Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 3 Niedernburg, Klosterkirche 10951)/um 1420

Beschreibung

Deckplatte der Gisela-Tumba, in der Parz-Kapelle an der Südwand vor der Stufe zum Chor. Rotmarmor. Unter gotischem Maßwerk ein Kreuz, flankiert von je einem Adler. Inschriften umlaufend nach innen gerichtet zwischen vertieften Linien an der unteren Schmalseite beginnend (I), zu beiden Seiten des Vortragekreuzes, parallel zum Schaft, erhaben (II).

Maße: H. 194 cm, B. 72 cm, Bu. 6,5 cm (I), 8 cm (II, gemessen a).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien in Gotischer Majuskel.

© Universität Passau Lst. f. mittelalterliche Geschichte [1/2]

  1. I.

    Anno · do(min)ia) · Mo · lxxxxv · / non(is) · Maij · o(biit) · ven(er)ab(i)l(is)b) · d(omi)na · Gisulac) · soror · sancti · Hainrici · Impera/toris · vxor · Steph(an)i / Regis · Vngarie · abbatissa · huius · Monasterij · hic · sepultad)

  2. II.

    Gisylae) // abbatissa

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1095 an den Nonen des Mai starb die ehrwürdige Frau Gisela, Schwester des Hl. Kaisers Heinrich, Gemahlin Stephans, des Königs von Ungarn, Äbtissin dieses Klosters. Sie ist hier begraben (I).

Datum: 1095 Mai 07.

Kommentar

Zur Schrift vgl. Einleitungskapitel S. XLI; zum Inschriftenträger bzw. zur Inschriftenart vgl. Einleitungskapitel S. LVIII.

Die Darstellung folgt der Konzeption der alten Platte (vgl. Nr. 2), ist aber gotisch stilisiert. Somit ist auch der sich im Bildteil befindende Text zum Teil von der alten Grabplatte übernommen2). Schmid nimmt für die von der alten Inschrift abweichenden Umschrift und für die (falsche) Datierung eine andere Quelle an, da offenbar der Text der romanischen Grabplatte bereits zur Zeit der Entstehung des gotischen Hochgrabes nicht mehr bzw. nur noch fragmentarisch zur Verfügung stand. Er verweist beispielsweise auf die Möglichkeit einer im 15. Jahrhundert aus dem Grab geborgenen Bleitafel, die ausführlichere Angaben wie die Hinweise zu den Familienverhältnissen der Verstorbenen überliefert haben, jedoch auch zu der Rezeption des falschen Todesjahres beigetragen haben könnte3). Die hochgotische Tumba sollte ihren Standort ursprünglich vermutlich in der Mitte eines Raums erhalten, denn sie ist auf allen Seiten bearbeitet. Wohl erst das Auffinden des Grabes mit den Gebeinen Giselas bestimmte den heutigen Standort in der Nordostecke, wodurch heute zwei Seiten verdeckt sind.

Textkritischer Apparat

  1. i hochgestellt.
  2. a hochgestellt und zu zwei Quadrangeln reduziert.
  3. Sic!
  4. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.
  5. Zeilen links und rechts des Vortragekreuzes.

Anmerkungen

  1. Die Einordnung folgt der Datierung auf der Platte. Gisela starb um 1060. Wenn es sich nicht um eine Verschreibung durch den Steinmetz handelt, was bei einem so prominenten Stück nicht anzunehmen ist, so ist davon auszugehen, dass die Tradition des Klosters im 14. Jahrhundert, ihren Tod 30 bis 35 Jahre später ansetzte, vgl. hierzu auch Schmid, Giselagrab 29f.; Hielscher, Gisela 278, 280.
  2. Vgl. v.a. Nr. 2, IV und 3, II.
  3. Schmid, Giselagrab 26f., 29f.

Nachweise

  1. Cgm 5620, p. 118; Clm 1302, p. 124; ABP OA, Sammlung Seyffert 6, p. 76, fol. 17av; ABP Plansammlung, Mappe Niedernburg; ABP OA, Sammlung Stinglhamer/Krick 151, Nr. 63; StBP Hist. eccl. 130 VII gr, Nr. 63; Schöller, Bischöfe 38; Crammer, Heiliges Passau 93; Kdm Passau 250ff.; Fig. 201, 203; Krick, Inschriften 24; Schmid, Giselagrab 26f., Abb. 1, 10; Uzsoki, Giselagrab 18f.; Hielscher, Gisela 279; Weber, Gedenktafeln 65f.; Kapsner, Passau 80 (mit Abb.); Koch, Memoriengräber 133; Schmitt, Grabmäler 512; Niemeier, Erhebung 91, Abb. 4; Bornschlegel, Epigraphische Überlegungen 127f., Abb. 7.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 3 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0000302.