Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 95 Berlin, Bode-Museum 14. Jh.

Beschreibung

Fragmente der figuralen Grabplatte für einen Chorvikar (?) Friedrich. Der Verstorbene im Messgewand mit gefalteten Händen. Ganzfigur in gotischer Maßwerkarchitektur, in den Zwickeln Dreipassornamente in Ritzzeichnung. Schrift zwischen vertieften Linien umlaufend nach innen gerichtet (I), auf eigener, vertikaler Schriftleiste in der Mitte des Gewandes (II) und schräg nach rechts ansteigender Schriftleiste in der rechten unteren Ecke (III). Abgetreten, Gesicht im Mund-Nase-Bereich geringfügig zerstört, unterer Teil fehlt mit Bild- und Textverlust; untere Schmalseite wohl anlässlich einer Zweitverwendung v-förmig behauen. Inv.-Nr. AE 251. Das Objekt wurde laut Inventarvermerk 1911 von Ernst Märkel in München erworben1). Die Platte wurde im 2. Weltkrieg beschädigt und lagert heute im Magazin des Museums.

Edition nach Photo Bode-Museum.

Maße: H. 200 cm, B. 104 cm, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. I.

    ANNO · D(OMI)NI · M · CCC · ⟨– – –/– – –⟩a) FRIDR[ICVS – – –/– – –/– – –]RIb) · PATAUIEN(SIS) · ET · FVNDATOR · HUIUS · LOCI · O(BIIT)c)

  2. II.

    H(AEC) · REQ(UI)ES · MEA · I(N) S(E)C(U)L(U)M · S(E)C(U)LI · HI(C)d) · HABITAB[Oe) // QUONIAMf)] ELEGI · EAMg)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 13.. starb Friedrich ...(in) Passau und Stifter dieses Ortes. (I)

Dies ist der Ort meiner Ruhe in Ewigkeit, hier werde ich wohnen, denn ich habe ihn erwählt. (II)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Ps 131(132), 14. (II).

Kommentar

Zur Schrift vgl. Einleitungskapitel S. XXXVIII.

Eine Zuweisung des Steins zu einem Domkanoniker des 14. Jahrhunderts namens Friedrich ist nicht gelungen. Das Textfragment RI PATAUIENSIS legt die Überlegung nahe, dass es sich um einen der Passauer Chorvikare namens Friedrich gehandelt haben könnte. Im 14. Jahrhundert gab es in Passau drei Chorvikare dieses Namens: Friedrich, Unterkellerer des Domkapitels, der 1326–1337 urkundet, Friedrich Snabel, der von 1369 bis zu seinem Tod am 14. September 1395 fassbar ist und gleichzeitig eine Pfründe in Wels/OÖ. innehatte, und Friedrich der Popp, der 1369 als Chorvikar in Erscheinung tritt2).

Die Lokalisierung des Stückes nach Passau ist zweifelhaft, eventuell handelte es sich um einen Stein, der in der Gründung des Kanonikers außerhalb Passaus angebracht worden war. Da die Platte jedoch den Hinweis PATAUIENSIS trägt und mit einer Lokalisierung auch künftig nicht gerechnet werden darf, wird sie hier geboten.

Textkritischer Apparat

  1. Todesdatum nicht ausgeführt.
  2. Ergänze evtl. [VICARIVS CHO]RI.
  3. Worttrenner in Form eines Punktes auf der Zeilenmitte.
  4. I über dem H.
  5. Übergang vom Längsband zum Schrägband, Ort aufgrund des noch sichtbaren oberen geknickten Endes erschlossen.
  6. QUONIAM in gekürzter Form.
  7. Worttrenner in Form eines Punktes auf der Zeilenmitte; am Textende ein Ornament in Form eines Zweiges mit Blättern.

Anmerkungen

  1. Herrn Franz-Xaver Herrmann sei an dieser Stelle für seine Recherchen vor Ort herzlich gedankt.
  2. Vgl. Krick, Domstift 99.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 95 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0009508.