Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 5 Niedernburg, ehem. Marienkirche E. 12. Jh. / Anf. 13. Jh

Beschreibung

Gemalte Schriftzüge zu den Malereien, auf den Wänden der Vorhalle der im Stadtbrand 1662 (und/oder 1680) weitgehend zerstörten Laienkirche des Klosters Niedernburg. Die Malereien sind nur teilweise erhalten und stark verblaßt, das Bildprogramm ist jedoch noch rekonstruierbar1). Heute noch lesbar sind folgende Schriftzüge: Schriftband im Gewölbe des Hauptraums (nördliches Joch), nördliche Kappe des Gewölbes (I). Dargestellt ist Lazarus im Schoß Abrahams, darunter der reiche Prasser in den Höllenflammen (Lk 16, 19). Schriftband in Abrahams rechter Hand2). Beischriften zu den Darstellungen eines Zodiacuszyklus auf der Westwand des Nebenraums (südliches Joch) (II, III). Kdm las noch einzelne Buchstaben in dem Schriftband, das Christus Salvator (Medaillon auf der Ostwand des südlichen Jochs) in der Hand hält3). Die nicht mehr lesbaren Schriftbänder in der Darstellung der Hochzeit zu Kana sind in der Literatur zuweilen auf der Basis von Joh 2, 1–11 ergänzt worden (die Worte Mariens: „Vinum non habent“, nach Joh 2, 3 die Aufforderung Christi: „Implete hydrias aqua“ nach Joh 2, 7)4). Schrifthöhe wegen der Höhe der Anbringung nicht zu ermitteln.

Schriftart(en): Späte Romanische Majuskel.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/2]

  1. I.

    FILI · RECORDARE · Q[VI]ARECa)

  2. II.

    DECE[MB]ERb)

  3. III.

    [C]APRICORNIVSc)

Kommentar

Die Datierung der älteren Schicht der Wandmalerei ist umstritten. Während Kdm Passau die seinerzeit sichtbaren Reste der Spätzeit des 12. Jahrhunderts zuwies, ordnete jüngst Stein-Kecks die in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts umfangreich freigelegten Wandmalereien aufgrund stilistischer Beziehungen zur Regensburger Malerei in die Zeit um oder nach 12005). Susanne Tucek (geb. Matz), die die Freilegungen der Wandmalereien begleitete, ging von stilistischen Beziehungen zur Salzburger Malerei aus, die sie zu einer Datierung in das frühe 13. Jahrhundert veranlaßten6). Einen ähnlichen zeitlichen Ansatz verfolgte auch Dehio mit seiner Festlegung der Wandmalereien in die Zeit zwischen 1200 und 12207).

Für die Schrift der Wandmalereien würde man eher eine zeitliche Entstehung im fortgeschrittenen 13. Jahrhundert vermuten. Auch wenn der überwiegend kapitale Buchstabenbestand, aus dem ausschließlich das unziale E herausfällt sowie das breite, trapezformig A mit dünnem, jedoch stark ausgreifenden Deckbalken durchaus im Einklang stehen mit dem hochromanischen Formenrepertoire der romanischen Majuskel, so deuten Bogenverstärkungen, die allerdings noch nicht die Spannungsverhältnisse der gotischen Majuskel aufweisen sowie haarförmige Abschlußstriche bei den Buchstaben C und E inschriftenpaläographisch auf die späteste Phase der Romanik.

Zum Inschriftenträger bzw. zur Inschriftenart vgl. Einleitungskapitel S. LXIV.

Textkritischer Apparat

  1. QVIAREC ohne Wortabstand. Das Schriftband bricht abrupt in der Wortmitte ab. Vgl. Lk 16, 25: „Et dixit illi Abraham: Fili, recordare quia recepisti bona in vita tua, et Lazarus similiter mala“; Worttrenner in Form eines Quadrates auf Zeilenmitte.
  2. Auf dem Rand des Medaillons mit dem Bild des Steinbocks.
  3. Im Ornamentband über dem Medaillon.

Anmerkungen

  1. Zur Anordnung der Wandmalereien innerhalb der in mehrere Räume gegliederten Vorhalle, zur Bildprogrammatik und ikonographischen Interpretation vgl. Stein-Kecks, Wandmalereien.
  2. Vgl. Stein-Kecks, Wandmalereien 46, Farbtafel 2.
  3. E [...] S [...] V [...] E [...], vgl. Kdm Passau 262.
  4. Tuczek, Romanische Wandgemälde 34.
  5. Kdm Passau 262; Stein-Kecks, Wandmalereien 49.
  6. Matz, Romanische Wandgemälde 148; Tuczek, Romanische Wandgemälde 42.
  7. Dehio 530.

Nachweise

  1. Kdm Passau 262; Tuczek, Romanische Wandgemälde; Stein-Kecks, Wandmalereien; Stein-Kecks, Mittelalterliche Wandmalerei 485–488, Abb. 191.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 5 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0000506.