Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 34† St. Johannis 1406 o. später

Beschreibung

Tafel. Sie befand sich in der Sakristei.1)

Inschrift nach Reinbeck.

  1. Jam Domino nato milleno sex sociatoCum quadringentis virtute rogi vehementisSub tantis annis turris fuit usta Johannisa)Virginis in festo dum sumpsit ave Gabrielis2)Redduntur praestob) campanellaec) MichaelisAethereum fulmen tantum discrimen agebatFactum mox fuitd) horrida noxe) non laetitiae voxMulti prostrati laesi sunt fulminis ictuQuidam servati vita remanentf) sine victug)Evitare velis si poenash) ulterioresDaemonisi) a telisj) studeas convertere mores

Übersetzung:

Als der Herr bereits 1000, dazu 6 und 400 Jahre geboren war, verbrannte durch die Gewalt eines heftigen Feuers nach so vielen Jahren der Turm von (St.) Johannis am Fest der Jungfrau, als sie das „Ave“ Gabriels entgegennahm. Da wurden die kleinen Glocken von (St.) Michaelis zur Verfügung gestellt.(?) Es war ein Blitz aus dem Himmel, der diese große Gefahr verursachte. Es ging ganz schnell, es war eine schreckliche Nacht, und man hörte da keine fröhliche Stimme. Viele lagen dahingestreckt, vom Blitz getroffen, manche wurden gerettet und blieben am Leben, freilich ohne Lebensunterhalt. Wenn du weitere Strafen vermeiden willst, bemühe dich, deinen Lebenswandel von den Geschossen des Teufels abzuwenden.

Versmaß: Hexameter: zweisilbig leoninisch gereimt (1.–3. Zeile), zweisilbig zäsur- und endgereimt (4.–5. u. 8.–11. Zeile), Trininus saliens (7. Zeile).

Kommentar

Die Tafel erinnerte an den schweren Blitzschlag, durch den am 25. März 1406 der erst wenige Jahrzehnte zuvor errichtete Turm von St. Johannis zerstört wurde.3) Die von den Chronisten vielfach überlieferte Inschrift ist allem Anschein nach die einzige Quelle, die von dem Brand im Jahr 1406 berichtet. Die Inschrift deutet darauf hin, dass der Brand sich in der Stadt verbreitete und zahlreiche Opfer forderte.4)

Textkritischer Apparat

  1. Der Vers fehlt in allen Versionen bei Sagittarius.
  2. quaesto Krüger/Reinecke.
  3. campanellis alle Überlieferungen.
  4. fuit fehlt bei Gebhardi.
  5. Facta fuit mox horrida nox Rikemann u. Sagittarius.
  6. remanet Gebhardi.
  7. Der Vers fehlt bei Rikemann.
  8. poenes Gebhardi.
  9. Dominis Rikemann.
  10. intelis Gebhardi.

Anmerkungen

  1. Nach Reinbeck, Chronik, p. 351, befand sich die Inschrift in der Garve-Cammer.
  2. Mariä Verkündigung, 25. März. Der Vers nimmt eine Wendung aus dem Marienhymnus Ave maris stella auf: sumens illud Gabrielis ore. Cantus Database, ID 008272a.
  3. Vgl. zur Baugeschichte Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 68f.
  4. Wrede, Glocken, S. 17, stellt die Behauptung auf, nach dem Turmbrand seien durch den Glockengießer Dietrich von Münster mehrere Glocken gegossen worden, und gibt als Beleg einen Eintrag im Kopialbuch des Lüneburger Stadtarchivs (alte Sig. K II 155, 8. Mai 1410, heute Sig. AB 16, fol. 155r) an, wo vom Guss mehrerer Glocken durch Dietrich von Münster die Rede sein soll. Dies entbehrt jedoch jeder Grundlage, da in dem genannten Eintrag zwar von Geldgeschäften zwischen dem Glockengießer auf der einen und St. Johannis auf der anderen Seite die Rede ist, aber nirgends neugegossene Glocken erwähnt werden.

Nachweise

  1. Reinbeck, Chronik, p. 351.
  2. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 317f.
  3. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Lüneburg, fol. 190r/v.
  4. Hammenstede, Chronik, Ex. Stadtarchiv, Zusatzblatt vor fol. 117.
  5. Hammenstede, Chronik, Ex. Ratsbücherei, p. 147.
  6. Sagittarius, Historia, p. 139.
  7. Dithmers, Chronik, p. 101 (nach Reinbeck).
  8. Gebhardi, Collectanea, Bd. 2, p. 171 (nach Reinbeck).
  9. Bellmann, Chronica, p. 100.
  10. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 68 (nach Dithmers, Chronik).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 34† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0003406.