Die Inschriften der Stadt Stralsund

5. Inschriften und Inschriftenträger

5.1. Grabmäler und Grabinschriften

5.1.1. Grabplatten, Grabfliesen, Gruftplatten und ein Grabstein

Mehr als 205 in diesem Band publizierte Grababdeckungen und -steine machen etwa 45 % aller Inschriftenträger aus – ein wesentlich geringerer Anteil, als er für den 2009 publizierten Greifswalder Inschriftenbestand ermittelt wurde.54) Es handelt sich um 190 Grabplatten(-fragmente), elf Grabfliesen, mindestens drei Gruftplatten und wohl nur einen Grabstein. Die Inschriften von acht Grabplatten sind ausschließlich abschriftlich überliefert.55) Die weitaus meisten dieser Steine waren und sind in St. Nikolai (ca. 120) zu finden, es folgen als Standorte St. Jakobi und St. Marien (jeweils 31), Heilgeist (8) und St. Johannis (5).

Bei Grabplatten handelt es sich um große Platten aus Stein, selten aus Messing, die im Kirchenboden verlegt wurden und Grabstellen abdeckten. Die kleineren Grabfliesen dienten zu mehreren, meist im Verbund mit einer Grabplatte, dazu, eine Grabstelle vollständig zu bedecken, wenn die eigentliche Platte dafür nicht mehr genügte, weil beispielsweise eine zweite Grabstelle hinzugekauft worden war. In aller Regel wurden auf Grabfliesen nur eine Hausmarke und/oder die Initialen des Besitzers angebracht.56) In Stralsund ließen sich in drei Fällen einzelne Grabfliesen einer großen Grabplatte zuordnen; sie werden jeweils in einem Katalogartikel behandelt (Kat.-Nr. 265, 324, 424). Die ältesten datierten Grabfliesen tragen die Jahreszahlen 1580 (Kat.-Nr. 199) und 1601 (Kat.-Nr. 260), in der Masse handelt es sich jedoch um Beschriftungen aus späterer Zeit.

Als Gruftplatten werden solche Steinplatten bezeichnet, zu denen Hinweise vorliegen, dass der inschriftlich genannte Bestattete bzw. dessen Familie eine Gruft erworben hatte, deren Zugang durch einen Stein verschlossen war (Kat.-Nr. 216, 219, 387). In zwei Fällen ist die Gebrauchsfunktion nicht eindeutig zu bestimmen (Kat.-Nr. 215, 352). Bei Grabsteinen schließlich handelt es sich um ursprünglich aufrecht an der Kirchenwand angebrachte Grabmäler. Sie sind von Grab- und Gruftplatten zu unterscheiden, die aus dem Fußboden aufgenommen und an den Kirchenwänden angebracht wurden, als man sie nicht mehr nur wegen ihres Materialwerts, sondern bereits als historische Quellen schätzte. Bei dem Stein Kat.-Nr. 264 handelt es sich um den einzigen Grabstein im Bestand.

Der relativ geringe Anteil von Grabplatten in diesem Band ist dem Umstand geschuldet, dass in den Stralsunder Kirchen nahezu 400 Grabplatten(-fragmente) und Grabfliesen liegen, deren älteste Inschriften, in Kapitalis oder Fraktur ausgeführt, undatiert sind. Sie können prinzipiell sowohl vor als auch nach dem Jahr 1650 entstanden sein. Insbesondere dann, wenn Informationen wie eine Jahreszahl oder ein identifizierbarer Name fehlten, war eine Entscheidung hinsichtlich einer Zuordnung oder Aussonderung aus dem Katalog zunächst nicht möglich. Auf der Basis eines schriftgeschichtlichen Datierungsgerüsts,57) ergänzt durch sprachgeschichtliche Überlegungen, wurden schließlich diejenigen Inschriften dem Katalog zugeordnet, deren Entstehung bis 1650 aufgrund von vergleichbaren, datierten Beispielen plausibel erschien.58)

Die Weiternutzung und Neubeschriftung von steinernen Grabplatten durch die Jahrhunderte ist – darauf wurde bereits im Kontext der Greifswalder Inschriften hingewiesen59) – ein Phänomen der [Druckseite 27] küstennahen Hansestädte. Der pragmatische Umgang mit der Importware Werkstein weit über Stralsund hinaus hatte zur Folge, dass gerade die ältesten, paläografisch und stadtgeschichtlich besonders interessanten Inschriften heute meist in einem so schlechten Zustand sind, dass weder eine detaillierte schriftgeschichtliche noch eine prosopografische Auswertung möglich ist. Neben Neubeschriftungen und Tilgungen, denen vor allem Besitzernamen und Jahreszahlen zum Opfer fielen, beeinträchtigt(e) auch die Abnutzung der Grabplattenflächen durch die Füße der Kirchenbesucher die Lesbarkeit der Inschriften – ein andauernder Prozess, der auch für Wappen und Hausmarken gilt, die als bild- und symbolhafte Ergänzungen der Eigentümernamen dienen.

Die auf vielen Platten und Fliesen in mehreren Durchläufen eingemeißelten neuzeitlichen Nummerierungen60) dienten der Verwaltung der Grabstellen, die erworben oder verpachtet werden konnten, durch die Kirchenprovisoren. Die Nummern wurden häufig durch bildhafte Besitzzeichen der jeweiligen Kirche ergänzt: einen Bischofsstab im Fall der Nikolaikirche, eine Krone für die Marienkirche sowie eine Jakobsmuschel für St. Jakobi.

Auch wenn die Platten schließlich spätestens zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihre Funktion als Grababdeckungen verloren hatten, weil Bestattungen in den Kirchen mittlerweile untersagt waren,61) blieben sie doch als Fußbodenplatten unentbehrlich und wurden in diesem Zusammenhang im Zuge von Baumaßnahmen immer wieder neu verlegt. Weil sie dabei oft auch zugeschnitten wurden, führte dieser Prozess zu weiterem Schriftverlust. Aus diesem Grund sind die ältesten Inschriften nicht nur, wie bereits dargelegt, vielfach abgetreten, sondern darüber hinaus in aller Regel nur bruchstückhaft erhalten. Vollständige, mit Sterbedatum und Namen erhaltene mittelalterliche Inschriften (vgl. etwa Kat.-Nr. 2, 6, 52) sind somit nur auf Grabplatten zu finden, die längere Zeit unter dem Kirchenfußboden verborgen waren und damit für die Weiternutzung nicht zur Verfügung standen.

Von etwa 200 im Katalog behandelten Grabplatten gehören knapp 30 dem 14. Jahrhundert, knapp 50 dem 15. Jahrhundert und mindestens 20 der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Entstehungszeitraum von mehr als 60 Grabplatten aufgrund ihres schlechten Erhaltungszustandes nicht genauer als auf ein halbes Jahrhundert, gelegentlich auch auf einen noch größeren Zeitraum, festgelegt werden konnte. Den folgenden Ausführungen liegen vor allem datierte Grabplatten und -fliesen bzw. deren Inschriften zugrunde. Die ältesten in Stralsund erhaltenen Grabplatten entstanden in den zwanziger und dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts. Die trapezförmige Platte in Voigdehagen (Kat.-Nr. 2, 1320 o. später) weist eine um ein schmuckloses Innenfeld umlaufende Inschrift auf, eine weitere in St. Jakobi (Kat.-Nr. 4, 1333) einen Wappenschild, in dessen Rand die Inschrift eingemeißelt wurde. Auf einer nicht erhaltenen Platte (Kat.-Nr. 12) war die Inschrift kreisförmig angebracht. Ebenso wie diejenige auf dem ältesten figürlichen Grabmal für den Ratsherrn Gerwin Storkow sind die Inschriften in gotischer Majuskel ausgeführt (Kat.-Nr. 6, 1338).

Die erste Grabplatte mit einer datierten Inschrift in gotischer Minuskel stammt aus dem Jahr 1353 (Kat.-Nr. 21). Die repräsentative, figürliche Messingplatte für den 1357 verstorbenen Albert Hovener wurde in Flandern gegossen und graviert. Diesem bedeutenden Importstück, das den Wohlstand und Repräsentationswillen eines Stralsunder Bürgermeisters bezeugt, ist eine zweite, nicht erhaltene Messingplatte, die 1355 ebenfalls für einen Bürgermeister und seine Familie angefertigt wurde, an die Seite zu stellen (Kat.-Nr. 22, 23). Einige steinerne Grabplatten waren einst mit kleineren Buntmetalleinlagen für eine Inschrift oder einen Wappenschild verziert; diese wertvollen Teile wurden aber später nahezu ausnahmslos entfernt. Eine Ausnahme stellt die Grabplatte Kat.-Nr. 94 (1452 o. später) dar, deren Wappen in Form einer Messingeinlage erhalten ist.

Auf der Hovener-Platte finden sich zum ersten Mal Evangelistenmedaillons als Eckverzierungen der umlaufenden Schriftleisten. Eine schlecht erhaltene steinerne Grabplatte in St. Jakobi lässt neben [Druckseite 28] solchen Eckmedaillons auch einen gelehnten Wappenschild mit einer Hausmarke erkennen (Kat.-Nr. 25, 1367).62) Darüber hinaus kommen auch komplexere Rosetten und einfache Blüten als Eckverzierungen oder auch nicht gefüllte Plattenecken vor. Achteckig gerahmte Evangelistenmedaillons verweisen ins 15. Jahrhundert; datierte Belege sind etwa Kat.-Nr. 44 (1415), Kat.-Nr. 54 (1447) und Kat.-Nr. 94 (1452 o. später).

Dass in Stralsund in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts – und damit deutlich früher als in Greifswald – neben umlaufenden Inschriften auch schon solche in querlaufenden Zeilen angebracht wurden, zeigt Kat.-Nr. 24 (1360, 1390 und später). Auch einige wenige im Achteck um einen Wappenschild oder eine Hausmarke herum angeordnete Inschriften des 15. Jahrhunderts sind erhalten (Kat.-Nr. 46, 60, 62). Neben den bereits erwähnten Grabplatten des 14. Jahrhunderts mit Personendarstellungen sind für das 15. und frühe 16. Jahrhundert lediglich drei weitere erhaltene zu nennen. Sie wurden 1415 für einen Dominikaner, 1437 für einen Priester und 1516 für einen geistlichen Stadtschreiber angefertigt (Kat.-Nr. 44, 52, 135). Dieser Befund legt den Schluss nahe, dass kostspielige figürliche Grabplatten herausgehobenen Persönlichkeiten vorbehalten waren.

Nur noch insgesamt sechs Grabplatten oder Grabplattenfragmente bezeugen, dass über die Pfarrkirchen hinaus auch die Mendikantenklöster der Stadt, St. Johannis und St. Katharinen, als Bestattungsorte beliebt waren.63) Es ist davon auszugehen, dass die Grabplatten der Konventskirchen nach der Auflösung der Klöster disloziert und zweitverwendet wurden, wie etwa die Fundumstände der Platte Kat.-Nr. 44 nahelegen.

Stralsunder Grabplatten und Grabfliesen, deren älteste lesbare Inschriften zwischen 1550 und 1650 entstanden, machen mit einhundert Objekten die Hälfte der Gesamtmenge aus. Von diesen konnten 20 nicht genauer als auf ein halbes Jahrhundert oder in einen noch größeren Zeitraum datiert werden. Die älteste Grabplatte nach 1550 wurde um 1572 für den Bürgermeister Joachim Ketel und seine Ehefrauen beschriftet (Kat.-Nr. 186). Die meisten Platten bis zum Jahr 1650 folgen dem hier erkennbaren Gestaltungsprinzip: Sie weisen zeilenweise eingehauene Kapitalis- oder Frakturinschriften mit größeren (Kat.-Nr. 58) oder kleineren Wappenschilden (Kat.-Nr. 233) im Flachrelief auf. Viele Wappenschilde enthalten eine Hausmarke als Wappenbild; Hausmarken wurden aber auch als einfache Besitzzeichen angebracht. In beiden Fällen dienen zugehörige Namensinitialen einer genaueren Bestimmung der Hausmarke oder kennzeichnen die Verbindung von Grabplatte und zugehörigen Grabfliesen (Kat.-Nr. 265, 424). Eigentumsvermerke werden gelegentlich durch lateinische, später auch deutschsprachige Sprüche und Devisen ergänzt (Kat.-Nr. 83, 229, 385).

Eine kleinere Anzahl an Grabplatten und/oder Gruftplatten seit dem späten 16. Jahrhundert weist, soweit noch erkennbar, einen üppigeren Dekor auf. Dazu zählen die Schriftfelder umgebende, eckige Rahmen, oft mit halbrundem unterem Abschluss (Kat.-Nr. 40, 387, 419) sowie Embleme und allegorische Darstellungen beispielsweise von Engeln (Kat.-Nr. 273) und Memento-mori-Symbolen wie Stundengläsern (Kat.-Nr. 273) und Totenschädeln (Kat.-Nr. 378). Die letztgenannte Grabplatte zeigt, wie einige andere Platten kurz vor der Mitte des 17. Jahrhunderts, um die Inschriften herum eine barocke Kartusche.

Auf zwei gleichartig gestalteten Steinen von 1587 mit architektonischer Gliederung sowie lateinischen und niederdeutschen Kapitalis-Inschriften ist über großen Wappenschilden der auferstandene Christus zu sehen (Kat.-Nr. 215, 216). Mit lebensgroßen Darstellungen ausgeführt sind schließlich auch der Grabstein für das Ehepaar Joachim Klinkow, Bürgermeister, und Anna Völschow (Kat.-Nr. 264, 1601-1602?) sowie die Gruftplatte für General Jakob Mack Duwall und Anna von Berg (Kat.-Nr. 352, 1634?).

Grabplatten wurden nicht nur von Einzelpersonen und Familien, sondern auch von Korporationen erworben, so 1588 von den reitenden und laufenden Stadtdienern (Kat.-Nr. 218, 1588) und von den Barbieren und Chirurgen (Kat.-Nr. 330, 1630 oder später). Die zuletzt genannte Platte war [Druckseite 29] ausdrücklich auch für die Ehefrauen der Zunftmitglieder bestimmt. Eine inschriftlich ausgeführte, genaue Beschreibung des erworbenen Begräbnisplatzes über die eigentliche Grababdeckung hinaus bietet Kat.-Nr. 40 (C, 1637).

Der Besitzwechsel von Grabstellen und Grabplatten vollzog sich nicht nur durch Verkauf, sondern auch auf dem Erbweg, wie bereits die Erschließung der Greifswalder Inschriften deutlich gemacht hat.64) In Stralsund lässt sich der Erbgang etwa für die Grabplatten Kat.-Nr. 91, 157, 168 belegen. Bestimmte Gestaltungs- und Schriftmerkmale einzelner Grabplatten stimmen so weit überein, dass von ihrer Entstehung in derselben Werkstatt ausgegangen werden kann. Dies gilt zunächst für die Steine Kat.-Nr. 215, 216, 229 aus dem späten 16. Jahrhundert, sodann für Kat.-Nr. 298 und Kat.-Nr. 299 (1620), für Kat.-Nr. 369 (1638) und Kat.-Nr. 383 (1630-1639) sowie schließlich für Kat.-Nr. 386, 428 ungefähr aus der gleichen Zeit. Außer dem Steinmetzen Hans Lucht ist bislang kein Meister namentlich bekannt. 65)

Das Formular

Bis zum frühen 16. Jahrhundert lassen sich – sowohl auf Grabplatten als auch auf anderen Denkmälern des Totengedenkens – 30 lateinische Sterbevermerke nach dem Muster ‚Anno domini [Jahr und Tag] obiit [Name, ggf. mit voran- und nachgestellten Epitheta und Titeln] ...‘ nachweisen, danach bis 1650 elf weitere lateinische und sieben deutsche. Diese geringe Anzahl hängt mit dem fragmentarischen Erhaltungszustand gerade der älteren Grabinschriften zusammen, der keine eindeutige Bestimmung des Texttyps mehr zulässt. Die ältesten Sterbevermerke weisen die Grabplatten für N. N. (Petrus?) Ruc (Kat.-Nr. 4, 1333, ohne Tagesangabe) und Gerwin Storkow (Kat.-Nr. 6, 1338) auf; die jüngsten lateinischen die im Jahr 1555 für zwei Bürgermeister angefertigten Totenschilde (Kat.-Nr. 172, 173). Die danach entstandenen Inschriften der Grabplatte für den Bürgermeister Joachim Ketel und seine Ehefrauen stellen zwar Sterbevermerke dar, jedoch stehen abweichend vom mittelalterlichen Formular die Namen der Verstorbenen an erster Stelle (Kat.-Nr. 186). Seltene deutsche Sterbevermerke auf Grabplatten zeigen das Fragment Kat.-Nr. 221 (1590) und die Inschrift für Maria Borvitz (Kat.-Nr. 241, B, 1604).

Was die Angabe des Todestages betrifft, so erfolgte diese zunächst nach dem Heiligentag, einem Kirchenfest oder dem Introitus (Gesang am Beginn der Sonntagsmesse). Das erste Beispiel für die durchgehende Zählung der Monatstage findet sich auf der Grabplatte für Borchard Plötze (Kat.-Nr. 52, 1437). In seltenen Fällen wird auch die Tageszählung nach dem römischen Kalender praktiziert (Kat.-Nr. 131; vgl. auch das Epitaph Kat.-Nr. 366).

Acht vorreformatorische Grabbezeugungen (‚Hic iacet ...‘) befinden sich auf Grabplatten, die zwischen den 1320er Jahren bzw. der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Kat.-Nr. 2, 12) und dem Jahr 1519 (Kat.-Nr. 136) entstanden. Die Inschriften der nicht erhaltenen Messing-Grabplatte für den Bürgermeister Arnold Voet und seine Familie (Kat.-Nr. 22) kombinierten offenbar Grabbezeugungen mit Sterbevermerken (‚Hic iacet ... qui/quae obiit ...‘).

Die Inschriften auf Grabplatten in Form von Sterbevermerken und Grabbezeugungen, die den Todestag bzw. die Identität eines Bestatteten vermerken, werden mehr und mehr durch Eigentumsvermerke abgelöst. Die ältesten bedienen sich der lateinischen Wendung ‚iste lapis pertinet N. N. (et suis heredibus)‘. Sie kommt auf zehn Platten vor, deren erste datierbare Inschriften dem 15. Jahrhundert angehören (Kat.-Nr. 57, 93, B).

Möglicherweise noch vor dem Ende des 15. Jahrhunderts kommt die niederdeutsche Formel ‚Dieser Stein gehört N. N. (und seinen Erben)‘ vor, für die sich zwölf Nachweise finden ließen; der älteste Beleg ist wohl Kat.-Nr. 28 (4. V. 15. Jh.). Eine Erweiterung stellt die Formel ‚Dieser Stein und Begräbnis gehört N. N. (und seinen Erben)‘ dar, die seit dem frühen 17. Jahrhundert üblich wird und das Eigentum sowohl der Grabplatte als auch der darunter befindlichen Grabstelle festhält (Kat.-Nr. 206, B, 273).

[Druckseite 30]

Lateinische und deutsche Eigentumsvermerke werden bereits im 15. Jahrhundert gelegentlich (Kat.-Nr. 46, 1420), häufiger aber erst in der späteren Zeit durch das Jahr des Grabplattenerwerbs ergänzt. Datierte Belege finden sich seit 1586 (Kat.-Nr. 50, B, 58, C etc.). Sechs Vermerke in lateinischer Sprache wurden ausschließlich auf Grabplatten von Pastoren und Superintendenten bzw. Bürgermeistern angebracht (Kat.-Nr. 210, 219, zuletzt Kat.-Nr. 374, 382).

In Greifswald ließen sich in gotischer Minuskel ausgeführte Eigentumsvermerke, die nur aus einem Namen bestehen, vereinzelt seit dem späten 15. Jahrhundert nachweisen.66) Solche Inschriften kommen auch in Stralsund vor, aber keiner der elf möglicherweise noch mittelalterlichen Belege für diese Formel ist präzise datierbar, viele sind schlecht oder nur teilweise erhalten. Dennoch gibt es gute Gründe zu vermuten, dass dieser Texttyp bereits seit dem zweiten Viertel des 15. Jahrhundert vorkommt (Kat.-Nr. 58, A). Als Datierungszeitraum für schlichte Eigentümernamen, die über ihre Ausführung in gotischer Minuskel hinaus keine weiteren Datierungshilfen bieten,67) wird daher der Zeitraum vom zweiten Viertel des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts angenommen. Nach dieser Zeit ist die gotische Minuskel nicht mehr gebräuchlich.

5.1.2. Epitaphien und andere Grabmäler

Epitaphien und auch Totenschilde aus Holz oder Stein sind Grabmäler, die – anders als Grabplatten, Gruftplatten und Grabsteine – an der Wand angebracht wurden und nicht an den Begräbnisplatz gebunden sind. Von 30 Epitaphien68) sind 14 erhalten, die Inschriften von 16 sind nur abschriftlich überliefert. Die meisten Epitaphien zeigen deutliche Spuren von Erneuerungen sowohl der Personendarstellungen als auch der Inschriften, die teilweise sogar neu aufgetragen wurden, was gelegentlich auch inschriftlich vermerkt worden ist (Kat.-Nr. 177, 222, 350). Die ältesten erhaltenen Denkmäler wurden für den Geistlichen Christian Ketelhodt (1565) und für Margarete Schermer (1567), die Schwiegertochter eines Bürgermeisters, angefertigt (Kat.-Nr. 177, 180). Generell wurde die lateinische Sprache in Vers oder Prosa bevorzugt. Das nicht erhaltene Epitaph für das Ehepaar Staneke (1566) enthielt einen Hinweis auf die Grabplatte für den Ratsherrn im Chor von St. Nikolai (Kat.-Nr. 179, B). Nur für den Kaufmann Cord Middelborch, den Altermann der Goldschmiede Valentin Lafferdt und den Stadthauptmann Hinrick Swerin wurden im späten 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts gemalte Epitaphien mit niederdeutschen Inschriften angefertigt. Das Denkmal für den Kaufmann Cord Middelborch trägt frei formulierte Gedenkinschriften, die ausführliche Reflexionen über Tod und Auferstehung vor dem Hintergrund des Leidens Christi enthalten (Kat.-Nr. 185, D und E). Während wie in diesem Fall die Epitaphien üblicherweise lediglich kleine Darstellungen der Verstorbenen und ihrer Angehörigen mit biblischen Szenen zeigen (vgl. etwa Kat.-Nr. 198, 245), handelt es sich bei dem Epitaph für den Stadthauptmann Hinrick Swerin um das einzige Porträt-Epitaph für einen weltlichen Amtsträger. Schwerpunkt biblischer Darstellungen ist erwartungsgemäß die Auferstehung Christi, die gelegentlich durch alttestamentliche Szenen typologisch erläutert wird (Kat.-Nr. 180, 185, 198 usw.). Alle erhaltenen Epitaphien für Stralsunder Geistliche und Superintendenten bestehen aus Porträts und ergänzenden Schrifttafeln,69) wohingegen für weltliche Würdenträger und wohlhabende Bürger sowie deren weibliche Verwandte architektonisch aufgebaute und plastisch ausgearbeitete Denkmäler aus Holz oder Stein entstanden. Die größten dieser Epitaphien wurden für die Bürgermeister Joachim Klinkow (1601–1602) und Lambert Steinwich (1637) angefertigt. Das Steinwich-Epitaph bietet eine besonders emphatische Würdigung des Verstorbenen in lateinischer Sprache [Druckseite 31] (Kat.-Nr. 366). Diese Inschrift wird in ihrer Ausführlichkeit nur durch das Denkmal für Margarete Schermer übertroffen, auf dem in Versen über das Leben und die Tugenden der jung verstorbenen Tochter, Ehefrau und Mutter berichtet wird (Kat.-Nr. 180). Beide Denkmäler weisen einzeln eingestreute griechische Wörter auf. Neben solchen persönlichen Gedenkinschriften wurden auch lateinische und (nieder-)deutsche Bibelzitate gewählt, die auf unterschiedliche Weise das Thema der Auferstehung behandeln.

Lediglich drei Epitaphien wurden aus Sandstein und anderen Steinarten gefertigt (Kat.-Nr. 263, 325, 350), bei den übrigen handelt es sich um hölzerne, farbig gefasste Denkmäler. Aus derselben Werkstatt stammen Kat.-Nr. 222 und Kat.-Nr. 245, von der Hand des Zacharias Maus einige Porträt-Epitaphien.70) Steinmetzarbeiten derselben, anonymen Herkunft sind zunächst Kat.-Nr. 325, 329; dem Bildhauer Claus Midow wird das Klinkow-Epitaph zugewiesen. Schließlich lassen zwei 1555 entstandene hölzerne Totenschilde mit Sterbevermerken und den Wappen der verstorbenen Bürgermeister (Kat.-Nr. 172, 173) dieselbe Hand erkennen.

5.2. Kirchenausstattung

Aus dem Erfassungszeitraum bis 1650 sind nur zwei Glockeninschriften bekannt, von denen eine mittelalterliche aus dem Franziskanerkloster nur abschriftlich überliefert ist (Kat.-Nr. 99).71) Diese erstaunlich geringe Zahl ist zunächst wohl auf Zerstörungen durch Turmeinstürze zurückzuführen, wie sie für St. Nikolai und St. Marien bezeugt sind.72) Des Weiteren wurden im Jahr 1565 als Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Stralsunder Magistrat und den Provisoren von St. Nikolai, St. Marien und St. Jakobi mehrere bereits zersprungene Glocken in Stücke geschlagen, um daraus sowie aus Ziborien und Leuchtern im folgenden Jahr zwölf Geschütze zu gießen.73) Schließlich sorgten der Brand von St. Marien im Jahr 1647 sowie der auch St. Nikolai erfassende Stadtbrand 1662 dafür, dass alle älteren Glocken vernichtet wurden. Die einzige erhaltene Glocke befindet sich in St. Marien und entstand nach dem Kirchenbrand 1647 (Kat.-Nr. 404).

5.2.1. Retabel

Von bis zu zehn Altarretabeln des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, die in diesem Katalog behandelt werden, gehören nahezu alle zur Ausstattung von St. Nikolai. Ein Retabel war wahrscheinlich für den Stralsunder Franziskanerkonvent bestimmt (Kat.-Nr. 140), hat dieses Kloster aber nie erreicht. Ein weiteres Retabel, das sich ursprünglich möglicherweise im Dominikanerkloster befand und heute in der Kirche von Middelhagen (Insel Rügen) aufgestellt ist, wurde vor einiger Zeit im Kontext der Inschriften des Landkreises Rügen bearbeitet und daher im vorliegenden Band nicht erneut ediert.74) Diese Flügelretabel werden ergänzt durch drei oder vier an Pfeilern und Wänden angebrachte Retabelmalereien des 14. und frühen 15. Jahrhunderts (Kat.-Nr. 5, 8, 9, vielleicht auch Kat.-Nr. 51). Zwei nur teilweise erhaltene Objekte, die Skulptur des heiligen Olav in einem Schrein und eine Flügeltür, lassen keine sichere Funktionsbestimmung mehr zu (Kat.-Nr. 47, 61); Ähnliches gilt möglicherweise für das sogenannte Junge-Retabel mit der Schönen Madonna (Kat.-Nr. 63).

Die Retabelmalereien sowie der Olav-Schrein tragen lediglich Kreuzestituli in gotischer Majuskel und Heiligennamen in gotischer Minuskel, wobei auf Letzterem mit den dargestellten Heiligen Olav und Sunniva Stralsunder Handelsverbindungen in den skandinavischen Raum erkennbar werden. Die Heiligennamen am Schneiderretabel stellen lediglich Montieranweisungen dar (Kat.-Nr. 123). Die Nikolaustafel im Stralsund Museum (Kat.-Nr. 61), das von einem Mitglied der Familie Junge gestiftete [Druckseite 32] Altarretabel (Kat.-Nr. 63) sowie das Johannesretabel der Barbiere (Kat.-Nr. 64) zeigen lateinische Inschriften aus dem biblischen und liturgischen Kontext. Drei Retabel wurden mit niederdeutschen Bildbeischriften versehen, die Szenen aus dem Leben Jesu sowie der Heiligen Katharina und Franziskus erläutern; zu diesen Inschriften s. unten, Kap. 6, Exkurs ‚Niederdeutsch im Kloster?‘.

Auch nach der Einführung der Reformation wurden die mittelalterlichen Retabel in St. Nikolai teilweise weiter genutzt. Dies belegen ein nur teilweise lesbarer Schriftzug am Barbierretabel (Kat.-Nr. 64, D) sowie die Erneuerung der Predella des Kramerretabels (Kat.-Nr. 103). Andere wurden verkauft; so gelangte vermutlich nicht nur das bereits genannte Katharinenretabel aus Stralsund nach Middelhagen (Insel Rügen), sondern es wurde auch der prächtige Antwerpener Altaraufsatz, der zahlreiche Gewandsauminschriften trägt und bis 1708 auf dem Kreuzaltar in St. Nikolai stand, nach Waase (Rügen) verkauft.

5.2.2. Vasa sacra

In Stralsund sind 18 Kelche im Original erhalten, lediglich einer ist nur kopial bzw. fotografisch überliefert (Kat.-Nr. 176). Vor der Reformation entstanden neun Kelche, zwei weitere zeigen ältere Inschriften am Schaft und wurden im 17. Jahrhundert umgearbeitet; acht stammen aus der Zeit zwischen 1550 und 1650. Zu diesen Kelchen gehören zwei oder drei Patenen, fünf Oblatendosen und vier Weinkannen.

Der von Engelke (Engelbert) Nygestadt im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts für St. Marien gestiftete Kelch wurde aufwändig verziert (Kat.-Nr. 36). Der Stifter nennt sich nicht nur namentlich, sondern ließ auch seine Hausmarke anbringen – ein besonders frühes Beispiel für den Gebrauch dieses grafischen Personenzeichens. Die lateinischen Inschriften der zeitlich folgenden drei Kelche vermerken einen Auftraggeber und warnen vor Diebstahl (Kat.-Nr. 96) oder nennen einen Dominikanermönch als Eigentümer (Kat.-Nr. 101). Drei weitere Kelche von 1503 und 1506 tragen niederdeutsche Stifterinschriften, zwei bezeichnen den genauen Bestimmungsort: die Apollonienkapelle von St. Marien und den Hochaltar von St. Jakobi (Kat.-Nr. 126, 127). Hermann Plagemann legte besonderen Wert auf die Feststellung, er habe den Kelch aus seinem rechtmäßig erworbenen Vermögen gestiftet (Kat.-Nr. 127). Die Stiftung des Priesters Gerhard Munter aus Visby (Insel Gotland) belegt die Verbindungen Stralsunds zu dieser damals dänischen Insel (Kat.-Nr. 129).

Vor allem die nach der Mitte des 16. Jahrhunderts im lutherischen Kontext für Stralsunder Kirchen hergestellten Kelche weisen sowohl lateinische als auch nieder- und hochdeutsche Inschriften auf, während die zugehörigen Oblatendosen, Patenen und Weinkannen seltener beschriftet sind. Bemerkenswert sind einige Stifterinschriften, die der Hoffnung auf eine göttliche Gegengabe Ausdruck verleihen, die dem protestantischen Sola-gratia-Prinzip zuwiderläuft (Kat.-Nr. 116, 117, 209, 283). Bibelzitate und Sprüche geben lutherische Vorstellungen von der Bedeutung des Blutes Christi wieder (Kat.-Nr. 176, 207, 246). Auf einigen Kelchen wurde auch ihr Bestimmungsort vermerkt, nämlich St. Johannis (Kat.-Nr. 116), St. Annen und Birgitten (Kat.-Nr. 117) sowie Heilgeist (Kat.-Nr. 283). Eine Oblatendose wurde 1637 für Heilgeist von dem Goldschmied Marten Diederich angefertigt (Kat.-Nr. 363).

Die für die Stadt kostspieligen Kämpfe gegen die Wallensteinsche Belagerung 1628 scheinen dazu geführt zu haben, dass Vasa sacra abgegeben und zu Geld gemacht wurden, weshalb nach dieser Zeit zahlreiche Abendmahlsgeräte neu beschafft werden mussten, so beispielsweise die bereits erwähnte Oblatendose, dazu in demselben Jahr Kelch, Kanne und Patene für Heilgeist (vgl. Kat.-Nr. 362, 364, 365). Auf der Kanne wurde außer einer Inschrift, die die Stiftung als Ausdruck des Dankes für von Gott bescherten materiellen Wohlstand bezeichnet, vielleicht aufgrund der vorangegangenen Erfahrungen auch die Verfluchung eines möglichen Verkäufers festgehalten. Im Jahr 1647 schließlich entstanden drei nahezu identische Taufschalen (vgl. Kat.-Nr. 402) für die großen Pfarrkirchen.

5.2.3. Leuchter

Neunzehn Wandleuchter, sechs Kronleuchter sowie ein Standleuchter tragen Inschriften. Von diesen insgesamt 26 Objekten sind neun nicht erhalten oder waren nicht zugänglich. Zu den vier Leuchtern [Druckseite 33] von St. Jakobi, die möglicherweise im Kunstgutlager aufbewahrt werden, siehe oben, Kap. 3.1.3. Bemerkenswert schon alleine wegen seines Umfangs ist der Bestand von 13 Leuchtern in St. Marien. Neun zuvor zerlegte Leuchter in St. Nikolai wurden vor dem Jahr 2000 restauriert und dabei wieder zusammengesetzt.75) Die Artikel im Inschriftenkatalog behandeln die Leuchter in ihrer aktuellen Komposition. Wenn erkennbar ist, dass die heutige Form und Größe nicht der Beschreibung Haselbergs von 1902 entspricht, werden Abweichungen vermerkt. Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Leuchter auch zur Zeit Haselbergs wohl nicht mehr im ursprünglichen Zustand vorlagen, denn ihr Gebrauch brachte es schon immer mit sich, dass sie abgenommen und zerlegt wurden, um Wachsreste und Patina zu entfernen. Danach wurden Wandteller, Leuchterarme, Lichtteller etc. neu kombiniert oder gingen verloren (vgl. Kat.-Nr. 234, 268, 269, A).

Der älteste Leuchter wurde im Jahr 1557 angefertigt (Kat.-Nr. 174) und ist nicht erhalten. Die von einzelnen Personen bzw. Ehepaaren gestifteten Leuchter tragen Stifternamen und Stiftervermerke, in aller Regel in deutscher, gelegentlich auch in lateinischer Sprache (Kat.-Nr. 196, 379). In zwei Fällen wird vermerkt, die Leuchterstiftung solle auch die Kosten für die Kerzen abdecken (Kat.-Nr. 312, 414). Neben diesen Inschriften pragmatischen Inhalts kommen auch Devisen und Sprichwörter vor (Kat.-Nr. 184, 224, 413).

Nahezu die Hälfte aller Leuchter (9) wurde von Zünften und anderen Korporationen für St. Nikolai und St. Marien gestiftet bzw. in Auftrag gegeben. Abgesehen von den Provisoren eines Armenhauses, die 1581 eine lateinische Stifterinschrift an einem Wandleuchter anbringen ließen (Kat.-Nr. 204), werden inschriftlich entweder die Amtsträger einer Vereinigung genannt (Kat.-Nr. 182, 1571, 268, 1604, 413), oder es werden Eigentumsvermerke formuliert (Kat.-Nr. 289, 1614, 310). Im Fall der von den Åhusfahrern (Kat.-Nr. 336, 1633) und den Schuhknechten (Kat.-Nr. 415, 1649) angeschafften Leuchtern verweisen die Eigentumsvermerke auch auf das Gestühl, zu dessen Ausstattung sie gehörten. Der Leuchter der Kramer (Kat.-Nr. 310, 1624) befindet sich bis heute im Kramergestühl. Neben den bereits genannten Vereinigungen besaßen auch die Rigafahrer, die Zimmerleute, die Goldschmiede und die Gewandschneider eigene Leuchter.

5.3. Bruderschaften, Ämter (Zünfte) und Korporationen

Zahlreiche Bruderschaften, Handwerksämter bzw. -zünfte76) sowie andere Berufsvereinigungen und Handelskompanien hinterließen Objekte und Inschriften, die von der wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung ebenso wie vom Repräsentationswillen dieser Korporationen vor allem im 17. Jahrhundert zeugen.77) Der Vermögens- und Aktenverwahrung dienten die Laden der Bader, Stallbrüder und der Schiffer-Compagnie, eines Zusammenschlusses der Seefahrer und Reeder (Kat.-Nr. 346, 1634, Kat.-Nr. 368, 1637, Kat.-Nr. 377, 1639). Die sozialen Aufgaben, hier: die Unterstützung bedürftiger Korporationsmitglieder, repräsentiert die Sammelbüchse der Weber (Kat.-Nr. 228, 1593). Für Versammlungen wurden in aller Regel silberne Trinkgefäße benötigt, so etwa die zwei Willkommpokale, drei kleinere Pokale und drei Becher der Reeper (Seiler), Kleinfuhrleute, Bader, Bäcker und der Schiffer-Compagnie. Die Kleinfuhrleute besaßen mindestens einen Pokal (Kat.-Nr. 258, A. 17. Jh.) und zwei Becher (Kat.-Nr. 430, 431, beide 2. V. 17. Jh.). Ähnlich wie an den Leuchtern wurden an diesen Objekten vor allem die Namen der amtierenden Älterleute angebracht. Eine niederdeutsche Stifterinschrift (Kat.-Nr. 225, 1591) und eine Aufforderung, kleine Schilder an einen Willkomm zu hängen (Kat.-Nr. 301, A), zeugen davon, dass auch das Gedenken an durchreisende oder ehemalige Berufsgenossen gepflegt wurde. (Trink-)Sprüche finden sich auf drei Gefäßen (Kat.-Nr. 225, 348, [Druckseite 34] 410). Weitere kleine und große Einrichtungsgegenstände, etwa zwei Leuchter-Anhänger (Kat.-Nr. 291, 1616, Kat.-Nr. 294, 1617), eine Wappentafel der Bergenfahrer (Kat.-Nr. 267, 1603) und der Archivschrank der Kalandsbrüder (Kat.-Nr. 432, 1. H. 17. Jh.) sind ebenfalls erhalten. Zu den Wandleuchtern, die Korporationen für Pfarrkirchen anfertigen ließen, in denen sie auch eigene Gestühle besaßen, siehe oben, Kap. 5.2.3. Die einzigartigen Relieftafeln vom Gestühl der Rigafahrer entstanden bereits im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts; die geringen Schriftreste, die heute sichtbar sind, sich aber nicht mehr deuten lassen, wurden erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufgemalt (Kat.-Nr. 109).

Nach dem Tod eines Mitglieds kümmerten sich die Berufsvereinigungen um dessen Begräbnis. Dies bezeugen nicht nur die Grabplatten der Barbier-Älterleute und ihrer Ehefrauen (Kat.-Nr. 330, 1630 o. später) sowie der städtischen Boten (Kat.-Nr. 218, 1588), sondern auch vier Sargschilder der Schiffszimmerleute, die an den Sargtüchern befestigt wurden (Kat.-Nr. 306, 1623).

Zitationshinweis:

DI 102, Stralsund, Einleitung, 5. Inschriften und Inschriftenträger (Christine Magin), in: inschriften.net, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di102g018e009.

  1. Im Greifswalder Inschriftenbestand machen Grabplatten 80% des Gesamtmaterials aus; vgl. DI 77 (Greifswald), S. 26. Für die Inschriften der Stadt Wismar, aktuell in Bearbeitung durch Jürgen Herold, ist mit einem Grabplatten-Anteil von etwa 70% zu rechnen. »
  2. Fünf Steine, deren Funktion als Grabplatte, Grabstein oder Gruftplatte sich nicht eindeutig bestimmen ließ, wurden für diese Aufstellung mehrfach berücksichtigt (Kat.-Nr. 136, 215, 219, 352, 437). »
  3. Vgl. dazu Herold, Inschriften Marienkirche Grimmen, S. 117f. »
  4. Vgl. dazu unten, Kap. 7.3 (Kapitalis) und 7.4 (Fraktur). »
  5. Die aufgrund des beschriebenen Verfahrens ausgesonderten Stralsunder Grabinschriften sind nicht Bestandteil der vorliegenden Publikation, jedoch in der Datenbank der Greifswalder Arbeitsstelle Inschriften erfasst und somit ggf. nutzbar. »
  6. Vgl. DI 77 (Greifswald), S. 27»
  7. Zu einem Auftrag für den Steinmetzen Hans Lucht, an Grabplatten von St. Jakobi 163 neue Nummerierungen und zahlreiche neue Jakobsmuscheln als Besitzzeichen einzuhauen sowie ältere Inschriften zu tilgen, vgl. Römer, Renaissanceplastik, S. 122. »
  8. Die jüngste Inschrift auf einer hier behandelten Grabplatte wurde im Jahr 1795 angebracht: Kat.-Nr. 429, Inschrift C. »
  9. Die in die Grabplatte Kat.-Nr. 21 eingeritzte Hausmarke ist sicher jünger als die Inschrift aus dem Jahr 1353. »
  10. Vgl. dazu Lusiardi, Stiftung, S. 155f. Die Lage und Gestaltung einer Wappengrabplatte aus rotem Stein in der Franziskanerkirche wird beispielsweise 1443 im Liber memorialis beschrieben; vgl. Schroeder (Hg.), Liber memorialis 5, Nr. 162 S. 74. »
  11. Vgl. dazu DI 77 (Greifswald), S. 33f. »
  12. Vgl. dazu oben, Anm. 60. »
  13. Vgl. DI 77 (Greifswald), S. 30»
  14. Unter Heranziehung schriftgeschichtlicher Kriterien, die eine entwickelte Form der gotischen Minuskel von einer späteren Form sowie einer davon weiter zu unterscheidenden späten Sonderform erkennen lassen (vgl. unten, Kap. 7.2), lässt sich dieser Datierungsrahmen teilweise verfeinern. »
  15. Diese Zählung berücksichtigt auch die nachträglich in ein Epitaph eingefügten Porträts von Stralsunder Amtsträgern. Vermutlich handelte es sich auch bei dem nicht erhaltenen Denkmal Kat.-Nr. 237 für Lorenz Wessel um ein Epitaph. »
  16. Zu den kleineren Porträt-Epitaphien für Stralsunder Geistliche s. oben, Kap. 3.2»
  17. Vgl. dazu den Kommentar zu Kat.-Nr. 315»
  18. Zu mittelalterlichen Glocken bzw. Glockentürmen vgl. Heyden, Kirchen Stralsunds, S. 21f.; Kossmann, Marienkirche, S. 68, 73. »
  19. Vgl. Huyer, Nikolaikirche, S. 43 (Nr. 81); Kossmann, Marienkirche, S. 69–73. »
  20. Nach Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 520, 542. »
  21. Vgl. DI 55 (Rügen), Nr. 41, dazu unten, Kap. 6, Exkurs ‚Niederdeutsch im Kloster?‘. »
  22. Um diese Maßnahme zu dokumentieren, wurden an unauffälligen, teilweise kaum einsehbaren Stellen kleine Restaurierungsvermerke angebracht, die im Inschriftenkatalog nicht berücksichtigt werden. »
  23. Zur norddeutschen Bezeichnung von Handwerkskorporationen als Ämter vgl. Keller, Ämter, S. 45–49. »
  24. Einen Überblick über (oft gestiftete) Objekte im Kontext „zünftische[r] Erinnerungskulturen“ bietet Schmidt, Traditionen, bes. S. 211–217. »