Inschriftenkatalog: Stadt Trier I
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 70: Stadt Trier I (2006)
Nr. 37† ehem. Kloster St. Maximin 915?
Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]
Beschreibung
Grabplatte(?) oder Sarkophag des Abtes Regino von Prüm, im Juli 1581 bei Ausschachtungsarbeiten für Glockengüsse im Bereich des Klosters („in area coenobii d. Maximini“) gefunden. Aus der Überlieferung zu den Glockengüssen (Nr. 528-530) weiß man, daß die Gruben und mithin die Särge direkt vor dem Kircheneingang gefunden wurden. Einen größeren identifizierte man mittels der Inschrift als den Abt Reginos; über seinen Gebeinen lag in zwei Teile zerbrochen der hölzerne Abtsstab. Die Inschrift war schon teilweise verloschen.1) Anhand der Fundsituation und vagen Beschreibungen kann man sich einen Sarkophag vorstellen, auf den auch die Inschrift aufgebracht war; eine Grabplatte ist aber nicht auszuschließen.
Nach Wiltheim.
Schriftart(en): Kapitalis.2)
[– – –]a) FOSSAb) REGINONIS CONTINET OSSAc)[– – –]d)[– – –]ABBAS EGREGIVS PRAEFVIT IPSE PIVSCOENOBIO QVONDAM PRVMIENSI MORIBVS ALMISPOSTQVAMe) [– – –]O(BIIT)f) [– – –] DCCCCXV
Übersetzung:
(...) dieses Grab enthält die Gebeine Reginos. ... Ein vorzüglicher Abt, stand er dem Kloster Prüm fromm in heiligen Sitten vor. Nachdem ... Er starb ... 915.
Versmaß: Drei elegische Distichen, leoninische Reime möglicherweise unregelmäßig und nicht als solche geplant.
Textkritischer Apparat
- Textverlust jeweils durch Punkte angezeigt. Novillanius gibt nur REGINO ABBAS PRUMIENSIS.
- FESSA Eckhausen, Müller, Regino ed. Pertz, ed. Kurze.
- scilicet abbatis bei Eckhausen angefügt, aber nicht zum Inschrifttext gehörig.
- Verlust von zwei Zeilen, nicht bei allen so wiedergegeben.
- Fehlt mehrfach, auch bei v. Hontheim.
- Mehrfach durchgestrichenes O, aber auch Theta wie Brouwer/Masen, Metropolis Hs. 1365/109; ebd. ed. v. Stramberg: &c.
Anmerkungen
- Wiltheim: „... erutae arcae lapideae sunt, quarum una grandior, ubi tegumentum amotum hominis supine cubantis ossa et cineres claudebat. ... Iacebant transversim impositae cadaveri litui lignei diffracti duae partes, carie tantum non exesae. ... Arcae adscripti versus erant sed aetate trunci“. Eckhausen spricht von einem „sarcophagus magnus“, v. Hontheim von einer „arca lapidea ... grandior“.
- Alle Gewährsleute bringen die Inschrift wenigstens teilweise in Kapitalis; in Brouwer/Masen, Metropolis Hs. 1365/109 ist die letzte Zeile auf dem Rand in Kapitalisbuchstaben gewissermaßen nachahmend nachgetragen.
- Vgl. E. Hlawitschka, Regino von Prüm (gestorben 915), in: Rhein. Lebensbilder 5 (1975) 7-27.
- Vgl. Kraus.
- Zum der Vita angefügten Vers Hac sunt in fossa Bedae venerabilis ossa vgl. Bede’s Ecclesiastical History of the English People ed. by B. Colgrave, R.A.B. Mynors. Oxford 1969, lxxiii. Dieser Vers dürfte nicht zeitgenössisch sein, vgl. Strecker, Studien 210 f. Anm. 5 mit weiteren Belegen.
- Vgl. Beispiele bei Deschamps, Étude sur la paléographie Abb. 2 ff., zu 876 (in Bazouges, Mayenne) vgl. auch Favreau, Épigraphie médiévale 97.
- Kraus 207 Nr. 438,1.
- Vgl. Nisters-Weisbecker, Grabsteine am Niederrhein 290 Nr. 113 m. Abb.
- DI 2 (Mainz) Nr. 655.
- Vgl. Kraus II 321 f. Anh. II Nr. 3 u. Strecker, Studien 211 f.
- DI 31 (Dom Aachen) Nr. 9.
- Vgl. Glaser/Bornschlegel, Datierungen 540; Koch, „Dem Got genad“ 289.
Nachweise
- Brouwer/Masen, Metropolis (Hs. 1365/109) fol. 139v (marg. Nachtrag), ed. v. Stramberg I 467.
- Novillanius, Gesta abbatum fol. 16v (tw.).
- Wiltheim, Origines et annales D. Maximini (BR Bruxelles, Ms. 7147) Lib. IV 9 = fol. 5r; (StB Trier, Hs. 1621/99,2) 9; (ebd. Hs. 1622/405) 886; (Rhein. Landesmuseum, Hs. 1) 1082 f., ed. v. Hontheim, Hist. dipl. Trev. I XLII, add. ad p. 152.
- Eckhausen, Chronologia fol. 289v.
- Müller, Schicksale der Gottes-Häuser (BA Trier) 552; (StB Trier) 502 f.
- J.H. Wyttenbach, in: Trierisches Wochenblatt 1819, Nr. 8.
- Müller, Nicolaus Zyllesius 7.
- [Müller], No. 23 der historischen Nachlese. Beiträge zur Literärgeschichte Triers, a. Reginos Sterbejahr, in: Tr.Kronik 1820, 7.
- J.H. Wyttenbach, Noch ein Wort über Regino und die Urschrift seiner Chronica, in: Arch. d. Gesell. f. ältere deutsche Geschichtskunde 3 (1821) 291-296, hier 293.
- Regino, Chronicon, ed. Pertz, MGH SS 1. Hannover 1826, 537, ed. Kurze VI.
- Schannat/Bärsch, Eiflia illustrata I 1,144.
- Schu, Unsere Processionen II 247 (nach v. Hontheim) u. 559.
- Kraus, Christliche Inschriften II 189 Nr. 387.
- Kdm. Trier Kirchen 323.
Addenda & Corrigenda (Stand: 01. Februar 2024):
Hinweis zum Kommentar: Der letzte Satz wurde hinzugefügt.
Nachtrag zum Kommentar
Aus seiner profunden Kenntnis der St. Maximiner Nekrologfälschungen1) konnte Francesco Roberg das Grab Reginos von Prüm in St. Maximin erklären: Die syntaktische Struktur des bisher nicht ausreichend beachteten Eintrags zum 1. November „Reginerus presbyter et monachus nostre congregationis et abbas sancti Martini ad litus“ kann sich wegen der älteren Schrift der Nachtragshand H7 (1114–1124) nicht auf den jüngeren Abt von St. Martin beziehen, sondern nur auf Regino von Prüm,2) der somit als einer jener zahlreichen „professi“ von St. Maximin zu gelten hat, die anderen Konventen vorgesetzt wurden.3)
Damit eröffnet sich freilich auch eine ganz neue Sicht auf die von Brusch, Brouwer und anderen mitgeteilte Inschrift für den angeblich jüngeren Abt von St. Martin namens Reginer (Nr. 169), weil der in der Inschrift mitgeteilte Todestag, der 1. November, auch für den Nekrologeintrag gilt. Bisher war nicht bekannt, dass dieser Nachtrag einer Hand des frühen 12. Jahrhunderts (H7) zuzuordnen war. Die Gewährsleute der Inschrift setzten diese einhellig später an, weshalb im Inschriftenband trotz Bedenken wegen der einsilbigen Leoniner der am 1. November verstorbene Abt Reginer mit jenem vor und nach 1200 belegbaren identifiziert wurde. Die Zeitstellung des Nekrologeintrags und somit seine Zuordnung zu einem älteren Abt war aus der unzureichenden Edition bei Kraus nicht zu erkennen.4) Der einsilbige Leoniner ist im 10. bis 12. Jahrhundert verbreitet, in St. Maximin sogar schon in Ansätzen erkennbar für die vermutlich alte Regino-Inschrift (Nr. 37). Auch die Verwendung des Festkalenders (Allerheiligenfest) ebendort steht einer relativen Frühdatierung nicht entgegen. Die Nachricht der angeblich jüngeren Inschrift (Nr. 169) bezieht sich eindeutig jedoch auf Regino (Nr. 37), zubenannt von Prüm.5) Da man den frühen Gewährsleuten keine paläographisch differenzierende Datierung zutrauen kann, bleibt die Datierung des Textes Francigenae stirpis … (Nr. 169) offen; er könnte für das alte Regino-Grab nachgefertigt sein.6) Bedenken, der Todestag 1. November in der Inschrift (Nr. 169) und im Nekrolog des frühen 12. Jahrhunderts weiche von Reginos Todestag im Nekrolog von St-Hubert (28. Mai) ab und die Beobachtung, der Nekrolognachtrag berücksichtige gewöhnlich keine vor 934 verstorbene Mönche,7) sind gewiss ernst zu nehmen, doch könnte gerade ein zeitlicher Abstand der Inschrift Nr. 169 diese Unstimmigkeiten erklären. Nach Roberg gehörte Regino zu den von St. Maximin aus auf höhere Stellen berufenen Mönche. Damit ist allerdings die Datierung der Reginher-Inschrift Nr. 169 von dem Vorschlag zu lösen und kann auch kaum eingegrenzt werden, da die einsilbig gereimten Leoniner noch lange vorkommen.
Anmerkungen
- 1.Vgl. Roberg, Gefälschte Memoria und Necrolog St. Maximin, ed. Roberg.
- 2.Necrolog St. Maximin, ed. Roberg 143 sub 1. November.
- 3.Vgl. F. Roberg, Neues zur Biographie des Regino von Prüm, in: Rhvjbll. 72 (2008) 224–229, hier 226-228.
- 4.Vgl. Kraus, Necrologium St. Maximin 117.
- 5.Vgl. eine jüngere Zusammenfassung zur Person bei H.H. Anton, Regino von Prüm (um 840–915). Geschichtsschreiber, Kirchenrechtler, Musiktheoretiker, in: Porträt einer europäischen Kernregion. Der Rhein-Maas-Raum in historischen Lebensbildern, hg. von F. Irsigler u. G. Minn. Trier 2005, 9–15.
- 6.Noch unter falschen Voraussetzungen wurde diese Inschrift von Glaser/Bornschlegel, Datierungen 542, Anm. 89, zum 12. Jh. gerechnet.
- 7.So Resmini, BenediktinerAbtei St. Maximin 1261 f.
Zitierhinweis:
DI 70, Stadt Trier I, Nr. 37† (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di070mz10k0003700.
Kommentar
Abt Regino von Prüm mußte sein Stammkloster, zu dessen Abt er 892 gewählt worden war, schon 899 nach einer Intrige der Matfridinger aufgeben und ging ins Trierer Exil; dort übernahm er im Auftrage Erzbischof Ratbods (vorangehende Nr.) die Leitung des Klosters St. Martin. Durch die Reorganisation der Prümer Grundherrschaft und die Abfassung eines musiktheoretischen Traktates „De harmonica institutione“ hatte sich Regino für weitere Aufgaben empfohlen; bekannt wurde er freilich durch sein Synodalhandbuch und seine von Christi Geburt bis 906/908 reichende Weltchronik.3)
Ein Teil der älteren Literatur, hier sogar der Chronist von St. Maximin, Eckhausen, bezweifelte die Identität Reginos von Prüm und des gleichnamigen Abtes von St. Martin; die Inschrift ist leider an der betreffenden Stelle verstümmelt. Zu den Ungereimtheiten jener Dekaden nach dem Normannensturm gehört, daß der Abt von St. Martin in St. Maximin begraben wurde, sein Tod jedoch nicht im dortigen Nekrolog des 10. Jahrhunderts, sondern nur in dem des Klosters St-Hubert (Ardennen) unter dem 28. Mai eingetragen wurde.4)
An die Junktur fossa – ossa, die seit der Grabinschrift Bedas in der Memorialdichtung gepflegt wurde,5) anknüpfend, enthält die Grabinschrift Reginos bis auf die Angabe des Todesjahres keine verdächtigen Formularteile. Das wird in der Tat seltenst verzeichnet; im westfränkischen Material häufiger,6) kennt man in den Rheinlanden nur wenige Beispiele: In Prüm war die Grabinschrift des Abtes Markward (†853) mit dem Todesjahr versehen,7) die Zeitstellung des Textes kann freilich nicht beurteilt werden; erhalten haben sich außerdem die Grabinschrift des Weihbischofs Hildebert von 862 in Köln-St. Gereon8) und die des Propstes Wignand von 1048 in Mainz-St. Stephan.9) Die Inschrift für Eigil von Verona (†802) in Reichenau-Niederzell könnte jünger sein,10) den Titulus Karls des Großen in Aachen11) wird man nochmals überdenken müssen. Schon Maria Glaser und Franz Bornschlegel sowie Walter Koch hatten die Angabe des Todesjahres erst in der ersten Hälfte des 12., sicher verbürgt und zahlreicher erst in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts angesetzt.12) Die Inschrift Reginos könnte dann zu den wenigen Ausnahmen gehören, schlägt sie doch im Formular, nämlich in der Junktur FOSSA … OSSA, eine Verbindung zu dem gleichfalls mit Inkarnationsjahren arbeitenden Chronisten Beda. Andererseits lässt sich die frühe Zeitstellung damit nicht wirklich beweisen. Mittlerweile wird an die Inschrift Nr. 169 ebenfalls Regino von Prüm zuweisen dürfen, man vergleiche im Nachtrag zu den Inschriften 37 und 169.