Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 4 Niedernburg, ehem. Marienkirche nach 1166

Beschreibung

Quadersteine, südlich des romanischen Portals an der Ostwand der heutigen Aula. Granit. In die Wand eingemauert, linke und rechte Seite mit nur ganz geringem Substanzverlust behauen, untere Seite durch Zementmörtel teilweise zugeschmiert, dadurch Buchstabenbestand verdorben.

Maße: H. 55 cm, B. 75 cm, Bu. 6–10 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. FRIDERIC(VS)a) / IMPERATOR AQ/VISGRANENSIB(VS)b) / IVSTICIAc) DED(IT)d) QVAMe) / KA[...]RVS [– – –f)

Übersetzung:

Kaiser Friedrich gab den Aachenern die Rechte, die ...

Kommentar

Zum Inschriftenträger bzw. zur Inschriftenart vgl. Einleitungskapitel S. LXIV.

Sinn und Textergänzung der Inschrift sind umstritten. Die hier gebotene Datierung folgt Huyskens, der auf den inhaltlichen Zusammenhang der Inschrift mit einer Urkunde Friedrichs I. vom 08. Januar 1166 verweist1). Darin bestätigt der Kaiser u.a. den Aachenern die Zollfreiheit im gesamten Reich. Huyskens setzt die Inschrift also in Zusammenhang mit der Zollbefreiung Aachener Kaufleute beim Donauhandel. Als Begründung für den Standort Niedernburg führt er in erster Linie an, dass sich beim Kloster, das schon im Hochmittelalter eine zentrale Rolle spielte, der alte Hafen befunden habe.

Für die Einordnung in die Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas spricht auch der Schriftbefund, der entgegen Mader in Kdm Passau eher in jene Zeit als in die Friedrichs II. paßt2). Außerdem war Friedrich II. bei seinem Besuch in Passau im Jahr 1217 noch nicht Kaiser3). Für Huyskens ergibt sich ein weiteres Argument für den zeitlichen Ansatz unter Friedrich I. aus seiner Lesung der letzten Zeile (vgl. oben, Anm. f). Diese Auflösung würde also einen Bezug zu einem Oheim Konrad ergeben, welchen Huyskens mit Konrad III. identifiziert, der der Vaterbruder Friedrich Barbarossas war und der laut Huyskens ebenfalls ein Zollprivileg für die Stadt Aachen ausgestellt hat4).

Textkritischer Apparat

  1. us-Haken in C eingestellt.
  2. Q mit eingestellter Cauda, N spiegelverkehrt, G mit eingerollter Cauda, kein Kürzungszeichen erkennbar.
  3. Kein Kürzungszeichen erkennbar, lies vermutlich IVSTICIA(M).
  4. Horizontaler Strich durch den Bogen des D, möglicherweise besondere Form eines Nexus litterarum?
  5. Q mit eingestellter Cauda.
  6. Zeile teilweise mit Zementmörtel zugeschmiert; Buchstabenbestand verdorben. Kdm Passau, bietet KA...LV und schlägt die Auflösung KAROLVS vor. Eine andere Deutung bietet hingegen Huyskens, Donauhandel, der die Buchstabenreste zu PA(TRUUS) KV(NRADUS CONCESSIT) ergänzt und damit eine Beziehung zu Konrad III., Barbarossas Vaterbruder herstellt. Der Schriftbefund lässt keine eindeutige Entscheidung zu. Der erste erhaltene Buchstabe ist unsicher, möglicherweise aber als K, der dritte sicher als R zu deuten; nach dem V sind nicht sicher identifizierbare Reste eines Buchstabens zu sehen, der ein S sein könnte.

Anmerkungen

  1. Huyskens, Donauhandel v.a. 91, 96; zur Urkunde vgl. MGH D.F.I. 502.
  2. Stein-Kecks, Wandmalereien 49 interpretiert die Inschrift als Bestätigung eines Rechtsaktes Friedrich Barbarossas durch Friedrich II.; zur Schrift vgl. Einleitungskapitel S. XXXIII.
  3. Vgl. RBP 1353–1355.
  4. Huyskens, Donauhandel 91f., v.a. Anm. 20.

Nachweise

  1. Clm 1204, fol. 50v; Erhard, Geschichte II, 134; Krick, Inschriften 23 Nr. XXVIII 1; Huyskens, Donauhandel besonders 90, Abb. 1–3; Kdm Passau, 260; Weber, Gedenktafeln 64, 175.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 4 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0000409.