Der epigraphische Tipp

Folge 15: Was ist ein „Papierabklatsch“?

Die Herstellung von Papierabklatschen (engl. squeeze) bezeichnet in der Epigraphik die Reproduktion einer Inschrift mittels mechanischer Durchreibung auf Papier. Die Abklatschtechnik ist so alt wie die Epigraphik selbst. Diese Technik wurde schon im 16.Jh. gelegentlich angewandt. Zur Herstellung werden ungeleimtes Papier (Löschpapier), eine kräftige Bürste, Schwamm und Wasser sowie eine Stecknadel benötigt.

Die Inschrift wird gründlich abgewaschen, sodann wird auf der noch nassen Fläche das trockene Papier möglichst glatt mit dem nassen Schwamm angedrückt. Das Papier saugt nun eine für die Elastizität ausreichende Menge Wasser auf. Entstehende Luftblasen können durch Anstechen mit einer Nadel beseitigt werden. Mit der Bürste wird das Papier durch kräftiges, möglichst gleichmäßiges Klopfen in die Vertiefungen des Objektes getrieben. Auftretende Risse können durch Darüberlegen und Anklopfen angefeuchteten Papiers leicht repariert werden. Das Papier soll möglichst am Objekt trocknen.

Werden getrocknete Papierabklatsche mit Fixativ o.ä. behandelt, lassen sich von ihnen sogar Abgüsse nehmen. Abklatsche sind wichtige Hilfsmittel bei der Edition von Inschriften, da sie - anders als Fotografien - den dreidimensionalen Charakter einer Inschrift bewahren. Dem Vorteil einer genauen Aufnahme der Vertiefungen im Stein steht als Nachteil allerdings die Gefahr gegenüber, dass mögliche Farbreste durch das Wasser vernichtet werden können.

Nachfolgend eine Beispielnummer aus Band 66 Göttingen (Landkreis):

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 38 Hann. Münden, ev.-luth. Kirche St. Blasius

Beschreibung

Glocke. Bronze. Die Uhrschlagglocke hängt außen am Turm und konnte daher nur nach Fotos1) und dem im Pfarrarchiv von St. Blasius aufbewahrten Papierabklatsch eines Teils der Inschrift bearbeitet werden. Die im Verhältnis zu ihrer Höhe recht breite Glocke trägt an der Schulter eine zwischen zwei schlichten Stegen umlaufende Inschrift. Der Papierabklatsch zeigt über dem Wort de beginnend die unteren Buchstabenteile einer oberhalb des oberen Stegs verlaufenden Inschrift, die möglicherweise die Inschrift zwischen den Stegen fortsetzt. Soweit sich dies nach den Fotos, die nur eine Seite der Glocke zeigen, beurteilen läßt, ist die Glocke abgesehen von den geflochtenen Kronenöhren sonst ohne weitere Verzierungen. Obwohl die Glocke 1942 vom Kirchturm abgenommen wurde, blieb sie vor einer Einschmelzung zu Kriegszwecken bewahrt.2)

Maße: Dm.: 78 cm; Bu.: 3,5 cm.3)

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. an(n)o · d(omi)ni · m° · c°c°c°c° · xxx · hi(n)rik · heyst(er)bo(m) · me · fecit · ek · make · de · vre [ – – – ]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1430 hat mich Heinrich Heysterbom gemacht. Ich mache dich frei ... .

Kommentar

Die Inschrift ist in einer sehr sorgfältig gegossenen gotischen Minuskel ausgeführt, die t mit begleitendem Zierstrich, das y endet unten in einem Blättchenornament. Die Worttrenner in Form von Sternchen, Kreuzen und Quadrangeln.

Über den Glockengießer Heinrich Heysterbom ist nichts bekannt.

Anmerkungen

  1. StA Hann. Münden, Albumsammlung, Fotoalbum Pleuser, Bilder der Glockenabnahme vom 13. März 1942.
  2. Die Glocke war ebenso wie die Glocke von 1281 (Nr. 3) schon Mitte des 19. Jahrhunderts gefährdet, eingeschmolzen zu werden, da der Kirchenvorstand von St. Blasius den Plan faßte, sämtliche Glocken ohne Rücksicht auf ihren historischen Wert durch ein neues Geläut zu ersetzen. Pfarrarchiv St. Blasius, Hann. Münden, Nr. 51301.
  3. Maßangaben nach Aufzeichnungen und dem Papierabklatsch im Pfarrarchiv St. Blasius, Hann. Münden.

Nachweise

  1. Fotos 1942, StA Hann. Münden, Albumsammlung, Fotoalbum Pleuser.
  2. Pfarrarchiv St. Blasius, Hann. Münden, Papierabklatsch.

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 38 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0003805.