Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 67: Stadt Passau (2006)
Nr. 2 Niedernburg, Klosterkirche um 1060
Beschreibung
Deckplatte der Gisela-Gruft, in der Parz-Kapelle an der Südwand vor der Stufe zum Chor. Überbaut mit dem historisierenden Denkmal des 15. Jahrhunderts (Nr. 3). Weißer Kalkstein mit Mörtel überstrichen. Relief mit Vortragskreuz flankiert von je einem Adler in romanischer Rundbogenarchitektur. Schriftanordnung: umlaufend nach innen gerichtet, vertieft (I), an der oberen Schmalseite über dem Bogen (II), auf dem Kreuz (III), zu beiden Seiten des Kreuzesschafts vertikal übereinanderstehende Buchstaben (IV), unterhalb des Bogens über den Adlerköpfen Reste von mindestens zwei Buchstaben, zum Teil mit Mörtel zugeschmiert und mit Rötel verfälschend nachgezogen. Vielfach gesprungen, beschädigt mit erheblichem Textverlust, rechte Langseite, untere Schmalseite und Teil der oberen Schmalseite der Umschrift fehlen.
Maße: H. 154 cm, B. 54 cm, Bu. 3–4,5 cm.
Schriftart(en): Romanische Majuskel.
- I.
– – –]RIBE[....]IIS [....] IH(ES)Ua) CRUCIFI[X]E REDEMP/TIS[– – –
- II.
NON(IS)b) MAI(I)c)1)
- III.
C[RV]X CHR(IST)Id)
- IV.
GIS[V]LAe) // ABBATISSA
Textkritischer Apparat
- Nomen sacrum.
- Horizontaler Kürzungsstrich durch den zweiten N-Schaft am Wortende.
- M durch Sprung und schlechte Restaurierung verdorben.
- Christusmonogramm (XPI) im Schnittpunkt der Kreuzbalken; C links auf dem Querbalken, X auf dem Längsbalken unter dem Schnittpunkt, fehlende Buchstaben wohl auf dem Längsbalken über dem Schnittpunkt (R?) und rechts auf dem Querbalken (V?) zerstört; vgl. Schmid, Giselagrab 24 und Kdm Passau 251.
- Sic!
Anmerkungen
- 7. Mai.
- Schmid, Giselagrab 25.
- Vgl. Nr. 1.
- Dieser Besitzkomplex bildete seit dem Jahre 1161, dem Übergang des Klosters an den Bischof (vgl. RBP 776, 780), als Land der Abtei den wesentlichen Teil des weltlichen Territoriums des Hochstifts.
- Ausführlich zum Bestattungsbefund und zur Grabplatte vgl. Schmid, Giselagrab 22–26.
Nachweise
- ABP Plansammlung, Mappe Niedernburg; Crammer, Heiliges Passau 93; Kdm Passau 251, Fig. 201, 202; Krick, Inschriften 24 Nr. XXVIII 3; Erhard, Geschichte I 58f., II, 109–142, besonders 113f. und 137; Schmid, Giselagrab, besonders 5–19, 24–26, 29f., Abb. 1, 9; Szántó, Gisela 1 (Abb.), 86f., 88 (Abb.); Uzsoki, Giselagrab 20, 19 (Abb.); Hielscher, Gisela 280; Weber, Gedenktafeln 66f.; Koch, Memoriengräber 133; Schmitt, Grabmäler 512; Niemeier, Erhebung 91, Abb. 3.
Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 2 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0000205.
Kommentar
Zur Schrift vgl. Einleitungskapitel S. XXXIII; zum Inschriftenträger bzw. zur Inschriftenart vgl. Einleitungskapitel S. LVIII.
Der Text der Umschrift lässt sich nicht ausreichend rekonstruieren. Er ist aber, wie bereits Schmid betont, rein religiösen Inhaltes und umfasst mutmaßlich keine Angaben zur Verstorbenen2). Offenbar enhält er einen Zusammenhang mit Christus in seiner Rolle als Erlöser (vgl. v.a. REDEMPTIS).
Gisela war die Tochter des Bayernherzogs Heinrich des Zänkers und seiner Gemahlin Gisela. Sie war mit König Stephan I. von Ungarn verheiratet. In den unsicheren Zeiten nach dem Tod ihres Gemahls im Jahre 1038 ließ sie sich 1045 in Passau im Kloster Niedernburg nieder, dem ihre Tante Heilika3) als Äbtissin vorstand, und nahm als Witwe den Schleier. Auf Heilikas Bitten hin hatte Giselas Bruder, Kaiser Heinrich II., das Kloster mit großem Grundbesitz4) und wichtigen Zoll- und Mautrechten dotiert. Er galt seither zusammen mit seiner Gemahlin Kunigunde als zweiter Stifter des Klosters. Nach dem Tode Heilikas wurde Gisela zur Äbtissin bestellt. Sie starb um 1060 in Niedernburg und wurde hier auch begraben5).