngleich der Anfall Luxemburgs an Burgund nicht verhindert werden konnte. Zwar führte Sierck die Rodesche monastische Reform weiter und stritt erfolgreich mit den Koblenzer Mendikanten um das Armutsideal, setzte Akzente in der Bildungsreform für Kanoniker und niedere Kleriker, der auch der Plan einer Universität nachhelfen sollte, doch lassen sich keine ausgeprägten spirituellen Neigungen erkennen. Sierck wird als durchaus „moderner“ Mensch des 15. Jahrhunderts gelten können, wäre aber ohne sein Grabmal eher als gewiefter Diplomat und pathologischer Schacherer in Erinnerung geblieben.31)
Das Siercksche Grabmal gilt als ältestes, zumindest als das älteste sicher datierte Werk des Nikolaus Gerhaert von Leiden (†1473).32) Es zeigt den Künstler auf dem Höhepunkt seines Schaffens, und man fragte sich, wie er an den Auftrag kam. Zunächst sah man als Vermittler des schon in Straßburg Wirkenden den von dort stammenden Maximiner Abt Anton Träublein (Nr. 307 f.);33) auch die internationalen Verbindungen des Cusanus könnten den Meister aus Leiden gerufen haben.34) Mit Leiden sei der Geburtsort oder wahrscheinlich der letzte Wohnort vor 1462 genannt;35) dann müßte Gerhaert von Norden nach Süden gewandert sein. Er könnte aber auch über die Familie des Nachfolgers Johann von Baden (Nr. 291) nach erster Tätigkeit in Straßburg (später sogar in Baden-Baden) berufen worden sein. Dem entspräche gut die späte Fertigstellung 1462, sechs Jahre nach dem Tode Siercks, da Baden erst am 12. Mai 1460 in Trier einziehen konnte.36) Die künstlerische Herkunft Gerhaerts scheint indes klar erkennbar zu sein: Er lernte seine Kunst in den Niederlanden, in Burgund, vielleicht sogar an der Loire. Zumindest die Plastizität der Sierckschen Figur ist verwandt mit jener der Grabfiguren von Karl I. von Bourbon und Agnes von Burgund (1448-1453) in Souvigny.37)
Die exakte Linienführung der Schrift und die stark gezierten Versalien lassen sich kaum nachverfolgen, da die Werke Gerhaerts im badisch-elsässischen Raum bis auf die kurze Inschrift des Kanoniker-Epitaphs, des sogenannten Busang-Epitaphs, im Straßburger Münster kaum beschriftet sind und seine Produktion am Kaiserhof in Österreich die dort in Mode gekommene frühhumanistische Kapitalis aufgriff.38) Zu jenem Straßburger Werk von 1464, das mit n · v · l · signiert ist,39) bestehen in der Tat die engsten Übereinstimmungen in der Proportion der Buchstaben, in dünnen, teils geschlungenen Auszierungen bei einzeln stehenden Buchstaben bzw. am Wortrand, im besonderen bei den Buchstaben a und g und im durchgebogenen linken Schaft des v. Das Straßburger Denkmal hat allerdings zu wenig Buchstaben und vor allem keine Versalien, um der Schrift eine gewichtige Aussage zumessen zu können.40) Wenn der Schrift der Signatur (C) ein „nachträglicher Charakter“ zuerkannt wurde,41) darf das nicht zu der Annahme führen, sie stamme nicht von Gerhaert oder unterscheide sich von der Schrift des Grabgedichts – alle Beschriftungen des Sierckschen Grabmals weisen dieselben stilistischen Merkmale auf, sogar das kleine Fragment von (B), indem von der ersten oberen Brechung des Schaftes von m eine Zierlinie ausgeht genau wie beim m des Chronogramms.