Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 150 Domhof, Ortenburgkapelle 1455

Beschreibung

Figurale Grabplatte des Dompropsts Ulrich von Ortenburg, an der Westwand, südlich neben der Tür zur Sakristei. Im Feld unter einer Spitzbogenarkade, die auf ihrer Spitze eine Kreuzblume trägt, der Kleriker in Chorgewand mit Almucia als liegend Stehender, auf einem Quastenkissen ruhend, in der beringten Rechten ein Buch. Zu seinen Füßen eine Bracke. In den Bogenzwickeln zwei Wappenschilde, von Wilden Männern gehalten, der linke inkrustriert. Inschrift rechts von der in das Feld der Umschrift ragenden Kreuzblume beginnend, umlaufend. Rotmarmor. Linke obere Ecke 1960 abgebrochen und ausgebessert. An verschiedenen Stellen der Ortenburgkapelle belegt, seit 1960 am heutigen Platz.

Maße: H. 261 cm, B. 134 cm, Bu. 11 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. Hic · est · sepul/tus · Venerabilis · d(omi)n(u)s · d(omi)n(u)s · Vdalricus · Comes · de · Ortenberkch / prepositus · pataviensis · hui(us) · / eclesie · Qui · obyt · Anno · d(omi)ni · Mo · cccco lvo · in · die · sancte · Elisa[beth]a) ·

Übersetzung:

Hier ist begraben der ehrwürdige Herr, Herr Ulrich Graf von Ortenberg, Propst dieser Kirche zu Passau, der gestorben ist im Jahre des Herrn 1455, am Tag der Hl. Elisabeth.

Datum: 1455 November 19.

Wappen:
Ortenburg1), Ortenburg2).

Kommentar

Halm weist die Platte dem Straubinger Meister Erhart zu. Diese These stützt auch der inschriftenpaläographische Befund3).

Ulrich von Ortenburg war der erste Sohn des Grafen Alram I. von Ortenburg und dessen zweiter Gemahlin Barbara von Rottau4). Erstmals ist er 1414 als Domherr in Passau und als Inhaber der Pfarre in Erharting5) genannt. Bis 1417 war er Pfarrherr in Schärding6), danach in Linz. Außerdem hatte er ein Kanonikat in Regensburg inne. 1421 war er Archidiakon von Mattsee7). Zu diesen Pfründen kam 1427 die des Domscholasters von Olmütz8) und später die Pfründe des Pfarrherren zu Raab9), die er allerdings 1454 für die Überlassung der Annaten der Propstei Mattsee7) durch Papst Nikolaus V. abgab. 1440 wurde er Dompropst von Passau und ist zwischen 1445 und 1450 auch als Verweser und Inhaber des Almosenamtes nachzuweisen10). 1444 quittierte Ulrich zusammen mit Domdekan Burkhard Krebs und dem Domkapitel den Kaufpreis über den domkapitlischen Garten oberhalb St. Paul, der für den oberen Friedhof bestimmt war. 1447 stiftete er eine jährliche Gült für ein Historienspiel aus dem Leben des Hl. Sixtus11). Laut Inschrift starb er am 19. November 145512).

Textkritischer Apparat

  1. Buchstabenverlust nach Ausbesserung, ergänzt nach Kdm Passau 135, Fig. 96, 1919 noch vorhanden, verloren beim Umbau der Ortenburgkapelle im Jahr 1960, vgl. Fuchs, Standorte 324; Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte, teils mit oben und unten ansetzenden, eingerollten Zierstrichen.

Anmerkungen

  1. Ortenburg in Bayern (Bay 17), zur Frage der Ortenburg-Wappen vgl. Nr. 111.
  2. Ortenburg in Kärnten (Bay 17), zur Frage der Ortenburg-Wappen vgl. Nr. 111.
  3. Halm, Plastik I, 95f. Abb. 92; zur inschriftenpaläographischen Untersuchung vgl. Einleitungskapitel S. XLII.
  4. Vgl. Huschberg, Ortenburg Tab. V; Hausmann, Grafen zu Ortenburg 25; Krick, Domstift 43 gibt fälschlich Alram III. als Vater an.
  5. Erharting, Lkr. Mühldorf am Inn/OB.
  6. Schärding/OÖ.
  7. Mattsee, Pol. Bez. Salzburg-Umgebung/S., Kollegiatstift St. Michael.
  8. Olomouc (Olmütz)/Tschechische Republik, Kathedrale St. Peter.
  9. Raab, Pol. Bez. Schärding/OÖ.
  10. Vgl. auch Krick, Domstift 4, 43, 177f. Nr. 101–104, 106, 223; ders., Stammtafeln Nr.121 B, 268; Hausmann, Grafen zu Ortenburg 26f.
  11. Erhard, Topographie II, 89.
  12. Nach der älteren Literatur soll er bereits 1454 gestorben sein, vgl. z. B. Huschberg, Ortenburg Tab. V und Krick, Domstift 4. Aus heraldischen Gründen zweifelt Hausmann die Herstellung des Grabmals zu dem inschriftlich genannten Datum an, vgl. Hausmann, Grafen zu Ortenburg 56f. Anm. 451, vgl. auch Nr. 111.

Nachweise

  1. UBM 2o cod. ms. 397, fol. 47r; Clm 1302, p. 89; BZAR Gen. 1279, Heft 1 p. 27; SASR HV NL Wimmer 14b; ABP OA, Sammlung Stinglhamer/Krick 151, Nr. 169; StBP Hist. eccl. 130 VII gr, Nr. 169; Krick, Domstift 245, 258 Nr. 74; Kdm Passau 139f., Fig. 96; Ortenburg-Tambach, Gesamthaus 2, Anhang III 19; Halm, Plastik I, 76, 95f., Abb. 92; Fuchs, Standorte 324; Weber, Gedenktafeln 34; Seufert, Preu/Zeller-Epitaph 332 Abb. 35; Schmitt Grabmäler 515, Abb. 218.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 150 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0015001.