Inschriftenkatalog: Stadt Trier I
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 70: Stadt Trier I (2006)
Nr. 189 Rhein. Landesmuseum, aus St. Maximin (1257)/1258
Beschreibung
Grabstein(?) oder Epitaph des Abtes Heinrich (von Bruich/Bruch), der ursprünglich vor dem Andreasaltar bei der Sakristei begraben lag; die offenbar mehrzeilige Inschriftenplatte war an der Wand angebracht.1) Drei kleine Fragmente, die im Laufe der Grabungen von 1916 ins Landesmuseum gelangten (Inv. Nr. 16.672 = Fragm. 1-2), 16.670 = Fragm. 3) und vom Fundedepot 18 (Fragm. 1-2 aus Regal 7e, 9f – nach dem Plan des Bearbeiters) sowie vom Funddepot 009 (Fragm. 3 vom Fach 82) auf die Paletten Nr. 759 f. und 1025 ausgelagert wurden, konnten der kopial überlieferten Inschrift zugewiesen werden. Demnach handelte es sich um eine rechteckige Platte aus hellem Sandstein mit wahrscheinlich neun Inschriftenzeilen; unter einer leicht vorgewölbten Leiste wurden wohl sechs Zeilen zwischen doppelten Linien nach dem Metrum gestellt, drei weitere unter einem unbekannten Zwischenraum ohne Lineatur. Die Fragmente stammen aus der linken oberen Ecke und jeweils dem letzten Drittel der Zeilen sechs bis neun. Die untere Kante des dritten Bruchstücks ist mittlerweile verloren und nur noch auf dem Foto des Landesmuseums lesbar.2) Als Worttrenner dienen halbkugelig vertiefte Punkte.
Ergänzt nach Brusch, teilweise korrigiert nach Novillanius.
Maße: H. (Fragm. 1) 20,5, B. (Fragm. 1) 18, H. (Fragm. 2) 17, B. (Fragm. 2) 19, H. (Fragm. 3) 15, B. (Fragm. 3) 19,5, Bu. (Fragm. 1) 3,1-3,4, (Fragm. 2) 2,8, (Fragm. 3) 3,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
[A]BBA · V[IR INSIGNIS VELVT AVRVM QVOD PROBAT IGNISE]MERIT[VS MERITIS CLARVS TITVLIS HOMO MITISHENRICVS LECTO PVTRETa) HOC IN PVLVERE SECTOQVEM DEVS EVEXIT HINCb) DVM FEBRVARIVS EXITFLEBILE PRAESENTES PRAESENS EPIGRAMMA LEGENTESIMPLORENT CHRISTVM SVPERI]Sc) COADV[NET VT ISTUMEXANIMESd) ARTVSe) PATRIS ANGVLVS]f) EXCIPI[T ARTVSg)ANNO MILLENO DOMINI DECI]ES D[VODENOBIS QVINQVAGENO SEPTEN]Oh) TER [QVOQVE DENO]
Übersetzung:
Abt Heinrich, ein berühmter Mann gleichwie Gold, das das Feuer prüft, verdient durch seine Wohltaten, berühmt durch seine Ehrentitel, ein milder Mann, liegt zu Staub zerfallen morsch auf diesem Totenbett. Ihn hat Gott von hier hinaufgeführt, als der Februar endete (28. Februar). Die Lebenden, die dieses klagende Grabgedicht lesen, mögen Christus anflehen, daß er diesen mit den Himmlischen vereine. Die entseelten Glieder des Vaters nimmt der enge Schlupfwinkel in sich auf. Im Jahre des Herrn 1000 und zehnmal 12 (120), zweimal 50 (100), sieben und dreimal zehn (30) (d. i. 1257).
Versmaß: Neun Hexameter, zweisilbig leoninisch, die beiden letzten unisoni.
Textkritischer Apparat
- PVTRESCIT Novillanius, [Wiltheim], ed. de Reiffenberg; PVTREFIT Hs. 1625/402.
- So Brusch, alle anderen FINE, FERE [Wiltheim], ed. de Reiffenberg.
- SVPEROS Novillanius u. Hss.
- EXAMINES Novillanius, Hs. 1626/401.
- Nach Novillanius u. a. ARCTVS gegen ARTVS Brusch, [Wiltheim], ed. de Reiffenberg.
- Nach Novillanius u. a. gegen ANGELVS Brusch.
- Nach Novillanius u. a. gegen ORTVS Brusch, ARCTVS [Wiltheim], ed. de Reiffenberg.
- SEPTENO in Novillanius korrigiert, SEPTIMO andere Hss. u. v. Hontheim; Bertholet.
Anmerkungen
- Novillanius: „Obiit hic pater anno Domini 1257. Sepultus ante altare S. Andreae prope sacristiam. In pariete ista habentur metra:“.
- Foto Neg. Nr. C 2636 u. 3574.
- Frühbeleg bei Goerz, Mittelrhein. Regesten II Nr. 2015: „1231 mense martii“ umgerechnet auf März 1232. Eine Art Gesta abbatum vom Anfang des 16. Jh. datierte den Tod Abt Heinrichs auf den letzten Februar des Jahres 1261, vgl. StB Trier, Hs. 1396/154, fol. 30r; aus einer anderen Gruppierung der Multiplikation in der Inschrift ist diese Jahreszahl nicht zu erreichen.
- Novillanius bei v. Hontheim.
- Vgl. W. Weber, in: Germania Benedictina IX (1999) 1051 u. MRUB III Nr. 829 f., außerdem Tertius liber hospitalis S. Elisabethae (LHA Koblenz, Abt. 211, Nr. 2122) 1.
- Das hebt auch das Nekrolog hervor, vgl. StB Trier, Hs. 1635/48, fol. 15r; der Elemosinar verteilte am Todestag Heinrichs vier Pfund unter den Anwesenden von Vigil und Messe; vgl. auch Goerz, Mittelrhein. Regesten III Nr. 197; außerdem Tertius liber hospitalis S. Elisabethae (LHA Koblenz, Abt. 211, Nr. 2122) 14. Der Todestag auch im Kalendar des Hospitals, vgl. StB Trier, Fragmente VI, fol. 1v.
- Vgl. Goerz, Mittelrhein. Regesten II Nr. 1463 zum Tod Heinrichs Ende Februar 1258 u. Einleitung Kap. 6.2. Th. Kölzer/R. Nolden, in: Germania Benedictina IX (1999) 1066 setzen den Todesfall wie alle vor ihnen außer Goerz ins Jahr 1257. Zum Trierer Stil auch klärend Fuchs, Mos Treverensis 108-112.
- MRUB III Nr. 1429 u. Goerz, Mittelrhein. Regesten III Nr. 1453.
- Goerz, Mittelrhein. Regesten III Nr. 1887 = LHA Koblenz Abt. 211 Nr. 232.
- MRUB III Nr. 1404 u. Goerz, Mittelrhein. Regesten III Nr. 1408.
- In der Memoria des Hospitals wird allerdings auch Abt Heinrich von Daun als „consanguineus friderici imperatoris“ wie sein Vorgänger in roter Farbe an der Spitze von Wohltätern notiert, vgl. Tertius liber hospitalis S. Elisabethae (LHA Koblenz, Abt. 211, Nr. 2122) 127.
- Goerz, Mittelrhein. Regesten III Nr. 2329 aus einem Koblenzer Chartular. Es handelt sich dabei um das Kopiar des Elisabeth-Hospitals, „Documenta liber I“, LHA Koblenz, Abt. 211, Nr. 2118, 293 f./fol. 145r-v, Nr. 267/CCL – im Urkundenverzeichnis zu Abt. 211 nicht verzeichnet.
Nachweise
- Brusch, Monasteriorum centuria prima fol. 127r.
- Novillanius, Gesta abbatum fol. 47r; (StB Trier, Hs. 1626/401) 564; (ebd. Hs. 1625/402) fol. 52r; ed. v. Hontheim, Prodromus 1021.
- [Wiltheim], Series abbatum 57, ed. de Reiffenberg, Series abbatum 16.
- Bertholet, Hist. de Luxembourg VI 361 Nr. LIX.
- Gallia Christiana XIII Sp. 536 f.
- Fuchs, Mos Treverensis 109.
Zitierhinweis:
DI 70, Stadt Trier I, Nr. 189 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di070mz10k0018909.
Kommentar
Die offenbar kleiner und dann wieder größer werdende Schrift spricht nicht gegen eine Zuschreibung der Fragmente zur Grabinschrift Abt Heinrichs. Die Stilstufe der Buchstaben ist für eine Zeit kurz nach der Mitte des 13. Jahrhunderts verhältnismäßig fortgeschritten; sie weisen auch eine ungewöhnliche Qualität der Ausführung auf, sind freilich noch gut in den Reifeprozeß der Majuskel einzuordnen, da nur E abgeschlossen ist, nicht jedoch C, und nur E als Unzialbuchstabe gebildet ist, soweit man das bei dem geringen erhaltenen Text überhaupt als Kriterium akzeptieren mag. Beginnende Schwellungen und das noch trapezförmige symmetrische A mit überstehendem Balken sind ebenfalls zeitkonform; auf eine progressive Schriftgestaltung weist auch die Form des D mit vergleichsweise kurzem Schaft gegenüber einem überhöhten Bogen hin, die anderswo meist erst am Ende des Jahrhunderts auftritt und dann gerade in späten, schlanken wie breiten, Majuskeln gehäuft vorkommt.
Bei der Grabinschrift für Abt Heinrich von Bruich/Bruch („de palude“) (1231/32-1258)3) handelt es sich noch um eine in Trier schon länger übliche Form von metrischen Grabinschriften, die ab der Mitte des 13. Jahrhunderts sonst oft von lapidaren Sterbevermerken auf Umschriftplatten abgelöst werden. Sie war in der Nähe des Grabplatzes, der sich vor einem Altar befand, angebracht. Abt Heinrich erhielt von Papst Gregor IX. 1235 einen Indulgenzbrief zugunsten des Kirchenbaus.4) In seine Amtszeit fällt die durch den Brand von 1240 verzögerte Neuweihe der Kirche am 28. Juni 1245.5) Er gründete außerdem 1240 das Elisabeth-Hospital beim Kloster (Nr. 391), wie u. a. Maximiner Nekrologe unter dem 28. Februar vermerken.6)
Ob die in der Inschrift angegebene Jahreszahl um eins auf 1258 zu erhöhen ist, weil als Jahresanfang in Trierer Urkunden häufig Annuntiatione Mariä (25. März) benutzt wurde, ist noch zu klären; so konsequent, wie Goerz die Angaben für seine Regesten umrechnete, wurde der Trierer Stil in Inschriften wohl nicht angewandt – jedenfalls kann man es nur selten beweisen.7) Für die Grabinschrift Abt Heinrichs von Bruch ist das allerdings möglich, obwohl sein Nachfolger Heinrich von Daun gleichnamig war und daher zeitnahe Urkundenbelege nur schwer zugeordnet werden können. Zwei Nachrichten sichern den Tod Heinrichs im Februar 1258 ab: Am 16. Januar 1257 – so der Urkundentext – stiftete Abt Heinrich Einkünfte aus angekauften Gütern für Begräbnistag und Anniversar.8) Es liegt nahe, daß er das kurz vor seinem Tod tat; der Tag müßte also ebenfalls auf 1258 umgerechnet werden, wie Goerz das vorschlug. Abt Heinrich von Daun stiftete das Anniversar für sich und seine Eltern erst 1263 V 23.9) Noch am 29. Juni 1257 überwies ein Abt Heinrich eine Almosenpräbende an das Elisabethhospital mit gewissen Auflagen.10) Daß diese Stiftung von dem Nachfolger Heinrich von Daun getätigt sein könnte, ist eher unwahrscheinlich, da Heinrich von Bruch das Hospital gegründet und auch ein Interesse an seiner Ausstattung hatte.11) Die Annahme ist sogar zu widerlegen, denn am 1. Februar 1268 – so errechnet aus 1267 – bestätigte Abt Heinrich von Daun die Ordination seines Vorgängers vom 29. Juni 1257; an diesem Faktum besteht kein Zweifel, da die Vorurkunde wörtlich in die Bestätigung inseriert ist.12)