Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 67: Stadt Passau (2006)
Nr. 593 Domhof, Trenbachkapelle 1565
Beschreibung
Figurale Grabplatte für den Hofnarren Hans Gerl, an der Südwand in der Westecke. Rotmarmor mit Inschriftplatten in hellem Kalkstein. Der Verstorbene in zeitgenössischer Tracht mit Narrenpritsche und Ehrenkette um den Hals, links (I) und rechts (II) seines Kopfes je eine Schriftplatte Inschrift. Stark verwittert und mit Textverlust beschädigt. Standort 1565 an der Nordwand neben dem Portal, dann in der Sakristei, zu Zeiten von UBM 2o cod. ms. 397 im Domkreuzgang, seit 1919 im Domhof an der Westwand, 1934 wieder in der Trenbachkapelle, 1979 im Innenhof der Sakristei, seit 1982 wieder in der Trenbachkapelle.
Text ergänzt nach Kdm Passau.
Maße: H. 174 cm, B. 90 cm, Bu. 2 cm.
Schriftart(en): Fraktur.
- I.
Hans Gerl v[on] Synching Hiesse Ich, Meinr Zeit war kain Narr vbera) Mich, [E]in Lautters kindt bey Achzig Jarn, [K]urzweillig wie Manicher hatt erfarn, Fünf meiner Herrn Halff ich vergraben, Zw grab liess mich Der Sechste Tragen, [Zwen] Zenger 1. Jörg vnd · 2 · Vrban Genant, [Vier B]ischoff in Passaw woll bekant, [3. Bairn, 4.] Salm 5 klosen vnd 6. Trenpach, [Auf Erd betrübt mich Sc]hlechte sach, [Der Schiffleut Rauchfangkehrer]b) Nam, [War mir zum höchsten widerzam.]b)
- II.
Mit Den Pueben plib ich Selten Ainß, Ich scluegc) umb mich verschonet khainß, Potz Haidn auf Erdt begienng ich rach, Beyd) gott hab ich Jetz Guetten Gmach, Dan gott seyd) lob ich plüb ein khindt, Meine sündt mir balt verzigen Sündt Ein Catarr mir das leben Prach Cüedtere) dich Lesser khumb hernachIch Starb den · 3 · Marcy Zwar Do man zelt Fünff[z]echenhundert Jar [N]och darzue fünffvndsechzig gar [Alt b]ey achzig vnd fünff Jar fürwarf)[.]
Versmaß: Deutsche Reimverse.
Textkritischer Apparat
- Über v zwei Striche.
- Zeile 11 und 12 der linken Schrifttafel nur noch Buchstabenreste.
- Sic, h fehlt.
- Über y zwei Striche.
- Kdm Passau liest Fuedter.
- Worttrenner – soweit erkennbar – in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.
Anmerkungen
- Sünching, Lkr. Regensburg.
- Der Zengerhof südlich des Domes, westlich der Alten Residenz an der Zengergasse wurde unter Fürstbischof Leopold von Österreich der bischöflichen Residenz eingegliedert und beherbergte bis zur Vollendung der Neuen Residenz am Residenzplatz die Wohnräume des Fürstbischofs.
- Zu Wolfgang von Salm vgl. Nr. 556†.
- Zu Wolfgang von Closen vgl. Nr. 580†.
- Zu Urban von Trenbach vgl. Nr. 722.
- Vgl. zu Gerl und zur Rolle des Narren am Hof Schmid, Alte Narren 92ff.
Nachweise
- UBM 2o cod. ms. 397, fol. 56r; Clm 1302, p. 44; SASR HV NL Wimmer 14b, 14d (nur Teile);ABP OA, Sammlung Stinglhamer/Krick 151, Nr. 57; StBP Hist. eccl. 130 VII gr, Nr. 57; Schöller, Bischöfe 206f.; Schmid, Alte Narren 92 mit Abb.; Erhard, Geschichte II, 62f.; Kdm Passau 125, Fig. 91; Heuwieser, Domführer 50f.; Wildner, Grabkapelle 117–131; Mayr, Narren 21, Abb. 1; Ritterburg und Fürstenschloß 62 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 593 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0059300.
Kommentar
Zum Inschriftenträger bzw. zur Inschriftenart vgl. Einleitungskapitel S. LIX.
Zu Hans Gerl ist außer seinem Grabstein so gut wie nichts bekannt. Aus dem ausführlichen Formular lassen sich einige Aussagen herauslesen. Demnach wurde Hans Gerl um das Jahr 1480 in Sünching1) geboren. Er war, laut seiner Grabinschrift, der Diener von fünf Herren, nämlich der Kanoniker Johann Georg und Urban Zenger, die südlich des Doms den Zengerhof2) besaßen, und der Passauer Bischöfe Ernst von Baiern, Wolfgang von Salm3) und Wolfgang von Closen4). Urban von Trenbach5) ließ ihn dann zu Grabe tragen. Ihm diente Gerl, bereits 80-jährig, noch fünf Jahre lang. Wolfgang Maria Schmid entwickelte aus den Informationen der Grabplatte einige Thesen zur Person und zum Leben Hans Gerls6). So zeuge beispielsweise die Ehrenkette, die Gerl auf der Darstellung trägt, von der Wertschätzung, der sich dieser bei den Fürstbischöfen erfreute. Nach Schmid konnte Gerl lesen und schreiben und hatte am fürstbischöflichen Hof Umgang mit den Künstlern, Dichtern, Schriftstellern und Wissenschaftlern seiner Zeit. Daher vermutet Schmid, dass der Text der Grabinschrift größtenteils von Gerl selbst stammt und dass „Potz Heiden auf Erden“ dessen Wahlspruch war. Weiter mutmaßt Schmid, dass der in der Inschrift genannte Katarrh wohl eine Lungenentzündung war. Der ursprüngliche Aufstellungsort der Platte ist nicht überliefert ist.